Gender und Diversity: Integrieren statt Polarisieren!

Von Gertraude Krell

Bei vielen, die in Sachen Geschlechtergerechtigkeit oder -demokratie engagiert sind, stößt Diversity bzw. Diversity Management (DiM) auf Ablehnung. Ein gängiges Argument ist, DiM sei „zu betriebswirtschaftlich“ orientiert. Dabei wird ausgeblendet, dass DiM in den USA auch eine Wurzel in der Human Rights Bewegung hat und dass ökonomische Argumente plus betriebswirtschaftlicher Sachverstand wichtige ‚Türöffner’ für das Anliegen der Chancengleichheit (nicht nur) der Geschlechter sein können. Ein zweites Argument gegen DiM ist, Gender sei das wichtigste Merkmal für Diskriminierung und deshalb könne Diversity als Kategorie bzw. könnten andere Diversity-Dimensionen (wie Alter, Ethnie usw.) nur Unterkategorien sein. Oder auch: Weil bei Diversity verschiedene Dimensionen konzeptionell gleichberechtigt sind, bestehe die Gefahr, Gender werde marginalisiert. Meine These dazu: Es kann nicht theoretisch oder politisch allgemeingültig begründet werden, was  dominant sein muss. Vielmehr gibt es drei mögliche Varianten der Verbindung von Gender und Diversity, die alle „passen“ können und mit bestimmten Problemen verbunden sind.

1. Diversity unter dem Dach Gender: Dafür spricht: Dort, wo Gender Mainstreaming erfolgreich implementiert worden ist oder werden kann, würde ein „Konzeptwechsel“ zu DiM bei den Betroffenen schon deshalb Widerstände hervorrufen, weil „schon wieder was Neues“ oder „Neumodisches“  kommt. Eine Berücksichtigung anderer Merkmale unter dem Dach Gender würde auch der „Vielfalt der Geschlechter“ oder Mehrfachdiskriminierungen Rechnung tragen. Probleme sind: Die Privilegierung von „Gender“ bleibt – was für die einen ein Vorteil, für die anderen eben ein Nachteil ist. Und „Gender Management“ oder „Gender Mainstreaming“ als Etiketten lassen nicht erkennen, dass es  auch um andere Merkmale bzw. um Diversity geht – und passen insofern nicht mehr richtig.

2. Das ist zugleich ein Argument für Gender und Diversity: Diese Bezeichnung ist nicht „sachlogisch“ begründet, sondern (analog zu „Frauen- und Geschlechterpolitik“) politisch-programmatisch. Weiteres Pro-Argument: Die Hervorhebung von „Gender“ kommt denen entgegen, die befürchten, „Gender“ gehe in „Diversity“ unter. Probleme: Die Bezeichnung ist noch unbekannter und ‚sperriger’ als „Gender Mainstreaming“ oder „Managing Diversity“. Soweit ich das überblicke, wird sie auch nicht von Unternehmen oder Verwaltungen für deren Programme, sondern ausschließlich für Bildungsangebote benutzt. Das mag daran liegen, dass diese Variante in der Praxis nicht als ein Konzept wahrgenommen wird, sondern als Kombination aus zweien und deshalb als zu komplex. Andererseits besteht die Gefahr, dass eine problematische Reduktion dieser Komplexität vorgenommen wird, dahingehend, dass zwar beides ‚draufsteht’, aber überwiegend Gender ‚drin ist’. Außerdem stößt „Gender“ im Etikett erfahrungsgemäß auf Akzeptanzprobleme – auch bei gleichstellungspolitisch Aufgeschlossenen und Engagierten und nicht nur in der Privatwirtschaft.

3. Das ist wiederum ein Argument für Gender unter dem Dach Diversity: Für diese Variante spricht auch das Recht, das nicht nur die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, sondern auch die aufgrund anderer Merkmale verbietet – und zukünftig verstärkt. Hinzu kommt die breitere Akzeptanz, weil viele diskriminierungsrelevante Gruppen-Merkmale berücksichtig werden und darüber hinaus auch „individuelle Vielfalt“. Damit lenkt DiM den Blick auch auf Ausgrenzungen derer, die von (Gruppen -)Normen abweichen. Probleme sind: erstens die erhöhte Komplexität bei der Umsetzung, zweitens die Befürchtung, wegen der Konkurrenz mit anderen Merkmalen werde „Gender“ (im Sinne von „Fraueninteressen“) marginalisiert. Sowohl in der Diversity-Literatur als auch in der Diversity-Praxis ist es aber immer eine der „Kerndimensionen“. Insofern erscheint mir die dogmatische Ablehnung dieser Variante nicht gerechtfertigt. Mehr noch: Diejenigen, die so strikt gegen „Diversity“ sind, unterschätzen den erwähnten Türöffner-Effekt – auch und insbesondere für „Gender“!

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Prof. Dr. Getraude Krell ist Inhaberin des Lehrstuhls für Personalpolitik am Institut für Management der Freien Universität Berlin.