Diversity Management in Unternehmen. Durch sozialpartnerschaftliche Strategien zum gemeinsamen Erfolg

von Giovanni Pollice

Eine erfolgreiche Diversity-Gesamtstrategie eines Unternehmens findet ihren Ausdruck in der offenen und respektvollen Haltung gegenüber Unterschieden hinsichtlich Alter, Geschlecht, Nationalität und ethnische Herkunft, Religion und Weltanschauung, Behinderung und sexuelle Identität. Sie strebt eine offene Unternehmenskultur ohne Vorurteile an, nimmt individuelle Fähigkeiten und Talente wahr und versteht Vielfältigkeit und Unterschiede als besondere Potenziale

  • zur Verwirklichung der Chancengleichheit
  • zur Verbesserung der betrieblichen Integration
  • zur umfassenderen Wertschätzung der Beschäftigten
  • zur erhöhten Nutzung vorhandener Ressourcen und Kompetenzen
  • zur Steigerung der allgemeinen Arbeitsplatzattraktivität
  • zur verbesserten Erfüllung von Kundenbedürfnissen
  • zur Vergrößerung von Vorteilen im Wettbewerb.

Organisationsentwicklung, Personalentwicklung, berufliche Fort- und Weiterbildung sind die strategischen Ansatzpunkte, Vielfalt in den Alltag von Betrieben zu bringen, sie zu verankern und zu verbreitern. Sie sind mitwirkungs- und mitbestimmungspflichtig, d.h. Belegschaften können und sollten – vertreten durch ihre BetriebsrätInnen – ihr Arbeitsumfeld mitgestalten, ihre Interessen formulieren und einbringen.

Die Ausgangssituation zeigt:

  • Kontinuierlicher Rückgang von Arbeitsplätzen für An- und Ungelernte...
    ...erfordert Zunahme von ausgebildeten und sich weiterbildenden Erwerbspersonen.
  • Rückläufige Geburtenrate...
    ...führt zu knapper werdenden Ressourcen an qualifizierten Fach- und Nachwuchskräften.
  • Verschärfter Wettbewerb um qualifizierte Nachwuchs- und Führungskräfte...
    ...erfordert attraktivere Arbeitsbedingungen und veränderte Marketingstrategien.
  • Steigender Altersdurchschnitt der Bevölkerung...
    ...führt zu alternden Belegschaften.
  • Zunahme von Frauen am Erwerbsleben...
    ...legt eine familienorientierte Personalpolitik und die Nutzung von Familienkompetenzen in der Personalentwicklung nahe.
  • Veränderte Einstellungen zum Thema „Work-Life-Balance“...
    ...erfordert die Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
  • Stetig steigender Anteil von Erwerbstätigen mit Migrationshintergrund...
    ...bedarf steigender Integrationsbereitschaft sowie interkultureller Offenheit und benötigt gegebenenfalls Anpassungs- bzw. Nachqualifizierungen.
  • Von zunehmender Vielfalt gekennzeichnete Absatzmärkte...
    ...bedürfen einer gelebten Vielfalt in den Betrieben.
  • Fortschreitende Internationalisierung von Richtlinien...
    ...zielt auf eine internationale Positionierung der Unternehmen.
  • Erhöhte rechtliche Anforderungen, z.B. durch das AGG...
    ...nehmen Betriebsräte stärker in die Pflicht, schaffen aber auch zusätzliche Möglichkeiten der Interessenvertretung und Mitgestaltung an der Unternehmenskultur.

In einem strategisch ausgerichteten Diversity-Konzept gilt es zum einen, dieser Situation auf dem deutschen Arbeitsmarkt Rechnung zu tragen, um betriebliche Flexibilität und Arbeitsplätze zu sichern. Zum anderen bedeutet es aber auch, Verantwortung für eine betriebssozialverträgliche Entwicklung zu übernehmen, die wertschätzende, verhaltensfaire, interkulturelle, gleichberechtigte und gleichgestellte Prozesse im Fokus der folgenden Handlungsfelder hat.

Beschäftigtenpolitische Handlungsfelder und Leitlinien der Gewerkschaftsarbeit

Altersstrukturpolitik...
zielt auf die Wertschätzung der Älteren in der Unternehmenskultur, auf die Gestaltung fairer Arbeitsbeziehungen zwischen den Generationen, auf die verstärkte Einbindung von Mittelalten und Älteren in Weiterbildung und Gesundheitsschutz sowie auf die Schaffung altersgerechter Arbeitsgebiete und Aufgaben.

Integration von Schwerbehinderten...
zielt auf die Wertschätzung von Menschen mit Behinderungen in der Unternehmenskultur, auf die Gestaltung fairer Arbeitsbeziehungen zwischen Menschen mit und ohne Behinderungen, auf die verstärkte Einbindung in Weiterbildung und Gesundheitsschutz sowie auf die Schaffung behindertengerechter Arbeitsgebiete und Aufgaben.

Integration von Beschäftigten mit Migrationshintergrund...
zielt auf die Wertschätzung von Menschen mit Migrationshintergrund in der Unternehmenskultur, auf die Gestaltung fairer Arbeitsbeziehungen zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund, auf die verstärkte Einbindung in Qualifizierungs- undWeiterbildungsmaßnahmen sowie auf die Schaffung von interkulturell offenen Strukturen und Verfahren (z.B. Einstellungsverfahren, Mitsprachebeteiligung, informelle Kompetenzentwicklung und -dokumentation).

Gender-Sensibilisierung...
zielt gleichermaßen auf die Wertschätzung von Frauen und Männern in der Unternehmenskultur, auf die Gestaltung fairer Arbeitsbeziehungen zwischen den Geschlechtern und die Gleichbehandlung am Arbeitsplatz, auf die gleichberechtigte Einbindung in Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen sowie darauf, berufliche und persönliche Fähigkeiten zu entfalten, ohne durch geschlechtsspezifische oder sonstige diskriminierende Rollenzuweisungen eingeschränkt zu werden.

Work-Life-Balance (Vereinbarkeit von Familie und Beruf)...
zielt auf die Wertschätzung des Privatlebens der Beschäftigten in der Unternehmenskultur und auf Maßnahmen, die es den Beschäftigten erleichtern, Berufstätigkeit und Privatleben (familiäre Pflichten, an Lebenszyklenphasen orientierte Qualifizierungsangebote und Erholung) miteinander in Einklang zu bringen (z.B. durch Arbeitszeitflexibilisierung, Elternurlaubsregelungen, Betreuungsmöglichkeiten für Kinder und ältere Menschen).

Cultural Mainstreaming...
zielt unabhängig von Nationalität, Hautfarbe, Religion, sexuelle Identität oder gesellschaftliche Gruppe auf die generelle Wertschätzung der Unterschiedlichkeit von Menschen in der Unternehmenskultur, auf die Sensibilisierung und Akzeptanz kultureller Vielfalt und unterschiedlicher Lebensformen gesellschaftlicher Gruppen und Personen als wesentliche Voraussetzung für den gesellschaftlichen bzw. betrieblichen Zusammenhalt sowie auf Maßnahmen, die diesen Lebensweisen Rechnung tragen (z.B. entsprechende Essensangebote in der Kantine, Gebetsraum, kulturelle Einbindung bei Betriebsfesten,  betriebsinterne Gruppen/Treffs).

Im Jahre 2008 haben die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) und der Bundesarbeitgeberverband Chemie (BAVC) eine Sozialpartner-Vereinbarung zum Diversity-Management im Unternehmen vorgestellt. Hintergrund der unterzeichneten Übereinkunft ist einerseits der demografische Wandel mit einer älteren und zugleich schrumpfenden Bevölkerung, andererseits die Absicht, das Potenzial der Vielfalt in den Betrieben besser zu nutzen. In Zukunft werden in Deutschland weniger Erwerbspersonen zur Verfügung stehen. Deshalb gilt es, alle verfügbaren Potenziale zu nutzen, gerade auch diejenigen der Menschen mit Migrationshintergrund. Die IG BCE und der BAVC halten es für wünschenswert, einerseits weitere Betriebsvereinbarungen zum partnerschaftlichen Verhalten am Arbeitsplatz abzuschließen, andererseits die Vielfalt in den Betrieben durch Diversity-Management-Konzepte besser zu nutzen. BAVC und IG BCE beraten und begleiten Unternehmen und Betriebsräte bei der Umsetzung einer von Diversity-Kultur geprägten Unternehmenspolitik.

Chancengleichheit in der chemischen Industrie
Als erste Sozialpartner haben die IG BCE und der BAVC 1989 eine freiwillige Vereinbarung zur Frauenförderung abgeschlossen und damit vieles in den Betrieben bewegt. Auf der Grundlage der getroffenen Grundsatzpositionen gelten für viele Beschäftigten Betriebsvereinbarungen mit frauenfreundlichen Regelungen. Schwerpunkte sind dabei:

  • Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf,
  • Angebote zur Teilzeit,
  • Qualifizierungsmaßnahmen während und nach dem Erziehungsurlaub,
  • Kontakthaltemöglichkeiten zum Betrieb,
  • eine Vielzahl von Vereinbarungen zur flexiblen Gestaltung der  Arbeitszeit und Engagement im Bereich der Kinderbetreuung.

Die IG BCE und der BAVC haben im August 2009 eine gemeinsame Erklärung „Für eine chancengleiche und familienbewusste Personalpolitik - auch in der Krise" herausgegeben. Darin heißt es: „Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie bleibt für die Unternehmen der chemischen Industrie ein Top-Thema - trotz Wirtschaftskrise. Seit dem Abschluss der Sozialpartner-Vereinbarung“. Für eine chancengleiche und familienbewusste Personalpolitik" im Jahre 2006 haben die Unternehmen der chemischen Industrie entsprechend der unterschiedlichen Ausgangssituationen vielfältige Maßnahmen zur Herstellung von mehr Chancengleichheit und zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie in die betriebliche Praxis umgesetzt."

Der Beitrag ist im Materialheft zur Begleitung der Internationalen Wochen gegen Rassismus 2010 erschienen. Wir danken für die Abdruckgenehmigung den Herausgebern des Interkulturellen Rates Deutschland.

 

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Giovanni Pollice ist Leiter der Abteilung Migration/Integration beim Hauptvorstand der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE).