Rassistische Diskriminierung in Deutschland

Daten und Fakten aus der Beratungspraxis des Kölner AntiDiskriminierungsBüros

Von Banu Bambal

Das AntiDiskriminierungsBüro (ADB) Köln in der Trägerschaft des Vereins „Öffentlichkeit gegen Gewalt e.V. (ÖgG)“ (kurz ADB Köln/ÖgG) ist ein auf kommunaler und regionaler Ebene tätiges unabhängiges Antidiskriminierungsbüro. Zu den originären Arbeitsschwerpunkten des ADB Köln/ÖgG gehören u.a. die Identifizierung und Analyse von Diskriminierungsmechanismen in verschiedenen Themenfeldern (Ämter/Behörden, Bildung und Ausbildung, Beschäftigung, Wohnungswirtschaft, Dienstleistungen, Polizei und Justiz), die Beratung und Unterstützung von Menschen mit Diskriminierungserfahrungen, die systematische Erfassung und Dokumentation von Diskriminierungsfällen sowie die Qualifizierung und Professionalisierung von Einrichtungen, Organisationen, Wohlfahrtsverbänden und der in Beratungszusammenhängen Tätigen in der Antidiskriminierungsarbeit.

 

Als zivilgesellschaftlich tätige Organisation leistet das ADB Köln/ÖgG durch seine Arbeit einen wichtigen Beitrag zur Förderung von Gleichbehandlung und zur zielgerichteten Umsetzung von Präventions- und Interventionsmaßnahmen gegen Diskriminierung. Die umfassende Auswertung und Dokumentation seiner Arbeit, insbesondere die der vielfältigen Beratungserfahrungen, gehört zu den essentiellen Aufgaben des ADB Köln/ÖgG.

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Das ADB Köln/ÖgG konzentriert sich auf die Einzelfallhilfe in Fällen von rassistischer Diskriminierung, d.h. auf Fälle, in denen Menschen aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermuteten ethnischen Herkunft, ihrer äußeren Erscheinung, Sprache, Religion oder Staatsangehörigkeit diskriminiert werden. Die Einzelfallarbeit ist ein wichtiger Bestandteil der Antidiskriminierungsarbeit. Durch die persönliche Beratung und Begleitung von Menschen mit Diskriminierungserfahrungen werden wichtige Informationen über Erscheinungsformen und Wirkungsweisen diskriminierender Strukturen, Mechanismen, Bestimmungen und Handlungen gewonnen. Dieses Wissen wiederum bildet eine entscheidende Grundlage zur Identifizierung des tatsächlichen Ausmaßes und der konkreten Formen von Diskriminierung sowie für die Entwicklung wirksamer Präventionsmaßnahmen und Interventionsstrategien gegen Diskriminierung. In den vergangenen Jahren hat das ADB Köln/ÖgG in jährlich erscheinenden Expertisen über die Diskriminierungsfälle, die es aufgenommen, bearbeitet und dokumentiert hat, berichtet.

Das tatsächliche Ausmaß und die Wirkungsweisen von ethnischer Diskriminierung sind nur schwer erfassbar. Gegenwärtig gibt es in Deutschland weder eine systematische Dokumentation von ethnischer Diskriminierung in all ihren Erscheinungsformen noch liegen umfassende empirische Untersuchungen über Diskriminierungserfahrungen vor. Gleichwohl gibt es einzelne Bestandsaufnahmen, die zwar eher explorativen Charakter besitzen, dennoch erste Hinweise zu Wirkungsweisen und Entwicklungstrends von ethnischer Diskriminierung liefern können. Hierzu zählen die Auswertungen und Analysen der seit 2001 bis heute bearbeiteten Diskriminierungsbeschwerden des ADB Köln/ÖgG.


Statistische Auswertung der bearbeiteten Beschwerden
Im Zeitraum von 01.01.2007 – 31.12.2007 sind dem ADB Köln/ÖgG insgesamt 455 Diskriminierungsbeschwerden herangetragen worden. Im Rahmen eines persönlichen Beratungsgesprächs ist jede dieser Beschwerden entgegengenommen und bearbeitet worden. Je nach Art der Beschwerde und dem Ausmaß der erlebten Diskriminierung sind deeskalierende Strategien und/oder eskalierende Maßnahmen, ebenso verschiedene Methoden der Konfliktvermittlung veranlasst worden.

Insbesondere nach Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) im August 2006 ist das ADB Köln/ÖgG von Ratsuchenden verstärkt in Anspruch genommen worden. Personen, die sich telefonisch oder schriftlich an das ADB Köln/ÖgG wandten, erkundigten sich über die mit dem AGG geschaffenen rechtlichen Möglichkeiten, sich gegen die erlebte Diskriminierung zu wehren, informierten sich über den Charakter und Handlungsspektrum des ADB Köln/ÖgG oder brachten in Erfahrung, welche Wege genutzt werden können, um die ihnen widerfahrene Diskriminierung wie z.B. das Mobbing oder Bossing zunächst betriebsintern anzuzeigen, bevor sie in einem weiteren Schritt eine Beratungsstelle einschalten.


Auswertung der bearbeiteten Beschwerden in den Jahren 2002-2007

 

  2002-20041  20052  20063
 Diskriminierungsbereiche      
 Ämter/ Behörden  29 %  26%  28%
 Arbeitsbereich    7%  15%  13%
 Bildungsbereich  13%    6%  18%
 Dienstleistungsbereich  17%  19%  17%
 Öffentlicher /Nichtöffentlicher Wohnbereich  21%  15%  17%
 Polizei    5%  13%    4%
 Sonstiges    8%    6%    3%
 Diskriminierungsgründe      
 Aufenthaltstatus  19%    6%    6%
 Äußere Erscheinung  13%  22%  23%
 Herkunft/ Nationalität  54%  61%  63%
 Religion/ Weltanschauung    4%    1%    7%
 Sonstiges  10%  10%    1%
 Form der Diskriminierung      
 Anfeindung  25%  18%  25%
 Körperliche Gewalt    3%    7%    7%
 Sachbeschädigung    5%   -   -
 Umstrittene Behandlung  63%  74%  67%
 Sonstiges    4%    1%   -
 VerursacherInnen von
 Diskriminierung
     
 Einzelperson  20%  10%  15%
 Gruppe    4%  15%  10%
 Institution oder Personal im öffentlichen
 Bereich
 61%  51%  55%
 Unbekannt    1%   -    3%
 Unternehmen oder Personal im
 privatwirtschaftlichen Bereich
 14%  21%    7%


Hier zu den Quellennachweisen

Diese Daten können selbstverständlich keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit erheben. Diese Auswertungen liefern Aufschluss über das Ausmaß individueller, institutioneller und struktureller Diskriminierungsmechanismen, auf Basis dessen wirksame und nachhaltige Interventionsstrategien und Handlungsansätze gegen Diskriminierung entwickelt werden können.


Fazit: Unzureichende Strukturen
Die Diskriminierungsfälle, die das ADB Köln/ÖgG bearbeitet, spiegeln nur einen kleinen Teil des tatsächlichen Ausmaßes von Diskriminierungen in unserer Gesellschaft wider. Eine Vielzahl von Beschwerden finden weder Aufnahme noch Eingang in derartige Statistiken, da viele Betroffene sich nicht an vorhandene Anlaufstellen wenden können und/oder wollen, von der Existenz solcher Beschwerde- und Beratungsstellen nichts wissen oder aber, weil sie – sei es bewusst oder unbewusst – das Geschehene nicht als eine Form von Diskriminierung wahrnehmen oder sich selbst für den Vorfall beschuldigen.

Die Infrastruktur von Angeboten, die Betroffenen in Fällen von rassistischer Diskriminierung beratend und/oder unterstützend zur Seite stehen, ist nach wie vor nicht flächendeckend. Die Verteilung solcher Anlaufstellen, insbesondere auf Bundesebene, ist sehr unterschiedlich. Manche Kommunen und Bundesländer besitzen keine explizite Anlaufstelle für von rassistischer Diskriminierung Betroffene, so dass zunehmend Menschen aus anderen Kommunen und Bundesländern das ADB Köln/ÖgG konsultieren. Gerade in der Bearbeitung von Diskriminierungsbeschwerden sowie in der Zusammenarbeit mit Einrichtungen und Institutionen macht das ADB Köln/ÖgG wiederkehrend die Erfahrung, dass es mit seiner Antidiskriminierungsarbeit und Antidiskriminierungsberatung nicht nur dem Bedarf auf lokaler Ebene gerecht wird, sondern auch dem in anderen Kommunen und Bundesländern, welchem in anderen Zusammenhängen und Strukturen nicht oder nur am Rande nachgekommen werden kann.

Quellenhinweise
1 AntiDiskriminierungsBüro (ADB) Köln/Öffentlichkeit gegen Gewalt e.V. (Hrsg.) (2004):
Dokumentation 2002/2004

2 AntiDiskriminierungsBüro (ADB) Köln/Öffentlichkeit gegen Gewalt e.V. (Hrsg.) (2005):
Dokumentation 2005

3 AntiDiskriminierungsBüro (ADB) Köln/Öffentlichkeit gegen Gewalt e.V.; Caritasverband für die Stadt Köln/Antidiskriminierungsbüro; Interkulturelles Referat der Stadt Köln (Hrsg.) (2007): „Nein, das gibt’s hier nicht!“ Diskriminierung in Köln – (k)ein Einzelfall? Gemeinsamer Bericht der Träger der Antidiskriminierungsarbeit im „Drei-Säulen-Modell“ in Köln 2006

 

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Banu Bambal ist Projektleiterin im AntiDiskriminierungsBüro (ADB) Köln/Öffentlichkeit gegen Gewalt e.V. und Vorstandsmitglied des Antidiskriminierungsverbandes Deutschland (advd).