Zur Problematik des Begriffs „Rasse“ in der Gesetzgebung

von Hendrik Cremer

In der EU-Richtlinie „zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder ethnischen Herkunft“ aus dem Jahre 2000 (Anti-Rassismusrichtlinie 2000/43/EG) findet sich zu Beginn (Erwägungsgrund 6) folgende Erklärung: „Die Europäische Union weist Theorien, mit denen versucht wird, die Existenz verschiedener menschlicher Rassen zu belegen, zurück. Die Verwendung des Begriffs „Rasse“ in dieser Richtlinie impliziert nicht die Akzeptanz solcher Theorien.“ Anschließend folgen im Rahmen der Richtlinie Formulierungen wie „wenn eine Person aufgrund ihrer Rasse“, „Personen, die einer Rasse ... angehören“, „Verhaltensweisen, die im Zusammenhang mit der Rasse ... einer Person stehen“ oder „eine Ungleichbehandlung aufgrund eines mit der Rasse ... zusammenhängenden Merkmals“.

Die Richtlinie zeigt besonders anschaulich die Problematik, die sich aus der bis heute andauernden Verwendung des Begriffs „Rasse“ in Gesetzestexten ergibt. Der europäische Gesetzgeber hat demnach zwar ein Problembewusstsein für den Begriff „Rasse“ entwickelt, hält aber dennoch an dem Begriff fest. Die vorangestellte Einführung des Erwägungsgrunds 6 in der Richtlinie kann das Dilemma nicht beseitigen: Die folgenden Formulierungen in der Richtlinie für sich genommen führen vielmehr zu einem unauflösbaren Widerspruch. Wenngleich die Richtlinie darauf abzielt, Rassismus zu bekämpfen und dabei Diskriminierungen aus rassistischen Gründen im Blick hat, wecken die Formulierungen unweigerlich die Assoziation eines Menschenbildes, das auf der Vorstellung unterschiedlicher menschlicher „Rassen“ basiert. Dabei gehen allein rassistische Theorien von der Annahme aus, dass es unterschiedliche menschliche „Rassen“ gibt.

Der Begriff „Rasse“ ist historisch seit jeher extrem belastet und hat unweigerlich rassistische Implikationen. Mit ihm gingen stets Kategorisierungen von Menschen einher. So widersprüchlich es klingen mag, war es zur Zeit der Aufklärung weit verbreitete Ansicht, dass es unterschiedliche und zugleich in Hierarchien geordnete menschliche „Rassen“ gebe, an dessen Spitze die „weiße Rasse“ stehe. Damit wurden ebenso die Sklaverei und eine aggressive und gewalttätige Kolonialpolitik gerechtfertigt. (Moore 2008, Introduction: XI f.) Bei den Nationalsozialisten stand der Begriff „Rasse“ und damit einhergehende „Rassentheorien“ schließlich im Zentrum der nationalsozialistischen Ideologie, was in dem von ihnen proklamierten „Rassenkampf“, dem planmäßigen Massenmord an dem sogenannten „unwerten Leben“ gipfelte.

Vor diesem Hintergrund gab es schon zahlreiche Appelle auf internationaler Ebene, grundsätzlich vom Begriff der „Rasse“ Abstand zu nehmen. So hat etwa die UNESCO in ihrem „Statement on Race“ bereits 1950 darauf hingewiesen, dass die Terminologie „Rasse“ für einen sozialen Mythos stehe, der ein enormes Ausmaß an Gewalt verursacht hat.

Dennoch wird der Begriff „Rasse“ bis heute in internationalen Dokumenten des Menschenrechtsschutzes, im deutschen Grundgesetz oder in anderen deutschen rechtlichen Regelungen auf Bundes- oder Landesebene verwendet – wie etwa im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) aus dem Jahre 2006. Insbesondere wenn es um den menschenrechtlich gebotenen Schutz vor rassistischen Diskriminierungen geht, wird der Begriff „Rasse“ gebraucht, was aufgrund seiner rassistischen Implikationen absurd erscheint. Das Festhalten am Begriff „Rasse“ in (menschen-)rechtlichen Texten führt schließlich auch dazu, dass sich Gesetzgeber, Wissenschaftler, NGOs oder andere, die sich mit einschlägigen Gesetzestexten befassen, ständig gezwungen sehen, den Begriff in Texteinschüben oder Fußnoten zu problematisieren und nur in Anführungszeichen zu verwenden, um sich von dem Begriff zu distanzieren. Dies gilt nicht nur für den deutschsprachigen Raum, sondern ist ebenso auf internationaler Ebene zu beobachten.

Das Problembewusstsein für den Begriff „Rasse“ in Deutschland wie auch der Wille, dass er keine Verwendung mehr finden solle, scheint auf breiter Basis vorhanden zu sein. Nun sollte noch der letzte Schritt gemacht werden: den Begriff „Rasse“ in Gesetzestexten nicht mehr zu gebrauchen. Dies würde die Sache für alle Beteiligten deutlich vereinfachen, auch der Gesetzgeber wäre nicht mehr in der Bredouille, wenn auch gut gemeinte, letztendlich aber wenig überzeugende oder gar widersprüchliche Gesetzesbegründungen für die Verwendung des Begriffs „Rasse“ zu liefern. So wird anhand der Gesetzesbegründung zum deutschen AGG deutlich, dass der Gesetzgeber keine widerspruchsfreien und befriedigenden Lösungen im Umgang mit dem Begriff „Rasse“ findet, solange er an ihm festhält (siehe dazu weiter unten).

Vor diesem Hintergrund hat das Deutsche Institut für Menschenrechte im Oktober 2007 einen Workshop zum Begriff „Rasse“ veranstaltet, an dem Vertreter/innen des Bundesjustizministeriums, des Auswärtigen Amtes, der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, der Gesellschaft für deutsche Sprache wie auch von NGOs teilgenommen haben. Dabei wurden verschiedene Formulierungsvarianten für eine Gesetzesänderung des AGG erörtert, nach denen der Begriff „Rasse“ nicht mehr in dem Gesetz stehen würde. Die in dem Workshop erarbeiteten Ergebnisse bilden die Grundlage für die in einem Policy Paper des Instituts entwickelten Empfehlungen für eine zukünftige Vermeidung des Begriffs „Rasse“ in der deutschen Rechtsordnung und eine anzustrebende Änderung des AGG als ersten Schritt und Signal in diese Richtung.

Auch andere – ebenso in Gesetzestexten zum Diskriminierungsschutz – verwendete Begriffe wie „ethnische Herkunft“ oder „ethnische Zugehörigkeit“ können Trägerbegriffe für Rassismus sein.(Forum gegen Rassismus 2001: 4) Beim Begriff „Rasse“ ist dies indes per se der Fall. Selbstverständlich gibt es Rassismus, auch ohne dass der Begriff „Rasse“ benutzt wird. Eine andere Annahme wäre dumm oder naiv. Allerdings kann man Rassismus nicht glaubwürdig bekämpfen, wenn der Begriff „Rasse“ beibehalten wird. Mit der Verwendung des Begriffs „Rasse“ durch den Gesetzgeber entsteht vielmehr der Eindruck, dass das Gesetz vom Vorhandensein verschiedener menschlicher „Rassen“ ausgeht.

Gegenwärtig müssen Betroffene im Falle rassistischer Diskriminierung geltend machen, aufgrund ihrer „Rasse“ diskriminiert worden zu sein. Sie müssen sich also selbst einer bestimmten „Rasse“ zuordnen, um eine Diskriminierung geltend machen zu können. Dies zeigt die Absurdität der Sprachregelung: Opfer von rassistischer Diskriminierung müssen sich so den Sprachgebrauch und die Gedankenwelt der Diskriminierenden zu Eigen machen. Vorzuziehen sind daher Regelungen, die „rassistische Diskriminierungen“ respektive „rassistische Benachteiligungen“ sanktionieren, um auf das Gedankengut zu verweisen, das sich dahinter verbirgt. Es geht also um einen Perspektivwechsel in der Sprache von Gesetzesregelungen.

Um zu verdeutlichen, welche praktischen Auswirkungen die Verwendung des Begriffs „Rasse“ in der deutschen Rechtsordnung haben kann, sei hier beispielhaft auf ein in Berlin verwendetes Einbürgerungsformular verwiesen. In diesem wurde das Einverständnis zur Verarbeitung von personenbezogenen Daten „zur rassischen Herkunft“ verlangt. Anfang 2007 erlangte die Öffentlichkeit von dem Formular Kenntnis und löste national und international erhebliche Empörung aus. In den Medien war von Nazijargon oder Nazivokabular in deutschen Behörden die Rede.

Der Begriff „Rasse“ sollte auch deshalb keine Verwendung mehr in Gesetzestexten finden, weil Gesetzestexte zur Bewusstseinsbildung beitragen können und eine gewisse Vorbildfunktion haben sollten. Die Vorbildfunktion rechtlicher Texte wird in jedem Fall dann relevant, wenn es um menschenrechtliche Anliegen geht wie die Bekämpfung von Diskriminierung und Rassismus.

Die Forderung, den Begriff „Rasse“ nicht mehr zu verwenden, sollte nicht als Sprach- oder Denkverbot verstanden werden. Es geht vielmehr darum, Sprach- und Denkgewohnheiten zu hinterfragen und aufzubrechen. Unter Berücksichtigung der geschichtlichen Wirkung von Konzepten und gedanklichen Konstrukten, die mit dem Begriff „Rasse“ verbunden sind, ist kein Grund ersichtlich, an dem Begriff festzuhalten. Auch die Wissenschaft ist inzwischen auf breiter Basis zu der Auffassung gelangt, dass das Konzept der „Rasse“, das aus der Vergangenheit übernommen wurde, nicht geeignet ist, die augenfällige Vielfalt der Menschen angemessen zu erfassen. Die wissenschaftlichen Befunde der Gegenwart stützen also nicht die frühere bis ins 20. Jahrhundert vertretene Auffassung, dass menschliche Populationen in getrennte „Rassen“ wie „Afrikaner“, „Eurasier“ oder irgendeine größere Anzahl von Untergruppen klassifiziert werden könnten. (Kattmann 1999: 65 ff.)

Diese Frage betrifft aber nicht nur und nicht primär die empirischen Wissenschaften vom Menschen. Es geht dabei um Fragen von Einstellungen und Bewertungen. Rassismus gibt es auch unabhängig von biologistischen Theorien. Umgekehrt gilt zwar, dass Theorien, nach denen sich unterschiedliche menschliche „Rassen“ definieren ließen, in jedem Falle rassistisch sind. Rassistische Einstellungen sind aber nicht abhängig von der Annahme menschlicher „Rassen“ nach biologistischen Kriterien, sie fußen vielmehr auf selbst definierten „Rassen“. Das Problem besteht also in dem Glauben an deren Existenz und den damit verbundenen Wertungen und Wirkungen. (Kattmann 1999, 80) In diesem Sinne kann Rassismus viele Facetten haben. Beispielsweise wenn bestimmten Menschengruppen bestimmte Eigenschaften zugeschrieben werden, in denen sie sozusagen „gefangen“ gehalten und nicht mehr als Individuen wahrgenommen werden. Solche Zuschreibungen können etwa anhand äußerlicher Merkmale wie der Hautfarbe erfolgen. Sie können ebenso auf Gene oder Blut abstellen oder auf bestimmte Mentalitäten, auch religiöser Art.

Es wird immer noch die Auffassung vertreten, der Begriff „Rasse“ in Gesetzestexten solle beibehalten werden, weil nur so das Ziel klar werde, Rassismus bekämpfen zu wollen. Eine solche Argumentation erscheint nur schwer nachvollziehbar. Andere Befürworter des Begriffs verweisen auf die gewöhnliche Verwendung des Begriffs in der Diskussion um Fragen von Rassismus und insbesondere auf die Bedeutung des Begriffs „Rasse“ im englischsprachigen Raum. Demnach sei er lediglich als sozio-politischer Begriff zu verstehen und nicht in einem biologistischen Sinne. Gerade der zweifellos weit verbreitete Gebrauch des Begriffs „Race“ im englischsprachigen Raum wird gerne als Begründung dafür herangezogen, dass seine Verwendung bedenkenlos sei. Im Weiteren soll indes verdeutlicht werden, dass der Begriff nicht nur im Deutschen, sondern auch in anderen Sprachen problematisch und belastet ist. Dabei wird ebenso auf die Verwendung des Begriffs im Englischen eingegangen. Zudem wird aufgezeigt, dass einige andere europäische Länder in ihrer Gesetzgebung bereits Abstand von dem Begriff „Rasse“ nehmen. Schließlich werden Empfehlungen an die deutschen Gesetzgeber, die Exekutiven wie auch für die EU und Außenpolitik Deutschlands ausgesprochen.

Begriffsgeschichtliche Entwicklung der Kategorie „Rasse“ bis zum Nationalsozialismus
Im Folgenden soll die Geschichte des Begriffs „Rasse“ bis zur Zeit des Nationalsozialismus  skizziert werden. Dabei soll aufgezeigt werden, dass der Begriff stets im Zusammenhang mit einem Herrschafts- oder Abhebungsanspruch verbunden war und seit dem Ende des 17. Jahrhunderts im Zusammenhang mit der Kategorisierung und zugleich Hierarchisierung von Menschengruppen verwendet wurde. Der Begriff „Rasse“ trug demnach von vornherein das Kriterium der Abstammungsgemeinschaft in sich und machte eine Begriffsgeschichte durch, die schließlich zu dem Begriff „Rassismus“ führte (Conze 1984: 135).

Vormoderne Ursprünge des Begriffs „Rasse“
Der etymologische Ursprung des Begriffs „Rasse“ ist unklar. Belegt ist lediglich, dass er in den romanischen Sprachen seit dem 13. Jahrhundert als „razza“ (italienisch), „raza“ (spanisch), „raca“ (portugiesisch) und „race“ (französisch) gebraucht wurde. Verstärkt wurde der Begriff erst im 16. Jahrhundert – im Englischen als „race“ – verwendet. In dieser Zeit wurde der Begriff „Rasse“ im Sinne von Abstammung und Zugehörigkeit zu einer bestimmten Familie, einem Haus von „edlem Geschlecht“ oder als Synonym für „Herrscherhaus“ gebraucht. Der Begriff „Rasse“ hat demnach „Adel“ und „Qualität“ miteinander verbunden, was in romanischer wie auch englischer Sprache belegt ist, gelegentlich auch fürs Deutsche. Im Zwangsbekehrungsedikt der spanischen Reconquista von 1492 wurde der Begriff der „Rasse“ („Raza“) zum ersten Mal in Bezug auf Juden gebraucht. Dabei wurde mit der Forderung nach „Reinheit des Blutes“ zudem ihre Sonderstellung manifestiert, die sie über die Konversion hinaus aus der spanischen Gesellschaft ausschließen sollte (Sommer 1984: 137 ff.).

Der Begriff „Rasse“ und die Kategorisierung des Menschen von der Zeit der Aufklärung bis zum Nationalsozialismus
Seit dem Ende des 17. Jahrhunderts wurde der Begriff „Rasse“ schließlich so verwendet, dass mit ihm Kategorienbildungen von Menschen einhergingen. Pflanzen, Tiere, aber auch Menschen wurden in Arten, Familien, Gruppen und eben „Rassen“ unterteilt. Vertreter sämtlicher Wissenschaften meldeten sich zu Wort, wenn es darum ging, Kriterien für die Kategorisierung von Menschen zu schaffen. Grundlage der Kategorisierungen waren oftmals – in romanischen Sprachen oder auf Englisch verfasste – Entdeckungs- und Reiseberichte. Hier tauchte immer häufiger der Begriff „Rasse“ auf, um die Bevölkerung anderer Länder zu beschreiben (Sommer 1984: 141). 

Die vorgenommenen Kategorisierungen nach unterschiedlichen menschlichen „Rassen“ variierten in ihren Erklärungsansätzen. So wurden ihre jeweiligen Merkmale – physische wie auch charakterliche – etwa mit verschiedenen Klimazonen begründet und erklärt. Andere verwiesen auf die historische Entwicklung der Menschheit als Erklärungsansatz: demnach seien infolge der Völkerwanderung in verschiedene Regionen der Welt unterschiedliche menschliche Merkmale entstanden. Wieder andere stützten sich auf anatomische Untersuchungen wie Schädelmessungen oder kombinierten verschiedene Erklärungsansätze.

Der Naturforscher Carl von Linné (1707–1778) teilte die Spezies Mensch beispielsweise in vier Kategorien und wies  ihnen sowohl körperliche als auch charakterliche Merkmale zu. So hat er etwa das Temperament der Afrikaner als „boßhaft“ und „faul“ bezeichnet (Morgenstern 2002: 136 f.). Georges-Louis Leclerc de Buffon (1707–1788), ebenfalls Naturforscher, betonte die Hautfarbe als Unterscheidungskriterium für verschiedene „Rassen“. Dabei hielt er die „weiße“, europäische „Rasse“ („Race“) für die „schönste“ und „beste“. (Schmitz-Berning 1998: 482). Auch Immanuel Kant (1724–1804), der das französische Wort „Race“ in den deutschen Sprachgebrauch einführte, zeigte eine starke Bevorzugung der „europäischen Rasse“, wenn er etwa schrieb: „Die Menschheit ist in ihrer größten Vollkommenheit in der Race der Weißen. Die gelben Indianer haben schon ein geringeres Talent. Die Neger sind weit tiefer, und am tiefsten steht ein Theil der amerikanischen Völkerschaften.“ (Kant 1802: 316). Die Theorie des Göttinger Universitätsprofessors Christoph Meiners (1747–1810) besagte, dass die Menschheit sich aus zwei Stämmen gebildet habe (Polygenese). Dabei seien die „Racen“ kaukasischer Abstammung denen des mongolischen Stamms grundsätzlich überlegen, wobei es auch innerhalb der Stämme selbst noch hierarchische Abstufungen zwischen den einzelnen „Racen“ gebe. (Conze 1984: 150 ff.)

Der französische Graf Joseph Arthur de Gobineau (1816–1882) betonte die grundlegenden Differenzen unterschiedlicher menschlicher „Rassen“ („Races“) mit den „Weißen“ an der Spitze. Die Vermischung der „Rassen“ („Races“) – so Gobineau – führe zur Degeneration und somit zum Untergang der überlegenen „Rassen“ („Races“). In dieser Zeit entstand auch die Evolutionstheorie des englischen Biologen Charles Darwin (1809–1882). Seine Theorie bildete im Laufe der Zeit die Grundlage für Theorien, nach denen die einzelnen „Menschenrassen“ den „Kampf ums Dasein“ führten (Sozialdarwinismus). François Galton (1822–1911), ein Vetter Darwins, verfolgte dabei Bestrebungen, die in England als „Eugenik“, in Deutschland durch Alfred Ploetz (1860–1940) und Wilhelm Schallmeyer (1857–1919) als „Rassenhygiene“ zum Begriff erhoben wurden (Conze 1984: 166).

„Rasse“ im Antisemitismus ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es zunehmend Veröffentlichungen, in denen das Judentum als „Rasse“ bezeichnet und eingestuft wurde. Die Bewertung des Judentums löste sich dabei von religiösen Begründungsansätzen und verlagerte sich zu einer säkularen Charakterologie, wobei Stereotypen der alten christlichen Judenfeindschaft übernommen, aber modern zugeschnitten und ergänzt wurden (Conze 1984: 174).  „Dem Juden“ („Juda“) wurden niedrigste Charaktereigenschaften und gefährliche politische Ziele wie Revolution und Weltherrschaft zugeschrieben.

Aus den vielen Schriften, die sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts unter Bezugnahme auf das Judentum mit dem Thema „Rasse“ beschäftigten, stach eine heraus. Dabei handelt es sich um „Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts“ aus dem Jahre 1899 des gebürtigen Engländers Houston Stewart Chamberlain (1855–1927), der später die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen hatte. Chamberlain verherrlichte die „arisch-germanische Rasse“ und den „Eintritt der Germanen in die Weltgeschichte“. Nach Chamberlain stünde der „arisch-germanischen Rasse“ legitimer Weise die Weltherrschaft zu. Während er andere „Rassen“ wie „Neger“ als eine „untergeordnete, minderwertige, in sich selbst kulturunfähige Menschenunterart“ bezeichnete, sah er die „arisch-germanische Rasse“ durch das Judentum bedroht, in dem es selbst die Weltherrschaft anstrebe. Wie schon zuvor Richard Wagner konstruierte auch Chamberlain einen Gegensatz zwischen der germanischen und der jüdischen „Rasse“. Dabei konzipierte er die Juden zum negativen Gegenbild zu seinem „arischgermanischen Rassen“-Ideal (Zerger, 1997: 41 ff.).

Von Chamberlains Werk ging eine erhebliche Wirkung aus – nicht nur in seiner Wahlheimat Deutschland (Geiss 1988: 174). Die Nationalsozialisten beriefen sich später immer wieder auf ihn, auch auf Hitler hatte Chamberlain eine starke Wirkung (Conze 1984: 173). Bei den Nationalsozialisten waren „Rassenlehre“ und „Antisemitismus“ untrennbar miteinander verknüpft. Dabei stellten sie den „Rassenkampf“ ins Zentrum ihrer menschenverachtenden Ideologie. Der Barbarei des Dritten Reiches lag die Vorstellung eines weltgeschichtlichen Endkampfes zugrunde, in dem es um die „Reinhaltung des Blutes“ und die „Ausmerzung“ des „parasitenhaften“ Judentums ging. Die ideologische Reduktion der Nationalsozialisten, Geschichte sei „Rassenkampf“, endete schließlich im Genozid an den Juden.

Zwischenfazit
Der Begriff „Rasse“ ist historisch extrem belastet. Mit ihm gingen seit jeher Kategorisierungen von Menschen einher, verbunden mit Abwertungen bestimmter Gruppen von Menschen. In der Ideologie der Nationalsozialisten hat er schließlich eine zentrale Rolle eingenommen. Dabei endete der von den Nationalsozialisten propagierte „Rassenkampf“, in dem die „Arier“ die „Herrenrasse“ bildeten, in der systematischen und monströsen Vernichtung sogenannten „unwerten Lebens“.

Die Verwendung des Begriffs „Rasse“ nach der Zeit des Nationalsozialismus
Trotz dieses Befundes wurde und wird der Begriff „Rasse“ bis heute verwendet. Dabei hat der Begriff nach der Zeit des Nationalsozialismus eine durchaus widersprüchliche Geschichte erfahren und ist in seiner Verwendung unterschiedlich stark verbreitet. Es gibt Gesellschaften, in denen der Gebrauch Gang und Gäbe ist, was so weit gehen kann, dass manche Leute sich – und auch andere – vor allem nach der „Rasse“ definieren.  In den USA bildet er beispielsweise einen tragenden Begriff im politischen und öffentlichen Leben – etwa bei der politischen Durchsetzung des Gleichheitsgrundsatzes. Dennoch ist er auch hier Kritik ausgesetzt. Die Befürworter des Begriffs „Rasse“ verweisen dabei auf seine soziale Bedeutung in der US-amerikanischen Gesellschaft, die Gegner hingegen betonen, dass der Begriff untrennbar mit einem biologistischen Konzept verbunden ist.

Internationale Appelle zur Abkehr vom Begriff „Rasse“
Wie bereits erwähnt, gab es auf internationaler Ebene bereits zahlreiche Appelle, vom Begriff „Rasse“ Abstand zu nehmen. Die UNESCO hat in ihrem „Statement on Race“ bereits 1950 darauf hingewiesen, dass die Terminologie „Rasse“ für einen sozialen Mythos stehe, der ein enormes Ausmaß an Gewalt verursacht hat. 1978 hat sich die Generalkonferenz der UNESCO einmütig zu Folgendem bekannt: „Alle Menschen gehören einer einzigen Art an und stammen von gemeinsamen Vorfahren ab. Sie sind gleich an Würde und Rechten geboren und bilden gemeinsam die Menschheit“. Und im Juni 1995 gaben Anthropologen, Humangenetiker und Biologen während der UNESCO-Konferenz „Gegen Rassismus, Gewalt und Diskriminierung“ eine Stellungnahme ab, nach der das Konzept der „Rasse“, das aus der Vergangenheit übernommen wurde, „völlig obsolet“ geworden sei. Es gebe „keinen wissenschaftlichen Grund“, an dem Begriff der „Rasse“ festzuhalten, da kein wissenschaftlich seriöser Weg existiere, die menschliche Vielfalt mit den starren Begriffen, „rassischer“ Kategorien oder dem traditionellen „Rassen-Konzept“ zu charakterisieren. Die Stellungnahme distanziert sich von Rassismus als dem Glauben, menschliche Populationen unterschieden sich in genetisch bedingten Merkmalen von sozialem Wert, so dass bestimmte Gruppen gegenüber anderen höherwertig oder minderwertig seien.

Festhalten am Begriff „Rasse“ in internationalen Dokumenten des Menschenrechtsschutzes und in deren Übersetzungen ins Deutsche
Dennoch wird der Begriff „Rasse“ bis heute durchgängig in internationalen Dokumenten des Menschenrechtsschutzes verwendet. Besonders häufig taucht er im „Internationalen Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung“ (ICERD) von 1965 auf, was schon der Titel des Übereinkommens andeutet. Darüber hinaus wird er insbesondere in den allgemeinen Diskriminierungsverboten von UN-Menschenrechtsverträgen, aber auch im Rahmen von Diskriminierungsverboten der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) oder Zusatzprotokollen zur EMRK gebraucht.

Zu den Vertragssprachen internationaler Menschenrechtsabkommen gehören beispielsweise Englisch, Französisch oder Spanisch. In den Vertragssprachen finden sich daher die Begriffe „race“ (englisch), „race“ (französisch) oder „raza“ (spanisch). Deutsch ist hingegen keine Vertragssprache. Sofern Deutschland Menschenrechtsabkommen unterzeichnet und ratifiziert und in deutscher Sprache veröffentlicht, handelt es sich also lediglich um deutsche – unverbindliche – Übersetzungen. Dem Wortsinn entsprechend wird auch in der amtlichen deutschen Übersetzung internationaler Menschenrechtsverträge – oder anderer internationaler Dokumente – bis heute der Begriff „Rasse“ verwendet.

Der Begriff „Rasse“ auf europäischer und nationaler Ebene
Im Folgenden wird skizziert, inwiefern der Begriff „Rasse“ gegenwärtig auf europäischer und nationaler Ebene in Gesetzestexten verwendet wird.

Der Begriff „Rasse“ in der EU
In Art. 13 des EG-Vertrages, der die Ermächtigungsgrundlage für die bereits erwähnte Anti-Rassismusrichtlinie 2000/43/EG bildet, hat der Begriff „Rasse“ Aufnahme gefunden. Artikel 13 des EG-Vertrages trat im Mai 1999 im Zuge des Amsterdamer Vertrages in Kraft. Wie die Anti-Rassismusrichtlinie 2000/43/EG sieht Art. 13 des EG-Vertrages sowohl „Rasse“ als auch „ethnische Herkunft“ als Anknüpfungspunkte für verbotene Diskriminierungen vor. Dabei wurde der Begriff „Rasse“ im Rahmen der Ausarbeitung des Art. 13 EG-Vertrages ohne jede Diskussion von den Regierungs- und Staatschefs der EU-Mitgliedstaaten akzeptiert. Nur zwei Jahre später, bei der Ausarbeitung der Anti-Rassismusrichtlinie 2000/43/EG, stellte sich dies bereits anders dar. Eine Anzahl von Mitgliedstaaten wies darauf hin, dass die Erwähnung des Begriffs „Rasse“ in der Richtlinie der Akzeptanz rassistischer Theorien gleichkomme. Andere befürworteten die Verwendung des Begriffs „Rasse“, da er dem gewöhnlichen Sprachgebrauch entspreche oder sogar nötig sei, um klarzustellen, dass die Richtlinie Rassismus bekämpfe (Tyson 2001: 201). Mehrere Versuche mussten unternommen werden, um in diesem Punkt einen Kompromiss zu finden. Dieser nicht überzeugende Kompromiss bestand letztendlich darin, dass der Begriff „Rasse“ Aufnahme gefunden hat und der Richtlinie der bereits anfangs erwähnte Erwägungsgrund 6 vorangestellt wurde. In diesem weist die Europäische Union Theorien zurück, mit denen versucht wird, die Existenz verschiedener menschlicher Rassen zu belegen.

Verzicht auf den Begriff „Rasse“ in einigen EU-Mitgliedstaaten
In einigen Mitgliedstaaten der EU hat sich mittlerweile grundsätzlich wie auch im Zuge der Umsetzung der Anti-Rassismusrichtlinie 2000/43/EG die Position durchgesetzt, den Begriff „Rasse“ bewusst aus der nationalen Gesetzgebung zu verbannen. Die finnische Verfassung etwa beschränkt sich auf das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der „Herkunft“, womit nach der Gesetzesbegründung auch rassistische Diskriminierungen oder Diskriminierungen aus Gründen der ethnischen Herkunft erfasst sind. Auch im finnischen Gesetz zur Nichtdiskriminierung, das die Antidiskriminierungsrichtlinie EG 2000/43/EG umsetzt, findet sich allein die Begrifflichkeit der „ethnischen und nationalen Herkunft“. Und im schwedischen Gesetz über ethnisch motivierte Diskriminierungen wird lediglich auf „ethnische Zugehörigkeit“ Bezug genommen.

Auch in Österreich wurde bei der Umsetzung der EU-Richtlinie bewusst auf den Begriff „Rasse“ verzichtet. Gleichzeitig war man darauf bedacht, den Anwendungsbereich des nationalen Gesetzes nicht einzuschränken. Die Lösung wurde darin gesehen, statt des Begriffs „ethnische Herkunft“ den Begriff „ethnische Zugehörigkeit“ zu wählen. Im österreichischen Bundesgesetz über die Gleichbehandlung heißt es etwa: „Aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit, ... darf niemand ... unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden ...“. Eine Begründung, warum der Begriff „ethnische Zugehörigkeit“ weiter zu verstehen sei als der Begriff „ethnische Herkunft“ findet sich in den Materialen und Dokumenten zu dem Gesetz allerdings nicht. Um Zweck und Zielrichtung des Gesetzes klarzustellen, hat der Gesetzgeber im österreichischen Gleichbehandlungsgesetzes in Überschriften den Begriff „Antirassismus“ eingeführt.

Der Begriff „Rasse“ in der deutschen Rechtsordnung
In der deutschen Rechtsordnung findet sich der Begriff „Rasse“ in vielen bundesrechtlichen oder auch landesrechtlichen Regelungen – auch im Grundgesetz (GG) ist er enthalten. Art. 3, Abs. 3, S. 1 GG lautet: „Niemand darf wegen ... seiner Rasse, ... benachteiligt oder bevorzugt werden.“ Im deutschen AGG aus 2006, welches unter anderem die Anti-Rassismusrichtlinie 2000/43/EG umsetzt, heißt es in § 1 AGG: „Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse ... zu verhindern oder zu beseitigen.“ Der Gesetzgeber hat die Problematik des Begriffs „Rasse“ im AGG zwar erkannt, wie sich der Gesetzesbegründung entnehmen lässt (BT-Drs. 16/1780, 30 f.), aber dennoch an ihm festgehalten. Dabei weist die Begründung des AGG darauf hin, dass man beim AGG – in Anlehnung an Art. 13 des EG-Vertrages – die Formulierung „aus Gründen der Rasse“ verwendet hat und nicht die in Artikel 3 Abs. 3 GG verwandte Wendung „wegen seiner Rasse“. Dadurch solle deutlich werden, dass nicht das Gesetz das Vorhandensein verschiedener menschlicher „Rassen“ voraussetzt, sondern dass derjenige, der sich rassistisch verhält, eben dies annimmt.

Bemerkenswert ist hier zunächst, dass der Gesetzgeber nach der Gesetzesbegründung zum AGG implizit annimmt, dass das Grundgesetz (Art. 3) vom Vorhandensein verschiedener menschlicher „Rassen“ ausgehe. Abgesehen davon, macht auch die Gesetzbegründung zum AGG deutlich, dass es keine befriedigenden Lösungen gibt, solange der Begriff „Rasse“ verwendet wird.

Überlegungen zu Änderungen im deutschen Recht
Im AGG findet sich der Begriff „Rasse“ insgesamt viermal – verteilt auf drei unterschiedliche Paragraphen, nämlich in § 1, § 19 Abs. 1 und Abs. 2 und § 33 Abs. 2 AGG. Dabei wird der Begriff im Kontext identischer Formulierungen gebraucht. Die hier beispielhaft vorgeschlagene Gesetzesänderung des § 1 AGG ließe sich daher auch auf die anderen Paragraphen des AGG, die den Begriff „Rasse“ enthalten, übertragen. § 1 AGG lautet gegenwärtig: „Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.“

Folgender Text für eine Gesetzesänderung des § 1 AGG wäre denkbar: Ziel des Gesetzes ist, rassistische Benachteiligungen oder Benachteiligungen wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

Die dem AGG zugrundeliegende Anti-Rassismusrichtlinie 2000/43/EG wie auch das AGG selbst zielen mit dem verwendeten Merkmal der „Rasse“ darauf ab, Rassismus zu bekämpfen und damit einhergehende Benachteiligungen zu verhindern oder zu beseitigen. Begrifflich wird daher der Schutz vor „rassistischen Benachteiligungen“ vorgeschlagen, um auf das Gedankengut zu verweisen, das sich dahinter verbirgt.

Das AGG schützt sowohl vor unmittelbaren Benachteiligungen als auch vor mittelbaren Benachteiligungen. Bei letzteren handelt es sich um – nicht intendierte – Benachteiligungen durch scheinbar neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren. Auch Benachteiligungen durch Personen, die sich für nicht rassistisch halten, sich aber de facto so verhalten, sind bereits jetzt durch das AGG erfasst. Formulierungen, die ganz auf die subjektive Sicht des Benachteiligenden abstellen würden, wie etwa „Benachteiligungen aus rassistischen Beweggründen“, würden dem Anwendungsbereich und Schutzzweck des AGG daher zuwiderlaufen. Der hier gewählte Vorschlag, die Formulierung „rassistische Benachteiligungen“ im AGG zu verwenden, zielt daher darauf ab, auch mittelbare Benachteiligungen zu erfassen.

Wie bei dem Begriff „Rasse“ handelt es sich bei „rassistische Benachteiligungen“ um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der durch Auslegung zu bestimmen ist. Mögliche Einwände, der Begriff „rassistische Benachteiligungen“ sei zu unbestimmt, könnten insofern nicht überzeugen.

Auch etwaige Befürchtungen, die hier vorgeschlagene Terminologie „rassistische Benachteiligungen“ könnte weiter ausgelegt werden als der bisherige Gesetzeswortlaut, wäre entgegen zu halten, dass der bisher verwendete Begriff der „Rasse“ – wie auch der Begriff „ethnische Herkunft“ – nach der Gesetzesbegründung zum AGG bereits jetzt EG-rechtlich in einem umfassenden Sinne zu verstehen ist. Im Übrigen könnte in der Gesetzesbegründung erörtert werden, dass die Absicht der Gesetzesänderung allein darin bestehe, den Begriff „Rasse“ zu vermeiden, ohne den Anwendungsbereich des AGG zu erweitern oder zu verengen. Daneben sollte der Anti-Rassismusrichtlinie 2000/43/EG entsprechend das Merkmal der „ethnischen Herkunft“ als Anknüpfungspunkt für verbotene Diskriminierungen im AGG beibehalten werden.

Das Grundgesetz (GG) bildet das Fundament der deutschen Rechtsordnung. In ihm sind die wesentlichen staatlichen System- und Werteentscheidungen festgelegt. Daher sollte auch das Grundgesetz den Begriff „Rasse“ nicht mehr verwenden. Der allgemeine Gleichheitsgrundsatz im Grundgesetz (Art. 3 GG) als eine zentrale Norm in der deutschen Rechtsordnung, sollte dahingehend geändert werden, dass der Begriff „Rasse“ nicht mehr auftaucht, ohne den Schutzbereich der Norm dadurch einzuschränken.

Ideen für zukünftige Formulierungen in internationalen Menschenrechtsverträgen
Auch internationale Dokumente des Menschenrechtsschutzes sollten den Begriff „Rasse“ nicht mehr verwenden. Im Folgenden soll ein Vorschlag für die zukünftige Formulierung internationaler Menschenrechtsverträge gemacht werden, wobei sicherlich auch andere Varianten möglich sind. Der Formulierungsvorschlag bezieht sich auf allgemeine Diskriminierungsverbote in internationalen Menschenrechtsverträgen. Er eignet sich aber in gleicher oder abgewandelter Form ebenso für andere rechtliche Texte, die rassistische Diskriminierung unterbinden wollen – etwa auf EU-Ebene. Der Formulierungsvorschlag bezieht sich aufs Englische, da Englisch wesentliche Vertragssprache und zugleich wesentliche Arbeitssprache im Ausarbeitungsprozess internationaler Konventionen und anderer Dokumente ist.

Allgemeine Diskriminierungsverbote in internationalen Menschenrechtsverträgen sind alle ähnlich aufgebaut. Im Diskriminierungsverbot der relativ modernen Kinderrechtskonvention (Art. 2 Abs. 1) aus dem Jahre 1989 heißt es im Englischen: „States Parties shall respect and ensure the rights set forth in the present Convention to each child within their jurisdiction without discrimination of any kind, irrespective of the child‘s ... race, colour, sex, language, religion, political or other opinion, national, ethnic or social origin, property, disability, birth or other status.”

Angelehnt an dieses Diskriminierungsverbot könnte es zukünftig in Diskriminierungsverboten etwa lauten: „States Parties shall respect and ensure the rights … without discrimination of any kind, without discrimination based on racism and irrespective of the child’s ... colour ...”

Die allgemeinen Diskriminierungsverbote in internationalen Menschenrechtsverträgen schützen vor unmittelbaren (direkten) wie auch vor mittelbaren (indirekten) Diskriminierungen. Der hier gewählte Vorschlag mit der Formulierung „without discrimination based on racism“ zielt darauf ab, beide Formen der Diskriminierung zu erfassen. Bei einer denkbar alternativen Formulierung wie „racist discrimination“ könnte die Gefahr einer zu engen Auslegung bestehen, die nur die direkte Form rassistischer Diskriminierung erfassen würde.

In der internationalen Diskussion wird von Befürwortern des Begriffs „Rasse“ immer wieder darauf hingewiesen, dass der Begriff „Rasse“ („race“) in menschenrechtlichen Verträgen nötig sei, um das Ziel, Rassismus (racism) zu bekämpfen, deutlich zu machen. Deshalb sollte der Begriff Rassismus direkt in die menschenrechtlichen Texte aufgenommen werden. Es erscheint nicht ausreichend, den Begriff „Rasse“ einfach weg zu lassen und allein auf andere Begriffe wie „ethnische Herkunft“ oder „ethnische Zugehörigkeit“ abzustellen. Grundsätzlich ist darauf zu achten, dass die gewählte Formulierung nicht zu eng verstanden wird und nicht nur unmittelbare, sondern ebenso mittelbare Diskriminierungen erfasst.

Zusammenfassung
Der Begriff „Rasse“ ist seit jeher historisch extrem belastet und keineswegs nur Gegenstand von Diskussionen im deutschsprachigen Raum. In etlichen Ländern und Sprachen – insbesondere im kontinentaleuropäischen Raum – gibt es klare Tendenzen, den Begriff „Rasse“ in Bezug auf Menschen zu meiden. Letztendlich sollte der Begriff „Rasse“ in nationalen wie internationalen rechtlichen Texten zur Bekämpfung von Rassismus nicht mehr verwendet werden, da er rassistische Implikationen beinhaltet. Dementsprechend haben bereits andere Staaten grundsätzlich wie auch bei der Umsetzung der Anti-Rassismusrichtlinie 2000/43/EG im nationalen Recht auf das Merkmal der „Rasse“ verzichtet. Auch in der deutschen Rechtsordnung sollte der Begriff „Rasse“ in Zukunft keine Verwendung mehr finden. Zudem sollte das Grundgesetz und das AGG entsprechend geändert werden.

Empfehlungen an die deutsche Politik

Änderung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG)
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) sollte in seinem Wortlaut geändert werden. Der Begriff „Rasse“ ist im AGG viermal enthalten – verteilt auf drei unterschiedliche Paragraphen (§ 1, § 19 Abs. 1, Abs. 2, § 33 AGG). Die hier vorgeschlagene Formulierung für eine Änderung des § 1 AGG ließe sich auch auf die anderen Paragraphen des AGG, die den Begriff „Rasse“ beinhalten, übertragen. Folgender Text für eine Gesetzesänderung des § 1 AGG wäre denkbar: Ziel des Gesetzes ist, rassistische Benachteiligungen oder Benachteiligungen wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

Änderung des Grundgesetzes
Der allgemeine Gleichheitsgrundsatz im Grundgesetz (Art. 3 GG) als eine fundamentale Norm in der deutschen Rechtsordnung sollte ebenfalls dahingehend geändert werden, dass der Begriff „Rasse“ nicht mehr auftaucht, ohne den Schutzbereich der Norm dadurch einzuschränken.

Grundsätzliche Abkehr vom Begriff „Rasse“ in der deutschen Rechtsordnung
Die deutschen Gesetzgeber – auf Bundesebene wie auch auf Länderebene – sollten in Zukunft den Begriff „Rasse“ gänzlich vermeiden. Gleiches gilt für Verordnungen oder Erlasse der Exekutiven.

Engagement Deutschlands gegen eine Fortschreibung des Begriffs „Rasse“ in internationalen Dokumenten
Deutschland sollte sich zukünftig – zusammen mit anderen Staaten – bei der Ausarbeitung internationaler Dokumente dafür einsetzen, dass der Begriff „Rasse“ keine Aufnahme mehr findet. Je nach Erfolgsaussichten erscheinen unterschiedliche Ebenen denkbar, auf denen sich Deutschland dafür stark machen könnte: auf EU-Ebene, bei Zusatzprotokollen zur EMRK wie auch bei Dokumenten auf UN-Ebene. Wie auch immer der Begriff „Rasse“ gegenwärtig in unterschiedlichen Gesellschaften und Sprachen verwendet und verstanden wird, sollte jedenfalls seine Fortschreibung in internationalen Dokumenten zum Menschenrechtsschutz in Zukunft verhindert werden.

Da der Begriff „Rasse“ historisch extrem belastet ist, gehen mit seiner Verwendung unweigerlich rassistische Implikationen einher. Die daraus resultierenden und deutlich zunehmenden Vorbehalte gegen den Begriff „Rasse“ sollten daher bei der Ausarbeitung internationaler Menschenrechtsverträge zukünftig klar geäußert werden. Dies sollte gut koordiniert und mit möglichst vielen Staaten abgestimmt geschehen.

Bei der Ausarbeitung internationaler Dokumente des Menschenrechtsschutzes sollten in Zukunft also konsensfähige Lösungen gesucht werden, nach denen der Begriff „Rasse“ keine Erwähnung mehr findet. Dabei ist gleichzeitig darauf zu achten, dass rechtliche Regelungen zur Sanktionierung rassistischer Diskriminierung in ihrem Schutzbereich keine Einengung erfahren.

Literatur

  • Conze, Werner, Rasse, in: Otto Brunner / Werner Conze / Reinhart Koselleck (Hrsg.), Geschichtliche Grundbegriffe, Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Band 5, Stuttgart 1984, S. 135 ff.
  • Cremer, Hendrik, „ ... und welcher Rasse gehören Sie an?" Zur Problematik des Begriffs "Rasse" in der Gesetzgebung, Policy Paper No. 10, Deutsches Institut für Menschenrechte (Herausgeber) Berlin 2008.
  • Forum gegen Rassismus, Infobrief 1, August 2001.
  • Geiss, Imanuel, Geschichte des Rassismus, Frankfurt am Main 1988.
  • Kant, Physische Geographie“ (1802), in: Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften (Hrsg.), Kant’s gesammelte Schriften, Band IX, S. 316. Online verfügbar hier
  • Kattmann, Ulrich, Warum und mit welcher Wirkung klassifizieren Wissenschaftler Menschen?, in: Heidrun Kaupen-Haas / Christian Saller (Hrsg.), Wissenschaftlicher Rassismus, Frankfurt / Main 1999, S. 65 ff.
  • Moore, John Hartwell (Hrsg.), Encyclopedia of Race & Racism, Volume 1, Detroit 2008, Introduction.
  • Morgenstern, Christine, Rassismus – Konturen einer Ideologie. Einwanderung im politischen Diskurs der Bundesrepublik Deutschland, Hamburg 2002.
  • Schmitz-Berning, Cornelia, Vokabular des Nationalsozialismus, Berlin 1998.
  • Sommer, Antje, Rasse, in: Otto Brunner / Werner Conze / Reinhart Koselleck (Hrsg.), Geschichtliche Grundbegriffe, Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Band 5, Stuttgart 1984, S. 137 ff.
  • Tyson, Adam, The Negotiation of the European Community Directive on Racial Discrimination, in: European Journal of Migration and Law 3, 2001, S. 199 ff.
  • Zerger, Johannes, Was ist Rassismus? Eine Einführung, Göttingen 1997.

 

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Dr. jur. Hendrik Cremer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Institut für Menschenrechte in Berlin. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Migration, Diskriminierungs- schutz und Folterprävention. Er ist zudem Experte für die UN-Kinderrechtskonvention.