Diversity als Thema für NGOs

Canadian protester for diversity

 

von Christian Schenk

Nichtregierungsorganisationen (NGOs) sind dadurch gekennzeichnet, dass sie dem Non-Profit-Sektor angehören, ausschließlich auf private Initiativen zurückgehen, vom Staat sowie seinen Institutionen unabhängig sind und Anliegen vertreten, die vom Verwaltungs- und/oder Regierungshandeln auf nationaler oder internationaler Ebene nicht oder nicht hinreichend berücksichtigt werden. Sie stützen sich auf ehrenamtliche Kräfte, aber in zunehmendem Maße auch auf professionelle und bezahlte MitarbeiterInnen und ExpertInnen. NGOs sind sowohl national als auch international aktiv und sie bewegen sich im Rahmen des rechtlich Zulässigen. Darüber inwieweit weitere Merkmale für NGOs konstitutiv sind bzw. sein sollten, gehen die Meinungen auseinander. Der Begriff NGO ist insofern nicht einheitlich definiert1

Im Folgenden verwende ich die Bezeichnung NGO ausschließlich für solche, die sich selbst als politische AkteurInnen verstehen bzw. mit einem interventionistischen oder gesellschaftsgestaltenden Anspruch agieren.

Diversity-Ansatz auch für NGOs?

Der Diversity-Ansatz ist als solcher in Deutschland in den 1990er Jahren als Managementmethode im betriebswirtschaftlichen Kontext (Diversity Management – DiM, siehe hierzu auch das Dossier Managing Diversity) bekannt geworden. Diese zielt darauf ab, durch eine diskriminierungsfreie und wertschätzende Arbeitsumgebung die Ressourcen der MitarbeiterInnen bestmöglich zu nutzen, mit auf die Bedürfnisse der (ebenfalls vielfältigen) Kundschaft zugeschnittenen Produkten sich auf verschiedenen Märkten positionieren zu können und darüber hinaus attraktiv zu werden für ethisch orientierte InvestorInnen.

DiM wird sowohl von Seiten der Ungleichheitsforschung, insbesondere der Gender / Queer Studies, als auch von nicht wenigen ProtagonistInnen des in Deutschland vor allem im Bereich der öffentlichen Verwaltung praktizierten Gender Mainstreaming in mehrfacher Hinsicht kritisiert.

Die zentralen Punkte dieser Kritik sind:

  • DiM wird vorgeworfen, dass es dabei allein um die bessere Nutzung des Humankapitals ginge, nicht jedoch um Gerechtigkeit als solche. Die Auswahl der Diversity-Merkmale würde allein nach der Situation im jeweiligen Markt und unabhängig von den in der Gesellschaft existierenden Gerechtigkeitsdefiziten getroffen. Zudem würde dieser Ansatz nur solange verfolgt, wie ein betriebswirtschaftlicher Nutzen zu erwarten ist. Dem ist entgegenzuhalten, dass auf gesamtgesellschaftlicher Ebene die Bekämpfung struktureller Diskriminierung oder Benachteiligung und die Sicherung von Chancengleichheit, Teilhabe etc. eine staatliche und zivilgesellschaftliche Aufgabe ist. Unternehmen hingegen sind per definitionem Organisationen zum Zweck der Profitgewinnung und nicht Organe der Regierung oder der Zivilgesellschaft. Soziale Gerechtigkeit als gesellschaftliche Zielgröße liegt notwendigerweise außerhalb ihres Horizonts, der stets ein unternehmens- und profitorientierter sein muss. Deshalb können sie auch nicht zielgerichtet zu einem Abbau der strukturell bedingten Spaltungen in der Gesellschaft beitragen.
     
  • Des Weiteren steht DiM im Verdacht, die Geschlechterfrage in der grundsätzlich offenen Liste der Diversity-Merkmale zu relativieren, wenn nicht gar zu entsorgen. Ein Blick in die betriebswirtschaftliche Managementliteratur zeigt zwar, dass diese Befürchtung nicht unbegründet ist2, jedoch ist die Unterschätzung der Bedeutung der Kategorie Geschlecht im Rahmen des Diversity-Ansatzes nicht intendiert (siehe hierzu "Die Verbindung zwischen Gender(forschung) und Managing Diversity").
     
  • Außerdem wird dem DiM der Vorwurf gemacht, Unterschiede lediglich als individuelle oder gruppenbezogene Differenzen zu begreifen und dabei weder die gesellschaftliche Bedingtheit der Hierarchisierungen entlang von Geschlecht, ethnischer Herkunft, sexueller Orientierung, etc. zu sehen noch die in solche Kategorienpaaren wie Frau/Mann, weiblich/männlich, Mensch mit/ohne Behinderung oder mit/ohne Migrationshintergrund, heterosexuell/homosexuell etc. eingeschriebenen Machtverhältnisse zu erfassen. Moniert wird auch, dass beim DiM die Verschränkungen und Interdependenzen zwischen den einzelnen Diversity-Dimensionen3 nicht berücksichtigt werden4. All dies ist zwar zutreffend, dennoch geht diese Kritik insofern fehl, weil sie übersieht, dass DiM als auf den betriebswirtschaftlichen Rahmen begrenzter Ansatz tatsächlich „nur“ sozialtechnisch und pragmatisch angelegt sein kann.

Mit dieser skeptischen und bisweilen ablehnenden Sicht auf DiM wird zuweilen die Auffassung begründet, der Diversity-Ansatz sei nicht auf den Non-Profit-Bereich, also auch nicht auf NGOs übertragbar. Er habe, da als Mittel zum Zweck der effektiveren Ausbeutung der Belegschaft und zur Profitmaximierung konzipiert, auf die Fragestellungen in gerechtigkeitsorientierten Bereichen keine Antwort5. Hierbei wird übersehen, dass der Ansatz eines wertschätzenden Umgangs mit Vielfalt seine Wurzeln auch in den Bürgerrechtsbewegungen der frühen 1950er Jahre in den USA hat und insofern einem gerechtigkeitsorientierten Diskurs entspringt6. Er ist also nicht von vornherein auf bestimmte Anwendungsbereiche festgelegt und insofern universell anwendbar.

Der Diversity-Ansatz ist eine Herangehensweise, deren Resultate entscheidend von der Problembeschreibung, der Zielformulierung, dem im jeweiligen Feld angewandten Methodenapparat sowie vor allem vom Verständnis von Diversity abhängen. Von daher ist eine pauschalisierende Beurteilung des Diversity-Ansatzes nicht möglich. Er ist - notwendigerweise - selbst divers.

Um das zu verdeutlichen, soll im Folgenden gezeigt werden, inwieweit - sowohl im Profit- als auch im Non-Profit-Bereich - das Verständnis von Vielfalt (Diversity) Einfluss auf das Ergebnis des Diversity-Ansatzes haben kann7:

Diversity bezeichnet zunächst lediglich die Verschiedenheit von Individuen hinsichtlich sog. Diversity-Dimensionen oder -Merkmale. Meist werden Alter, Geschlecht, ethnische Herkunft, Hautfarbe, körperliche Leistungsfähigkeit, Religion oder Weltanschauung, sexuelle Orientierung, in manchen Fällen auch Berufserfahrung und Familienstand sowie weitere genannt.

  • Diversity kann entweder als Menge gruppentypischer Eigenschaftskonglomerate verstanden werden, von denen jedes für eine bestimmte Gruppe (z.B. Frauen, Schwule, Menschen türkischen Ursprungs, Schwarze etc.) als typisch angesehen wird und durch das sich ein Angehöriger dieser Gruppe von Angehörigen anderer Gruppen unterscheidet. Die Folge sind Stereotypisierungen wie sie z.B. im Reden von den besonderen sozialen Fähigkeiten von Frauen oder von der höheren Technikkompetenz von Männern zum Ausdruck kommen. Ein darauf fußender Diversity-Ansatz wird auf die Durchsetzung von Diskriminierungsverboten oder die Durchführung gruppenspezifischer Fördermaßnahmen beschränkt bleiben; die MitarbeiterInnen der Organisation bzw. deren AdressatInnen kommen nicht als Individuen (mit möglicherweise von den kollektivierenden Zuschreibungen abweichenden Eigenschaften) in den Blick.
     
  • Diversity kann aber auch als Gesamtheit der Merkmale begriffen werden, in denen sich Menschen voneinander unterscheiden oder Gemeinsamkeiten aufweisen können. In einem solchen Diversity-Verständnis ist es möglich, die Verschiedenartigkeit von Individuen jenseits von Gruppenzuschreibungen zu erfassen. Hier wird die minderheitenpolitische Defizitperspektive verlassen und die Möglichkeit eröffnet, nicht nur auf der individuellen Ebene Diskriminierungen, Vorurteile und Stereotypisierungen abzubauen, sondern auch die in der Organisation bestehenden Strukturen, Normen, Wertmaßstäbe und Mechanismen, die die Zugänge zu Positionen und Ressourcen regeln, so zu verändern, dass die Diversity-Merkmale keine Rolle mehr spielen und die Wertschätzung von Vielfalt Realität wird.

Es hängt also wesentlich vom Diversity-Verständnis ab, welche Impulse mit einem Diversity-Ansatz in einer Organisation gesetzt werden können.

Im nächsten Abschnitt soll gezeigt werden, inwiefern die Reichweite des Diversity-Ansatzes auch vom Typus einer NGO abhängen kann.

Zur Bedeutung des Diversity-Ansatzes für NGOs

Die Arbeit von NGOs besteht vor allem aus Öffentlichkeitsarbeit, (medienwirksamen) Aktionen und Kampagnen, Lobbyarbeit auf parlamentarischer und Regierungsebene, Vernetzung, Einwerbung von Spenden und Projektmitteln, Mitgliedergewinnung sowie Selbstverwaltung. In all diesen Aspekten hängt der Erfolg davon ab, inwieweit eine Organisation selbst divers ist und dies in ihren Aktivitäten zum Tragen kommt. NGOs werden dies jedoch in sehr unterschiedlicher Weise als Herausforderung und Chance begreifen (können).

Um genauer zu erfassen, in welchem Maße der Diversity-Ansatz für NGOs relevant ist oder sein kann, scheint mir eine Typisierung von NGOs hilfreich zu sein. Mit Blick auf die Motive der AkteurInnen und die sich daraus ergebenden Zielstellungen unterscheide ich NGOs je nach dem im Vordergrund stehenden Handlungsmotiv in folgender Weise:

  • Interessenvertretung für bestimmte Personen(-gruppen)8 
    Hierzu zählen z.B. Gewerkschaften, ArbeitgeberInnnenverbände, Frauenorganisationen, Verbände für Menschen mit Behinderungen oder für Menschen mit Migrationshintergrund, LGBTI9-Vereinigungen  oder ArbeitgeberInnenverbände. Auch Zusammenschlüsse von Waffenliebhabern wären hier einzuordnen.
     
  • Einflussnahme auf die Gesellschaftsgestaltung auf der Grundlage einer ideologisch oder religiös bestimmten Weltsicht
    Religiöse sowie spirituell inspirierte Gemeinschaften, aber auch bestimmte Parteien10 gehören zu dieser Gruppe.
     
  • Einsatz für Ziele, die über die Verfasstheit oder persönliche Interessenlage der Agierenden hinausweisen; Themen sind z.B. Achtung der Menschenrechte, Kampf gegen die Umweltzerstörung, gegen die negativen Folgen der Globalisierung, gegen die Privatisierung (bislang) öffentlicher Güter, für die Gleichberechtigung und Gleichstellung der Geschlechter, für die Einführung von direkter Demokratie.
    Hierzu gehören Organisationen wie z.B. Terre des Hommes, Greenpeace, WWF, Transparency International, Ärzte ohne Grenzen, Amnesty International, Attac oder Food Watch.

In der Praxis sind durchaus auch Mischformen anzutreffen. Wenn z.B. von NGOs des hier zuerst genannten Typs geschlechtshierarchisierende Strukturen bzw. Politiken oder die Diskriminierung von Menschen mit Migrationshintergrund oder mit Behinderungen kritisiert werden, stehen damit - allerdings als Folge und nicht als Hauptziel - zugleich auch Demokratiedefizite sowie die Grundsätze der Gesellschaftsgestaltung insgesamt zur Diskussion, die eher Thema des letztgenannten Typs von NGO sind.

Für alle drei Typen von NGOs ist der Diversity-Ansatz von Bedeutung, aber zugleich auch eine Herausforderung und dies in unterschiedlichem Maße:

  • NGOs, die sich als Interessenvertretungen für Menschen mit bestimmten Merkmalen verstehen und für die die gruppenbezogene Perspektive die Basis ihres Selbstverständnisses und ihres Handelns ist, werden nur in begrenztem Umfang offen sein (können) für einen umfassenden Diversity-Ansatz. Sie würden ansonsten ihres Alleinstellungsmerkmals verlustig gehen und als Organisation nicht wie bisher fortbestehen können. Jedoch bleibt es diesen NGOs unbenommen, die Verflochtenheit des von ihnen jeweils in den Vordergrund gestellten Merkmals mit anderen, darunter auch solchen, die bislang im Rahmen des Diversity-Ansatzes nicht oder kaum thematisiert worden sind, wie z.B. die soziale Situation, herauszuarbeiten und zu kommunizieren. Dabei wird das für die NGO identitätsstiftende Merkmal allerdings immer den übrigen Diversity-Dimensionen übergeordnet werden. Hinsichtlich ihrer Binnenstruktur lässt sich - aus gleichem Grund - der Diversity-Ansatz ebenfalls nur begrenzt verwerten. 
     
  • Bei NGOs, für die ideologisch oder religiös definierte Weltbilder Motiv und Maßstab ihres Handelns sind, sind Diskriminierungen und Unwerturteile notwendigerweise, wenn auch in unterschiedlich starkem Maße, Bestandteil des geistigen Fundaments und des Handelns. Beispiele hierfür sind die Bewertung von Homosexualität durch die römisch-katholische Kirche, die Ablehnung der Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare durch konservative Parteien oder die offene Aversion rechtsgerichteter Parteien gegenüber Menschen, die sich bzgl. ihrer ethnischen Herkunft von der (Noch-)Mehrheitsbevölkerung unterscheiden. Ein Diversity-Ansatz wird hier nicht bzw. nur in äußerst begrenztem Umfang Fuß fassen können11
     
  • Bei NGOs mit nicht ideologiegebundenen, universellen, global bedeutsamen und merkmalsunabhängigen Zielstellungen steht im Unterschied zu den beiden erstgenannten einer Anwendung des Diversity-Ansatzes nichts entgegen. Im Gegenteil: Der reflektierte und proaktive Umgang mit Vielfalt ist hier für Reichweite und Erfolg entscheidend. Das gilt sowohl für die Organisation selbst (mit Blick auf Mitgliedergewinnung, Attraktivität für SpenderInnen und sonstige GeldgeberInnen), als auch für die Art und Weise der Kommunikation der Ziele (Lobbyarbeit, mediale Präsentation der Organisation und ihres aktuellen Anliegens) und schließlich für die Arbeit mit Menschen im Wirkungsbereich, die von der jeweiligen Aktion oder Kampagne in besonderer Weise betroffen sind. Letzteres kann insbesondere dann zur Herausforderung werden, wenn deren Interessen, z.B. an der (wenn auch evtl. nur kurzfristig möglichen) Erhaltung von Arbeitsplätzen oder dem Entstehen neuer mit dem Ziel kollidiert, die Umwelt zu erhalten und zu schützen. Dies erfordert nicht nur fundierte Kenntnisse über die Situation im „Zielgebiet“ und der dort maßgeblichen Werte, Normen, Erwartungen, Kommunikationsregeln und kulturellen Hintergründe, sondern auch die kritische Reflexion der kulturellen Verfasstheit der NGO selbst. Interkulturelle Kompetenz i.w.S. ist hier gefragt - insbesondere dann, wenn die Organisation in einem Gebiet tätig wird, dem ihre AkteurInnen nicht entstammen 12. NGOs dieses Typs haben also allen Grund, sich mit dem Diversity-Ansatz auseinanderzusetzen.

Insbesondere NGOs des letztgenannte Typs haben dabei die Möglichkeit, ein umfassendes Verständnis von Diversity, in das nicht nur weitere Merkmale, wie z.B. die soziale Stellung in der Gesellschaft, sondern auch intersektionale Verschränkungen zwischen den Diversity-Dimensionen mit einbezogen werden, zu kommunizieren. Gleichzeitig haben sie auch die Chance, einen solchen Ansatz nach innen zu verwirklichen und nach außen in die politische Praxis einzubringen, weil sie rechtlich weniger gebunden sind als die öffentliche Verwaltung13 und nicht zu betriebswirtschaftlichen Engführungen gezwungen sind. Sie sind möglicherweise sogar die einzigen politischen AkteurInnen von Gewicht, die die Verletzung von Menschenrechten - auch durch Gerechtigkeits- und Demokratiedefizite - tatsächlich und nicht nur rhetorisch umfassend thematisieren können.

 

Endnoten

1 Näheres hierzu: Frantz, Christiane/Martens, Kerstin: Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Wiesbaden 2006. S. 21-24.
2 So z.B. in Becker, Manfred; Seidel, Alina (2006): Diversity Management. Unternehmens- und Personalpolitik der Vielfalt. S. 13.
3 So wird beispielsweise die Dimension Geschlecht nur unzureichend erfasst, wenn nicht zugleich ihre Verknüpfung mit den Normen der Zweigeschlechtlichkeit und der Heterosexualität (Heteronormativität) thematisiert und ihrer scheinbaren Selbstverständlichkeit und Natürlichkeit entkleidet wird.
4 Hardmeier, Sibylle; Vinz, Dagmar (2007): Diversity und Intersectionality. In: Femina Politica, H. 1. S. 23-33.
5 So z.B. Stiegler, Barbara (2005): Gender Mainstreaming, Frauenförderung, Diversity oder Antidiskriminierungspolitik - Was führt wie zur Chancengleichheit? In: Zeitschrift für Frauenforschung & Geschlechterstudien Jg. 23, H. 3, S. 9-21.
6 Näheres hierzu unter http://www.christian-schenk.net/ / Texte / Diversity Management (25.06.2008).
7 Genauer für den Bereich der Wirtschaft: Thomas, David A./Ely, Robin J. (1996): Making Differences Matter. A New Paradigm for Managing Diversity. Harvard Business Rev. September-October. Sonderdruck. S. 1-12.
8 Die AktivistInnen müssen dabei der jeweiligen Gruppe nicht notwendigerweise angehören.
9 Sammelbezeichnung für Lesben, Schwule (Gay), Bisexuelle, Transsexuelle bzw. Transgenders und intersexuelle Menschen.
10 Parteien werden in der Literatur nicht zu den NGOs gezählt. Das Argument, sie strebten nach staatlicher Macht, betrieben ausschließlich Klientelpolitik und erfüllten insofern nicht die Kriterien für NGOs (so z.B. in Frantz, Christiane/Martens, Kerstin: Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Wiesbaden 2006. S. 24 und 27), überzeugt jedoch nicht. Zum einen trifft dies nicht auf alle Parteien zu, insbesondere nicht auf jene, die keine reale Chance auf Überwindung der 5%-Hürde haben und zum anderen entspricht es weder dem Selbstverständnis noch der Praxis der meisten Parteien, nur für eine bestimmte Gruppe Politik zu machen. Zudem würde dieser Vorwurf alle NGOs, die sich für gruppenbezogene Interessen einsetzen, ebenso treffen.
11 Das heißt nicht, dass nicht auch Veränderungen in der Weltsicht dieser NGOs stattfinden können. Diese wären jedoch eher auf gesellschaftliche Entwicklungen und die Veränderungen in der Resonanz auf den vertretenen Ansatz (oder zuweilen auch durch die Rechtsprechung) zurückzuführen und kaum auf eine bewusste Auseinandersetzung mit dem Diversity-Ansatz.
12 Zur Kritik an unzureichend reflektierter Entwicklungszusammenarbeit siehe z.B. Bashin, Kamla (2004): Gender Training ist durch fragmentiertes Denken bedroht. In: Netzwerk Gender Training (Hg.): Geschlechterverhältnisse bewegen. Erfahrungen mit Gender Training. Königstein/Taunus. S. 47-55.
13 Öffentliches Verwaltungshandeln ist an gesetzliche Vorgaben gebunden und von daher hier ausschließlich die in den verschiedenen Rechtsvorschriften gegen Diskriminierung und für Gleichbehandlung (AGG, BGG, BGleiG, SGB) genannten Diversity-Dimensionen Behinderung, Alter, ethnischen Herkunft, Geschlecht, Religion bzw. Weltanschauung, oder sexuelle Identität von Bedeutung. Für das Binnenhandeln der Verwaltung ist zudem Art 33 Abs. 2 GG zu beachten, der den Zugang zu öffentlichen Ämtern ausschließlich an Eignung, Befähigung und fachliche Leistung knüpft, die Diversity-Merkmale insofern keine unmittelbare Rolle spielen (dürfen).

 

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Christian Schenk ist Physiker und war von 1990-2002 Bundestagsabgeordneter mit den Schwerpunkten Geschlechtergleichstellung und und Politik für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle bzw. Transgenders und intersexuelle Menschen.