Auf dem Weg zu einer konsequenten Willkommens- und Anerkennungskultur

Erfolgreiche Integration ist ein wichtiges gesellschaftspolitisches Ziel und dient der Sicherung des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Zugleich ist sie eine zentrale Schlüsselaufgabe für die Zukunft, denn unsere Gesellschaft wird immer vielfältiger und älter, kurzum heterogener: Von den etwa 80 Millionen Einwohner_innen in Deutschland haben etwa 15 Millionen einen Migrationshintergrund (Zensus 2011). Mehr als die Hälfte davon hat bereits jetzt die deutsche Staatsbürgerschaft. Während die Bevölkerungszahl insgesamt sinkt, steigt der Anteil der Migrant_innen. Jedes dritte Kind in Deutschland unter fünf Jahren hat ausländische familiäre Wurzeln. Damit aber ein Miteinander ohne Vorurteile gelingt, gilt es diese Vielfalt zu gestalten.

Ein weiterer Aspekt ist der demografische Wandel: Die Bevölkerung in Deutschland wird schrumpfen. Einhergehend damit ergeben Prognosen einen Rückgang der Erwerbsbevölkerung von 50 Millionen auf etwa 42 Millionen. Der demografische Wandel verstärkt somit die Frage, wie vorhandene Talente besser eingebracht werden können, um Engpässe zu beheben und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken. Zugleich müssen wir aber auch darüber diskutieren, wie die in vielen Bereichen benötigten Fachkräfte aus dem Ausland gewonnen werden können. Deutschland muss sich anstrengen, denn im internationalen Wettbewerb um Fachkräfte steht es im Ruf, eine restriktive Einwanderungspolitik zu haben. Deutschland muss als weltoffenes und attraktives Zielland besser in Erscheinung treten.

Einstellungen in der Bevölkerung gegenüber Einwanderung

Allerdings spielen auch die Einstellungsmuster in der deutschen Bevölkerung hinsichtlich der Offenheit für kulturelle Vielfalt eine Rolle: Die häufig defizitorientiert geführten Debatten um Zuwanderung und Vielfalt sind nicht folgenlos geblieben, sondern haben sich negativ auf das Zugehörigkeitsgefühl der Menschen mit Migrationshintergrund ausgewirkt. Auf die Frage, ob Mehrheits- und Zuwanderungsbevölkerung ungestört miteinander leben, stimmten 2011 nur noch 9,1 Prozent der eingewanderten Bevölkerung zu, 2009 waren es hingegen noch 21,7 Prozent (Integrationsbarometer Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration 2012). Insbesondere 71 Prozent der Personen mit familiären Wurzeln in der Türkei gaben an, aufgrund ihrer Herkunft schon einmal selbst Benachteiligung/Ausgrenzung erlebt zu haben (Deutsche Post „Glücksatlas“ 2013). Diese Wahrnehmung erscheint durch den erschreckenden Befund bestätigt, dass bei etwa einem Viertel der Bevölkerung in Deutschland ausländerfeindliche Einstellungen vorhanden sind (Friedrich-Ebert-Stiftung „Die Mitte im Umbruch. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland“ 2012).

Erfreulicherweise zeigen jüngere Umfrageergebnisse des German Marshall Fund (Transatlantic Trends 2013), dass sich seit 2008 nun erstmals wieder ein Trend in Richtung Einwanderungsoptimismus abzeichnet. Die Problemwahrnehmung gegenüber Einwanderung ging deutlich zurück. So beurteilen inzwischen 62 Prozent der Befragten in Deutschland Einwanderung eher als Chance. Darüber hinaus sehen 71 Prozent Einwanderung auch als eine kulturelle Bereicherung. Im internationalen Vergleich zeigt sich Deutschland damit sogar als besonders offenes, einwanderungsfreundliches Land.

Diese jüngsten Ergebnisse sollten sicherlich als wünschenswerter Trend dafür gewertet werden, dass sich innerhalb der Aufnahmegesellschaft in Hinblick auf die Anerkennung von Neuzuwandernden und der Vielfalt der Lebensweisen etwas zu verändern scheint. Eine Veranlassung sich auszuruhen, können sie hingegen noch nicht bedeuten, zumal die Diskriminierungserfahrungen im Alltag vieler Migrant_innen sowohl ihre subjektive Integrationsbereitschaft als auch ihre tatsächliche Integration beziehungsweise Teilhabe negativ beeinflussen können, wie die Expertise „Wechselwirkung zwischen Diskriminierung und Integration“ (Antidiskriminierungsstelle des Bundes 2013) belegen konnte.

Es kann also festgehalten werden, dass die Diversität der deutschen Gesellschaft inzwischen eine unbestrittene gesellschaftliche Realität geworden ist, der Weg hin zu Vielfalt als allgemein akzeptierter Normalität allerdings noch weiter gefestigt werden muss. Damit Integration gelingen kann, steht Deutschland deshalb vor der Aufgabe, der Verantwortung als Einwanderungsland gerecht zu werden und die Bedingungen für gesellschaftliche Teilhabe und Chancengerechtigkeit herzustellen.

Ein wichtiger Schritt in diese Richtung ist die Stärkung einer flächendeckenden und von allen gelebten Willkommens- und Anerkennungskultur in Deutschland, die auch im Koalitionsvertrag beschlossen wurde. Diese gilt es nun zu gestalten.

Integration als gesamtgesellschaftliche Gestaltungsaufgabe

Seit Integration im Jahr 2005 als Aufgabe des Staates gesetzlich verankert wurde, hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zentrale Aufgaben des Bundes im Bereich Integrationsförderung und Migrationsforschung übernommen und als Kompetenzzentrum für Migration und Integration ein Großteil der Integrationsaufgaben des Bundes gebündelt.

Erfolgreiche Integrationsarbeit erfordert Engagement, Bereitschaft und Offenheit von der gesamten Gesellschaft: von Jungen und Alten, Zugewanderten und solchen ohne Zuwanderungsgeschichte. Das Bundesamt versteht Integration dementsprechend als einen gesamtgesellschaftlichen Prozess, der sich nicht schnell und einseitig, sondern wechselseitig und langfristig vollzieht. Integration ist auf die umfassende und gleichberechtigte Teilhabe in allen gesellschaftlichen Bereichen ausgerichtet. Damit ist die Integrationsförderung und die Integrationsleistung von Zuwandernden die eine Seite des Integrationsprozesses. Aus einem zweiseitigen Integrationsverständnis und den Anforderungen an eine kulturell vielfältige Gesellschaft heraus nimmt das Bundesamt aber auch verstärkt die Integrationsbereitschaft der Aufnahmegesellschaft in den Blick. Denn nur unter Einbeziehung der Aufnahmegesellschaft kann das Ziel des gesellschaftlichen Zusammenhalts erreicht werden. Im Koalitionsvertrag heißt es dazu: „Zur Willkommens- und Anerkennungskultur gehört die interkulturelle Öffnung von Staat und Gesellschaft“.

Der gesellschaftliche Zusammenhalt ist zudem notwendige Voraussetzung für den sozialen und wirtschaftlichen Erfolg einer Gesellschaft. Insofern ist Integration auch vor dem Hintergrund des demografischen Wandels angezeigt. Die Zukunft Deutschlands ist dabei in vielen Bereichen ganz wesentlich auf Menschen mit Migrationshintergrund angewiesen. Eine erfolgreiche Integration von Zuwandernden, das heißt eine gleichberechtigte Teilhabe am sozialen, politischen, kulturellen Leben und am Arbeitsmarkt, ist aber nicht nur für die Bewältigung des demografischen Wandels, sondern auch für den gesellschaftlichen Zusammenhalt sowie die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft von grundlegender Bedeutung.

Aufbau einer Willkommens- und Anerkennungskultur

Das Bundesamt hat es sich zur Aufgabe gemacht, einen Beitrag zu leisten und den gesellschaftlichen und demografischen Herausforderungen im Sinne einer Willkommens- und Anerkennungskultur offensiv zu begegnen. Um dazu konkrete Vorschläge zu entwickeln, wurden Anfang 2012 Expert_innen aus unterschiedlichen Bereichen der Integrationsarbeit an einem Runden Tisch „Aufnahmegesellschaft“ im Bundesamt zusammengebracht. Ziel war es, gemeinsam mit erfahrenen Praktiker_innen, unter anderem aus Ausländerbehörden, kommunalen Einrichtungen, politischen und privaten Stiftungen sowie natürlich auch Migrantenorganisationen, praxisorientierte Empfehlungen zur Etablierung einer Willkommens- und Anerkennungskultur zu erarbeiten. Hierzu wurden zwei Arbeitsgruppen (AG) eingerichtet, zum einen die AG „Etablierung einer Willkommenskultur“ und zum anderen die AG „Interkulturelle Öffnung durch politische Bildung“ für den Bereich der Anerkennungskultur.

Zur Betrachtung und integrationspolitischen Einordnung der Begriffe „Willkommens- und Anerkennungskultur“ kann ein modellhafter Zuwanderungsprozess herangezogen werden. Zuwanderung besteht im Wesentlichen aus drei Phasen: „Vorintegration“, „Erstorientierung in Deutschland“ und „Etablierung in Deutschland“. Innerhalb dieser Phasen müssen Willkommen und Anerkennung in unterschiedlicher Gewichtung signalisiert, umgesetzt und etabliert werden. Die rechtlichen Bedingungen rahmen dabei den Gesamtprozess der Zuwanderung ein.

Der Begriff „Willkommenskultur“ bezieht sich vorrangig auf die unmittelbaren Phasen der Zuwanderung. Um Neu-Zuwandernden möglichst frühzeitig ein „Willkommen“ zu signalisieren, ist es in dieser Phase notwendig, bestehende strukturelle Rahmenbedingungen attraktiver auszugestalten.

Parallel, mit dem Fokus auf eine langfristige Etablierung in Deutschland, stellt der Begriff der „Anerkennungskultur“ die interkulturelle Öffnung der Aufnahmegesellschaft in den Mittelpunkt. Anerkennungskultur richtet sich in der Betrachtungsweise auf die gegenseitige gesellschaftliche Anerkennung aller in Deutschland lebenden Personen mit und ohne Migrationshintergrund und sucht Wege, wie Vorbehalte und Vorurteile in der Bevölkerung abgebaut und eine Anerkennungskultur geschaffen werden können.

Beide Sichtweisen beschreiben somit eine Gesellschaft, die das Ziel hat, kulturelle Vielfalt anzuerkennen, attraktive Rahmenbedingungen für Zuwandernde bereitzustellen und diese als gesellschaftliches Leitbild zu verankern.

Umsetzungsschritte für eine Willkommenskultur

Um Deutschland als Lebens- und Arbeitsstandort weiter attraktiv zu machen, brauchen wir eine Willkommenskultur. Hierzu müssen in erster Linie die strukturellen Rahmenbedingungen in den Blick genommen werden: Obwohl die bestehenden gesetzlichen Zuwanderungsbestimmungen für ausländische Fachkräfte in Deutschland vergleichsweise offen sind, ist die Zuwanderung von Fachkräften nach Deutschland im internationalen Vergleich sehr gering (OECD 2013). Fragt man nach den Gründen, zeigt sich, dass Zuwandernde aus subjektiver Sicht die bestehenden Regelungen und Vorgaben für intransparent und kompliziert halten. In jüngster Zeit rücken außerdem die Ab- und Rückwanderung von in Deutschland lebenden Fachkräften stärker in den Forschungsfokus. Es gilt also aufzuklären, zu werben und zu informieren und das „Image“ Deutschlands und des deutschen Zuwanderungssystems insgesamt attraktiver zu machen.

Das Bundesamt verfolgt mit seinen Partner_innen hier bereits unterschiedliche Ansätze: Zum einen bieten wir mit einem telefonischen Bürgerservice kostenlose Beratung zu allgemeinen Fragen wie beispielsweise dem Aufenthaltsgesetz, Integrationskursen, Migrationsberatung. Zum anderen haben wir seit April 2012 außerdem einen Hotline-Service rund um das Thema Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen eingerichtet. Allein bei diesem meldeten sich in den ersten beiden Jahren fast 20.000 Ratsuchende mit Fragen zur Anerkennung von Abschlüssen aus dem In- und Ausland.

Weitere Empfehlungen des Runden Tisches für den Bereich Willkommenskultur betreffen mit Blick auf die Phase der Vorintegration beispielsweise eine deutliche Verbesserung der Informationslage, damit die Entscheidung für die Zuwanderung erleichtert und eine zielführende Vorbereitung auf das neue Umfeld optimal ermöglicht werden können. Ebenso sollen Zuwandernde aber auch nach der Einreise, während der Phase der Erstorientierung, auf verlässliche Informations- und gut vernetzte Beratungsstrukturen stoßen. Damit Zuwandernde ihr Potenzial von Anfang an in vollem Umfang in die Gesellschaft einbringen können, soll ein möglichst reibungsloser Einreiseprozess sichergestellt werden.

Dieses Ziel wurde letzten Herbst im Koalitionsvertrag festgeschrieben, da man in der Integrationspolitik die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen dürfe, sondern Zuwanderung und Integration von Anfang an Hand in Hand gehen müssen.

Von der Ausländerbehörde zur „Willkommensbehörde“

Dieses Anliegen wird als ein weiteres zentrales Ergebnis des Runden Tisches bereits bearbeitet: Zuwandernde, die ihr Leben in Deutschland neu organisieren müssen, sind vielfach auf unterschiedlichste Behördenkontakte angewiesen und die zuständige Ausländerbehörde ist dabei meist erste Anlaufstelle. Ausländerbehörden stehen allerdings in einem Spannungsverhältnis zwischen ihrem ordnungspolitischen Auftrag einerseits und ihrer Funktion als „Gesicht Deutschlands“ gegenüber Neuzuwandernden und Anfragenden andererseits. Drittstaatsangehörige ohne dauerhafte Aufenthaltserlaubnis sind zumeist sogar auf einen regelmäßigen Kontakt mit Ausländerbehörden angewiesen. Ebenso kann die deutsche Bevölkerung in Kontakt mit Ausländerbehörden stehen, wenn beispielsweise ausländische Familienangehörige oder Freunde eingeladen werden. Darüber hinaus sind auch Wirtschaftsunternehmen oder Universitäten im Rahmen der Fachkräfteanwerbung mit aufenthaltsrechtlichen Angelegenheiten befasst und stehen dabei in direktem Austausch mit Ausländerbehörden.

Vor diesem Hintergrund hat das Bundesamt im Oktober 2013 ein Modellprojekt gestartet, in dem bis 2015 insgesamt zehn Melde- und Ausländerbehörden aus verschiedenen Bundesländern durch ein Beratungspaket sowie Fortbildungsangebote auf dem Weg der interkulturellen Öffnung und Organisationsentwicklung hin zu „Willkommensbehörden“ begleitet und modellhaft unterstützt werden. „Willkommensbehörde“ steht dabei für eine Servicebehörde, die durch die Vernetzung mit anderen Institutionen adressatenorientierte Beratung aus „einer Hand“ anbietet und somit grundsätzlich eine positive Haltung Deutschlands gegenüber Zuwandernden vermittelt.

Im Ergebnis wird mit dem Projekt der Anspruch umgesetzt, Willkommens- und Anerkennungskultur in unterschiedlichen Bereichen staatlichen Handelns zum Leitmotiv zu machen. Um hierzu nachhaltig Impulse für den Prozess hin zu einer „Willkommensbehörde“ zu geben, wird im Verlauf des Modellprojekts eine praxisorientierte, übertragbare Anleitung entwickelt. Diese soll es interessierten Ausländerbehörden ermöglichen, einzelne Bausteine zur interkulturellen Öffnung vor dem Hintergrund ihrer jeweiligen Situation selbstständig anzuwenden. Erste Zwischenergebnisse wurden im März 2014 vorgestellt.

Umsetzungsschritte für eine Anerkennungskultur

Strukturelle Verbesserungen können jedoch nur dann etwas bewirken, wenn eine grundsätzliche Anerkennung und Offenheit für kulturelle Vielfalt in der Gesellschaft gelingt. Deshalb brauchen wir neben einer Willkommenskultur auch eine Kultur der Anerkennung, sowohl für Zugewanderte als auch deren Nachkommen gegenüber.

Einer Befragung der Bertelsmann-Stiftung (Willkommenskultur in Deutschland 2012) zufolge sind 70 Prozent der Meinung, dass mehr für Toleranz und Anerkennung getan werden müsse. Gleichzeitig wird mehrheitlich aber die Eigeninitiative der Zuwandernden gefordert.

Die zweite und dritte Generation der in Deutschland lebenden Zugewanderten stellt völlig zu Recht den Anspruch, mitzugestalten, mitzureden und ein selbstverständlicher Teil der Gesellschaft zu sein. Die Realität ist aber oft noch eine andere: Es kommt noch immer zu häufig zu der Situation, dass eine Person mit einem ausländisch klingenden Namen in einem Gespräch erklären muss, warum er/sie gut Deutsch spricht und was er/sie an fachlichen Kompetenzen mitbringt. Erst wenn Name und Herkunft im Miteinander keine Rolle mehr spielen, fühlen sich Zugewanderte und deren Nachkommen anerkannt und willkommen. Dies verdeutlicht, dass gerade dem Abbau von Vorurteilen und der Beseitigung von unhinterfragten Stereotypen in der Integrationsarbeit besondere Bedeutung zukommt, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt nachhaltig zu stärken. Daran müssen wir arbeiten.

Das Miteinander muss also unabhängig von Herkunft oder Aussehen gestaltet werden können. Die wachsende Vielfalt muss sich in allen Bereichen widerspiegeln. Unsere Gesellschaft kann auf den Beitrag von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte nicht verzichten. Dies gilt auch für den öffentlichen Dienst. Unsere Gesellschaft braucht mehr Menschen mit Migrationshintergrund in Schulen, bei der Feuerwehr, der Polizei sowie auch in der Verwaltung.

Im Bundesamt beträgt ihr Anteil nach einer anonymisierten Umfrage, an der nahezu 60 Prozent der Beschäftigten teilnahmen, 16 Prozent und bei den Auszubildenden des Bundesamtes seit Jahren etwa ein Drittel – das ist mehr als in vielen anderen Behörden. Um den Anteil von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte im öffentlichen Dienst zu erhöhen, hat das Bundesministerium des Inneren im Januar 2013 die im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge entwickelte Internetseite www.wir-sind-bund.de eingerichtet, die sich an Jugendliche mit Migrationshintergrund als potenzielle Auszubildende und ihre Eltern richtet und über rund 130 verschiedene Ausbildungsberufe in der Bundesverwaltung informiert.

Interkulturelle Öffnung auf allen gesellschaftlichen Ebenen

Interkulturelle Öffnung betrifft aber die gesamte Gesellschaft. Wir brauchen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt ein Miteinander, kein Nebeneinander, wir brauchen Engagement und Identifikation mit der Gesellschaft und ein offenes Aufeinander-Zugehen. Ziel ist, einen selbstverständlichen und pragmatischen Umgang mit kultureller Vielfalt zu erreichen und eine Kultur der Anerkennung zu fördern.

Im Rahmen des Runden Tisches „Aufnahmegesellschaft“ hat sich eine der beiden Arbeitsgruppen mit dem Thema „Interkulturelle Öffnung durch politische Bildung“ befasst und Empfehlungen erarbeitet, wie diese gestärkt werden kann. Die Empfehlungen richten sich in erster Linie an Akteur_innen, Verantwortliche und Multiplikator_innen in der politischen Bildungsarbeit und Weiterbildung sowie auch an bürgerschaftliche Gremien oder Integrationsbeiräte. Dabei sollen diejenigen Teile der Bevölkerung adressiert werden, bei denen Vorbehalte bestehen und die bislang mit den herkömmlichen Angeboten noch nicht in ausreichendem Maße erreicht werden. Beispielhaft seien an dieser Stelle zwei Empfehlungen genannt: Zum einen haben Stiftungen und Träger der politischen Bildungsarbeit ein großes Netz an Fort- und Weiterbildungsangeboten und erreichen breite Schichten der Bevölkerung. Die Verankerung von Fragestellungen zu Migration und Integration als Sub-Thema in den unterschiedlichen (Weiter-)Bildungsangeboten könnte dazu beitragen, kulturelle Vielfalt als selbstverständlichen Bestandteil jedes Lebensbereiches zu vermitteln.

Zum anderen muss zur Förderung einer Anerkennungskultur vor Ort der gleichberechtigte Dialog zwischen unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen ermöglicht und gefördert werden. Indem sich Bürger_innen eines Stadtteils zusammen für ihre gemeinsamen Interessen einsetzen, können sie zugleich das kommunale Zusammenleben nachhaltig stärken. Dies kann beispielsweise im Rahmen von selbstorganisierten Bürgerplattformen oder Bürgerinitiativen, in Prozessen der Bürgerbeteiligung oder auch in der Gemeinwesenarbeit geschehen. Hierfür gilt es sowohl Beteiligungsmöglichkeiten auszubauen als auch vorhandene Beteiligungsstrukturen kontinuierlich Schritt für Schritt interkulturell zu öffnen.

Ausblick

Was lässt sich abschließend für den Prozess der Etablierung einer Willkommens- und Anerkennungskultur in Deutschland festhalten? Zunächst einmal, dass wir mit dem Runden Tisch „Aufnahmegesellschaft“ einen wichtigen Beitrag für den gesellschaftlichen Öffnungsprozess leisten konnten. Neben konkreten Empfehlungen und Umsetzungsschritten ist durch den Austausch zwischen vielfältigen Akteur_innen eine fruchtbare Dynamik für die künftige Ausgestaltung kultureller Vielfalt als gesellschaftlichem Leitbild in Deutschland entstanden. Dies hat sich auch im großen Beteiligungsinteresse widergespiegelt. Den Austausch mit Expert_innen wird das Bundesamt deshalb in Zukunft fortführen. An dieser Stelle konnten nur ausgewählte Beispiele umrissen werden, einen tiefergehenden Einblick in die Diskussion sowie sämtliche Empfehlungen des Runden Tisches „Aufnahmegesellschaft“ sind aber in einem Abschlussbericht nachzulesen.

Daneben ist außerdem deutlich geworden, dass nicht nur die Potenziale von gesellschaftlicher Vielfalt enorm sind, sondern auch die Themen- und Fragestellungen, die damit verbunden sind. Bei all diesen Überlegungen geht es im Kern um die Frage, was die gemeinsame Idee unserer Gesellschaft ist und wie wir sicherstellen können, dass alle Menschen, die hier dauerhaft leben, sie mitgestalten können. Für die Gestaltung einer Willkommens- und Anerkennungskultur gilt es deshalb zu bedenken, dass neben den Herausforderungen, die sich für unsere Gesellschaft im Zuge des demografischen Wandelns und des zunehmenden Fachkräftemangels stellen, die Zuwanderung unterschiedliche Ursachen haben kann.

Willkommenskultur und Flüchtlingspolitik in Deutschland

Neben Fachkräftezuwanderung und Familiennachzug werden auch in Zukunft Menschen als Flüchtlinge kommen und aus humanitären Gründen in Deutschland Schutz suchen. Auch im Jahr 2013 ist die Zahl der Flüchtlinge erneut gestiegen. Im Vorjahresvergleich gingen beim Bundesamt 68,2 Prozent mehr Asylgesuche ein als noch 2012 (Aktuelle Zahlen zu Asyl). Allein im ersten Quartal 2014 wurden 32.949 Asylerstanträge gestellt, darunter 5.160 von Asylsuchenden aus Syrien. Wann und ob diese Menschen in ihre Heimat zurückkehren können, ist aufgrund der Situation in ihren Herkunftsländern oft nicht abzusehen. Im Sinne einer konsequenten Willkommens- und Anerkennungskultur und um ein selektives „Willkommen-Heißen“ zu verhindern, müssen wir deshalb auch für diese Menschen Perspektiven entwickeln.

Der Koalitionsvertrag legt hier für die kommenden Jahren wichtige Grundlagen. So soll künftig der Arbeitsmarkt für Asylsuchende und Geduldete bereits nach drei Monaten geöffnet werden. Flankiert wird diese Maßnahme durch die Einführung einer alters- und stichtagsunabhängigen Bleiberechtsregelung unter der Voraussetzung, selbstständig den Lebensunterhalt sichern zu können. Die Perspektive der Arbeitsmarktintegration bedeutet eine große Chance für viele Menschen wie auch für Deutschland.

Doch das Recht auf Erwerbstätigkeit allein reicht nicht aus, der Zugang zum Arbeitsmarkt muss auch möglich gemacht werden. Für die Integrationspolitik als gesellschaftliche Querschnittsaufgabe ergeben sich hieraus neue Aufgabenstellungen. Zum einen bestehen für die Arbeitsmarktintegration ausländischer Beschäftigter strukturelle Hindernisse wie unter anderem die gesetzliche Pflicht zur Nachrangigkeitsprüfung, die bei Arbeitgeber_innen häufig Unsicherheit und Einstellungsvorbehalte erzeugt. Zum anderen müssen wir aber auch die Lebenssituation von Flüchtlingen ausreichend berücksichtigen, die oftmals nach traumatisierenden Fluchterfahrungen zugleich vor einer Fülle von Herausforderungen stehen. Um diese meistern zu können und ein selbstständiges Leben aufzubauen, werden gezielte Unterstützungsangebote wie insbesondere Sprachkurse oder auch Hilfe beim Zugang zum Wohnungsmarkt unerlässlich sein. Als Bundesamt werden wir diese Aspekte aufgreifen.

In einer pluralen Gesellschaft wie der unseren kann es in Anbetracht dieser Herausforderungen immer auch zu Auseinandersetzungen und Konflikten kommen. Aber wenn wir auf die enorme Integrationsleistung schauen, die unsere Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten vollbracht hat – bereits hier lebende genauso wie hinzugekommene Menschen – können wir zuversichtlich sein, dass es uns gelingen wird, eine konsequente Willkommens- und Anerkennungskultur zu entwickeln.

Literatur

Antidiskriminierungsstelle des Bundes (2013): „Wechselwirkung zwischen Diskriminierung und Integration“, Berlin

Bertelsmann Stiftung (2012): „Willkommenskultur in Deutschland“, Gütersloh

Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2013): „ Aktuelle Zahlen zu Asyl“, Nürnberg

Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2013): „ Willkommens- und Anerkennungskultur“, Nürnberg

CDU, CSU und SPD (2013): „Koalitionsvertrag. Deutschlands Zukunft gestalten“, Berlin

Deutsche Post (2013): „Glücksatlas“, Bonn/München

Friedrich-Ebert-Stiftung (2012): „Die Mitte im Umbruch. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland“, Bonn

German Marshall Fund of the United States (2013): „Transatlantic Trends 2013“, Washington DC

OECD (2013): „Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte“, Deutschland (German version), OECD Publishing

Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) (2012): „Integrationsbarometer“, Berlin

Statistisches Bundesamt (2013): „Zensus 2011“, Wiesbaden