FREMD
Ein Blatt,
dem Wind überlassen.
Ohne Gewicht und daher ohne Verlust!
Schwebend,
auf der Suche nach einem sicheren Boden.
Schutzlos, wenn es
auf der hoffnungsschimmernden Erde landet.
zitternd,
in leerer Luft ewig herumzuirren,
da die ziellose Freiheit bedrückt.
Der Wind ist der Weg.
Ungeschützt vor sonniger Freude wie vor regnerischem Trübsinn.
So fremd wie zerrissen...
Nirgends Heimat.
In den Häusern der Fremde
duften nicht für dich die Blumen.
DER FLUSS
Denn das Schöne ist
Nichts
Als des Schrecklichen Anfangs
Duineser Elegien
R. M. Rilke
täglich unverwandt blickend
morgens und nachmittags
Tag und Nacht,
unbeweglich blickend unbeweglich
wie verzaubert,
auf den Fluss blickend,
auf den breiten Fluss und Weidenzweige überall,
wie er ruhig strömt
durch und durch bewusst dem Meer entgegen
zu dem er gehört,
unverwandt auf den Fluss blickend
der strömt und strömt
von keinem Ehrgeiz getrübt,
das sachte Flüstern der Wellen hörend
die vor meinen Füßen tanzen
unverwandt auf die unablässige Landschaft des Fliessens blickend
mein bruchstückhaftes Sein ergibt sich dem Anfang.
In keinem anderen Fluss will ich mitfließen.
Übertragen aus dem Albanischen von Hans-Joachim Lanksch
Über die Autorin
Lidita Arapi-Boltz, geboren 1972 im Albanien, studierte Literaturwissenschaft in Tirana, Germanistik, Anglistik und Pädagogik in Köln, Publizistik mit anschließender Promotion in Wien. Sie arbeitete für albanische, schwedische und deutsche Medien und veröffentlichte drei Lyrikbände in albanischer Sprache sowie Gedichte und Erzählungen in Anthologien.
Lindita Arapi