von Joshua Kwesi Aikins
Oktobernachmittag in Berlin Wedding.
Ein cremefarbener BMW bremst mitten auf der Kreuzung, der Stau für Rechtsabbieger ist zu lang. Ich trete angesichts der quietschenden Reifen einen Schritt zurück. Eine Scheibe wird heruntergekurbelt, es erscheint ein leicht sommersprossiges, wasserstoffblond gerahmtes Gesicht. „Ey, ich bin der Reppah!“ blökt es mir entgegen, die junge Frau schürzt die Lippen, damit sie wulstig aussehen und zu ihren fuchtelnden Armen und den ruckartigen Kopfbewegungen passen. Noch bevor ich etwas entgegnen kann, fährt der Wagen um die Kurve, kommt aber am Ende einer neuen Autoschlange zum Stehen. Ich mache ein paar Schritte auf den Wagen zu, die junge Frau Anfang zwanzig vollführt weiter ihren Tanz auf dem Rücksitz, ich kann die Worte „yeah, yeah...Ghetto. Ich bin ein Reppah!“ aus dem Gelächter heraushören. Angesichts der Grimassen und Gesten überlagert Erstaunen über die zur Schau gestellte Primitivität meine Wut, meine Frage klingt zwar forsch, aber auch verwundert: „Findste das etwa lustig?“ Das Auto fährt ruckartig an und lässt mich grübelnd zurück. Ein Schwarzer an einer Weddinger Straßenkreuzung reicht scheinbar aus, um all diese Assoziationen abzurufen, der „sichere“ BMW im „unsicheren“ Wedding verführt offenbar zum drive-by Rassismus.
Offensichtlich sind Klischees über Hip-Hop und Hautfarbe in Deutschland nach wie vor eng verbunden. Dies zeigt sich in der Ironie der Vorführung – die beschriebene Showeinlage sollte witzig sein, weil sie die Realität umkehrt. Sie war der Reppah, inklusive „authentischer“ Mimik und Gestik obwohl sie weiß war – das war zumindest aus ihrer Sicht der Witz der Performance.
Gleiches gilt für viele weiße Rapkünstler und Rapfans in Deutschland: Schwarzsein ist Teil des HipHop-codes, wird zitiert, verwendet, vermarktet. Dies geschieht jedoch stets so demonstrativ, dass klar ist: Hier wird das Schwarze, das Andere dargestellt. Wie bei anderer schwarzer Musik gelten auch hier Aussagen wie „er hat fast eine schwarze Stimme“, „sein Flow ist wie der von Nas“ als Komplimente, gerade weil sie den Kontrast zwischen den weißen Adressaten und der schwarzen Referenz deutlich machen. Impliziert wird dabei, dass eine schwarze Stimme, beispielsweise die von Nasir „Nas“ Jones quasi natürlicherweise einen guten Klang und Flow besitzt. Mainstream Rassismus argumentiert auch in Deutschland längst nicht mehr offen mit Biologie und „Rasse“, aber eben mit einer letztlich genauso starr und schicksalhaft verstandenen Kultur, auf die schwarze Menschen reduziert werden.
Mainstream Rap ist nicht frei davon. Im Gegenteil, letztlich wird durch dergleichen Kontraste weiße Überlegenheit zelebriert – es wurde gelernt und perfektioniert, was andere quasi natur- bzw. kulturgegeben automatisch beherrschen. So wird die Kopie bewundernswerter als das Original, was triumphalistische „Weißer-Rapper-zeigt-es-Allen“ Stories a la „8-Mile“ ebenso zeigen wie die Karriere des Protagonisten und bis dato meistverkauften Rappers Eminem- ungeachtet rassistischer Reime1 in seinem Frühwerk. Doch dies ist noch der harmlosere Teil des Zerrbildes von HipHop, das von den USA aus die Bildschirme und iPods, die Radioshows und Mix-CDs nicht nur in Deutschland prägt.
Charts als Klischeeverstärker
Trotz demographischer Veränderungen ist es in den USA nach wie vor die weiße Nachfrage, die über Platzierung in der Heavyä--- Rotation, Charterfolg und damit auch Exportchancen von RapkünstlerInnen und somit deren Sichtbarkeit in anderen Ländern entscheiden. Was die Mehrheit nachfragt sind vor allem Klischees: Ein bisschen schwarzer Thrill im weißen Vorstadt-Chill. Da nur die in den USA erfolgreichen KünstlerInnen hier entsprechend gespielt werden und hierzulande für die Gruppe der entscheidenden Konsumierenden dasselbe gilt wie in den USA fungieren die deutschen Charts gleich doppelt als weißer Klischee- bzw. Selbstbestätigungsverstärker.
Trotz und gerade wegen dieser Zerrbilder sind weiße Fantasien von Schwarzsein unverzichtbare Zutaten des Pop Rap Mixes. Das geht über die bekannten schwarzen Komparsen im weißen Rapvideo, die die Realness des Künstlers im Takt abnicken weit hinaus.Paraphernalien bzw.unumstößliche Beweise der “Realness“, der Echtheit, wie zum Beispiel die Herkunft aus einem „Ghetto“ werden auch in Deutschland gern als Echtheitszertifikate für authentischen Rap vermarktet.
Wie erfolgreich diese Vermarktungsstrategie funktioniert, konnte ich in einem Seminar an der Humboldt-Universität erleben. Die fabrizierte street credibility ist so überzeugend, dass sie Kritik an Aggroberlin-Künstlern wie B-Tight erschweren. Nachdem ich mich kritisch zu B-Tight geäußert hatte, wurde ich dafür von einem weißen Kommilitonen kritisiert. Er wies mich darauf hin, dass ich »zwar auch schwarz« sei, aber dennoch nicht das Recht hätte, so über B-Tights Texte und Videos zu urteilen. Zwar sei darin manches unerfreulich und politisch unkorrekt, allerdings sei dies „nunmal die Realität in so einem Ghetto“. Ich als privilegierter Student mit behüteter Kindheit dürfe mich nicht zu einer Bewertung aufschwingen, da dies einer „Klassendiskriminierung“ gleichkäme. Ich konnte zwar dieses Gespräch abkürzen, indem ich meinen Kommilitonen darauf hinwies, wo ich aufgewachsen bin – im Märkischen Viertel. Das Gespräch macht jedoch deutlich, wie Klischees in Bezug auf „Rasse“ und Klasse verbunden werden, um eine anscheinend unhinterfragbare Authentizität zu kreieren.
Rap ohne HipHop
Ein Großteil des Rap, der in deutschen Musiksendungen gespielt wird, hat mit HipHop schlicht nichts mehr zu tun. HipHop war ursprünglich eine Kultur, deren visueller Aspekt Graffiti, deren tänzerische Ausdrucksform Breakdance, deren Musik das komplexe Zitatspiel mit Samples, deren wichtigstes Instrument die Plattenspieler waren und deren Lyrik in Rap und Spoken Word ihren kreativen Ausdruck fand. HipHop vereint verschiedene afrodiasporische Traditionen: Afrojamaikanische Soundsystem-Kultur traf auf die Sprachkunst des Rap, bei der Inhalt über den flow Teil der Musik wird, greift schwarze Sprachtraditionen auf, das Sampeln ermöglichte die Wiederaneignung schwarzer Musikkonzepte. Eine Bewegung, deren concrete jungle roots sich gerade in kollektiver Kreativität ausdrückten, die den Kampf gegen Marginalisierung zelebriert, wurde zur besseren Vermarktbarkeit zu einer weiteren Ware zurechtgestutzt.
Mainstream Rap kann anders als HipHop passiv konsumiert werden. Die meisten Protagonisten (denn Protagonistinnen, die es im HipHop gerade auch im Spoken Word Bereich gibt, sind im Pop Rap eher selten, gilt es doch hier, nicht zuletzt durch plakatives Machotum authentisch zu wirken) sind also tatsächlich „Reppah“ - ebenso wie die enthemmte Ghettotouristin im Berliner Wedding. Losgelöst von der HipHop Bewegung werden formelhaft Kleidung, Gesten und Musik verwendet, die durch Klischees des Schwarzseins als „real“ vermarktet werden.
Wie kompliziert ist es wirklich?
Der Tenor in Mehrheitsmedien ist seit längerem, dass simple Kategorien wie „Rasse“ und damit implizit auch Weißsein immer weniger wichtig ist, da ja heutzutage alles so viel komplizierter sei. Die Zukunft sei braun, bunt, brasilianisch – womit auf die vielen Herkunftsfacetten der kosmopolitischen neuen WeltbürgerInnen angespielt werden soll. Der neoliberale Remix von Identitätspolitik besteht darauf, dass althergebrachte Trennlinien demonstrativ verwischt werden, um gleichzeitig ebenso alte Hierarchien im neuen Gewand zu präsentieren.
So wie Rassismus in Brasilien und der neue Multikulti-Rassismus ist diese Strategie subtil, aber wirkungsvoll – auch im deutschen Rap: Eine Betrachtung des live Mitschnittes zum Lied „Vaterland“ zeigt, wie die „neue Kompliziertheit“ genutzt wird, um ganz alte Beschimpfungen wie „du Zigeuner“ wieder salonfähig zu machen, und dass in einem Lied, in dem Rap „zurück ins Vaterland“ gebracht wird.
Der Rapper Fler ist offensichtlich daheim im Reich der dumpfen, allerdings sehr geschichtsbewussten Provokationen. Ermöglicht wird ihm dies durch demonstrative Zusammenarbeit mit Musikern, deren Aussehen oder Herkunft Fler bescheinigen, „multikulti“ und damit in gängiger Logik über jeden Rassismusverdacht erhaben zu sein. Um das Fler-Image abzurunden entstehen daher Kollaborationen mit B-Tight oder auch wie mit dem deutsch-tunesischen Rapper Bushido bei einer live Performance des Liedes „Vaterland“. Dass hier ein schwarzer Deutscher Rapper ebenfalls von Deutschland als „Vaterland“ rappt, erscheint angesichts Flers rassistischer Reime bestenfalls als fingiertes Alibi, als multikulti-Freibrief2 . So kehren rassistische Beschimpfungen heim ins Reich der teutonischen Bühnenperformance und johlenden Menge, weiße ZuschauerInnen werden durch das Zitieren rassistischer Ideen über „Andere“ in ihrem Weißsein, in ihrer Normalität bestätigt.
In der deutschen Diskussion wird gern übersehen, dass jede rassistische Beleidigung auch und vor allem die Beleidigenden beschreibt und bewertet: Weißsein wird als überlegene, unmarkierte Norm bestätigt. „Du schwarz, ich weiß“ ist der primitive Kontrast, der in rassistischen Begriffen enthalten ist. Selbstaufwertung durch Abwertung – bei gleichzeitiger Aneignung der „Anderen“ - dieses Muster macht rassistische und sexistische Texte zu Selbstbestätigungsbotschaften einer weißen, männlichen Klientel.
Wenn schon Rap, dann wenigstens Weiß
Die Entwicklung hin zum tumben Teutonentum im aktuellen Deutschrap ist jedoch nur die Fortsetzung eines Trends, der schon Anfang der Neunziger Jahre begann, als es galt, Rap vom Subkultur-Image zu lösen und für den Deutschen Popmarkt verwertbar zu machen. Auch in Deutschland waren es zunächst migrantische und schwarze Jugendliche, die die sich in raplyrics wiederfanden und Musik, Tanz, visuelle Kunst und Style der HipHop Kultur nutzten, um ihre Erfahrungen auszudrücken. Einige der ersten deutschen Raps entstammen dem Blackbook des afrodeutschen MCs Torch, der mit Advanced Chemistry bereits Anfang der Neunziger politischen Rap aus schwarzer deutscher Perspektive machte.
Den ersten Rap-Majordeal mit einer großen Plattenfirma erhielten jedoch nicht Advanced Chemistry, sondern die weiße Spaßcombo Die Fantastischen Vier – eine Weichenstellung für Rap in Deutschland, der im Medienmainstream dankbar als Deutschrap, leichtverdauliches weißes Entertainment und nicht mehr als Edutainment aus schwarzer Perspektive dargestellt wurde. Die Comedytexte des „neuen deutschen Sprechgesangs“ der „Fantas“ grenzten sich bewusst vom politischen HipHop ab, was die Gruppe auch in einem Interviewduell mit Advanced Chemistry betonte. In diesem 1993 im Musikmagazin Cut erschienenen Schlagabtausch erklärte Smudo, MC der Fantastischen Vier: "Auf unseren Konzerten gab es noch nie Stress. Zu uns kommen die Leute nicht, um sich zu prügeln. Schwarze Rapper wie Public Enemy oder Ice T provozieren und stacheln auf. Wir machen Spaß und Party mit Aussage."
Hier wird die Fantasie der Zähmung des Rap durch „Weißwaschung“ ebenso deutlich wie der zugrunde liegende Kontrast zwischen aggressiven schwarzen und friedfertigen weißen Rappern. Aufgrund der weitgehenden Entkoppelung des Rap von den schwarzen Ursprüngen des HipHop wurde es weißen Deutschen in der Folge möglich, Rap und Rassismus scheinbar ohne Widerspruch zusammenzubringen. Ein vom afrodeutschen MC Afrob geschildertes Erlebnis macht dabei das Ausmaß des Rassismus und der darin enthaltenen deutschen Kontinuitäten deutlich:
„Ich hab' kein Problem damit, wenn die mich dissen", erklärt Afrob mit Blick auf die Entwicklung der Battlekultur, der lyrischen Zweikämpfe unter Rappern, "aber wenn es anfängt mit 'Affen wie Afrob ...' - das ist Naziideologie, so Nürnberger Rassenideologie ist das, ja, so richtige Nazischeiße, da hört's einfach auf. Ich mein', wo bin ich denn hier? Ich geh' auf eine Black-Music-Veranstaltung, und die Leute kommen zu mir und sagen 'Scheißnigger', Mann, diese Leute hören HipHop, Black Music und machen so Nazivergleiche. Verstehst du, was ich meine? Und die Leute haben kein Problem damit, die finden das richtig geil. So etwas gibt es. Die Leute denken wirklich, ich würde das alles erfinden. In Dortmund auf einem Konzert hat ein Typ unseren Wagen mit einem Hakenkreuz zerkratzt. Der hat uns auf die Motorhaube so ein fettes Hakenkreuz gemacht, und drunter hat er 'Republikaner' geschrieben. Oder auf dem Ferris-Konzert. Sagt ein Typ zu mir: 'Guck mal, schon wieder ein Neger.' Mann, wo bin ich denn? Das geht gerade in eine schlimme Richtung, und da wird mir auch persönlich was genommen."
Des weißen Rappers Bürde
Doch es geht auch anders: Es gibt HipHop, der sich mit Fragen von race und place, Rassismus und Weißsein in Deutschland auseinander setzt. Allerdings spielt sich dies zumeist weitab des Pop Raps ab, der hierzulande als HipHop vermarktet wird. Die EP (Minialbum) „...aus dem Hinterhalt“ mit vom Thema des Artikels inspirierten Stücken macht zu selten Gehörtes hörbar – Rap, Spoken Word, aber auch Gedanken über ambivalente Erfahrungen mit HipHop, Schwarzsein und Weißsein in Deutschland: Everrich, weißer MC aus dem Märkischen Viertel kam in jungen Jahren zum HipHop und begann Ende der 90er als Dem Ray mit seinem afrodeutschen Reimpartner Anyone zu rappen. Nachdem Dem Ray sich auf Schul- und Clubauftritten mit kreativ-komödiantisch-kritischen Texten eine Untergrundreputation erspielt hatten, entschied sich Everich jedoch, „aus Respekt“, das Mic niederzulegen. Im Interview erklärte er, als Weißer nicht respektlos gegenüber HipHop und Rap, dem „schwarzen Befreiungslied“ erscheinen zu wollen. Auch wenn sich seine Texte vom rauh-sexistischen Berlin style abheben, fürchtet er, dennoch von vielen als „normaler weißer Rapper“ gesehen zu werden, als weiterer Beweis dafür, das Weiße selbstverständlich und unhinterfragt Teil von HipHop sein können. „Egal wie kritisch ich bin, viele hören doch überhaupt nicht zu! Die sagen einfach, cool wie der da mit dem Schwarzen auf der Bühne rappt“. Everrichs Gedanken und Anyone's Flow sind im Audiostatement ( mp3) bzw. im Song „Nichts ändert sich“ ( mp3) zu hören, die eine weiße und eine schwarze Perspektive von MC Veteranen aus dem Märkischen Viertel wiedergeben.
Der schwedische MC Promoe ist ein auch international bekanntes Beispiel für eine selbstkritische weiße Stimme im HipHop. Er wirkt mit seinem Vollbart und der wildwuchernden Dreadmatte je nach Perspektive entweder wie ein veganer Waldschrat oder Jeschua bin Yussuf persönlich. Doch der Eindruck täuscht. Textzeilen wie
HipHop started in the Bronx/ or was it in Africa really know when/ what a tragic ambassador I make for the culture/ or was it a movement or is it an industry full of consumers full of politics/ is there any improvenent is it my heritage/ or am I intruding when I say what I say/ when I do what I’m doing what’s really the truth/ ok from my point of view then... |
HipHop begann in der Bronx/ oder war es in Afrika |
im Lied „Eurotrash“ zeigen, wie reflektierter weißer Rap klingen kann. Promoe zögert nicht, seine weiße Position klar zu benennen:
I was hating my white skin/hating my gender |
Ich hasste meine weiße Haut/ hasste mein Geschlecht (meine Geschlechterrolle) Wollte keine Rassisten und Mörder repräsentieren des weißen Mannes Bürde ist nicht die von der ihr gehört habt es geht nicht um eine Mission die Heiden zu christianisieren sondern es hängt zusammen mit der Vision von uns als überlegenen Wesen in der dunkelsten Geschichte der Weltkultur seine Geschichte ist meine Geschichte/ es ist klar zu erkennen ich kann das Gewicht nicht tragen/kann die Bürde nicht tragen mein Erbe ist zu schwer für meine Schultern ich kann mit dem Hass nicht umgehen, der bis an die Oberfläche hochkocht und die Geschichte wiederholt sich (...) |
Wenn HipHop eine emanzipatorische Bewegung ist, in der Kreativität und Kritik künstlerischen Ausdruck finden, wenn HipHop Befreiung und Selbstverwirklichung zum Thema hat, dann muss HipHop auch Unterdrückung benennen. Privilegien müssen sichtbar gemacht werden, und das heißt, sich kritisch mit Männlichkeit und Weißsein zu beschäftigen. Beides findet im HipHop statt – doch wenig davon ist im Mainstream Rap zu hören oder in den entsprechenden Videos zu sehen. Und falls kritische KünstlerInnen es in den Mainstream schaffen, wird schnell reagiert: So zensierte MTV Kanye West's Liedzeile:
Drug dealer buy Jordans, crackhead buy crack/ And a white man get paid off of all of that |
Drogendealer kaufen Jordans (Turnschuhe), Cracksüchtige kaufen Crack/ |
In Deutschland beklagte nicht nur Afrob, sondern auch dessen weißer Kolchosen- und Labelkollege Max Herre, dass Afrobs Album „Made in Germany“ vor allem deshalb kein Erfolg war, weil die Pro Black Message des MCs als „anti-weiß“ missverstanden worden sei. Das dies geschehen konnte, obwohl Afrob sich bereits auf früheren Alben und als MC bei Brothers Keepers eindeutig positioniert hatte, zeigt, wie wenig Interesse ein weißes Publikum an der Selbstreflektion, am Spiegel hat, der ihnen in Form kritischer schwarzer HipHop CDs vorgehalten wird.
Schwarze MCs können dann bequem und schnell als „anti-weiß“ abgestempelt werden – bei weißen MCs geht das nicht so einfach. Dies auszunutzen, um über die eigene Position zu sprechen – das ist des weißen Rappers Bürde. Looptroop, Promoe und die beigefügte EP belegen eines: Es gibt sie, die weißen MCs, die ihre eigene Position in und mit den Mitteln von HipHop kritisch hinterfragen. Doch wann hören wir mehr davon auch aus und in Deutschland?
Anmerkungen
1 Der weiße US Rapper Eminem ist inzwischen reich und einflussreich genug, seine Vergangenheit zu schönen: So verhinderte er nicht nur erfolgreich die Veröffentlichung des Songs (Zitat:“Black girls and white girls just don’t mix/Because Black girls are dumb and white girls are good chicks/White girls are good; I like white girls/I like white girls all over the world.“) auf einer CD des renommierten HipHop Magazines The Source. Es gelang darüber hinaus mit der Hilfe von Schwarzen HipHop Stars wie Russel Simmons die Kritiker selbst als beinahe rassistisch, jedenfalls als nicht ernstzunehmen darzustellen, mit dem Erfolg, dass obige Zeilen außerhalb der USA kaum bekannt sind. Häufig weigern sich Rapfans zu glauben, dass Eminem dergleichen jemals gesagt haben könnte.
2 Das Fler dies nicht immer gelingt, zeigen die online abgegebenen Komentare zu seinem betont und bemüht „türkisch-deutschen“ Track „Cüs Junge“ mit Muhabbet. Die rauhe Sprache der Kommentare sollte nicht überraschen – liegt sie doch noch weit über dem bei Fler und den Aggro-Berlin Labelkollegen üblichen Niveau.
3Kanye West hatte während eines Spendenaufrufes für die Opfer von Hurricane Katrina Aufsehen erregt: Er kritisierte rassistische Berichterstattung, schleppende Hilfe für die ärmsten der betroffenen Gegenden und endete mit dem an der US East Coast gesendeten und an der West Coast bereits herausgeschnittenen Kommentar:“George Bush doesn't care about Black people“. Konsequenterweise reagierte er auf die Zensur der Lyrics in „All falls down“ indem er den Text umschrieb, anstatt „white man“ heißt es jetzt „...and George Bush gets paid off of all of that“
"...aus dem Hinterhalt" - EP zum Artikel zurück
- Cinnamon Sandjon „...aus dem Hinterhalt“ Lyrics
- Cinnamon Sandjon „Landschaftsbilder“ Lyrics
- AnyOne & Patrice „Nichts ändert sich“ mp3
- Everrich Audiostatement: „...aus Respekt habe ich das Mic niedergelegt...“ mp3
- Flow & Phil „Filmemacher“ mp3
Playlist zum Thema:
- Looptroop: „Wretched of the Earth“ auf der EP „Punx not dead“
- Promoe: „White Man's Burden“ und „Eurotrash“ auf dem Album „White Man's Burden“
- Afrob & D-Flame: „Öffne die Augen“ (Video hier)
- Afrob „Made in Germany“ auf dem Album „Made in Germany“ (Video hier)
- Dead Prez: „Its bigger than HipHop“ auf dem Album „Let's get free“ (Video hier)
Literaturhinweise
- Aikins, Joshua Kwesi (2005): Wer mit Feuer spielt... Aneignung und Widerstand – Schwarze Musik/Kulturen in Deutschlands weißem Mainstream, in: Maureen Maisha Eggers, Grada Kilomba, Peggy Piesche und Susan Arndt (Hg), Mythen, Masken und Subjekte. Kritische Weißseinsforschung in Deutschland, Unrast Verlag, Münster 2005.
- Basu, Dipannita (2006): Hip Hop: Cultural Clout, Corporate Control, and the `Carceral Cast', in: Basu, Dipannita; Lemelle, Sidney J. (Hg): The Vinyl ain't final – HipHop and the Globalization of Black Popular Culture, London, Ann Arbor: Pluto Press
- Brown, Timothy S.(2006):`Keeping it Real' in a Different 'Hood: (African-)Americanization and Hip Hop in Germany, in:Basu, Dipannita; Lemelle, Sidney J. (Hg): The Vinyl ain't final – HipHop and the Globalization of Black Popular Culture, London, Ann Arbor: Pluto Press
- Güngör, Murat & Hannes Loh (2002): Fear of a Kanakplanet: HipHop zwischen Weltkultur und Nazirap. Höfen: Hannibal.
Joshua Kwesi Aikins studiert Politikwissenschaft an der FU Berlin. Er engagiert sich in der Initiative Schwarze Deutsche (ISD e.V.) und bei diversen Community Media Projekten.