Saxophon (Variationen)

Elsa Fernandez „fissure“
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Elsa Fernandez „fissure“

Der Klang von Vaters Saxophon verbreitete um sich herum eine wundersam samtene Erhabenheit und Trauer. Einem Katzenjammer ähnlich, der die Augen schließt. Schläfrigkeit in der Dämmerung.

Schokoladenfarbenes, verhaltenes Aufblitzen. Festlichkeit; wie beim Erscheinen des schwarzen Lamms am Himmel oder des funkelnden Fiakers, den ein atlasbedeckter Rappe zieht, die Hufe mit Wolle umwickelt…

Der Vater bemächtigt sich seines silbernen Schwans. Er liebkost das Gefieder seiner Klappen, küsst seinen schwarzen Schnabel. Leiht ihm seinen Atem. Mit heiserem Flüstern gießt er Sanftmut in unsere Seelen.

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Das Saxophon in Vaters Händen trinkt in langsamen und langen Schlucken die Luft aus seiner Brust und seinen Alveolen. Es ist nicht diese uns umgebende Luft, sie ist gereinigt durch seinen Blutkreislauf, veredelt von seinen Herzschlägen und von diesen Tönen, diesem Rhythmus, zurückgegeben durch die Klappen und den gebogenen Rüssel am unteren Teil des Instruments. Den Gesichtsausdrücken der Zuhörer nach scheint es, dass eine nebelhafte Erinnerung an einen längst vergessenen Schmerz ihrem Gehör einen Besuch abstattet, an jenen Augenblick, als sie für immer aus der ursprünglichen Schönheit vertrieben wurden.

Die Versammelten, die wie verzaubert seiner Musik zuhören, spüren, von einem inneren Unbehagen angeregt, dass sie irgendeine amputierte Ureigenschaft bedrückt, doch sie wissen nicht, woher dieser Klang kommt, dieser kaum hörbare Ruf, auch wissen sie nicht, in welche Richtung sie sich drehen sollen, um ihn deutlicher zu hören. Deshalb heben sie, ihm zuhörend während er aus der Quintessenz seiner Seele und seines Wesens spielt, die nur Gott zugänglich ist, ergriffen die Hände und legen den Kopf in den Nacken, der genau dorthin ausgerichtet ist, wohin es sich gehört, gen Himmel.

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Man sagt, dass alle Romamusiker lungenkrank werden, dass sie Asthma haben und Atemnot. Deshalb ist die Romamusik so traurig und immer nur in Moll…

Dann wird die Luft rund um sie krank, sie steht und ist schwer und so betäubend, dass Schmetterlinge sterben und Vögel vom Himmel wehen und das Atmen zum Schluchzen wird!

Aus dem Serbischen von Bärbel Schulte