Über das Dossier Medien und Diversity

Coverbild Dossier Medien und Diversity

 

Seit sich Deutschland als "modernes" Einwanderungsland sieht, wandelt sich die Repräsentation von Menschen mit Migrations- hintergrund auch in den Nachrichten- und Unterhaltungsmedien allmählich zum Besseren. In den meisten Medien kommen MigrantInnen und "andere Deutsche" mittlerweile nicht nur in negativen stereotypen Rollen, sondern auch als "ganz normale" Menschen vor.

Auch in den Redaktionen der Print-, Audiovisuellen und Online Medien arbeiten häufiger als vor wenigen Jahren JournalistInnen mit einem „undeutsch“ klingenden Namen. Allerdings entspricht ihr Anteil noch längst nicht dem migrantischen Bevölkerungsanteil. Wer nicht zu den sozialen Eliten der Gesellschaft gehört, hat immer noch geringe Chancen, in diese weiße und männliche Domäne Zugang zu finden.
 

Doch zweifellos haben die Medien die gesellschaftliche Vielfalt entdeckt. Dabei spielen nicht nur eine gewachsene Sensibilität für Integration, Multikulturalität und Transnationalisierung/Globalisierung eine Rolle, sondern auch handfeste ökonomische Motive. Die Konkurrenz um die „Quote“ wird auf dem Medienmarkt immer härter. So stellten die Öffentlich-Rechtlichen neulich fest, dass sie in der Gunst der „Menschen mit Migrationshintergrund“ weit hinter den Kommerziellen liegen und auch die Konkurrenz durch sog. „Ethnomedien“ immer größer wird. Deswegen wollen sie ihr Programm künftig (noch) besser auf die Interessen der zugewanderten Bevölkerung ausrichten.

Wichtiger als der Kampf um die Konsumenten-Quote dürfte jedoch sein, ob der Abbau diskriminierender Inhalte und die ernsthafte Auseinandersetzung mit Interkulturalität und Vielfalt zur selbstverständlichen Normalität in den Massenprogrammen der Medien werden oder ob die MigrantInnen bunte Farbtupfer in hübschen Nischen bleiben.

Es ist höchste Zeit, dass Diversity Mainstreaming auch in den Medienbereich Einzug findet. Hierzu enthält der Nationalen Integrationsplan (NIP) der Bundesregierung einige (unverbindliche) Empfehlungen und Vorschläge der Arbeitsgruppe „Medien – Vielfalt nutzen“, die in die richtige Richtung gehen: Es wurde festgestellt, dass Massenmedien bislang „ein nur unvollständiges Bild der Migrantinnen und Migranten und ihrer Bedeutung im wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Leben unseres Landes“ zeichnen und über MigrantInnen allgemein zu viel in Problemzusammenhängen berichtet wird. Die Arbeitsgruppe schlägt vor, dass die Medienunternehmen mehr JournalistInnen mit Migrationshintergrund einstellen und dafür die geeignete Nachwuchsförderung betreiben sollen.

Doch die Vorschläge des NIP lassen auch wichtige Aspekte aus. So ist nicht nachvollziehbar, warum sich etwa die Medienforschung besonders dem Konsumverhalten von MigrantInnen widmen soll, aber von einer intensiveren Beforschung (und Überwindung) diskriminierender oder unausgewogener Medieninhalte oder der Formulierung einer an Diversity-Programmen orientierten Selbstverpflichtungen der Medien keine Rede ist. Ebenso ignoriert der NIP durch den Fokus auf die nationale Integration die Transnationalisierung des lebensweltlichen Alltags und entsprechende Konsequenzen für Medienproduktion und die Konsumbedürfnisse aller RezipientInnen.

Aus den bisher unverbindlichen Vorschlägen des NIP müssen überprüfbare Zielvorgaben werden, an die sich auch die Medien halten sollen, die sich bisher vor aktiver Anti-Diskriminierung und Gleichstellungspolitik gerne drücken. Eine solche, in Ländern wie Kanada, USA und auch Großbritannien längst übliche Praxis ist in Deutschland noch Zukunftsmusik.

  • Die Beiträge dieses Dossiers in der Rubrik Medien & Diskriminierung werfen zunächst aus der Sicht der Medieninhaltsforschung einen kritischen Blick auf diskriminierende Strukturen und stereotypisierende Inhalte in den Medien, z.B. beim Thema „Islam“, stellen aber auch positive Entwicklungen und Ansätze vor.
  • In der Rubrik Diversity in Programm & Personal werden wissenschaftliche Studien sowie Praxiskonzepte und Erfahrungen vorgestellt, die zeigen, wie es um die Diversity beim Personal und bei den Inhalten der Medien bestellt ist und mit welchen Konzepten diese Aufgabe in der Zukunft angegangen werden kann. 
  • MigrantInnen sind nicht nur KonsumentInnen, sondern auch aktive MacherInnen und NutzerInnern von Medien. In der Rubrik Medienproduktion & Mediennutzung schreiben „Role Models“ über die subtilen Hürden, die sie überwinden mussten, um anzukommen. Der neue „deutsch-türkische“ Film und eine Vielzahl erfolgreicher JournalistInnen und KünstlerInnen stehen für ein gewachsenes Selbstbewusstsein und eigenständige bzw. „hybride“ Ausdrucksformen. Vor allem das Internet wird zu einer Plattform für Mehrsprachigkeit und interkulturelle Kommunikation und ermöglicht einen transnationalen öffentlichen Raum, den herkömmliche Medien nicht bieten.

Das Dossier hat der Kulturwissenschaftler Andreas Linder konzipiert.
Redaktion: Andreas Linder, Olga Drossou.