von Czarina Wilpert, Vorstandsprecherin von Eine Welt der Vielfalt Berlin e.V.
Eine Welt der Vielfalt (EWdV) ist ein Bildungssprogramm, das bereits in vielen Ländern eingesetzt wird. Dieser international erprobte Ansatz ist ein interaktiv angelegtes Diversity- und Anti-Diskriminierungs-Training.
Ziel der Workshops ist es, eine Sensibilisierung für unseren kulturellen Filter zu erlangen und eine Offenheit für jede Art von Differenz zu fördern und dadurch Diversity Kompetenz zu gewinnen. Es geht darum uns zu befähigen, Vielfalt zu gestalten und Verantwortung für den Abbau von Stereotypen, Vorurteilen und Diskriminierungen zu übernehmen. Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen werden dazu motiviert, Schritte zu unternehmen, um Bedingungen für Akzeptanz und positive Bewertung von Vielfalt zu schaffen.
Philosophie des Programms
• Soziale und Kulturelle Vielfalt bietet neue Perspektiven und bedeutet Bereicherung und Gewinn für eine sonst durch Vorurteile und Stereotypen blockierte menschliche Kommunikation.
• Obwohl die Entwicklung von Vorurteilen oft ein normaler Bestandteil von Lernprozessen ist, sind Vorurteile und Stereotypen wichtige Faktoren für die Rechtfertigung von Diskriminierung und Rassismus. Die Nutzung von Vorurteilen und Stereotypen gegenüber Anderen, vor allem durch die Mitglieder der Mehrheitsgesellschaft gegenüber gesellschaftlichen Minoritäten, ist verantwortlich für die Entstehung und Verfestigung von Barrie¬ren zwischen gesellschaftlichen Gruppen.
• Wenn die „Anderen„ bessere Chancen erhalten, sich zu entfalten, haben wir Vorteile und mit uns die gesamte Gesellschaft. Wir können zusammen etwas tun, um die Rahmenbedingungen zu schaffen, die Anerkennung und den Respekt der Menschenwürde unabhängig von Herkunft oder Gruppenzugehörigkeit des Einzelnen ermöglichen.
Gleichwohl sind wir uns bewusst, dass "die effektivste Art Vorurteile abzubauen ist, Diskriminierung zu eliminieren" (Pettigrew ). Die Geschichte zeigt, dass sich negative Stereotypen gegenüber Minderheiten oft nur durch einen Wandel der institutionellen Bedingungen ändern.
Daher ist eine Zielsetzung des Trainings-Workshop von Eine Welt der Vielfalt, Multiplikatoren zu gewinnen und sie zu motivieren, in ihrem Umfeld die Rahmenbedingungen für Gleichbehandlung und Diversity zu schaffen.
Methodisch gesehen hat das Programm den Vorteil, dass es dort beginnt, wo wir selber stehen: Bei unserer eigenen Identität und ihrer sozialen und kulturellen Verwurzelung. Diese Vorgehensweise motiviert und baut zugleich eine Grundlage für Empathieentwicklung.
Theoretische Basis
Der Diversity Ansatz basiert auf Anerkennung und Einbeziehung. Anerkennung und Akzeptanz von Diversity bietet einen positiven Zugang zum Abbau von Vorurteilen, Stereotypen und Diskriminierung.
Vorurteile und Stereotypen sind diskriminierend und blockieren die menschliche Kommunikation und die Chance, sich zu entfalten. Die Anwendung von Vorurteilen und Stereotypen gegenüber Anderen, vor allem durch die Mitglieder der Mehrheitsgesellschaft, ist verantwortlich für die Entstehung und Verfestigung von Barrieren zwischen gesellschaftlichen Gruppen.
Menschen, die als "zu verschieden" oder "andersartig" wahrgenommen werden, die wegen ihrer Zugehörigkeit zu bestimmten sozialen Gruppen nicht akzeptiert werden, sehen sich mit solchen Barrieren konfrontiert. Da sie vom gesellschaftlichen Geschehen oft ausgeschlossen sind, können sie sich dementsprechend nicht einbringen.
Anerkennung und Akzeptanz hingegen erhöhen die Bereitschaft jeder einzelnen Person, an einer gemeinsamen Sache mitzuwirken. Das Programm basiert auf Forschungsergebnissen über die Entstehung und Bedeutung von Vorurteilen sowie auf Einsichten darüber, wie Vorurteile und Ideologien die Inter-Gruppen-Barrieren rechtfertigen und Ansatzweise überwunden werden können.
Die Entwicklung und Bedeutung von Vorurteilen
Die Geschichte liefert unzählige Beispiele für die Nutzung von Vorurteilen und Ideologien über”Andere”. Sie basieren stets auf Zuschreibungen über die Bedeutung einer Gruppenzugehörigkeit, um danach die „Anderen“ wegen ihrer sozialen Zugehörigkeit zu diffamieren, als unwürdig zur Zugehörigkeit zu deklarieren, zu unterdrücken, zu versklaven oder gar zum Objekt eines Genozids zu machen. Zuschreibungen, die die Abwertung und Hierarchisierung von sozialen Zugehörigkeiten beinhalten, waren immer schon zentraler Bestandteil von Interaktionsprozessen zwischen Gruppen, bzw. zwischen den Mitgliedern verschiedener menschlicher Gruppen.
Vorurteile haben auch eine nützliche Funktion insoweit sie unsere Wahrnehmung der Welt vereinfachen und uns helfen, unser Weltbild zu organisieren. Darüber hinaus erlernen wir viele Vorurteile über andere Menschengruppen zum Zeitpunkt der frühkindlichen Sozialisation in unserer näheren sozialen Umgebung.
Die Entwicklung von Vorurteilen entsteht also auch durch normale Prozesse wie das Vergleichen von unbekannten Personen oder sozialen Gruppen. Schon dieser einfache Kategorisierungsprozess von Menschen in soziale Gruppen (durch mich oder andere) ist ausreichend, um „In„-Gruppen und „Out„-Gruppen, Distanz, Vorurteile, Voreingenommenheit und Ablehnung zu produzieren.
Die Einteilung in präferierte und abgelehnte Gruppen benötigt aber zusätzliche Erklärungen. Die Soziale Identitätstheorie (Tajfel 1981) liefert einige Einsichten in diesen Prozess. Dieser Ansatz unterscheidet zwischen persönlicher und sozialer Identität. Da soziale Gruppen sich in Bezug auf ihren Rang, Status, ihrer Macht und ihrem Ansehen in der Gesellschaft voneinander unterscheiden, kann über Gruppenzugehörigkeiten auch Macht und Ansehen verteilt bzw. wahrgenommen werden. Die Grundprämisse ist, dass die Einteilung nach sozialen Kategorien bzw. sozialen Zugehörigkeiten den Gruppenmitgliedern beider Seiten ihre soziale Identität liefert bzw. soziale Identitäten begründet: eine Definition dessen, wer ich bin, woher ich komme und eine Beschreibung und eine Bewertung der Bedeutung dieser Zugehörigkeiten (Hogg 1996: 555 f). Zugehörigkeit zu bestimmten sozialen oder kulturellen Gruppen, die dementsprechend negativ bewertet werden, werden wahrgenommen / können wahrgenommen werden als eine soziale Belastung und damit auch das eigene Selbstbild und das Selbstwertgefühl schwächen.
Die Soziale Identitätstheorie liefert wichtige Erklärungen für Inter-Gruppen-Verhalten (z.B. ethnozentrische und stereotypisierende Inter-Gruppen-Verhaltensweisen) und die Prozesse der Bewertung von sozialen Kategorien bzw. Gruppenmitgliedschaften, die eine Auswirkung auf das Selbstwertgefühl des Individuums haben ). In diesem Ansatz werden individuelle psychologische Prozesse mit der Frage der sozialen Repräsentation (kollektiven Wahrheiten) und mit gesellschaftlichen Strukturen verknüpft, um ein besseres Verständnis für Inter-Gruppen Beziehungen zu gewinnen. Soziale Identität und die gesellschaftlichen Zuschreibungen, die damit signalisiert werden, stehen im Zentrum.
Erklärungsansätze für die Hartnäckigkeit von Vorurteilen und Diskriminierung
a) Eigeninteresse: Macht und Einfluss
Diskriminierung ist auch ein Mittel, Macht oder Status für die eigene Gruppe zu gewinnen oder zu erhalten. Macht, Ansehen und ökonomische Vorteile können durch die Ausbeutung oder Unterwerfung von diskriminierten Gruppen erhalten oder gewonnen werden. Vorurteile dienen dazu, eine Logik zu liefern, die bestimmte Gruppen ausgrenzt. Danach werden bestimmte Gruppen als zur Gleichbehandlung nicht berechtigt oder nicht qualifiziert genug eingestuft. Die Praxis der Sklaverei ist ein extremes Beispiel dieses Prozesses. Theorien über den sozialen Einfluss zeigen, wie Autoritäten (prominente Persönlichkeiten, Politiker, Intellektuelle, religiöse Führer, u.a.) als Repräsentanten von Interessengruppen die Logik liefern, um diskriminierendes Verhalten als akzeptabel zu präsentieren und Vorurteile und Stereotypen zu legitimieren (Milgram 1974; Turner 1996).
b) Institutionelle Faktoren
Tradition, das Rechtssystem, oder historische verwurzelte soziale Praktiken, z.B. gesellschaftliche Normen können auch der Erhaltung von kollektiv geteilten Vorurteilen und Stereotypen dienen, die die Fähigkeiten bestimmter sozialer Gruppen sich sozial zu”integrieren” (bzw. ihr Potenzial zur Gefährdung des gesellschaftlichen Friedens) postulieren.
Innerhalb des Bildungssystems gibt es auch nicht hinterfragte Praktiken, durch die bestimmte Kategorien von Schülern in schwä¬chere Schulzüge (tracks) eingestuft werden. Ein sozialwissenschaftlicher Überblick der US-amerikanischen Forschung über den Abbau von Vorurteilen kommt zu dem Schluss, dass Vorurteile eine große Rolle spielen, noch wichtiger aber die institutionalisierte Diskriminierung sei. ”Eine veränderte Institution verlangt neue Verhaltensweisen” - laut Pettigrew (1986:173) ist dies das effektivste Mittel, Inter-Gruppen-Einstellungen zu verändern. Nach seiner Recherche vollzog sich der bedeutungsvollste Wandel hin zu einer positiven Unterstützung der „Desegregation“ von Schulen durch die weiße US-Bevölkerung nachdem - und nicht bevor - in den Schulen der jeweiligen Gegend die Trennung nach zugeschriebener „Rassenzugehörigkeit“ aufgehoben worden war.
Die Auswirkung von institutionellem Wandel auf die Veränderung von Einstellungen wird jedoch bei andere Ansätzen in Frage gestellt: in der”modernen” Theorie des Rassismus (McConahay 1986) sowie beim”symbolischen” Rassismus. Beide Ansätze kommen zu dem Ergebnis, dass grundlegende Vorurteile Schwarzen oder anderen Gruppen gegenüber sich durch die amerikanische”civil rights” (Bürgerrechts-) Bewegung nicht grundsätzlich verändert hätten. Nur durch den Druck gesellschaftlicher Normen gelte es als inakzeptabel oder politisch inkorrekt, offen rassistische oder vorurteilsbehaftete Äußerungen gegenüber Minderheiten zu machen. Diese Ansätze behaupten, dass zwar rassistische Sichtweisen heute weniger häufig geäußert werden, diese aber lediglich durch subtilere Meinungen (Zick 1997) ersetzt würden.
Welche Methoden und Ansätze sind demnach für einen Abbau von Vorurteilen und Diskriminierung effektiv?
Wie oben gezeigt, werden Vorurteile und Diskriminierung durch eine Interaktion zwischen persönlichen / individuellen Faktoren und institutionellen Faktoren aufrechterhalten. Beide Bereiche müssen berücksichtigt werden, wenn ein Wandel erzielt werden soll. Auch institutioneller Wandel, d.h. der Abbau von institutionellen Diskriminierungen und Verfahrensweisen, kann nur durch die Überzeugung von Menschen erreicht werden. Das beinhaltet auch die Überzeugung von Entscheidungsträgern dahingehend, dass sie Schritte in Richtung einer sozialen / institutionellen Veränderung hin initiieren.
Der Ansatz von ”Eine Welt der Vielfalt” kombiniert daher die individuellen Lernprozesse mit der Erkenntnis, dass Diskriminierung nur dann abgebaut werden kann, wenn auch Situationen und Kontexte verändert werden, d.h. die Betonung liegt auf der Notwendigkeit von konkreten sozialen Aktionen.
Die Teilnahme an einem Lernprozess setzt eine zumindest minimale Motivation voraus. Persönliches Engagement ist hierbei ein Faktor, der Motivation steigert. Nachdenken über sich selbst, über die eigene Sozialisation und den sozialen Kontext bietet einen Zugang zu persönlichem Engagement. Weil soziale Identität ein Schlüsselfaktor beim Abbau oder der Aufrechterhaltung von Vorurteilen und Diskriminierung ist, soll der konkrete Abbau von Vorurteilen und Diskriminierungen mit dem Verständnis der Konstruktion unserer eigenen sozialen Identitäten beginnen. Der Zugang zu Selbsterkenntnissen wird durch Übungen gefördert, die die Selbstreflexion anregen. Die Erkennung der Bedeutung der eigenen sozialen Identität und unserer sozialen Verortung ist auch mit einer kommunikativen Interaktion mit”Anderen” verbunden.
Um in die Lage versetzt zu werden, die eigenen Vorurteile zu erkennen und in Frage zu stellen, haben Sozialpsychologie und Lerntheorien eine Reihe von Faktoren identifiziert, die die Voraussetzungen dazu schaffen. Diese beinhalten:
• die Schaffung eines Lernkontextes, der frei gehalten ist von allen Voreingenommenheiten, d.h. eine respektvolle und tolerante Umgebung
• die Anerkennung und Wertschätzung von jedem
• die Vermeidung von Schuldzuweisungen;
• Selbstreflexion
• kooperatives / interaktives Lernen
• die Gestaltung von Übungen und Lernsituationen, die Empathiefördernd wirken können;
• die Entwicklung von kritischem Denken den eigenen Vorurteilen und Weltbildern gegenüber.
Managing Diversity – Peer Training
Managing Diversity – Peer Training ist ein Trainingsprogramm der European Peer Training Organisation (EPTO). Junge Peer Trainer organisieren und moderieren Workshops mit anderen Jugendlichen. Peer-Training bedeutet: Jugendliche trainieren Jugendliche, denn sie haben einen direkten Zugang zu Gleichaltrigen und ihren Themen. So können sie viel mehr bewegen.
Die Peer-Trainer organisieren und moderieren Workshops, deren Inhalte auf die Bedürfnisse der Zielgruppe zugeschnitten sind. Es geht dabei um Themen und Probleme, die den Teilnehmenden täglich begegnen, wie z.B. soziale und körperliche Unterschiede, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Sexismus, Homophobie und viele andere Formen von Ausgrenzungen. Ein Peer-Trainer leitet hierbei den Prozess der Kommunikation, des Verstehens und des Lernens für die Jugendlichen kompetent und glaubwürdig an.
Wozu gibt es Peer-Trainings?
Die Methode des Peer Trainings basiert auf der Überzeugung, dass junge Leute Gleichaltrigen Inhalte glaubwürdiger vermitteln können als Erwachsene.
Eine Peer-Trainer-Ausbildung befähigt Jugendliche, mit Problemen, die sie direkt betreffen, effektiv umzugehen. Dieser Prozeß hat auch eine gesellschaftliche Seite, indem er jungen Menschen ein Forum eröffnet, in dem sie sich an Grenzen erproben können und Probleme lösen lernen. Darüber hinaus können sie Erwachsenen in verantwortlicher Position ein besseres Verständnis für die Sichtweisen von Heranwachsenden vermitteln.
• Jugendliche sind die geborenen Experten 'ihrer selbst'. Sie haben einen direkten Zugang zu Themen, die sie betreffen, und können oft viel bewegen
• Als (Rollen-)Vorbilder in ihrer Peer-Gruppe können Jugendliche wirksame Kommunikationsstrategien und -ansätze vorleben. Solche Kompetenzen werden durch Workshops und Spiele, Musik und Massenmedien, Diskussionen oder Berichte erworben.
• Wo nur begrenzte Mittel vorhanden sind, aber eine große Anzahl von Menschen erreicht werden sollen, hat das Peer-Gruppen-Training einen idealen Multiplikatoreffekt. Darüber hinaus hat es einen Schneeball-Effekt zur Folge, indem es häufig Aufmerksamkeit und Neugierde innerhalb der lokalen Gemeinde hervorruft.
• Wenn Jugendliche ermutigt und unterstützt werden, können sie Fortbildung und Informationsvermittlung in die eigenen Hände nehmen. Eine Peer-Gruppen-Ausbildung kann außerdem das Engagement Jugendlicher in anderen Bereichen der Bildung und Ausbildung fördern.
Das Peer-Training-Konzept bildet Jugendliche zu ExpertInnen in gesellschaftlich wichtigen Themen aus, lässt sie ihre Fähigkeiten als engagierte Bürger entwickeln und bietet ihnen ein Forum hre Führungsqualitäten zu zeigen bzw. auszubilden. Das wichtigste Ziel ist, dass gerade Jugendliche als MultiplikatorInnen von Vielfalt und aktiver Einmischung einen konstruktiven Umgang mit Konflikten und Unterschieden lernen.
Eine Welt der Vielfalt Berlin e.V. www.ewdv-berlin.de