Zur Situation von Schwulen und Lesben in Polen

Demo gegen sexuelle Diskriminierung

von Tomasz Szypuła

Die Rechte von Homosexuellen in Polen

Polen gehört zu jenen wenigen Ländern, in denen Homosexualität nie durch ein eigenes Staatsgesetz unter Strafe gesetzt wurde. Die einzige Zeit, in der homosexuelle Handlungen strafbar waren, fällt in die Jahre 1835-1932, also eine Zeit, als auf polnischem Gebiet die Rechtsprechung der Besatzer galt (von 1795 bis 1918 war Polen unter deutscher, österreichisch-ungarischer und russischer Besatzung). Schließlich wurde im Jahre 1932 die Homosexualität legalisiert. Im selben Jahr wurde das Alter der Personen welche legal homo- und heterosexuelle Kontakte verübten gleichgestellt und dieses beträgt 15 Jahre. Seit 1969 ist die homosexuelle Prostitution legal. Homosexualität wurde im Jahre 1991 aus der Liste der Krankheiten gestrichen. Schwule werden aufgrund ihrer sexuellen Orientierung nicht mehr vom Wehrdienst ausgeschlossen. Im polnischen Recht gibt es keine Vorschriften, welche sexuelle Minderheiten unmittelbar diskriminieren. 

Gesetzlicher Schutz vor Diskriminierung

Das polnische Recht garantiert gewissen Schutz vor Diskriminierung in Hinsicht auf sexuelle Orientierung. Dies wurde im Arbeitsgesetzbuch beschlossen. Diese Vorschriften sind im Land seit dem Jahr 2003 in Kraft und stehen im Zusammenhang mit dem Beitritt Polens zu  Europäischer Union.

Artikel 18 3a § 1 beinhaltet die Verpflichtung der gleichen, diskriminierungsfreien Behandlung der Arbeitnehmenden, auch in Hinsicht auf sexuelle Orientierung, in den Bereichen  der Arbeitsaufnahme und –beendigung, der Arbeitsbedingungen, der Beförderung, des Zugangs zu Weiterbildungsangeboten. Haben die Arbeitgebenden einer Person gegenüber dieses Gleichheitsprinzip verletzt, so hat diese Anspruch auf Entschädigung in Höhe von mindestens einem Minimallohn, wobei die Gesetzgebung keine Obergrenze für eine Entschädigung festlegt. 

Darüber hinaus dürfen Arbeitgebende bei der Ausschreibung neuer Arbeitsstellen gemäß dem Gesetz Ustawa o promocji zatrudnienia i instytucjach rynku pracy  aus dem Jahr 2002 (Art. 36 und 38) keine diskriminierenden Forderungen bezüglich der Geschlechtszugehörigkeit, ethnischer Herkunft, politischer oder religiöser Anschauung sowie sexueller Orientierung u.ä. stellen.

Trotzdem haben homosexuelle Paare im Gegensatz zu Eheleuten nicht viele Arbeitsrechte – z.B.: das Recht auf die eigenständige Auszahlung von Rente, falls einer der Eheleute die eigene Auszahlung vergeudet, Rentenansprüche, Beihilfen, Abfindungen bei Berufs-krankheiten, Arbeitsunfällen, oder zahlreiche Vergünstigungen dieser Art in der Sozialversicherung usw.

Die polnische Verfassung garantiert allen Bürgerinnen und Bürgern Gleichheit vor dem Recht und verbietet Diskriminierungen jeglicher Art. Diese Bestimmung kann auch sexuelle Orientierung beinhalten, allerdings gab es noch keinen Fall einer solcher Auslegung durch ein Gericht. Obwohl die polnische Verfassung aus dem Jahr 1997 jegliche Art von Diskriminierung verbietet (Art. 32), definiert sie in einem anderen Artikel 18 die Ehe als eine Beziehung zwischen Frau und Mann.

Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften

In der polnischen Gesetzgebung existiert kein Artikel zur Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften. Gegen Ende des Jahres 2003 hatte die Senatorin Maria Szyszkowska (aus der Partei Sojusz Lewicy Demokratycznej)  ein Konzept vorgeschlagen, welches die Frage der Partnerschaften für gleichgeschlechtliche Paare, ähnlich dem französischen Gesetz PACS, regeln sollte. Am 3.Dezember 2004 nahm der polnische Senat die Gesetzesvorlage und  übergab es an den Sejm. Dieser Antrag wartete dort auf die Abstimmung im Sejm, allerdings wurden die Beratungen nicht abgeschlossen. Wäre er angenommen worden, hätten gleichgeschlechtliche Paare nur einen Teil der hauptsächlich wirtschaftlichen Rechte eingeräumt bekommen, zu welchen bis heute nur Eheleute Zugang haben.
Im September 2005 gewann die konservative Rechte die Parlamentswahlen. Die Verfassungsänderungen, welche die Partei Prawo i Sprawiedliwość  im Wahlkampf forderte,  beinhalteten u.a. die Einführung eines verfassungsgemäßen Verbots der Legalisierung homosexueller Partnerschaften in Polen. Falls dieses Vorhaben zustande gekommen wäre, dann wäre Polen das zweite Land der Europäischen Union (nach Lettland), welches eine Legalisierung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften verbietet. 

Im Jahr 2004 hat die Stadt Warschau in den Betrieben der städtischen Transportbehörde (städtische Straßenbahnen, Busse und U-Bahn) Partnerschaften anerkannt, darunter auch gleichgeschlechtliche, und den Mitarbeitenden wie auch ihren Partnerinnen und Partnern das Recht für freie Benutzung der städtischen Verkehrsmittel zugesprochen. Dies war der erste Fall einer Anerkennung homosexueller Paare in Polen.

Gewalt gegen Schwule und Lesben

Gemäß dem Bericht Raport o dyskryminacji i nietolerancji ze względu na orientację seksualną w Polsce  welcher durch die Kampania Przeciw Homofobii  und Lambda Warszawa  im Jahr 2002 vorbereitet wurde, sind homosexuelle Personen in beträchtlichem Maße häufiger Opfer körperlicher als psychischer Gewalt. Körperliche Gewalt Homosexuellen gegenüber gehört zu den krassesten Fällen von Diskriminierung. Erfahren hat dies jede 8. Person, die an der Befragung teilnahm. In den meisten Fällen wird geschlagen sowie gerempelt oder es werden Fußtritte versetzt. Es muß hervorgehoben werden, daß im Jahr 2002 sogar 12,2 % der Befragten körperliche Gewalt erfahren haben.

Diese Zahl ist sehr beunruhigend. Innerhalb der Personengruppe, welche Opfer körperlicher Gewalt wurden, geschah dies für 41,2 % erstmalig, für 31,2 % zum zweiten Mal, für 27,6 % zum wiederholten Male. 38,5 % aller körperlichen Gewaltakte fanden in Form von Schlägen statt, genauso oft wurde gerempelt, gestoßen oder es wurden Fußtritte versetzt. Die Tatverursachenden waren meistens unbekannte Personen (46 %), Familienmitglieder (13,5 %) sowie Freunde und Bekannte (11,5 %). In 75 % der Fälle von körperliche Übergriffen wurde die Polizei über diese Vorfälle nicht informiert, lediglich 25 % der Angegriffenen informierten die Strafverfolgungsbehörden. Beunruhigend ist die hohe Prozentzahl von Personen welche Fälle von Gewalterfahrung nicht bei der Polizei anzeigt.

Die befragten Opfer fürchteten sich aufgrund ihrer sexuellen Orientierung vor der Reaktion der Polizeiangestellten oder sie vertrauten nicht in ihre Arbeit. Als die „feindseligste“ Stadt gilt Łódź – 26 % der Befragten haben in dieser Stadt im Jahr 2002 körperliche Gewalt erfahren. Zum Vergleich, in Warschau betrug diese Prozentzahl 14 % und in Bydgoszcz 10 %. Psychische Gewalt haben über 30 % der Befragten erfahren. Meistens zeigt sich diese in Form von verbalen Angriffen, Bedrohungen oder Erpressungen. Die Tatsache, dass fast jede dritte befragte Person im Jahr 2002 psychische Gewalt erfahren hatte, ist sehr beunruhigend – es zeugt von hochgradiger Intoleranz gegenüber homosexuellen, bisexuellen und transsexuellen Personen sowie einem mangelnden Unrechtsbewußtsein bei den Tatverursachenden.

Als die am meisten feindseligste Stadt gilt wieder Łódź – 51 % der Befragten haben in dieser Stadt im Jahr 2002 psychische Gewalt erfahren. In Bydgoszcz betrug diese Prozentzahl 40 %, in Poznań 34 %, in Warschau 31 %, in Krakau 21,7 %. Auf der Grundlage der vorhandenen Ergebnisse und Analysen von veröffentlichten Darstellungen, welche sowohl den Grund des Nichtinformierens der Polizei im Falle von körperlicher und psychischer Gewalt als auch die Reaktionen der entsprechenden Behörden beinhalten, kommen wir zum Ergebnis, dass homosexuelle, bisexuelle und transsexuelle Personen den Sicherheitsbehörden leider nicht trauen.

Die vorhandenen Ergebnisse zeugen davon, dass Personen, die Gewalt erleiden, (in der überwiegenden Mehrzahl) die Polizei über diese Tatsachen nicht in Kenntnis setzen. Genährt wird diese Haltung durch das Misstrauen in die konkreten Maßnahmen und durchgreifenden Taten der Polizei oder der Angst vor der Reaktion der Strafverfolgungsbehörden wegen der sexuellen Orientierung der Opfer. Als Beispiel kann hier der Fall der Besuchenden der Warschauer Diskothek Paradise (z.Zt. heißt diese Idol) in der Nähe der ul. Wawelskiej  angeführt werden. Dort werden sehr oft Personen verprügelt, die diesen Ort besuchen. Leider zeigen die Opfer dieser Verbrechen aus Angst vor einer erneuten Viktimisierung diese Vorfälle bei der Polizei nicht an. Aufgrund der Auflösung des Amtes der Regierungsbeauftragten für die Belange der Gleichstellung von Frauen und Männern wird zur Zeit kein Monitoring bezüglich der Rechtswidrigkeiten gegenüber Schwulen und Lesben in Polen durchgeführt. Zur Zeit erstellt die Kampania Przeciw Homofobii und Lambda Warschau dank finanzieller Hilfe durch ILGA-Europe den Bericht Raport o dyskryminacji i nietolerancji ze względu na orientację seksualną w Polsce zu lata 2005 i 2006 . Dieser Bericht wird in polnischer und englischer Sprache in der ersten Hälfte des Jahres 2007 veröffentlicht werden.

Politische Parteien zu der Frage der Rechte von Schwulen und Lesben in Polen

Parteien des linken Spektrums, mitte-links und sozial-liberale Parteien wie: Zieloni 2004, Sojusz Lewicy Demodratycznej, Unia Pracy, Socjaldemokracja Polska, Unia Lewicy, Partia Demokratyczna  u.a., deklarieren in unterschiedlichem Grade Unterstützung für die Rechte von Schwulen und Lesben, manche haben es in ihrem Parteiprogramm festgehalten. Konservative Parteien wie die Platforma Obywatelska, Prawo i Sprawiedliwość oder Liga Polskich Rodzin  sind gegenteiliger Meinung. Die Partei Samoobrona  hat keine klare Meinung in dieser Frage.

Politischer Kontext der schwul-lesbischen Thematik seit September 2005

Seit September 2005 regiert in Polen die konservativ-rechte Partei Prawo i Sprawiedliwość, welche seit Mai 2006 zusammen mit der national-antieuropäischen Partei Liga Polskich Rodzin und der populistischen Bauernpartei Samoobrona eine Koalition bildet.
Die führenden Politiker von PiS  waren bereits lange vor der Machtübernahme gegen die Märsche und schwulen Paraden, gegen die Gesetzgebung die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung verbietet und gegen das Amt der Regierungsbeauftragten für die Belange der Gleichstellung von Frauen und Männern. Eine der ersten Entscheidungen des neuen Premiers der PiS, Kazimierz Marcinkiewicz, war die Auflösung des Amtes der Regierungsbeauftragten für die Belange der Gleichstellung von Frauen und Männern. Polen hat als das einzigste Land der europäischen Union auf der ministeriellen Ebene keine für die Bekämpfung der Diskriminierung von Schwulen und Lesben verantwortliche Person, was mit der EU-Richtlinie 2002/73/EC nicht übereinstimmt. Am 3.Oktober 2005 stellt der neue Premier Polens in einem Interview der polnischen Ausgabe von Newsweek fest, dass Homosexualität „nicht natürlich ist“, weil natürlich nur die Familie sei. Er sagte auch, dass die Gesellschaft „intervenieren muß gegen Personen, die andere mit ihrer Homosexualität anstecken wollen“. Ausdrucksformen wie „Ansteckung durch Homosexualität“ oder „Förderung der Homosexualität“ wurden früher nur durch die Liga Polskich Rodzin und ihrer Jugendorganisation Młodzież Wszechpolska  benutzt – jetzt dringt dieser Sprachgebrauch in die Ebenen der polnischen Regierung.

Am 23.Oktober 2005 wird der damalige Bürgermeister Warschaus, Lech Kaczyński, welcher zwei Male die Parada Równości   in den Jahren 2004 und 2005 verbot, Polens Präsident. In dieser Weise übernimmt PiS die volle Macht in Polen.

Am 17.November 2005 wird eine friedliche Demonstration gegen Diskriminierung aufgrund von Geschlechtszugehörigkeit, ethnischer Zugehörigkeit, Religion, Anschauungen sowie sexueller Orientierung in Poznań zerschlagen. Vorher wurde diese Demonstration durch den Bürgermeister der Stadt Poznań, Ryszard Grobelny, verboten. Gegen diese Demonstration sprachen sich auch PolitikerInnen der Parteien PiS, PO  sowie der Erzbischof der Stadt Poznań, Stanisław Gądecki aus. Die Polizei griff an und zerschlug diese Kundgebung und nahm 68 Demonstrierende fest. Alle wurden aufgrund des Artikels 51 des Kodeks Wykroczeń  (Teilnahme an einer nichtlegalen Versammlung, Störung öffentlicher Ordnung) verurteilt.

Für diese Straftaten drohen bis zu 30 Tage Haft. Noch im Dezember 2005 kam das Kreisverwaltungsgericht, bei dem die Verhafteten Anzeige gegen das Vorgehen des Bürgermeisters der Stadt Poznań erstatteten, zu dem Beschluß, daß das Demonstrationsverbot gesetzeswidrig war und nicht vereinbar mit der Europäischen Konvention für Menschenrechte sowie der polnischen Verfassung. Das Organisationsteam der Parada Równości in Warschau hat im Dezember 2005 auch gegen das Verbot der Parade durch den damaligen Bürgermeister der Stadt Warschau und jetzigem Präsidenten Polens, Lech Kaczyński, beim Europäischen Tribunal für Menschenrechte in Straßburg Anzeige gestellt. Ermöglicht wurde dieses Vorhaben durch die Hilfe der Stiftung Helsińska Fundacja Praw Człowieka . Die Klage wird zur Zeit beim Tribunal geprüft.

Im Mai 2006 tritt die Partei Liga Polskich Rodzin der Regierungskoalition bei. Ihr Vorsitzender Roman Giertych wurde Vizepremierminister und Minister für Bildung. Eine der ersten Entscheidungen des neuen Bildungsministers und früheren Vorsitzenden der Jugendorganisation Młodzież Wszechpolska  der Partei Liga Polskich Rodzin war das Verbot von Einladungen von pazifistischen, ökologischen und schwul-lesbischen Organisationen in die Schulen. Da dieses nationale Bildungsministerium das Programm „Młodzież“  der Europäischen Kommission in Polen koordiniert, verlieren die Belange junger Schwuler und Lesben, laut den Erfahrungen der Kampania Przeciw Homofobii, alle Zuwendungen, die aus diesem Programm „Młodzież“ fliessen.

Wojciech Wierzejski, zweiter Vorsitzender der Partei Liga Polskich Rodzin, sagte im Mai 2006 in einem Interview in der Zeitung Życie Warszawy, dabei die im Juni stattfindende Parade der Gleichberechtigung verurteilend: „Und es interessiert mich überhaupt nicht, dass irgendwelche Politiker aus Deutschland anreisen wollen. Diese sind keine ernsthaften Politiker, sondern nur Schwule. Wenn sie eins mit dem Knüppel bekommen, werden sie schon kein zweites Mal kommen“. Diese Aussage wurde durch die Medien als Anstiftung zur Gewalt gegen die Beteiligten der Parade der Gleichberechtigung aufgenommen. Claudia Roth, Vorsitzende der Partei Bündnis 90/Die Grünen, antwortete Herr Wierzejski in der Zeitung Gazeta Wyborcza.

Eine Woche später, am 12.Mai 2006, reichte Wojciech Wierzejski eine Anfrage an das Justizministerium um die Aufklärung von Verbindungen zwischen der Organisation LGBT  und kriminellen Machenschaften wie u.a. Pädophilie. Der Abgeordnete unterstellt schwul-lesbischen Vereinigungen rechtswidrige Handlungen, hauptsächlich Verbindungen mit der Drogenmafia. In einem Schreiben verlangte dieser Abgeordnete die Überprüfung der Finanzierungsquellen schwuler Organisationen. Im Schreiben sieht Wierzejski Schwule identisch mit Pädophilen.

Nach der Anfrage des Abgeordneten Wierzejski leitete die Staatsanwaltschaft Ermittlungen ein um diese Vorwürfe aufzuklären. Diese Untersuchung endete damit, dass keine Beweise für die Anspielungen des Abgeordneten gefunden werden konnten.

Seit die Parteien Liga Polskich Rodzin und Prawo i Sprawiedliwość zusammen eine Koalition bilden, ist die Feindseligkeit Schwulen und Lesben gegenüber noch größer geworden. Der Bildungsminister verbot in den Schulen das Lehren über Homosexualität, und in der Regierung gibt es immer mehr Vertreter der Jugendorganisation Młodzież Wszechpolska , welche durch die Angriffe bei den Paraden der Gleichheit bekannt sind (Krakau 2004, Poznań 2004, Warschau 2005).

Übersetzung: Katharine Machnik, kajomach@web.de

 

Tomasz Szypuła ist Schriftführer der Kampania gegen Homophobie in Polen. Seit Oktober 2006 ist er Mitglied von ILGA-Europe.