Mikrozensus 2005: Die verborgene Vielfalt Deutschlands

Was schon seit längerem bekannt ist, ist jetzt mit Zahlen belegt. Die Bevölkerung Deutschlands ist multikultureller denn je: fast jedeR Fünfte ist ausländischer Herkunft.

Zum ersten Mal wurde die Kategorie "Personen mit Migrationshintergrund“ vom Statistischen Bundesamt in den Mikrozensus 2005, die so genannte „kleine Volkszählung“, eingeführt. Dadurch wird ein genaueres Bild der Vielfalt der Bevölkerung in Deutschland jenseits von „Ausländerstatistiken“ vermittelt. Das Datenmaterial dürfte aufschlussreich nicht nur für die Integrationspolitik sein.

Der Personenkreis „mit Migrationshintergrund“ ist zwar nicht eindeutig definiert und von der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund abgegrenzt. Doch ist diese Datenerfassung wichtig, da sie die reale ethnische Vielfalt der deutschen Gesellschaft dokumentiert, die nicht allein an der Staatsangehörigkeit festgemacht werden kann.

Neu erfasst: Menschen mit Migrationshintergrund

Dem Mikrozensus zufolge lebten 2005 rund 15,3 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland. Deren Anteil an der Gesamtbevölkerung ist mit knapp 19 Prozent fast doppelt so hoch wie der Anteil der bisher erfassten Ausländer, die nun 9% der Gesamtbevölkerung ausmachen. Dabei stellen die Deutschen mit Migrationshintergrund sogar die knappe Mehrheit (52%) aller Personen mit Migrationshintergrund.

 

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Werden die Menschen mit Migrationshintergrund nach persönlicher Migrationserfahrung differenziert, ergeben sich für die genannten Gruppen der Einwanderer mit ausländischem Pass und der Eingebürgerten weitere Unterscheidungen:zwischen denjenigen, die selbst („eigene Migrationserfahrung“) bzw. deren Eltern („keine eigene Migrationserfahrung“) nach Deutschland eingewandert sind.

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Aus diesem Blickwinkel stellen die größte Gruppe die 7,3 Mio zugewanderten Ausländer mit 5,6 % der Gesamtbevölkerung bzw. 36% aller Personen mit Migrationshintergrund. Die zweitgrößte Gruppe bilden die 3,5 Mio bzw. (23%) Eingebürgerten, wobei 20% dieser Gruppe persönliche Migrationserfahrung haben und 3% keine. Weitere knapp 12% stellen die 1,8 Mio Spätaussiedler. Allerdings sind hier nur diejenigen erfasst, die nach dem 1.8.1999 eingewandert sind und damit nicht eingebürgert wurden.

Schließlich sind 2,7 Mio bzw. 18% aller Personen mit Migrationshintergrund Deutsche ohne eigene Migrationserfahrung, also die zweite und dritte Migrantengeneration. Hier handelt es sich um die hier geborenen 1,2 Mio Kinder von eingebürgerten oder ausländischen Eltern, die bei Geburt zusätzlich die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten haben (nach dem "ius soli") sowie die 1,5 Mio Kinder, bei denen nur ein Elternteil Ausländer, Spätaussiedler oder Eingebürgerter ist.

Alterungsprozess drastischer ohne Zuwanderung

Ohne die Menschen mit Migrationshintergrund wäre die Alterspyramide der deutschen Bevölkerung noch „kopflastiger“ als sie ohnehin schon ist. Die Alterspyramide zeigt das für Deutschland typische gleichförmige Bild einer schrumpfenden Bevölkerung. Während die 40 jährigen Frauen und Männer mit 700.000 das stärkste Geburtsjahr stellen, werden nur halb so viele Kinder neu geboren.

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Anders bei den Ausländern und den Deutschen mit Migrantionshintergrund: hier gibt es in allen Altersgruppen bis etwa 40 Jahre eine nahezu konstante Anzahl zwischen 110.000 und 150.000 Männern und Frauen.

Der Anteil der Ausländer bei den jungen Erwachsenen zwischen 25 und 45 Jahren ist am stärksten, dagegen nimmt bei den jüngeren Altersgruppen (bis 25 Jahre) der Anteil deutscher Kinder mit Migrationshintergrund stark zu. Hier wird deutlich, dass der Rückgang der Bevölkerung sich ausschließlich bei den Deutschen ohne Migrationshintergund vollzieht.

Noch deutlicher wird die sonst verborgene Vielfalt, wenn man nicht nach der Staatsangehörigkeit, sondern nach der persönlichen Migrationserfahrung differenziert.

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Hier ist zu erkennen, dass in den untersten Altersklassen (bis 10 Jahren) die eigene Migrationserfahrung gegen Null tendiert, während die Kinder mit Migrationshintergrund ca. ein Drittel dieser Altersgruppe ausmachen. Ob dieser Prozess sich fortsetzen wird, hängt in erster Linie von der Zuwanderungspolitik der Bundesrepublik ab.

Weiterhin geht die Studie davon aus, dass 2010 ca. 40% der Unter-Vierzigjährigen einen „Migrationshintergrund“ aufweisen werden, d.h. dass fast die Hälfte der „deutschen“ Bevölkerung 2010 nicht ursprünglich mehr aus Deutschland stammt. Die höchste Anzahl von Menschen „nicht-deutscher“ Herkunft stellen Menschen mit türkischen Wurzeln (ohne deutschen Pass, 1,95 Millionen), die zweitgrößte Bevölkerungsgruppe stellen die Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien (627.000), gefolgt von 616.000 Italienern. Insgesamt leben ca. 200 verschiedene Ethnien in Deutschland. Bei diesen Aussagen ist allerdings zu beachten, dass Deutsche mit Migrationshintergrund nicht dazu zählen, d.h. dass auch die Spätaussiedler, als eine der größten ethnischen Gruppen in Deutschland, in dieser Statistik nicht auftauchen und somit die Informationen nicht exakt die deutsche Demografie widerspiegeln.