Wirtschaftliche Chancen nutzen, Potentiale der Einwanderung fördern

Neuere wirtschaftspolitische Beschlüsse und Positionspapiere der Grünen stellen die wirtschaftlichen Potentiale von Einwanderung und Migration heraus. Sie zeigen Wege zur Förderung der Potentiale der hier lebenden MigrantInnen sowie zur Verbesserung der Attraktivität des Standorts Deutschland für qualifizierte Menschen und UnternehmerInnen aus dem Ausland.

Grüne Marktwirtschaft
Das zur Zeit viel diskutierte Strategiepapier „MehrWert - Grüne Marktwirtschaft“, das führende Grünen PolitikerInnen im Vorfeld des wirtschaftspolitischen Kongresses der Partei im November 2006 verfasst haben, nennt als Ziele einer Grünen Marktwirtschaft die Eröffnung fairer Zugangschancen für alle, die weitsichtige Sicherung ökologischer Rahmenbedingungen, einen effizienten Ressourcengebrauch sowie eine sozial gerechte und ökologisch nachhaltige Gestaltung der Globalisierung. Kernelemente dieses Konzepts sind offene Märkte, die den Wettbewerb fördern, neue Beschäftigungsstrategien zur Schaffung von Arbeitsplätzen, Ansätze zu einem schonenden Umgang mit begrenzten Ressourcen, die Reform der Sozialversicherungssysteme, die Erleichterung von Unternehmensgründungen für in- und ausländische Investoren, die Verbesserung des Zugangs von Frauen zu Spitzenpositionen in Wissenschaft und Wirtschaft sowie Maßnahmen zu einer Konsolidierung der öffentlichen Haushalte.

In Bezug auf die Potentiale der MigrantInnen sowie der wirtschaftlichen Chancen durch Integrations- und Einwanderungspolitik setzt das Konzept einerseits auf die vom US-Regionalökonomen Richard Florida entworfene Formel Toleranz, Technologie und Talente. Kreativität und Bildung sowie die Offenheit gegenüber ethnisch-kultureller Vielfalt seien die entscheidenden Wachstumsfaktoren für Wirtschaftsregionen der Zukunft. Andererseits soll die Internationalität der deutschen Wirtschaft ausgebaut werden. Hierfür empfiehlt das Konzept eine gezielte und gesteuerte Einwanderung von hochqualifizierten Menschen, die bessere Förderung der Potentiale von MigrantInnen und der ethnischen Ökonomie sowie die Schaffung von stärkeren Anreizen für ausländische Direktinvestitionen.

Toleranz, Technologie und Talente
Das Grünen Konzept stützt sich auf neuere Theorien und empirische Studien zur Wissensgesellschaft, darunter die von Richard Florida. Danach ist wirtschaftliches Wachstum im Übergang von einer Industrie- zu einer Wissensgesellschaft insbesondere in den wissensintensiven Dienstleistungen zu erwarten und durch eine zunehmende wissens- und kulturorientierte Ausrichtung des Wirtschaftslebens zu forcieren. Aus dieser Sicht werden Bildung zu Wissen und Kreativität und der Zugang zu Information zu unabdingbaren Ressourcen für die wissensbasierte Ökonomie und die Entdeckung neuer Ideen und markgängiger Innovationen zu einem entscheidenden Faktor im globalen Standortwettbewerb.

Kreatives, risikofreudiges Denken und innovatives Handeln entfalten sich dort besonders gut, wo ein Klima der Offenheit für neue Ideen und Einflüsse von Andersdenkenden sowie ein positiver und produktiver Umgang mit unterschiedlichen Sichtweisen und Fähigkeiten herrschen. Kreative Menschen arbeiten am besten in einem Milieu der Vielfalt unterschiedlicher Ethnien, Kulturen und Subkulturen sowie Lebens- und Arbeitsformen, die durch ein hohes Maß an motivierendem Wissensaustausch ausgezeichnet sind. Gegenseitige Toleranz, Anerkennung und Respekt sowie ein diskriminierungsfreies Zusammenleben in Vielfalt gelten als Grundvoraussetzung dafür, dass sich Individualität entfalten und der notwendige Freiraum für Inspiration und kreative Stimulanz entstehen kann. Kreativität und die gelebte positive Wertschätzung von Diversity bedingen sich laut Florida gegenseitig.

Vor diesem Hintergrund spricht sch das Grünen Papier für gezielte Investitionen in Bildung und Wissenschaft aus, fordert verstärkte Anstrengungen gegen Diskriminierung und wirbt für eine positive Wertschätzung von Diversität. Deutschland soll wieder zu einem „attraktiven Standort für die kreativsten Köpfe der Welt“ gemacht werden.

Mehr Internationalität
Zu einem weltoffenen und attraktiven Standort Deutschland gehört nach Auskunft des Grünen Modells noch ein zweites zentrales Element: Mehr Internationalisierung und eine gezielte Einwanderung von Qualifizierten. Deutschland steht, was die Integration von (hoch-) qualifizierten Menschen mit Migrationshintergrund in den Arbeitsmarkt angeht, im internationalen Vergleich stark zurück. Zudem wird das wirtschaftliche Potential von selbständigen MigrantInnen weit unterschätzt und viel zu wenig gefördert.

Frustriert durch Diskriminierungen und verweigerte Aufstiegschancen wandern immer mehr migrantische Spitzenkräfte ins Ausland ab. Angesichts seiner zunehmenden ethnisch-kulturellen Vielfalt und nicht zuletzt aufgrund des gravierenden demographischen Wandels kann es sich Deutschland jedoch nicht leisten, ein Auswanderungsland für Qualifizierte zu werden. Für internationale Talente und Spitzenkräfte wird Deutschland durch eine überwiegend restriktive Einwanderungspolitik nach dem Muster „Abwehr mit Ausnahmen“ immer unattraktiver. Viele der weltweit mehrere Millionen starken Gruppe qualifizierter Menschen "on the move" sehen Deutschland nur als Transitland oder gehen gleich in Länder wie die USA, Kanada oder Großbritannien, die ihnen bessere Bedingungen anbieten. Im globalen Wettbewerb um die kreativsten Köpfe droht Deutschland den Anschluss zu verlieren.

Die Grüne Marktwirtschaft setzt dagegen auf eine gezielte Förderung der Wirtschaftsaktivitäten von Menschen mit Migrationshintergrund sowie die Öffnung des Arbeitsmarktes durch eine gesteuerte Einwanderungspolitik für Qualifizierte. Dazu gehören der Abbau bürokratischer Hindernisse, die Einführung eines Punktesystems und von Kontingenten sowie der Abbau von rechtlichen Restriktionen beim Zugang zum Arbeitsmarkt und bei der Gründung wirtschaftlicher Selbständigkeit für MigrantInnen.

Nutzung der Potentiale der ethnischen Ökonomie
Die Debatte über die Lebenslagen von MigrantInnen in Deutschland ist stark auf soziale Problemlagen verengt. Vergessen wird dabei, dass heute bereits mehr als 300.000 migrantische Selbstständige mehr als eine Million Arbeitsplätze (und nicht nur für die eigene Ethnie) geschaffen haben und dabei jährlich mehr als 17 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaften. Noch dominieren zwar Kleinst- und Kleinhandel sowie einfache Dienstleistungen diese sog. ethnische Ökonomie, doch zunehmend ist eine quantitative Ausweitung und ein bedeutender Qualitätszuwachs des wirtschaftlichen Engagements migrantischer Selbstständiger festzustellen. Sie bilden einen immer bedeutsameren ökonomischen Faktor. Im Konzept der Grünen Marktwirtschaft sollen diese ethnische Ökonomie besser mit den jeweiligen regionalen Wirtschaftsstrukturen verknüpft, Informations- und Beratungsangebote interkulturell kompetent ausgerichtet und die Förderungsangebote stärker für die spezifischen Bedürfnisse migrantischer Selbstständiger geöffnet werden.

Eine Reihe konkreter Maßnahmen zur besseren Förderung der wirtschaftlichen Aktivitäten von MigrantInnen enthält der Beschluss der Bundesarbeitsgemeinschaft Wirtschaft und Finanzen der Grünen. Durch verbesserte Rahmenbedingungen und gezielte regionale und kommunale Wirtschaftförderungsprogramme für zuwandernde und bereits hier lebende UnternehmerInnen mit Migrationshintergrund soll der Gründungsboom in der ethnischen Ökonomie unterstützt werden. Anders als vielfach behauptet, ist die Ethnische Ökonomie bzw. die Ethnischen Ökonomien keine Parallel-Ökonomie. Schon heute stamme der überwiegende Anteil ihrer Kundschaft nicht aus der eigenen Ethnie.

Mit ihren Argumenten für "Toleranz, Technologie und Talente" sowie mehr "Internationalität" begründen die Grünen, warum die Einwanderungsgesellschaft enen bedeutenden Stellenwert im Konzept der Grünen Marktwirtschaft erhält. Sie bieten Argumente der Klugheit; ergänzt durch Argumente der Gerechtigkeit, die Zugangsgerechtigkeit für Menschen mit Migrationshintergrund in Wissenschaft, Wirtschaft und Arbeitsmarkt, die nachhaltige Umsetzung des Antidiskriminierungsgesetzes sowie gezielte Maßnahmen zum Abbau der Unterrepräsentation gesellschaftlicher Gruppen in Spitzenpositionen begründen.

Downloads:

Bild entfernt.MehrWert - Grüne Marktwirtschaft, AutorInnenpapier der Bundestagsfraktion von Bündnis90/Die Grünen, November 2006

Bild entfernt. Wirtschaftliche Potentiale von UnternehmerInnen mit Migrationshintergrund ausschöpfen! Beschluss der BAG Wirtschaft und Finanzen, Dezember 2006

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