Prêt-à-partager: Transkulturelle Erfahrungsräume in Afrika und Diaspora

Abbildung Plakat für CITY SONGS: Boris Nzebo, „City Songs “, 2011. All Rights reserved.

von Elke aus dem Moore & Sandrine Micossé-Aikins

“Prêt-à-partager was both witness and platform to the prominent force rooting/routing the creative process. This becoming has always been a common (soul) thread connecting our creative cultures. Having explored and interrogated, through various creative experiments, the vast terrain of non-essentialist “blackness” (un)explained through art and other critical research, I find it (happily) still unexplainable -detectable only within the moment - and constantly, consistently and verifiably becoming...  Our expressions of self through art or otherwise are very much dependent on the climates we enter/find ourselves, whether in Europe or on the vast multiplicitous African continent at large. To try to encapsulatee a single solution to Pan African expression of 'self' through art fashion or any other stricture is futile. Often the reason the canon makers in the established art world feel the arbitrary need to expose/express pan african art is because of its consistent absence in what is considered dominant history/memory. Whereas most institution-supported projects often seek that which would be seen as the unique in african diasporic art, Prêt-à-partager, in my eyes as participant and documentarian, was routed in the premise that Diasporic  art IS universal, influential, interwoven, and present.” 
Jamika Ajalon – poet, musician, filmmaker, artist, collaborator

Prêt-à-partager – bereit zu teilen, ist ein verzweigtes Ausstellungs- und Workshop-Projekt, welches den künstlerischen Austausch ins Zentrum stellt und einen transkulturellen Erfahrungsraum eröffnet. Dieser Raum entspinnt sich zwischen Afrika und der europäischen Diaspora, wodurch ein offensiver Umgang mit der Frage einhergeht, wie gleichberechtigte Dialoge zwischen Künstler_innen gewährleistet sein können, deren Mobilität und Zugang zu Ressourcen sich aufgrund von unausgewogenen globalen, politischen und ökonomischen Machtverhältnissen fundamental unterscheiden.

Prêt-à-partager versteht sich als Antwort auf die zentrale Frage, wie heutige Formen der künstlerischen und kulturellen Zusammenarbeit aussehen können. Es ist ein lang angelegtes Projekt mit offenem Ausgang. Ein Experiment, das in immer neuen Arbeitssituationen Kunstschaffende aus den Bereichen Mode, Performance, Fotografie und Kunst zusammenbringt und somit verschiedene Facetten zeitgenössischen künstlerischen Schaffens aufzeigt. Das Einbeziehen unterschiedlicher Akteur_innen aus verschiedenen afrikanischen, afro-diasporischen und europäischen Kontexten garantiert eine Vielzahl kritischer Perspektiven auf zeitgenössisches Kunstschaffen sowie ein westlich geprägtes Kunst- und Kulturverständnis und ermöglicht es, Alternativen zu gängigen Marktmechanismen des Betriebssystems Kunst und dessen kreativen Wirtschaftszweigen zu entwickeln.

Das Format

Prêt-à-partager begann mit einem Workshop in Dakar, bei dem Künstler_innen aus Deutschland, Südafrika, der Demokratischen Republik Kongo, Kamerun, dem Senegal und Frankreich unter der Leitung des Kuratorinnen-Trios Elke aus dem Moore, Sandrine Micossé-Aikins und Koyo Kouoh zusammen kamen, um zehn Tage lang zu den Themen Mode, Kunst und Sport zu arbeiten. Die aus diesem Austausch entstandene Ausstellung tourt seit 2009 durch West, Süd- und Ostafrika und wurde 2012 in Berlin und Stuttgart gezeigt. Jeweils erweitert durch ein umfangreiches Programm mit weiteren Workshops und Veranstaltungen, das die bereits bestehenden Arbeiten der Ausstellung durch weitere kooperative künstlerische Prozesse an die lokalen Kunstszenen und Kontexte anbindet.

In Maputo wurde beispielsweise die Ausstellung zum Abschluss der mozambikanischen Fashion Week gezeigt, Preisträger_innen des Fashion Award präsentierten ihre Entwürfe anlässlich der Eröffnung von Prêt-à-partager. In Lagos setzen sich zudem Künstler_innen mit der Second-Hand-Industrie und ihren Folgen auseinander und kreierten eine themenbezogene Installation.

So wurde auch in Berlin ein Workshop mit dem Titel Berlin Textures veranstaltet, in dem Künstler_innen aus den Bereichen Mode, Performance, Video und Fotografie neue Arbeiten entwickelten, die historische und zeitgenössische Verbindungslinien zwischen Afrika und seiner Diaspora in Berlin aufzeigten. Dabei ging es unter anderem auch um die deutlich im Stadtbild Berlins sichtbaren, jedoch weitestgehend vom kollektiven Gedächtnis ausgeblendeten kolonialen Bezüge. Ergebnisse und Prozesse des Workshops können auf dem später entstandenen Blog abgerufen werden.

So ist Prêt-à-partager zu einer Plattform des kritisch-künstlerischen Dialogs geworden, die sich an jeder Station neu verortet und einen neuen Erfahrungsraum schafft, aus dem heraus ein großes transkulturelles Netzwerk entstanden ist. Ein Erfahrungsraum, der das Wissen jede_r Protagonist_in aktiviert und in einen kollektiven Prozess einspeist.

Als Ausstellungs- und Austauschprojekt angelegt, das in künstlerisch-kreativen Prozessen Wissen befragt, vermittelt und produziert, lebt Prêt-à-partager von der professionellen und kulturellen Diversität seiner Akteur_innen. In kurzen Begegnungen kommen Künstler_innen mit und ohne eigene biografische Bezüge zu Afrika und seiner Diaspora zusammen und machen ihre unterschiedlichen Perspektiven sichtbar. Das Prinzip des aktiven Einbindens jede_r Einzelnen als Akteur_in macht das Erfolgskonzept der Workshops aus. Denn nur dieses offensiv inkludierende Prinzip gewährleistet ein erfolgreiches aktives Netzwerk, aus dem heraus neue Handlungsfelder entstehen können. (Vgl. Bruno Latour: Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft. Einführung in die Akteur-Netzwerk-Theorie, Frankfurt a.M. 2007; Carol Tulloch in: Les Histoires Communes. Kunst und Mode. Kleidung als Ort der Selbsterfindung. (Hg.) Elke aus dem Moore, Stuttgart 2007)

Transdisziplinäre Netzwerke

Zentraler Kern der erfolgreichen Weiterentwicklung von Prêt-à-partager zu einem großen Netzwerk sind die Kooperationen mit Kurator_innen und Kunstinitiativen vor Ort, wie z.B. Koyo Kouoh - Dakar, Gabi Ngcobo -Johannesburg, Bisi Silva und Oyinda Fakeye - Lagos, Marilyn Douala-Bell und Didier Schaub - Douala. Diese Partner_innen spielen im Bereich der informellen kulturellen Bildung eine zentrale Rolle im jeweiligen Land und führen Kunst- und Kulturvermittlungsangebote häufig unter äußerst prekären Bedingungen durch. Orte wie das Center for Contemporary Art in Lagos, das Kulturzentrum Doual´art in Douala, Kamerun, oder das Kollektiv Gugulective aus Gugulethu, Südafrika, leisten in der Auseinandersetzung mit dem öffentlichem Raum und anderen sozial-politischen Themen eine wichtige gesellschaftliche Arbeit.

Im Rahmen von Prêt-à-partager entstanden die City Songs, ein von der deutschen Künstlerin Astrid S. Klein und kamerunischen Künstler_innen entwickeltes Projekt zu urbanen Imaginationen im öffentlichen Raum von Douala(1). Das südafrikanische Künstler_innenkollektiv Gugulective arbeitet vornehmlich in den von sozialer Benachteiligung geprägten Townships vor Kapstadt. In ihren Projekten tragen die Künstler_innen zeitgenössische Kunst aus der Sphäre der Exklusivität heraus in die Alltagsrealität der dort lebenden Bevölkerung. Im Workshop IMBUZI kooperierten afro-europäische- und US-amerikanische sowie südafrikanische Künstler_innen mit jenen der Gugulective um sich mit dem Begriff der Freiheit im Post-Apartheid Südafrika auseinanderzusetzen (siehe Publikation IMBUZI, (Hg.) Elke aus dem Moore, ifa - Institut für Auslandsbeziehungen, Stuttgart 2010).

Afrodiasporische Verbindungen

Prêt-à-partager ist ein Ausstellungs- und Vermittlungsprojekt, für das Kunst zugleich Mittlerin als auch Werkzeug eines kreativen individuellen wie auch politischen Ausdrucks sein kann. Die Themen Mode und Sport dienen in ihrer Universalität als Anknüpfungspunkt, der zeitgenössische Kunst zugänglich und zugleich bedeutsam für ein breiteres Publikum macht. Über die historische und gegenwärtige Betrachtung dieser Themen werden Beziehungen zwischen eigenen biografischen Erfahrungen der Künstlerinnen und Künstler und den Ausstellungs- bzw. Arbeitsorten markiert oder neu geknüpft. Dabei werden Verbindungslinien zwischen afrikanischen und afrodiasporischen Bezügen sichtbar.

Mit Subsahara-Afrika als regionalem Fokus macht Prêt-à-partager insbesondere auch künstlerisch-aktivistische, panafrikanische Dialoge zwischen Afrika und seiner Diaspora möglich. Auf einem Ausflug zur ehemaligen Versklavungsbastion Île de Gorée hisste der Videokünstler Goddy Leye die Flagge des United Chiefdoms of Africa, Symbol der Utopie einer auf indigenen Gemeinwesen beruhenden afrikanischen Gemeinschaft, die gleichzeitig auf historische anti-koloniale Konzepte wie die Négritude oder den Panafrikanismus verweist. Mit der Wahl des Ortes verweist er gleichzeitig auf die historischen Linien erzwungener Migration durch Sklaverei und der heutigen Situation der durch wirtschaftliche Zwänge bedingten Migration nach Europa. Goddy Leye (1965 – 2011) war einer der bedeutendsten afrikanischen Videokünstler. (Vgl. auch Blick-Wechsel – Afrikanische Videokunst. Kurator: Marcel Odenbach, ifa-Galerie Bonn, 2000)

Wirkungsweisen

Wenn sich diese Fragen auch erst in vielen Jahren beantworten lassen, lässt sich eines feststellen: Das verzweigte Projekt hat viele Freundschaften und Synergien hervorgebracht und neue Perspektiven geschaffen. Simone Gilges und Mamadou Gomis sandten sich nach der Erfahrung aus Dakar wöchentlich ein Bild aus ihrer Stadt – entstanden ist der Fotoband Dakar – Berlin, ein persönliches Porträt dieser Städte (Simone Gilges & Mamadou Gomis: Dakar – Berlin, (Hg.) Elke aus dem Moore, Institut für Auslandsbeziehungen, Stuttgart 2012). Für viele Beteiligte ist der Umgang mit dem öffentlichen Raum bewusster und politischer geworden.So zum Beispiel Athi Patra Rugas Arbeit „La tête du prophète", eine Performance, die im öffentlichen Raum der Stadt Dakar durchgeführt wurde und auf subtile Weise Homophobie in west- und südafrikanischen Gesellschaften thematisierte. (Siehe auch Athi-Patra Ruga von Koyo Kouoh in: Prêt-à-partager. A transcultural exchange in art, fashion and sports. (Hg.) Elke aus dem Moore, Institut für Auslandsbeziehungen, Stuttgart, Nürnberg 2009, S. 114)

Prêt-à-Partager ist eine Reise mit vielen Einsichten, Hindernissen, spontanen und unvorhergesehenen Begegnungen und Ereignissen, Erfolgen und Erfahrungen des Scheiterns, die sich zu einem immer größer werdenden Netzwerk von Akteuren und Akteurinnen verknüpft hat. Das Projekt hat mit der Entwicklung neuer Formate die Wirkung und Reichweite kreativer Kommunikationsprozesse erweitert. Letztlich ist es ein Beispiel dafür, wie künstlerisch-kreative Beziehungen zwischen afrikanischen und europäischen Kulturschaffenden aufgebaut werden können, indem unvermeidliche, z.B. durch infrastrukturelle Defizite bedingte Hindernisse in neue Herausforderungen übersetzt werden. Das gegenseitige voneinander Lernen steht als Ansatz im Zentrum und erlebt als solcher eine enorme Breitenwirkung. Dazu Akinbode Akinbiyi, Fotograf und Kurator:

"Prêt-à-partager" is a process that is constantly evolving, constantly redefining its parameters. The diffuse group of artists, curators, art historians, coalesced into a dynamic body intent on pushing the borders of what is considered fashion, textiles, art. Everyone learnt from the other and in the continuing exhibition tour, still learn from each other. A form of subversion that is.”

 

Fußnote
(1) CITY SONGS – EBBS AND FLOWS OF THE URBAN IMAGINARY Interdisziplinärer Workshop, Douala 2012
Mit: Alima, Lady B, Em’Kal Eyongakpa, Justine Gaga, Hervé Yamguen, Brice
Romuald Mbasse a.k.a Stone, Hilde Kouoh Moukouri, Boris Nzebo und Sadrak
Konzeption, Realisierung und kuratierende Künstlerin des Projektes:
Astrid S. Klein
Workshop Leitung: Astrid S. Klein mit Simone Gilges und Vincent Ndoumbé

 

Bild entfernt.

Elke aus dem Moore ist Leiterin der Abteilung Kunst des Instituts für Auslandsbeziehungen. Sandrine Micossé-Aikins ist Kuratorin der Projekte „prêt-à-partager“ (ifa 2008-2012) und „Re/Positionierung – Critical Whiteness/Perspectives of Color“ (NGBK, 2009)

 

Shared Experiences
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