Die zivilrechtliche Wirkungsweise des AGG

DGB-Demonstration am 1. Mai 2013 in Berlin

 

von Memet Kiliç

Die EU hat, auf dem Weg zu einem Raum des Rechtes und der Freiheit, in den vergangenen Jahren wichtige Richtlinien verabschiedet. Insbesondere die Antirassismus-Richtlinie (2000/43/EG) war eine Reaktion der EU auf die fremdenfeindlichen, rassistischen und antisemitischen Tendenzen, die in den neunziger Jahren europaweit zunahmen. Die Rot-Grüne Koalition hat es in den Jahren ihrer Regierung nur geschafft, die Umsetzung dieser Richtlinien einer von den Unionsparteien geführten Regierung zu überlassen.1
Am 18.8.2006 trat das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Kraft.2

Vorbemerkung: Da ich die Umsetzung der Richtlinien in das deutsche Rechtssystem nicht für gelungen halte, empfehle ich den Betroffenen und deren Verteidigern, sich nicht nur auf das AGG zu konzentrieren, sondern sich im Zweifel direkt auf die Richtlinien zu berufen.3  Die letztendliche Auslegungshoheit der Richtlinien liegt beim Europäischen Gerichtshof (EuGH).

Strittige Punkte im Vorfeld

Die Diskussionen über die Richtlinien konzentrierten sich im Vorfeld auf einige wesentliche Punkte. Dies führte sogar dazu, die Notwendigkeit der Umsetzung der Richtlinien in das deutsche Rechtssystem in Frage zu stellen und ging dann soweit, dass die Rede war von der vermeintlichen „Beweistlastumkehr“, „Vernichtung der Privatautonomie im Rechtsgeschäft“ und davon, dass „das Gesetz im Bereich Zivilrecht über das durch die Richtlinien gebotene hinaus“ gehe. Aus meiner Sicht ist es angebracht, erst auf diese Argumente einzugehen und dann einzelne zivilrechtliche Bereiche unter die Lupe zu nehmen.

1. War die Umsetzung der Antidiskriminierungsrichtlinien der EU in Deutschland überhaupt notwendig?

Artikel 3 Abs. 3 des Grundgesetzes ist insbesondere dann einschlägig, wenn der Adressat des Diskriminierungsverbots der Staat ist. Es gibt eine privatrechtliche Ausstrahlung dieser Regelung.4 Ihr Umfang ist jedoch nicht ausreichend, um ein Antidiskriminierungsgesetz im Sinne der EU-Richtlinie zu ersetzen. Die Betroffenen der Diskriminierung, z.B. aufgrund ethnischer Merkmale, konnten wegen der Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte (§ 823 BGB) einen Unterlassungsanspruch (i.V.m §1004 BGB) oder Schmerzensgeldansprüche (i.V.m. § 847 BGB) einklagen. Jedoch kamen diese Regelungen in der Praxis zu kurz.5

2. Umkehr der Beweislast oder Beweiserleichterung?

Sowohl die Richtlinie, aber auch das AGG ( § 22) sehen lediglich eine Beweiserleichterung vor. Dieses Modell des § 611 a Abs. 1, 3 BGB ist dem deutschen Rechtssystem nicht fremd. Es greifen die Beweiserleichterungen des Anscheinsbeweises: Der Benachteiligte muss beweisen, dass er gegenüber einer anderen Person ungünstig behandelt worden ist. Er muss auch die Indizien vortragen und ggf. beweisen, aus denen das Gericht erkennen kann, dass diese ungünstige Behandlung auf einem nach § 1 AGG unzulässigen Grund beruht. Erst wenn all diese ergeben, dass der ungünstigen Behandlung eine unzulässige Motivation unterliegt, trägt nun der Beklagte die volle Beweislast dafür, dass entweder die Benachteiligung nicht vorliegt oder die Benachteiligung sachlich begründet ist. Daher sollten die Betroffenen möglichst viele Daten (Ausschreibungstexte, Namen und Anschriften der Zeugen, Datum und Uhrzeit der diskriminierenden Handlung ect.) sammeln.

3. Die heilige Kuh “Vertragsautonomie”

Die Privatautonomie ist im Bereich des Zivilrechts in einer liberalen Gesellschaft eine Errungenschaft, die zu schützen ist. Sie bedeutet kurz, dass die Rechtsordnung bei der Wahl des Vertragspartners und beim Inhalt des Vertrages freie Hand lässt. Dass diese Vertragsautonomie nicht schrankenlos ist, beweist nicht nur das allgemeine Diskriminierungsverbot unseres Grundgesetzes (Art. 3); sondern auch das geltende Recht aus den Bereichen Arbeitsrecht, Mietrecht und Verbraucherrecht.6  Die Vertragsfreiheit kann nur dann gewährleistet werden, wenn auch gewährleistet ist, dass die Verträge ohne unzulässige Diskriminierung abgeschlossen werden.
Vertragsautonomie muss aber dort ihre Grenzen finden, wo Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Sexismus und die Diskriminierung von Behinderten beginnt.

4. Mehr Schutz in Deutschland als die Richtlinien vorschreiben?

Die Fragen des allgemeinen Zivilrechts sind von der Antirassismus-Richtlinie (2000/43/EG) erfasst. Neben den Bestimmungen für Beschäftigung und Beruf, für den Zugang zu Bildung und Sozialleistungen, beinhaltet die Richtlinie Regelungen für „den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich von Wohnraum.“ Hierzu zählen Waren des täglichen Bedarfs, private Versicherungen, Kredite, Transport und Beherbergung, die Bewirtung in Gaststätten, Vermietung öffentlich angebotenen Wohnraums und viele andere Dienstleisungen.

Die Antirassismus-Richtlinie sieht damit einen sehr umfassenden zivilrechtlichen Schutz gegen Benachteiligungen aus Gründen der “Rasse” oder der ethnischen Herkunft vor. Es wird kritisiert, dass für die Massengeschäfte und Geschäfte der privatrechtlichen Versicherungen alle Diskriminierungsmerkmale des § 1 AGG mit Ausnahme der Weltanschauung zu beachten sind.7  Diese Kritik übersieht den horizontalen Ansatz der Antidiskriminierungsrichtlinien.8  Was würde eine eingeschränkte Umsetzung einem Türken nutzen, dem ein Massengeschäft nicht deshalb verweigert wurde, weil er “Türke” (ethnisches Merkmal) ist, sondern weil er “Moslem” (religiöses Merkmal) ist? Im Grünbuch der Kommission vom 28. Mai 2004 zum Stand der Antidiskriminierungspolitik wurde deutlich gemacht, dass es derzeit vielmehr um praktische Antidiskriminierungspolitik geht.

Sachlicher Anwendungsbereich des AGG. “Massengeschäft”?

Die Antirassismus-Richtline schreibt vor, dass die Menschen in Bezug auf “den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich von Wohnraum” nicht diskrimiert werden dürfen (Art. 3 Abs. 1, h der Richtlinie). Dies wurde auch in das AGG übernommen (§. 2 Abs. 1 Nr. 8 AGG). Dabei läßt die Richtlinie bereits eine Ungleichbehandlung zu, wenn sie sachlich begründet ist (Art. 2 Abs. 2, b und Art. 4 der Richtlinie). Der deutsche Gesetzgeber hat bei der Umsetzung der Richtlinie in diesem Bereich jede Menge Verwirrung und Rechtsunsicherheit produziert:

Bei der Begründung, Durchführung und Beendigung der zivilrechtlichen Schuldverhältnisse in Bezug auf den Sozialschutz, die sozialen Vergünstigungen, Gesundheitsdienste, Bildung, den Zugang zu und die Versorgung mit den Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich von Wohnraum, ist eine Benachteiligung aus Gründen der „Rasse“ oder wegen der ethnischen Herkunft allgemein unzulässig (§ 19 Abs. 2 AGG). Bei den zivilrechtlichen Schuldverhältnissen, die „Massengeschäfte“ und privatrechtliche Versicherungen zum Gegenstand haben, ist eine Benachteiligung aufgrund aller in der Richtlinien vorgesehenen Merkmale (ausgenommen Weltanschauung) unzulässig (§ 19 Abs. 1 AGG).

Der Begriff der „Massengeschäfte“ wird vom Gesetzgeber als Schuldverhältnisse beschrieben, „die typischerweise ohne Ansehen der Person zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen“. Diese Beschreibung betrifft auch die Kreditgeschäfte, die nicht mehr wegen der genannten Diskriminierungsmerkmale verweigert werden dürfen.9  Jedoch geht der Gesetzgeber in seiner amtlichen Begründung davon aus, dass es sich bei den Kreditgeschäften regelmäßig nicht um Massengeschäfte handeln wird.10  Diese Besänftigung der Finanzkonzerne widerspricht sowohl der EU-Richtlinie aber auch dem Gesetzestext und verzichtet unzulässigerweise auf die sachliche Begründung von Seiten der Finanzkonzerne bei der Ablehnung eines Kreditbegehrens.

In Bezug auf den Bereich Versicherungen wurden häufig Forderungen nach sog. „Unisex-Tarifen“ laut. Diese Forderung wird durch den Gesetzgeber nicht unterstützt. Eine unterschiedliche Behandlung wegen der „Rasse“ oder „ethnischen Herkunft“ ist nicht zulässig (§ 19 Abs. 2 AGG). Die privatrechtlichen Versicherungsträger dürfen hinsichtlich anderer Diskriminierungsmerkmale unterschiedlich behandeln, „wenn dies auf anerkannten Prinzipien risikoadäquater Kalkulation beruht, insbesondere auf einer versicherungsmathematisch ermittelten Risikobewertung unter Heranziehung statistischer Erhebungen“ (§ 20 Abs. 2 S. 3 AGG). Versicherer müssen aber im Streitfall ihre Risikobewertungen rechtfertigen. Schwangerschaft oder Mutterschaft dürfen in keinem Fall zu unterschiedlichen Prämien oder Leistungen führen (§ 20 Abs. 2 S. 2).

Beim Zugang zu Wohnraum ist der „Eiertanz“ des Gesetzgebers besonders sichtbar: Voranschicken möchte ich zwei Beispiele aus dem Leben: Welche Migrantin oder welcher Migrant hat nicht die folgende Erfahrung gemacht: Sie ruft wegen einer Wohnungsanzeige an und erfährt, dass die Wohnung schon vergeben ist. Ihre deutschen Freunde rufen zwei Minuten später an und bekommen einen Besichtigungstermin.

Oder eine andere Situation: Die Vertragsvorverhandlungen für ein Mietverhältnis laufen sehr gut. Das Blatt wendet sich schlagartig, sobald der Vermieter erfährt, dass die Betroffenen keine einfachen WG-Bewohner, sondern gleichgeschlechtliche Partner sind. Selbst die Großvermieter, die mehr als 50 Wohnungen vermieten, dürfen “im Hinblick auf die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen und ausgewogener Siedlungsstrukturen sowie ausgeglichener wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Verhältnisse“ unterschiedlich behandeln (§ 19 Abs. 3 AGG). Was heißt hier die „Erhaltung ausgewogener Siedlungsstrukturen und kultureller Verhältnisse“? Das ist bereits ein unzulässiger Freibrief für die Wohnungsgesellschaften, da diese nun ihre bisherigen Benachteiligungen fast immer rechtfertigen können. Wenn ein Vermieter unter 50 Wohnungen vermietet, bleibt er außerhalb der Definition der „Massengeschäfte“ und darf abgesehen von den Merkmalen „Rasse“ und ethnische Herkunft, in anderen Merkmalen (z.B. sexuelle Orientierung oder Behinderung) die Mieter unterschiedlich behandeln (§ 19 Abs. Abs. 5 Satz 3).

Der Gesetzgeber geht in seiner amtlichen Begründung davon aus, dass bei der Überlassung von Räumen „es sich meist nicht um Massengeschäfte“ handle, „denn die Anbieter von Wohn- oder Geschäftsräumen wählen ihren Vertragspartner regelmäßig individuell nach vielfältigen Kriterien aus dem Bewerberkreis aus“.11  Somit hilft der Gesetzgeber den Anbietern der kommunalen Mehrzweckhallen, die schon immer nicht an die große türkische Hochzeitsfeier vermietet haben, obwohl diese Hallen in der Regel durch öffentliche Gelder gefördert werden.

Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist eine Diskriminierung selbst aus Gründen der „Rasse“ und ethnischen Herkunft in den zivilrechtlichen Schuldverhältnissen zulässig, „bei denen ein besonderes Nähe- oder Vertrauensverhältnis der Parteien oder ihrer Angehörigen begründet wird. Bei Mietverhältnissen kann dies insbesondere der Fall sein, wenn die Parteien oder ihre Angehörigen Wohnraum auf demselben Grundstück nutzen (§ 19 Abs. 5 Satz 1,2 AGG). Diese Regelung ist nicht richtlinienkonform. Daher sollten die Betroffenen sich auf die Antirassismusrichtlinie berufen. Eine Diskriminierung aus Gründen der „Rasse“ oder ethnischen Herkunft kann keine sachliche Begründung haben.

Im Bereich der Konsumgüterwirtschaft war der Einlass zu Diskotheken (Gastronomie und Beförderungswesen gehören auch dazu) immer ein beliebtes Beispiel. Es ist unstrittig, dass diese Geschäfte eine Diskriminierung nach den in § 1 AGG genannten Merkmalen nicht zulassen. Aggressives Verhalten eines Gastes oder eine besondere Kleiderordnung kann ein zulässiger Differenzierungsgrund sein (§ 20 AGG), solange dies keine versteckte (mittelbare) Diskriminierung darstellt.

Ansprüche

Wie die Sanktionen gegen Diskriminierung aussehen sollen, wird im Artikel 15 der Richtlinie vorgegeben. Eine Maßnahme gegen Diskriminierung muss geeignet, wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.

1. Anspruch auf den Vertragsabschluß:

Das Bundesjustizministerium hatte am 10.12.2001 einen Diskussionsentwurf des sog. Antidiskriminierungsgesetzes nur für den privatrechtlichen Bereich vorgelegt.  Dieser Entwurf beinhaltete in der Tat geeignete Sanktionen, von denen viele jedoch im Laufe der Diskussionen aus dem Gesetzentwurf herausgenommen wurden. Vorgesehen war darin folgende Regelung: “Im Falle einer Vertragsverweigerung kann der Benachteiligte den Abschluss eines Vertrages nur verlangen, wenn dieser ohne Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot erfolgt wäre”.
Das AGG hingegen verzichtet bei einem Beschäftigungsverhältnis und bei einem sonstigen Vertrag auf den Abschluss eines Vertrages als Rechtsfolge. Somit wurden die Arbeitgeber und Eigentümer weitgehend besänftigt. Um diesen Schritt zu rechtfertigen, hörten wir bereits von der rot-grünen Regierungsseite unhaltbare Argumente wie die, dass in solchen Fällen die Betroffenen durch § 138 BGB (Nichtigkeit der sittenwidrigen Rechtsgeschäfte) ausreichend geschützt wären. Dies hilft den Diskriminierten deshalb nicht, weil in den meisten Fällen der verwehrte Vertragsschluss bereits die Diskriminierung begründet.13

2. Strafrechtliche Bewährung
Die strafrechtliche Bewährung von bestimmten Benachteiligungen wurden auch aus Entwurf gestrichen, obwohl diese nur gegen die Unternehmen und auch nur für den Wiederholungsfall vorgesehen waren.

3. Beseitigung
Unbeschadet weiterer Ansprüche kann der Benachteiligte bei einem Verstoß die Beseitigung verlangen. Er kann auch auf Unterlassung klagen, wenn weitere Beeinträchtigungen zu erwarten sind.14  Der Anspruch ist verschuldensunabhängig.15

4. Schadensersatz
Trifft den Benachteiligenden auch noch ein Verschulden, ist er verpflichtet, den Schaden zu ersetzen, der durch die Benachteiligung entstanden ist (§ 21 Abs. 2 AGG). Ein geeignetes Beispiel gibt der Gesetzgeber hierfür: Befördert ein Taxiunternehmen einen Fahrgast wegen seiner ethnischen Herkunft nicht und entgeht dem Benachteiligten hierdurch ein Geschäft, weil er einen diesbezüglichen Termin nicht einhalten konnte, so ist dieser Vermögensschaden gemäß 21 Abs. 2 S. 1 AGG zu ersetzen.16

Zur Beseitigung der immateriellen Schäden (Schmerzensgeld) kann der Betroffene eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen (21 Abs. 2 S. 2 AGG). Diese Forderung setzt auch ein Verschulden voraus. Ob dieses Verschulden als Voraussetzung bestehen bleiben darf, wird die zukünftige Rechtsprechung des EuGH zeigen. Der EuGH hat bereits zu der allgemeinen Richtlinie zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen entschieden, dass das Verschuldenserfordernis des deutschen Rechts richtlinienwidrig war.17
Ansprüche aus unerlaubter Handlung bleiben unberührt (§ 21 Abs. 3 AGG). Jedoch gilt hier die volle Beweislast. Daher wird das AGG in der Praxis häufiger zur Anwendung kommen.

5. Frist beachten!
Die oben genannten Forderungen müssen innerhalb einer Frist von zwei Monaten (nach Kenntnisnahme der Anspruchsgründe)18  geltend gemacht werden. Nach Ablauf dieser Frist kann der Anspruch nur geltend gemacht werden, wenn der Benachteiligte ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist verhindert war (§ 21 Abs. 5 AGG).19

6. Unwirksamkeit der benachteiligenden Maßnahme
Vom Benachteiligungsverbot abweichende Vereinbarungen sind nichtig. Bei einseitigen Rechtsgeschäften führt der Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot zur Nichtigkeit (§ 134 BGB i.V. m. § 19 AGG). In der Praxis wird diese Regelung insbesondere für die unberechtigte Kündigung von Mietverhältnissen interessant. In einem solchen Falle können diverse Schadensersatzansprüche (Maklerprovision, Umzugskosten, Differenzmiete etc) geltend gemacht werden.20

7. Abtretbarkeit der Ansprüche
Die Abtretbarkeit der Ansprüche war im Entwurf des Antidiskriminierungsgesetzes21  vorgesehen, sie ist im AGG aber ersatzlos entfallen ist. Jedoch können die Ansprüche nach allgemeinen Grundsätzen abgetreten werden.22

Unterstützung durch die Antidiskriminierungsverbände

Das AGG ermächtigt die Antidiskriminierungsverbände, im Rahmen ihres Satzungszwecks in gerichtlichen Verfahren, als Beistände Benachteiligter in der Verhandlung aufzutreten. Sollte für das Verfahren ein Anwaltszwang vorgeschrieben sein, muss auf jeden Fall ein Anwalt das Verfahren federführend betreiben (§ 23 Abs. 2 AGG).

Diese besonderen Befugnisse haben die Verbände nur dann, wenn sie nicht gewerbsmäßig und nicht nur vorübergehend entsprechend ihrer Satzung die besonderen Interessen von benachteiligten Personen oder Personengruppen im Antidiskriminierungsbereich wahrnehmen. Außerdem müssen sie mindestens 75 Mitglieder haben oder einen Zusammenschluss aus mindestens sieben Verbänden bilden (§ 23 Abs. 1 AGG). Sie müssen nicht rechtsfähig sein.23

Behinderte Menschen haben die zusätzliche Möglichkeit, Prozessstandschaft gemäß § 63 SGB IX in Anspruch zu nehmen.

Fazit und Ausblick

Wegen der mangelhaften Umsetzung der Antidiskriminierungsrichtlinien dürfen es die Betroffenen und deren Vertreter nicht versäumen, verstärkt einen Blick in die Richtlinien selbst zu werfen. Es liegt jetzt an den Betroffenen, ihren Anwälten und der Antidiskriminierungstelle des Bundes (§25 AGG), dem Gesetz in der Praxis Geltung zu verschaffen und dessen Rahmen mit positiven Gerichtsurteilen zu erweitern.

 

Endnoten

1 Für eine Generalkritik über die Haltung der Rot-Grünen Regierung in dieser Zusammenhang siehe, Kilic, Unheilige Allianz, TAZ v. 17.6.2003, S. 12. 

2 BGBl I, 1879)

3 Manche Bestimmungen der Richtlinien sind konkret genug und Umsetzungsfristen sind bereits abgelaufen. In diesen Fällen kann eine unmittelbare Anwendung der Richtlinien in Betracht kommen.

4 BT-Drs. V/4127; Mager, Ute, Möglichkeiten und Grenzen rechtlicher Maßnahmen gegen die Diskriminierung von Ausländern, ZAR 4/1992, 171.

5 Ausführlicher hierfür Kilic, Das Antidiskriminierungsgesetz, 2003, S. 15.
  
6Amtliche Begründung des AGG (zu Abschnitt 3) in der Beilage zu NJW 36/2006, S. 22f.; siehe auch BverfGE 97, 169 = NJW 1998, 1475BverfG, Urteil vom 07.02.1990, 1 BvR 26/84 = NJW 1990, 1469.

7 Maier-Reimer, Georg, Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz im Zivilrechtsverkehr, NJW 36/2006, S. 2577 f.
  
8 Siehe auch Art. 13 EG.
  
9 Siehe Kritik von Maier-Reimer, Georg, NJW 36/2006, S. 2579.
  
10 Amtliche Begründung des AGG (zu Abschnitt 3) in der Beilgage zu NJW 36/2006, S. 25.
  
11 NJW 36/2006, S. 24.

12 Vgl. BMJ- Diskussionsentwurf  einens Gesetzes zur Verhinderung von Diskriminierungen im Zivilrecht v. 10. 
  Dezember 2001. Die Zuständigkeit liegt zur Zeit beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
  
13 Gregor Thüsing, NJW, 48/2003, S. 3445.
   
14 Vgl. § 1004 BGB.

15 Vgl Plandt/Bassenge, 65. Aufl. 2006, § 1006 Rn. 13; Schrader/Schubert, Das neue AGG, 2006, S. 212.

16 Die Entwurfsbegründung zum AGG, Bundesratsdruchsache 329/06, 50.
  
17 EuGH, NJW 1984, 2021; EuGH, NJW 1991, 628.

18 Bundestagsdruchsache 16/1780, S. 47.

19 Zur Orientierung kann § 5 Abs. 1 KSchG herangezogen werden. Im Zivilrecht existiert jedoch eine weitere Frist, wie sim im Arbeitrecht § 61b ArbGG nicht.

20 Schrader/Schubert, Das neue AGG, 2006, S. 213 f.
  
21 § 24 Abs. 4 S. 1 ADG-E, Bundestagsdrucksache 15/4538.
  
22 Maier-Reimer, Das AGG im Zivilrechtsverkehr, NJW 36/2006, 2582; Anders Schrader/Schubert, S. 215.
  
23 Maier-Reimer, NJW 36/2006, 2582.
 

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Memet Kiliç ist Gründungsmitglied und Vorsitzender des Bundesausländerbeirates und Mitglied der Rechtsanwaltskammern Karlsruhe und Ankara.