Thomas Pany zu Scott E. Page: The Difference. How the Power of Divesity creates better Groups, Firms, Schools, and Societies
Es ist eine These voller Optimismus, sie zielt auf eine bessere Zukunft und sie wird vielen nicht gefallen. Die These könnte nicht einfacher sein - und stammt von einem Professor für komplexe Systeme: „Vielfalt generiert Nutzen“. Und mehr noch: "Vielfalt triumphiert über Fähigkeit".
Der letzte Satz – im Orginal: „Diversity trumps ability“ - ist das Ergebnis einer Spielerei an einem Computermodell, so Scott E. Page, Professor an der Universität Michigan, der neben komplexen Systeme auch die Felder Politik und Wirtschaft lehrt. Dass Vielfalt bei der Suche nach den besten Problemlösungen ein Faktor war, der mindestens so wichtig war wie individuelle Fähigkeiten. Dass sie als hervorstechende Eigenschaft eines Teams diesem einen Vorteil über das Team verschafft, das aus nach den Kriterium der höchsten Intelligenzquotienten zusammengesetzt ist, verblüffte Page, weil dieses Ergebnis seiner Intuition zuwiderlief.
Als Politikprofessor weiss Page auch um die gesellschaftlichen Implikationen seiner These, nämlich, dass die Vielfalt der sozialen Identitäten den Gemeinschaften Nutzen und Gewinn bringen kann. Er hat schließlich ein ganzes Buch um diese These herum geschrieben. Um logisch, systematisch, spieltheoretisch und sozialwissenschaftlich zu demonstrieren, wie produktiv Vielfalt ist: "The Difference. How the Power of Diversity creates better Groups, Firms, Schools, and Societies", erschienen Anfang 2007 bei der Princeton University Press.
Page verspricht viel; er will nicht auf nette Geschichten, Metaphern oder irgendwelche erhebenden Zitate zurückgreifen, um den Nutzen der Vielfalt in Teams zu illustrieren. Er verspricht den logisch geführten, handfesten Beweis. Und da er einen sehr eingängigen Schreibstil hat, können ihm die LeserInnen auch mit überraschend großem Vergnügen in komplizierte Gefilde der logischen Formalisierung von Problemen und ihrer Lösungsmöglichkeiten folgen.
Page führt mit großer kalifornischer Lässigkeit vor, wie wichtig unterschiedliche Anschauungen, Lesarten, Perspektiven, Lösungsansätze, Methoden, Interpretationen und Präferenzen bei der Lösung von klassischen Problemstellungen sind. Und wie produktiv diese Unterschiede sind, wie die Auseinandersetzung bzw. die Verständigung mit anderen, neuen Standpunkten und Sichtweisen das akkumulierte Wissen, das Kennzeichen von homogenen Gruppen ist, aussticht.
Das ist als Hypothese zwar nicht ganz neu und im Alltag öfter auch nicht ganz so schön zu leben, wie es Pages in seinem Buch schildert, aber es ist überzeugend. Besonders interessant ist natürlich die Übertragung von der logischen auf die soziale Ebene – auf das echte Leben: Ist Diversität auch für eine Gesellschaft grundlegend nützlich? Lösen wir unsere Probleme besser, wenn in unserer Schule, unserem Arbeitsplatz, unserer Straße usw. Menschen mit unterschiedlicher Herkunft und sozialer Identität leben?
Grundsätzlich ja, sagt Page. Allerdings sind die produktiven Ergebnisse dieser Diversität vielleicht nicht so groß, wie wir es erwarten. „The're not huge, but they are real“. Und sie sind an bestimmte Bedingungen gebunden und zunächst eher theoretischer Natur: Die Vielfalt müsste sich in „kognitiver Diversität“ zeigen und die Probleme, die es zu lösen gilt, müssten auf diese Diversitäten bezogen sein (ein divers zusammengesetztes Putzteam sei kein gesellschaftlicher Fortschritt).
Auf reale Verhältnisse angewandt, heißt das, es müsste tatsächlich eine Diversität im Denken gegeben sein – die bloße Mischung ethnisch-kultureller Gruppen oder verschiedener sozialer Identitäten garantiert nicht, dass Problemstellungen auch verschieden oder besser angegangen werden.
Studien zur Diversität sozialer Identitäten würden Unterschiedliches aussagen, nicht alle weisen eindeutig auf einen ausgeprägten positiven Effekt hin. Vielleicht sei solchen Effekten, nimmt Page an, auch schwer auf die Spur zu kommen. Der Erfolg von Gruppen, die sich aus unterschiedlichen sozialen und ethnischen Identitäten zusammensetzen, sei in der Tendenz allerdings schon erkennbar.
„In many cases, identity divers groups do perform better than homogeneous groups. And those situations in which they do perform better are far from random. Identity diverse groups perform better when the task is primarily problem solving, when their identities translate into relevant tolls, when they have little or no preference diversity, and when their members get along with one another. These features translate into high benefits of diversity and low costs. And so overall, while the evidence ist far from overwhelming, it supports our models. When those conditions don't hold, we shouldn't expect identity diverse groups to do much better.“
Der große Unterschied zwischen theoretischen Modellen und Wirklichkeit liegt in schwer erfassbaren Gruppendynamiken. So werden Unterschiede immer wieder auch zum Streitthema, das schnell außer Kontrolle laufen kann. Die Chance der Vielfalt ist auch ihr Risiko: andere, nicht homogene Standpunkte. Weshalb die elementare Voraussetzung für den Erfolg einer vielfältig zusammengesetzten Gemeinschaft ist, dass man das gleiche Ziel verfolgt. Und dass man darüber kommuniziere, so Page, wie man dieses Ziel erreiche. Streit kann da durchaus produktiv sein. Dass dies in sozialen Gemeinschaften, ob nun ein Stadtviertel, ein Ort oder ein ganzer Landstrich, umso schwieriger ist, je ärmer sie sind, ist auch so ein einfacher Satz, den man bei Page finden kann.
Thomas Pany ist Redakteur des online-Magazins Telepolis (www.telepolis.de)