Humanität und Staatsräson auf Kollisionskurs: Der Schulzugang von Kindern irregulärer Zuwanderer

 

Stellungnahme des Sachverständigenrates deutscher Stiftungen für Migration und Integration (SVR) anläßlich der Veröffentlichung einer Studie über die Schulzugangsbarrieren für Kinder ohne Aufenthaltsstatus:

Alle Kinder haben ein Recht auf Bildung. Aber Kinder ohne Aufenthaltsstatus besuchen häufig aus Angst vor Entdeckung und Abschiebung nicht die Schule. Sie verlieren dadurch entscheidende Lebenschancen. Dies ist menschenrechtlich unvertretbar, zumal Kinder auf diese Weise mithaftbar gemacht werden für den irregulären Inlandsaufenthalt ihrer Eltern.

Einer humanitären Lösung stehen nationalstaatliche Interessen entgegen, insbesondere die Wahrung der territorialen Souveränität durch Grenzkontrolle und die Abschiebung von irregulär im Land lebenden Personen. Vor dem Hintergrund dieses Spannungsverhältnisses berichtet dieses SVR-Info über die Ergebnisse einer Studie für die Stiftung Mercator. In ihr wurde zum einen der rechtliche Status Quo hinsichtlich des Schulzugangs von Kindern irregulärer Zuwanderer in Deutschland erhoben, zum anderen wurde für die SVR-Studie eine Schätzung der Zahl statusloser Kinder im schulpflichtigen Alter vom Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) auf Basis der Logicom-Methode durchgeführt. So liegt die Zahl dieser Kinder bei maximal 30.000 für das Jahr 2008. Die bestehende Rechtspraxis für ihren Schulzugang ist vielgestaltig und unübersichtlich. Es ist davon auszugehen, dass viele statuslose Kinder keine Schule besuchen. In einigen Bundesländern unterliegen sie der Schulpflicht, in anderen wird ihnen immerhin das Recht auf Schulzugang ohne Schulpflicht eingeräumt. Doch auch in diesen Ländern wird der Schulzugang faktisch durch die im Aufenthaltsgesetz verankerte Übermittlungspflicht erschwert bis konterkariert.

Neben der uneinheitlichen Rechtspraxis bestehen verwaltungspraktische Hindernisse, die zu großer Rechtsunsicherheit unter Schulleitern, Lehrern und Familien ohne regulären Aufenthaltsstatus führen und statuslose Eltern von einem Schulbesuch ihrer Kinder abschrecken können.

Einige Länder und Kommunen wirken dieser Rechtsunsicherheit bereits mit landesrechtlichen Regelungen und kommunalen Initiativen entgegen. Durch das Aufenthaltsgesetz besteht jedoch weiterhin eine bundesweite gesetzliche Übermittlungspflicht. Nur durch deren Begrenzung bzw. Abschaffung im Fall des Schulbesuchs kann umfassende Rechtssicherheit erlangt werden. Zwischenzeitlich muss die Rechts- und Verwaltungspraxis auf kommunaler und Länderebene so geändert werden, dass der Schulzugang irregulärer Kinder davon unabhängig überall möglich wird.

Der legale Schulzugang von Kindern mit irregulärem Status ist unter humanitären Gesichtspunkten eine gesellschaftliche Notwendigkeit. Er ist aufgrund der überschaubaren Größenordnung auch unter politischen Gesichtspunkten verantwortbar.

 Lesen Sie weiter die Stellungnahme des SVR hier

Kinder ohne Aufenthaltsstatus – illegal im Land, legal in der Schule, Studie verfasst von Dr. Dita Vogel und Manuel Aßner