Designing Community: Gedanken zu meiner Diplomarbeit und ihrer Rezeption in der Schwarzen Community

 

von Barbara Mugalu

Bei der Wahl meines Diplomthemas traf ich die Entscheidung, mich »meinem Thema« zu stellen und Antworten darauf zu finden, was es für mich bedeutet, Schwarz und deutsch zu sein. Meine deutsche Sozialisation trug dazu bei, dass ich viele rassistische Bilder, die es über Schwarze gibt, selbst nicht dekonstruieren konnte, was sich wiederum auf meine konkrete Lebenssituation auswirkte. Die Auseinandersetzung mit dieser Thematik hat mir meine Geschichte – ein Kapitel verdrängter deutscher Geschichte – nahe gebracht. Und ich fühle mich in der Tat befreit!

Konzeption und Gestaltung des Magazins »Weiß_Schwarz. Afro-Deutsche Geschichte«

Gestaltung kann, muss aber nicht zwangsläufig oberflächlich sein. Als Kommunikations-Designerin habe ich gelernt, Sachverhalte und Gefühle zu verschiedenen Themenstellungen zu visualisieren und auf diese Weise nachhaltig und prägnant auszudrücken. Nicht umsonst heißt es: »Ein Bild sagt mehr als 1.000 Worte« und genau solche »Bilder« möchte ich erzeugen. Ich möchte mit meiner Arbeit offensichtliche aber auch versteckte Botschaften aussenden, die verstanden und angenommen werden – allerdings, weil sie wahr und wichtig sind und nicht, weil sie auf irgendwelchen tradierten Vorstellungen, Klischees und Vorurteilen beruhen. Ziel der Arbeit einer Kommunikations-DesignerIn ist es, zu informieren und auf Meinungen, Haltungen oder Handeln einzuwirken. Das birgt sowohl Chancen als auch Gefahren, in jedem Fall sollte man sich dieser Verantwortung immer bewusst sein.

Ziel der Diplomarbeit war es, eine innovative und inhaltlich anspruchsvolle Kommunikationsaktion zu entwickeln, die der angestrebten Zielgruppe von Jugendlichen und jungen Erwachsenen sowohl die Bedeutung als auch die Zusammenhänge von Rassismus, Vorurteilen und Stereotypen als individuelles und gesellschaftliches Problem in Deutschland bewusst macht. Als Medium hierfür wählte ich ein Magazin. Dieses bietet die Möglichkeit, umfangreiche Informationen zusammenzufassen. Es vermittelt – im Gegensatz zu einem klassischen Buch – Aktualität und hebt sich schon dadurch deutlich von anderen Publikationen zu dieser Thematik hervor.

Die historischen und gegenwärtigen Dimensionen des Phänomens Rassismus werden im Magazin, unter dem Titel »Weiß_Schwarz. Afro-Deutsche Geschichte«, exemplarisch anhand der Geschichte Schwarzer deutscher Menschen erörtert. Die ungewöhnliche Konzeption und Gestaltung des Magazins erleichtert den thematischen Zugang. Durch interaktive Momente, indem z.B. etwas aufgeklappt, auf- oder abgerissen werden muss, soll die Zielgruppe überrascht und dazu motiviert werden, weiter in das Thema einzusteigen. Wissenschaftliche und persönliche Texte ergänzen einander als gleichberechtigte Expertisen. Reichhaltiges Bildmaterial und eine dem Magazin beigefügte Musik-CD behandeln das Thema darüber hinaus auch auf einer emotionaleren Ebene.

Das Magazin ist in 16 Abschnitte gegliedert, die sechs Themenschwerpunkte umfassen. Seine Ausmaße (26,5 x 36 cm) sind ungewöhnlich groß. Es soll sich nirgendwo einfach einreihen lassen, sondern immer auffallen, sich geradezu aufdrängen!

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Es gibt für das Magazin vier verschiedene Umschläge. Zum Motiv haben sie jeweils eine Abbildung von einem Ausschnitt eines menschlichen Bauches und Teile der Arme oder Hände, wobei jedoch Hautfarbe und Geschlecht variieren. Dass zum einen Haut und dann noch verschiedene Hauttöne gezeigt werden, soll  auf die Thematik hinweisen. Die Bandbreite der Cover soll verdeutlichen, dass es zwar Unterschiede gibt, aber letztendlich ein Bauch ein Bauch und ein Mensch ein Mensch ist, den es in seiner jeweiligen Verschiedenheit anzunehmen gilt. Durch die Wahl des Ausschnitts, der immer auch den Bauchnabel mit abbildet, soll zusätzlich der Begriff Nabelschau (= Selbstbetrachtung) visualisiert werden bzw. assoziiert werden können. Es geht um die Betrachtung der eigenen Verwicklung im rassistischen Diskurs aus der Perspektive des Opfers und/oder der TäterInnen.

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Der direkte Einstieg in das Magazin selbst erfolgt zunächst ohne Einführung unvermittelt und provokant, indem auf drei Doppelseiten Portraits von Menschen afrikanischer Herkunft gezeigt werden, deren Gesichter jedoch hinter stereotypen »N****-Aufklebern« verschwinden. Sehr plakativ wird hier verdeutlicht, dass es zwei Ebenen der Wahrnehmung gibt: der reale Schwarze Mensch, der aber auf Grund der Dominanz von Vorurteilen und Stereotypen gänzlich in den Hintergrund tritt bzw. unkenntlich gemacht wurde.  

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In den nachfolgenden Abschnitten werden Begriffe wie Vorurteile, Rassismus, Rechtsextremismus, Ausländerfeindlichkeit, Fremdenhass und Rasse erläutert. Innerhalb dieses Themenschwerpunktes ist der Abschnitt »Rasse Mensch« gestalterisch hervorgehoben. Er liefert tiefer gehende Informationen zum Konstrukt der Menschenrassen. Die Doppelseite, die dieser Abschnitt einnimmt, wird mit einem Altarfalz auf das halbe Seitenformat gebracht. Dadurch, dass diese Seiten zum Lesen aufgeklappt werden müssen, soll Neugierde geweckt und die Lesemotivation gesteigert werden. Auch die Abbildung des Schäferhundes in Kombination mit der Headline »Rasse Mensch« verfolgt dieses Ziel.

 

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Der Themenschwerpunkt »Geschichte« beginnt mit der Untersuchung, warum schwarze Menschen diskriminiert werden und wann die Formierung des Rassismus zu verorten ist. Die Erläuterungen münden in den Abschnitt »Verdrängte Geschichte, Deutsche Kolonialzeit«, welcher jedoch mit einem Siegel zugeklebt ist. Die Handlung des Aufreißens, die vollzogen werden muss, um an die Informationen zu gelangen, soll eine bewusste Entscheidung herbeiführen, die Texte lesen zu wollen.
 

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Der darauf folgende Abschnitt verdeutlicht, dass die koloniale Vergangenheit auch heute noch an vielen Stellen allgegenwärtig ist und eine öffentliche Auseinandersetzung offensichtlich nicht stattgefunden hat. Auf den nächsten Seiten wird dann die Geschichte Schwarzer Menschen in Deutschland beleuchtet. Eingeleitet wird dieses Kapitel mit Daten von Schwarzen Persönlichkeiten, die über die Jahrhunderte in Deutschland gelebt haben oder noch leben. Die Daten sind an Punkten ausgerichtet, die, wenn man sie verbindet, den Umriss von Deutschland ergeben. Dadurch soll gezeigt werden, dass es sich dabei um eine Schwarze deutsche Geschichte handelt.

 

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Das Kapitel »Hautfarbe«wird mit der Darlegung, dass es nicht egal ist, welche Hautfarbe man hat und welche Privilegien mit dem Weiß-Sein verbunden sind eingeleitet. Mitten auf den Text ist eine Postkarte aus Spiegelfolie mit einem Klebepunkt fixiert. Diese soll den Leser dazu einladen, sich unter dem Gesichtspunkt der Konstruktion >Hautfarbe< zu betrachten. Der nächste Aspekt »Farbenlehre« beleuchtet, wie sich christlich-mythologische und koloniale Konzeption in die europäische Farbsymbolik von weiß und schwarz eingeschrieben haben. Er wird auf einer halben magentafarbenen Seite behandelt. Dahinter folgend sieht man schon das Bild einer Frau in der Rückenansicht mit einem Sonnenbrand. Hier wird erörtert, dass die Tendenz besteht, Schwarze Menschen stets an der Ähnlichkeit mit westlichen Werten zu beurteilen, das heißt, je ähnlicher den EuropäerInnen, desto besser. Das vollflächige Bild, auf dem der Text positioniert wurde, steht konträr zum Text, da es verdeutlicht, dass ironischerweise viele weiße Menschen einiges auf sich nehmen, um einen möglichst dunklen Hautton zu bekommen.

Der Themenschwerpunkt »Sprache« wird mit einem Gedicht von May Ayim eingeleitet. Danach folgt auf der nächsten Seite eine Abbildung von einer Ansammlung weißer deutscher Menschen in bayerischen Trachten. Auf dem Bild steht die Headline »Eingeborene?«. Die Kombination von Bild und die als Frage formulierte Headline sollen, schon bevor man den Text gelesen hat, zum Nachdenken anregen, wie sich die rassistische Benennungspraxis aus der Kolonialzeit bis heute in unserer Sprache niederschlägt. Durch die Projektion dieses Begriffs auf weiße Menschen soll dem Betrachter die abwertende Konnotation bewusst werden.

Dass Sprache als Machtmittel fungiert und dementsprechend auch verletzen kann, wird als weiterer Aspekt in diesem Abschnitt beschrieben. Es wird darüber hinaus aufgezeigt, wie und warum viele Menschen mit Widerstand reagieren, wenn man darauf hinweist, dass sie rassistische Wörter verwenden.

Ein weiterer Punkt ist die kritische Auseinandersetzung mit Wörterbüchern, und es wird erläutert, wie Sprache dazu beitragen kann, rassistische Denkvorstellungen zu überwinden. Hieran schließt sich eine Doppelseite an, die wieder dem halben Seitenformat entspricht, weil beide Seiten nach innen eingeschlagen wurden. Hier werden rassistische Bezeichnungen für Schwarze Menschen (z.B. Mulatte, Farbiger, Hottentotte) mit Hilfe ihrer etymologischen Wurzel und dem Bedeutungsgehalt, der ihnen innewohnt, entlarvt. »Offensichtlich« rassistische Benennungen finden hier jedoch keine Erwähnung. Es geht vielmehr um die Bezeichnungen, die von vielen Menschen völlig unreflektiert verwendet werden, weil sie davon ausgehen, dass sie eben nicht rassistisch seien.

Damit Lesende aber nicht mit einem großen Fragezeichen und völlig verunsichert dieses Kapitel abschließen müssen, wird am Ende noch aufgeführt, wie Schwarze Menschen, wenn überhaupt notwendig, nach eigener Selbstbezeichnung benannt werden. Das Kapitel endet mit der Aufforderung, immer nachzufragen, wenn man unsicher ist!

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Der Schluss beginnt mit Literaturvermerken und Bildnachweisen. Danach folgen unerwartet noch drei Doppelseiten. Sie wiederholen die Bildmotive der Einstiegsseiten (Portraits Schwarzer Menschen), diesmal jedoch freigelegt - also ohne (rassistische) Aufkleber. Der dazugehörige Text spricht Lesenden nunmehr direkt an, da die abgebildeten Personen zu den anfänglichen Vorurteilen Stellung nehmen bzw. sie negieren. Lesende sollen an dieser Stelle noch einmal persönlich berührt werden und so auch motiviert werden, die eigenen Vorurteile und Bilder im Kopf zu überdenken. Die Wiederholung der Bilder rundet das Magazin ab und bringt es zu einem „guten Ende“.

Die große Resonanz auf meine Diplomarbeit ist für mich überraschend gekommen. Sie wurde inzwischen mit mehreren Preisen ausgezeichnet: red dot design award 2005, Senatspreis der Hochschule Niederrhein für die jahresbeste Diplomarbeit im Fachbereich Design sowie dem Förderpreis "pro creatione" für außergewöhnliche Designlösungen, durch den Verein der Freunde und Förderer des Fachberechs Design der Hochschule Niederrhein. Außerdem habe ich über sie Kontakte zu (Schwarzen) Menschen gewonnen, die sich mit dem Thema politisch, wissenschaftlich und künstlerisch auseinandersetzen. Ich würde mir wünschen, dass meine Arbeit veröffentlicht und vielen Menschen zugänglich gemacht wird, um so einen Beitrag für ein gesellschaftliches Umdenken zu leisten.

 

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Barbara Mugalu studierte Kommunikations-Design und arbeitet seit 1999 freiberuflich als Grafik-Designerin. Sie erhielt für ihre Diplomarbeit diverse Auszeichnungen.