Vielfalt in Uniform

Vom 8. bis 10. Juni findet in Berlin die internationale Konferenz „Diversity and Inclusion in Armed Forces“ statt. Drei Tage lang diskutieren dort militärische Entscheidungsträger/innen, Politiker/innen und Diversity-Experten/innen aus der freien Wirtschaft über die Chancen und Möglichkeiten erfolgreichen Diversity Managements in den Streitkräften. Dominik Wullers, Bundeswehrsoldat und Vorsitzender von „Deutscher Soldat e.V.", initiierte die Konferenz.

Nähere Informationen zur Veranstaltung finden Sie hier.

Herr Wullers, ist es schwer, ein deutscher Soldat mit Migrationshintergrund zu sein?

Überhaupt nicht. Ich fühle mich in der Kaserne wohler als außerhalb. Draußen bin ich oft jemand, der gefragt wird, wo er denn herkommt und wieso er so gut Deutsch spricht – in Uniform bin ich Kamerad unter Kameraden.

Schließen sich Vielfalt und im Gleichschritt marschieren nicht eigentlich aus?

Ich glaube, an dem amerikanischen Gründungsmotto "Unity in Diversity" ist viel dran. Anwaltssohn und Maurer finden sich im Wehrdienst plötzlich in der gleichen Lage. Das gilt auch für Deutsche mit und ohne Migrationshintergrund, aber auch für Schwule, Lesben und Heteros oder Muslime, Juden, Christen und Atheisten.  Der Dienst in den Streitkräften ist fordernd,  man kann ihn nur im Team bewältigen. Menschen, die gemeinsam bei Wind und Wetter über die Hindernisbahn müssen und dabei noch von einem Feldwebel angeschrien werden, die formen sich automatisch zu einer Gruppe. Dabei ist es ist wichtig zu sagen:  Die Uniform hebt alle auf die gleiche Stufe, aber sie löscht nicht den Charakter.

Trotzdem hört man immer wieder von rassistischen Vorfällen in der Bundeswehr.

Natürlich gibt es auch Rassismus in der Bundeswehr. Das zeigt der jährliche Bericht des Wehrbeauftragten. Aber das Problem ist längst nicht so groß, wie weite Teile der Öffentlichkeit glauben. Auf über 150.000 Soldatinnen und Soldaten kommen weniger als 100 registrierte Fälle. Das ist insbesondere ein Verdienst der aufmerksamen Vorgesetzten, unserem Konzept der Inneren Führung und des Militärischen Abschirmdienstes.

„Deutscher Soldat e.V.“ klingt erst mal ganz schön provokant. Was ist das für Sie, ein „Deutscher Soldat“?

Ein Deutscher Soldat ist für mich jeder, der sich für die Ziele eines freiheitlichen, einigen und vielfältigen Deutschlands einsetzt. Wir haben den Namen ganz bewusst so provokant gewählt, um auf die Tatsache aufmerksam zu machen, dass auch Neue Deutsche ihre Heimat am Hindukusch verteidigen. Mit dem überraschenden Symbol des deutschen Soldaten mit Migrationshintergrund wollen wir der Gesellschaft zeigen, dass auch Integration vielfältig ist. Neue Deutsche sind eben nicht nur Kreative und Fußballer. Wir sind auch Anwälte, Tischler oder eben Soldaten.

Sie haben die Konferenz „Diversity and Inclusion in Armed Forces“ maßgeblich mitgestaltet. Was versprechen Sie sich von den Diskussionen, speziell in Hinblick auf die Bundeswehr?

Ich denke, dass unsere Partner in den USA, Großbritannien oder Frankreich das Thema Vielfalt sehr viel strategischer angehen. Die Bundeswehr setzt weiterhin hauptsächlich auf die natürlichen Mechanismen in der Truppe, also die Kameradschaft und die aufmerksamen Vorgesetzten vor Ort. Bald wird es aber nicht mehr ausreichen, nur auf das unter Soldaten selbstverständliche Miteinander zu setzen. Deutschland erlebt einen gewaltigen demographischen Wandel und unsere Gesellschaft wird immer vielfältiger werden. Daher müssen strategische Fragen wie Rekrutierung, Personalentwicklung, aber auch strukturelle Anpassungen diskutiert werden. Wie gewinnen wir mehr Frauen für den Dienst, öffnen wir uns genug für die LGBT Community und wann haben wir den ersten deutschen General mit Migrationshintergrund?

Wie hat der Dienst in der Bundeswehr Ihre eigene Identität geprägt?

Für mich war meine Identität lange unklar. Ich weiß noch, dass ich mal aus der Grundschule kam und schrecklich weinen musste, weil ich einfach nur "normal" sein wollte. Die anderen Kinder haben mich damals schon mal mit dem N-Wort beschimpft. Da ich bei meiner deutschen Mutter aufwuchs, hatte ich aber keinen rechten Bezug zu meinen afrikanischen Wurzeln und konnte dem nicht viel kapverdianisches Selbstvertrauen entgegensetzen. In der Schule habe ich dann, so muss ich das rückblickend bewerten, versucht als Klassenclown meinen Platz zu finden. Zum ersten Mal wirklich deutsch habe ich mich tatsächlich als Soldat gefühlt. Ich war sofort Teil einer Gruppe und hatte nicht mehr das Gefühl beweisen zu müssen, dass ich auch wirklich deutsch bin. Einen Zugang zu meiner kapverdianischen Seite habe ich dann über den Verein gefunden. Vorher war meine Herkunft ein sehr sensibles Thema für mich, aber dadurch, dass ich mich in der Vereinsarbeit offensiv damit beschäftigt habe, habe ich mehr Souveränität gewonnen. Wobei ich immer noch nicht auf den Kap Verden war, leider.

Vielen Dank für das Gespräch!

Dominik Wullers wurde 1984 in Stadtlohn, Westfalen als Sohn einer Deutschen und eines Kapverdianers geboren. Nach dem Abitur 2003 trat er in den Wehrdienst ein und schlug anschließend die Offizierslaufbahn ein. Er studierte Volkswirtschaftslehre an der Universität der Bundeswehr Hamburg und ist seit 2014 im Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Potsdam eingesetzt. Ferner ist Dominik Wullers Vorsitzender und Mitgründer des Vereins „Deutscher Soldat e.V.“, in dem sich über 100 Soldatinnen und Soldaten mit Migrationshintergrund zusammengetan haben.