Nationaler Integrationsplan: Nebelkerzen aus dem Kanzleramt

von Mark Holzberger

In ihrem im Dezember 2007 vorgelegten 7. Lagebericht reklamiert die Staatsministerin im Bundeskanzleramt und Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Frau Prof. Dr. Maria Böhmer, für sich nicht weniger als einen „Paradigmenwechsel in der Integrationspolitik“ eingeleitet zu haben: „Der Bund geht [jetzt] neue Wege einer aktivierenden und nachhaltigen Integrationspolitik, die die Potenziale der Zugewanderten erkennt und stärkt und nicht allein auf die Defizite fokussiert“ – eine kühne Behauptung, nicht zuletzt wenn man sich in Erinnerung ruft, wie die Union noch in der letzten Wahlperiode die Integrationskurse des rot-grünen Zuwanderungsgesetzes bis zuletzt finanziell boykottiert haben.

Als Aushängeschild ihres „neuen integrationspolitischen Weges“ verkauft die Große Koalition nun gerne ihren Nationalen Integrationsplan (NIP). Und tatsächlich enthält der NIP auch viele gute und sinnvolle Selbstverpflichtungen nicht nur des Bundes, sondern auch von Ländern und Kommunen sowie der Zivilgesellschaft.

Der NIP hat jedoch einen zentralen Konstruktionsfehler: Für die Konservativen endet Integration nämlich immer dort, wo es darum geht, MigrantInnen Rechte an die Hand zu geben. Dementsprechend wird im NIP der Zusammenhang von Integration und Rechtssicherheit vollkommen ausgeblendet. Dies betrifft z. B. die Themenbereiche Einbürgerungsrecht und die Erweiterung von politischen Teilhaberechten (wie z. B. der grüne Vorschlag für ein Kommunales Wahlrecht). Dabei sollte uns doch allen klar sein: Der Wille und die Fähigkeit zur Integration ist nicht ohne die Gewährung von sicheren Aufenthaltsrechten bzw. rechtlichen Teilhabemöglichkeiten zu haben.

Hinzu kommt, dass die Große Koalition

  • die Gelder für die Integrationskurse des Zuwanderungsgesetzes über 50 Mio. € gekürzt hat, 
  • alle Vorschläge für die Verbesserung des aufenthaltsrechtlichen Schutzes für Opfer von Zwangsehen samt und sonders abgelehnt hat, 
  • die Einbürgerungsmöglichkeiten für junge Heranwachsende mit Migrationshintergrund erschwert hat und
  • im vergangenen Jahr in verfassungswidriger Weise den Ehegattennachzug faktisch zum Erliegen hat kommen lassen.

Die Grüne Fraktion hakt nach

Die Grüne Bundestagsfraktion hat nun versucht, die Selbstverpflichtungen der Bundesregierung im Nationalen Integrationsplan mithilfe einer Kleinen Anfragen zu durchleuchten – mit ernüchternden Ergebnissen.

Die Große Koalition hat sich dafür feiern lassen, dass sie im NIP vollmundig 134 Selbstverpflichtungen abgegeben hat. Wir haben nachgefragt, wie viele hiervon aus Mitteln des Bundeshaushalts tatsächlich umgesetzt werden (BT-Drs. 16/8280). Heraus kam:

1. 41 Selbstverpflichtungen (30 %) sind nicht mehr als unverbindliche Absichtserklärungen, die nichts kosten.
2. 93 Selbstverpflichtungen sind potentiell haushaltsrelevant.Hiervon kann die Bundesregierung aber nur in 40 Fällen einen Haushaltstitel zur Umsetzung ihrer haushaltswirksamen Selbstverpflichtungen nachweisen.

Im Umkehrschluss heißt dies: In 53 Punkten (also über der Hälfte der Fälle) kann oder will die Bundesregierung nichts zur Umsetzung ihrer haushaltswirksamen Selbstverpflichtungen sagen.Ganz zu schweigen davon, dass sich die Große Koalition immer wieder darum drückt, zuzugeben, dass ein Großteil ihrer Selbstverpflichtungen nichts anderes ist, als die Fortführung von Rot-Grün initiierte Integrationsprojekte.

Die Antwort der Bundesregierung auf diese Anfrage von uns war derart hanebüchen, dass wir offiziell beim Bundestagspräsidium Beschwerde eingelegt haben.

Also: Wer sich die Integrationspolitik der Großen Koalition aus der Nähe ansieht, erkennt, dass diese ganz schnell zusammenschrumpft – so wie ehedem der freundliche Scheinriese Herr Tur Tur bei Jim Knopf und Lukas dem Lokomotivführer.

Der Nationale Integrationsplan: Selbstverpflichtungen des Bundes, der Länder und der Kommunen Bild entfernt.
 

 

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Mark Holzberger ist Referent für Migrations- und Flüchtlingspolitik der Grünen Bundestagsfraktion.