Der Nationale Aktionsplan verdient seinen Namen nicht

von Memet Kilic

Am 31. Januar 2012 haben Kanzlerin Merkel und Staatsministerin Böhmer wieder zu einem ihrer symbolischen Kaffeekränzchen eingeladen, um dem In- und Ausland zu vermitteln, sie setzten sich für die Belange von EinwanderInnen ein. Es ist bedauerlich, dass dieser Gipfel zu einer reinen Show-Veranstaltung verkommen ist.
Der Aktionsplan, der nun verabschiedet wurde, ist ein Aktionismusplan. Er spricht zwar einige wichtige Themen an, aber ohne konkrete Ziele festzulegen. Da wird etwa als Ziel gesetzt, das Interesse am öffentlichen Dienst zu steigern - als wenn es daran fehlte. Wie, wann und mit welchen messbaren Ergebnissen sollen EinwanderInnen in den öffentlichen Dienst aufgenommen werden? Da bleibt die Bundesregierung im vagen. Zudem reichen die bereit gestellten Mittel für den großen Strauß an Projekten bei weitem nicht aus, um die hehren Versprechungen einzuhalten.

Erstaunlich ist, dass für die Bundesregierung Teilhabe nichts mit Gleichberechtigung zu tun hat. Vorschläge für gesetzliche Verbesserungen sind in ihrem Nationalen Aktionsplan nicht zu finden. Somit werden Themen, die EinwanderInnen in Deutschland hauptsächlich interessieren, bewusst ausgespart.
Die Bundesregierung versucht durch etliche Gipfel, Beiräte und Konferenzen davon abzulenken, dass sie selber mit ihrer Politik Integration behindert. Ihre Lippenbekenntnisse stehen im eklatanten Widerspruch zu den von ihr geplanten oder bereits vorgenommenen Gesetzesverschärfungen. Anstatt – wie behauptet - Kinder im frühen Alter bei dem Erlernen der deutschen Sprache zu unterstützen, will Schwarz-Gelb das Betreuungsgeld einführen. Anstatt – wie behauptet - einen sicheren Aufenthaltsstatus als Zeichen der Willkommenskultur zu gewähren, hat sie im Sommer 2011 mit der Verknüpfung von Sprachkenntnissen und mehrjähriger Aufenthaltserlaubnis den Aufenthaltsstatus von EinwanderInnen erheblich geschwächt. Anstatt die Integrationskurse für interessierte Einwanderinnen und Einwanderer attraktiv zu gestalten, hat sie in den vergangenen zwei Jahren zahlreiche Angebotsbeschneidungen in Bezug auf die Kinderbetreuung, die Fahrtkostenerstattung und die beliebten Teilzeitkurse vorgenommen.

Wir wollen die Teilhabe von EinwanderInnen erleichtern. Dafür müssen wir:

  1. Einbürgerungen erleichtern und ein kommunales Wahlrecht für Nicht-EU-BürgerInnen einführen
  2. Ein modernes Bildungssystem entwickeln durch Abschaffung des selektiven, mehrgliedrigen Schulsystems sowie dem flächendeckenden Ausbau von gebundenen Ganztagsschulen
  3.  Die Rechtsstellung von Menschen mit humanitärem Aufenthaltsstatus verbessern durch Aufhebung der Residenzpflicht, Einführung einer wirksamen und stichtagsunabhängigen Bleiberechtsregelung, Aufhebung des Asylbewerberleistungsgesetzes und Einführung eines wirksamen Rechtsschutzes im Asylverfahren
  4. Den Familiennachzug ermöglichen unabhängig vom Nachweis von Deutschkenntnissen im Herkunftsland
  5. Diskriminierung und Rassismus viel entschiedener entgegentreten: Das muss eine der Konsequenzen aus der Mordserie der Neonazi-Terrorgruppe sein. Den gesellschaftlichen Diskurs auf ein NPD-Verbotsverfahren zu verkürzen, ist der falsche Weg und lenkt von den wahren Problemen ab. Wir müssen nicht nur die Erscheinungsformen von Rassismus, sondern auch die Ursachen bekämpfen. Das funktioniert nur, wenn die Bevölkerung, die Sicherheitskräfte, die Medien und alle demokratischen politischen Kräfte sensibilisiert sind und entschieden handeln.
  6. Die Qualität der Integrationskurse verbessern und eine angemessene Vergütung der Lehrkräfte sicherstellen
  7. Die interkulturelle Öffnung des Öffentlichen Dienstes vorantreiben durch die interkulturelle Bildung in Aus- und Fortbildungen, die Öffnung des Beamtenstatus für AusländerInnen, die Reform der Einstellungsvoraussetzungen, Stipendien z.B. für Lehramtsstudierende mit Migrationshintergrund, aber auch die offene Thematisierung von Rassismus und Diskriminierung im Verwaltungshandeln

 

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Memet Kilic ist seit 1998 im Vorstand des Bundeszuwanderungs- und Integrationsrates (ehem. Bundesausländerbeirat), den er 1998 mitbegründete. Von 2000 bis 2010 war er dort Vorsitzender. Seit 2009 ist er Mitglied im Deutschen Bundestag.