Betriebsvereinbarungen als Positive Maßnahmen zur Gleichstellung von Menschen mit Migrationshintergrund in der Arbeitswelt

Talking in the kitchen of a restaurant

 

von Michaela Dälken

„Positive Maßnahmen zur Gleichstellung von Menschen mit Migrationshintergrund in der Arbeitswelt“. Oder kurz: PMzGvMmMidAw. Verständlicher wird der Titel durch das moderne Abkürzen nicht gerade, dafür klingt er nach Unterhaltung. Vielleicht können wir ja in Kürze beobachten, wie unter dem Motto „Best-Integrated Migrant“ ein/e vorbildlich integrierte/r MigrantIn im Fernsehen gesucht wird. Wobei die Wahrscheinlichkeit auf zahlreiche BewerberInnen zu stoßen, nicht gering sein dürfte. Nicht, weil Preise und Ruhm winken, sondern weil sich tatsächlich viele Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland gut integriert fühlen (1):

„Im internationalen Vergleich ist ‚die Integration‘ in Deutschland keineswegs ‚gescheitert‘. Sie ist vielmehr in vielen empirisch fassbaren Bereichen durchaus zufriedenstellend oder sogar gut gelungen. Zudem stehen beide Seiten der Einwanderungsgesellschaft den Anforderungen von Zuwanderung und Integration pragmatisch gegenüber“ (Einwanderungsgesellschaft 2010, S.17).

Die Arbeitswelt ist danach „zentrale Integrationsschiene und Grundlage für ein selbst bestimmtes Leben“ (Ebd, S. 18). Doch es geht nicht allein um existenzielle Absicherung, die mit vergüteter Arbeit geschaffen wird. Die Arbeitswelt bietet eine Vielzahl an sozialen Kontakten: intern mit KollegInnen, Vorgesetzten und MitarbeiterInnen, aber auch extern: KundInnen, AuftraggeberInnen, oder LieferantInnen. Zudem schafft die Tätigkeit im Idealfall sowohl Zufriedenheit als auch einen Beitrag zur Gesellschaft.

Allerdings ist diese Integrationswirkung der Arbeitswelt kein Alleinläufer, und sie bedeutet im Umkehrschluss nicht, dass uneingeschränkte Chancengleichheit (2) herrscht. Es gibt zahlreiche Beispiele, wie strukturelle und individuelle Diskriminierungen Chancengleichheit verhindern. Die International Labour Organization (ILO) stellte fest, dass junge Bewerber mit Migrationshintergrund sich fünf Mal so oft bewerben müssen bis sie erfolgreich sind, wie Menschen ohne Migrationshintergrund (vgl. ILO 2010). Zu einem ähnlichen Schluss kam eine vor kurzem veröffentlichte Studie, nach der Menschen mit ausländisch klingendem Namen bei Bewerbungen benachteiligt werden (Kaas/Manger 2010).

In vielen Betrieben werden Positive Maßnahmen (3) entwickelt, um diesen Ungleichbehandlungen entgegen zu wirken. Einige Unternehmen erarbeiten Diversity-Konzepte (4) , in anderen werden Einzelmaßnahmen wie interkulturelle Trainings oder Informationsveranstaltungen durchgeführt. Eine weitere Möglichkeit ist die Entwicklung einer Betriebsvereinbarung für Chancengleichheit, die im Folgenden näher beschrieben werden soll.

Betriebsvereinbarung als Positive Maßnahme

Betriebsvereinbarungen sind verbindliche Verträge zwischen ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnenvertretung, in denen feste Rechte und Pflichten festgelegt werden. Diese richten sich an ArbeitgeberIn sowie die gesamte Belegschaft. Sie sind also keineswegs eine reine Willensbekundung sondern legen für ArbeitgeberIn und Arbeitnehmende verbindliche Regeln und Wege fest. Das Unternehmen ist verpflichtet, bei Verstößen gegen die vereinbarten Grundsätze vorzugehen, gleichzeitig ist die Belegschaft an die Vorgaben gebunden. Eine Betriebsvereinbarung dient der Konkretisierung von bestehenden Tarifverträgen und gesetzlichen Regelungen. Sie kann aber auch, wenn dort Aspekte nicht geregelt sind, schöpferisch genutzt werden. Betroffene können sich auf die Vereinbarung berufen und Unterstützung einfordern. Damit gehen Betriebsvereinbarungen sehr viel weiter als beispielsweise die Charta der Vielfalt  oder die Formulierung von Diversity-Grundsätzen für ein Unternehmen. Sie könnten aber auch konkretisierendes Ergebnis von diesen sein.

Betriebs- und Dienstvereinbarungen zur Chancengleichheit stehen in der Tradition eines auf Gleichberechtigung beruhenden Ansatzes. Bereits 1955 bei der ersten Anwerbung von Arbeitnehmenden aus dem Ausland verständigten sich ArbeitgeberInnen- und ArbeitnehmerInnenvertretungen darauf, die arbeits- und sozialrechtliche Gleichstellung deutscher und ausländischer Beschäftigter festzulegen. 1972 wurde das aktive und passive Wahlrecht für Beschäftigte mit ausländischer Staatsangehörigkeit im Betriebsverfassungs- und 1974 des Personalvertretungsgesetzes festgeschrieben.

Im aktuellen Betriebsverfassungsgesetz sind die Aufgaben des Betriebsrates in diesem Zusammenhang sehr deutlich formuliert:

„§ 75 Grundsätze für die Behandlung der Betriebsangehörigen:

(1) Arbeitgeber und Betriebsrat haben darüber zu wachen, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden, insbesondere, dass jede unterschiedliche Behandlung von Personen wegen ihrer Abstammung, Religion, Nationalität, Herkunft, politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Identität unterbleibt. Sie haben darauf zu achten, dass Arbeitnehmer nicht wegen Überschreitung bestimmter Altersstufen benachteiligt werden.“ (….)

„§ 80: „Der Betriebsrat hat folgende allgemeine Aufgaben:

(…) die Integration ausländischer Arbeitnehmer im Betrieb und das Verständnis zwischen ihnen und den deutschen Arbeitnehmern zu fördern sowie Maßnahmen zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit im Betrieb zu beantragen.“

Im eigenen Einflussbereich vorgehen

Als Ausgangspunkt für viele Betriebs- und Dienstvereinbarungen dient die sogenannte Florenzer Erklärung zwischen europäischen ArbeitgeberInnen- und ArbeitnehmerInnenverbänden. Der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB), der Europäische Industrie- und ArbeitgeberInnenverband (UNIC) und das Europäische Zentrum von Unternehmen mit öffentlicher Beteiligung (CEEP) legten in der „Gemeinsamen Erklärung über die Verhütung von Rassendiskriminierung und Fremdenfeindlichkeit sowie Förderung von Gleichbehandlung am Arbeitsplatz“ fest:

„Die Sozialpartner erkennen sowohl die Komplexität des Phänomens als auch die Tragweite seiner Auswirkungen an. Mit der Annahme dieser Erklärung unterstreichen sie offen, klar und öffentlich, dass sie sich verpflichten, eine aktive Rolle bei den vereinten Bemühungen um Verhütung der Rassendiskriminierung (5) zu übernehmen und in ihrem eigenen Einflussbereich, nämlich dem Arbeitsplatz, gemeinsam dagegen vorzugehen." (Ebd.)

Diese Erklärung bildet bis heute eine Grundlage der sozialpartnerschaftlichen Migrationspolitik.

Seit Anfang der 1990er Jahre wurden Betriebsvereinbarungen für partnerschaftliches Verhalten und gegen Diskriminierung geschaffen. Hintergrund waren unter Anderem rechtsextreme Angriffe gegen die Wohnbevölkerung in Deutschland. Mölln, Solingen und Rostock sind Schlagworte dieser Auseinandersetzungen. Daneben existierten innerbetriebliche Überlegungen: Ein Kleinbetrieb in Frankfurt/Oder beispielsweise hatte bei der Entwicklung seiner Vereinbarung die Verhinderung von Belästigung an der polnischen KundInnenschaft im Blick, für einen Stahlbetrieb in Eisenhüttenstadt war die Wirkung rechtsextremer Handlungen von Beschäftigten außerhalb des Betriebes auf das Betriebsklima ausschlaggebend, ein Großklinikum sah seine multikulturelle KundInnenschaft im Mittelpunkt.

So weit gestreut wie die Gründe sind auch die Inhalte, die in den Vereinbarungen beschrieben werden. Während einige Vereinbarungen von einem Antidiskriminierungsansatz ausgehen, formulieren andere die Förderung des ‚partnerschaftlichen Verhaltens‘ als Ziel. So heißt es in der Vereinbarung der Fraport AG: „Vor dem Hintergrund der Zunahme fremdenfeindlicher und rechtsextremistischer Gewalt in der Bundesrepublik und der Notwendigkeit, diese zu bekämpfen, sind alle gesellschaftlichen Gruppen gefordert, Beiträge zu leisten für ein demokratisches, an den Grundsätzen von Humanität und Menschenwürde orientiertes Miteinander, um so einem Klima von Hass und Gewalt bereits im Ansatz zu begegnen. Zwischen den vertragschließenden Parteien besteht daher Einvernehmen, auch innerbetrieblich Initiativen zu ergreifen, um diesen Zielen näher zu kommen, Diskriminierungen jeglicher Art zu verhindern und ein partnerschaftliches Klima am Arbeitsplatz zu fördern bzw. aufrecht zu erhalten.“ (Regelungsabrede der Fraport AG)

Voraussetzung für wirtschaftlichen Erfolg

In einigen Betriebsvereinbarungen wird aufgeführt, dass partnerschaftliches Verhalten zum Unternehmensziel beiträgt: „Eine Unternehmenskultur, die sich durch ein partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz auszeichnet, bildet die Basis für ein positives innerbetriebliches Arbeitsklima und ist damit eine wichtige Voraussetzung für den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens.“ (Betriebsvereinbarung der Volkswagen AG )

In ihren Inhalten entwickeln viele Vereinbarungen ein Beschwerdemanagement bei konkreten Diskriminierungserfahrungen. So werden Zuständigkeiten und AnsprechpartnerInnen benannt und einzuhaltende Wege festgelegt: „Die verantwortlichen Stellen haben die Aufgabe, die Betroffenen unverzüglich, spätestens innerhalb einer Woche nach Kenntnis des Vorfalls, in einem vertraulichen Gespräch zu beraten und zu klären, ob sich der Verdacht (…) bestätigt. Hierzu ist in getrennten oder gemeinsamen Gesprächen mit den aktiv und passiv Beteiligten der Sachverhalt so weitgehend wie möglich aufzuklären.“ (Vereinbarung des Universitätsklinikum Ulm)

Dazu haben einige Betriebe Beschwerdestellen eingerichtet. Die Arbeit in einer dieser Beschwerdestellen beschreibt ein Betriebsrat wie folgt: „Wir sitzen nicht als Gremium zusammen, sondern die Mitglieder der Beratungsstelle stehen zunächst als Einzelpersonen und individuelle Ansprechpartner beratend zur Seite. Kommt die gewählte Vertrauensperson zu keinem erfolgreichen Ergebnis, werden im Gremium ‚Beratungsstelle‘ gemeinsam nächste Schritte erwogen: Soll die Geschäftsleitung offiziell informiert werden, um disziplinarische Maßnahmen einzuleiten? Aber dazu ist es bis jetzt noch nicht gekommen. Bisher konnte jedes einzelne Mitglied immer eine Regelung finden.“ (Vertreter des Betriebsrates und gleichzeitig Mitglied der betrieblichen Beratungsstelle bei der Ford AG, zitiert nach: Kecskes/Dälken/Monz, Integration und partnerschaftliches Verhalten, Fallstudien, S. 29).

Direkte Benachteiligungen oder rassistische Angriffe sind eher offensichtliche Formen der Diskriminierung. Sehr viel schwerer zu erkennen und zu bekämpfen sind dagegen indirekte und auch strukturelle Diskriminierungen. Ihnen wird in Betriebs- und Dienstvereinbarungen durch Positive Maßnahmen Rechnung getragen. Grundlage aller Positiven Maßnahmen für Chancengleichheit sollte eine Datenerhebung sein, mit denen Ungleichbehandlungen offen gelegt werden können. Dazu gehören beispielsweise Übersichten, wie viele Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen Migrationshintergrund haben und in welchen Positionen sie tätig sind. Auch Daten zur Weiterbildungsbeteiligung sind hilfreich. Nur so kann festgestellt werden, ob KollegInnen die gleichen Chancen haben, und anschließend festgestellt werden, welche Gegenmaßnahmen ergriffen werden sollten. In vielen Betriebsvereinbarungen wird daher ein Monitoring vereinbart, bei dem die Ausgangssituation und laufende Kontrolle eingeschlossen ist. Oftmals wird zudem vereinbart, diese Analyse der Belegschaft bekannt zu machen: „Die Analyse von Ist-Situation, Verbesserungsvorschlägen und Ergebnissen von Maßnahmen zur Chancengleichheit werden der Belegschaft bekannt gegeben (z.B. in Betriebsversammlungen und Veröffentlichungen des Unternehmens)“ (Akin, Dälken, Monz, Integration von Beschäftigen ausländischer Herkunft, S. 46).

Organisations- und Personalentwicklung nutzen

Ansatzpunkte für positive Aktivitäten bieten Organisations- und Personalentwicklung inklusive Fort- und Weiterbildungsstrategien. Zur Organisationsentwicklung (6) gehören beispielsweise Überlegungen, welche Auswirkungen die Einführung von neuen Produktionssystemen auf die Belegschaft und insbesondere auf Menschen mit Migrationshintergrund haben könnten. (7) Beispielhaft kann dies etwa bei Aktivitäten des Betriebsrates in einer großen Werft in Kiel gesehen werden. Dort wurde ein neues Qualitätsmanagementsystem eingeführt, in dessen Folge von Schweißern im Unterseebereich schriftliche Prüfungen ihrer Kenntnisse verlangt wurden, da hier besonders hohe Anforderungen an die Produkte gestellt werden. Schweißnähte müssen beispielsweise mit einer besonderen Technik angelegt werden, damit sie den unter Wasser herrschenden Druckverhältnissen standhalten, dies erfordert besondere Geschicklichkeit und Kenntnisse. Deswegen zählt der Unterseebereich zu den bevorzugten Arbeitsbereichen, denn die Bezahlung spiegelt die an die Beschäftigten gestellten Anforderungen wieder. Viele der in diesem Bereich beschäftigten waren aus der Türkei eingewandert und erlernten im Betrieb die notwendigen Kenntnisse. Die nun geforderte schriftliche Prüfung stellte sie jedoch vor ein fast unüberwindbares Hindernis, da sie nicht über die entsprechende Fachsprache verfügten. Der Betriebsrat konnte hier berufsbezogene Deutschkurse anstoßen, die es den Beschäftigten ermöglichten, die geänderten Anforderungen zu erfüllen (IG Migration, 14, November 2009, S. 9-11)

Im Rahmen der Personalentwicklung können Ausschreibungen und Einstellungskriterien in den Blick genommen werden. „Wer sich in der beruflichen Welt bestätigt fühlt, will auch seine Umwelt mitgestalten. Arbeitswelt ist der zentrale Punkt für Integration, und Arbeitswelt fängt mit einer erfolgreichen Ausbildung an“, so Francescantonio Garippo, Betriebsrat bei der Volkswagen AG (IG Migration, 13, Juli 2010). In der Regel fällt Jugendlichen mit Migrationshintergrund der Berufseinstieg jedoch besonders schwer. Im Berufsbildungsbericht 2010 heißt es dazu: „Im Jahr 2008 lag die Ausbildungsbeteiligungsquote junger Ausländer mit 32,2 Prozent deutlich unter der der deutschen jungen Menschen mit 68,2 Prozent. Dies ist jedoch nicht auf mangelndes Interesse der Jugendlichen zurückzuführen. Nach den Ergebnissen der BIBB-Übergangsstudie haben Jugendliche mit Migrationshintergrund nach der allgemeinbildenden Schulzeit ein ebenso hohes Interesse an einer Berufsausbildung wie deutsche Jugendliche. Liegt keine Studienberechtigung vor, sind ihre Chancen, einen Ausbildungsplatz zu erhalten, jedoch wesentlich geringer. Insgesamt gestalten sich die Übergangsprozesse in Ausbildung für Jugendliche mit Migrationshintergrund schwieriger und langwieriger. Überdurchschnittlich häufig bleiben Jugendliche ausländischer Herkunft ohne Berufsabschluss.“ (Berufsbildungsbericht 2010, S. 39 )

Feste Quoten würden dagegen zu kurz greifen, zu unterschiedlich ist die Gruppe der Menschen mit Migrationshintergrund in ihrer Zusammensetzung, ob nun in Hinblick auf Diskriminierungserfahrung, Ausbildung oder rechtlicher Status, um nur einiges aufzuführen.(8) Sinn machen hier eher positive Aufforderungen wie sie beispielsweise bei der Polizei in Nordrhein-Westfalen genutzt werden. Hier werden in den Ausschreibungen insbesondere Menschen mit Migrationshintergrund zur Bewerbung aufgefordert. Hilfreich sind auch Sensibilisierungstrainings für Personalverantwortliche und anonymisierte Bewerbungen.

Schlüsselposition Weiterbildung

Weiterbildung nimmt eine immer stärkere Schlüsselposition zur langfristigen Beschäftigungssicherung ein. Durch den Strukturwandel sinkt der Bedarf an an- und ungelernten Kräften in Zukunft weiter, qualifizierte Kräfte werden nachgefragt. Dies wird sich insbesondere auf die Beschäftigungsmöglichkeiten von Menschen mit Migrationshintergrund auswirken, da sie insgesamt gesehen über eine schwächere Qualifikationsstruktur verfügen. (9) Auf der anderen Seite werden sich Betriebe in Kürze aufgrund des demographischen Wandels einem starken Facharbeitermangel gegenübersehen. Dennoch sinkt die Zahl der betrieblichen Weiterbildungen, (10) Weiterbildung wird als individuelle Aufgabe des MitarbeiterIn gesehen, es fehlen oftmals systematische und vorausschauende Qualifizierungsstrategien in den Betrieben.

Dieser Punkt kann in eine Betriebsvereinbarung für Chancengleichheit eingebunden werden. Allerdings scheint es sinnvoller, hier bestehende Betriebsvereinbarungen zur Weiterbildung zu überprüfen und ein Instrumentarium zu schaffen, das die Belange zur Integration von Beschäftigten mit Migrationshintergrund einbezieht und berücksichtigt. Zudem gibt es in einigen Bereichen Tarifverträge zur Qualifizierung, auf die zurück gegriffen werden kann.

Es sollte nicht vergessen werden, dass Integration eine Querschnittsaufgabe ist und eine Betriebsvereinbarung für Chancengleichheit ein möglicher Ansatzpunkt ist, Positive Maßnahmen für Gleichbehandlung im Betrieb durchzusetzen. BetriebsrätInnen stehen zudem aufgrund der Mitbestimmungspflicht zahlreiche weitere Möglichkeiten zur Verfügung, um Chancengleichheit durchzusetzen. Dazu gehört das Anhörungs- und Erörterungsrecht des Arbeitnehmers sowie die Unterrichtungs- und Erörterungspflicht des Arbeitgebers in bestimmten Fällen.

Letztendlich ist auch eine Betriebsvereinbarung nur ein beschriebenes Stück Papier. Wo sie nicht gelebt wird, ändert sich nichts. Doch Beispiele aus den Betrieben zeigen, dass Ansätze da sind. Noch gibt es keine Chancengleichheit in der Arbeitswelt, doch ArbeitnehmerInnenvertretungen und Gewerkschaften arbeiten daran, diese Aufgabe umzusetzen.

 

Endnoten

1 Integration ist Aufgabe sowohl der aufnehmenden Gesellschaft als auch der zuwandernden Personen. Wenn also hier etwas polemisch vom „best integrated migrant“ gesprochen wird, soll dies auch als Kritik an eine Auffassung von Integration verstanden werden, die lediglich Defizite und Aufgaben bei Menschen mit Migrationshintergrund sieht und die Rolle der Mehrheitsgesellschaft außer Acht lässt.

2 Chancengleichheit soll hier einen Idealzustand darstellen, in dem Menschen mit Migrationshintergrund die gleichen Möglichkeiten und Chancen offen stehen wie Menschen ohne diesen Hintergrund. Es gibt dann keine Ungleichheiten (etwa durch rechtliche Einschränkungen oder persönliche Ungleichbehandlungen). Um Chancengleichheit zu erreichen müssen Benachteiligungen durch Positive Maßnahmen ausgeglichen werden.

3 Unter Positiven Maßnahmen werden hier Aktivitäten verstanden, die Diskriminierung verhindern oder reduzieren und langfristig Chancengleichheit herbeiführen sollen.

4 Das aus den USA stammende Diversity-Management-Konzept wurde hier in Deutschland zunächst in erster Linie als ein Arbeitgeber-Konzept aufgenommen und entwickelt sich langsam in Richtung eines sozialpartnerschaftlich angelegten Managing-Diversity-Ansatzes, was zu begrüßen ist. Denn nur wenn Belegschaft und ArbeitgeberInnen gemeinsam Diversity ernst nehmen und gemeinsam Schritte erarbeiten, ist eine Änderung der Situation zu erwarten.

5 Verstanden wird „Rassendiskriminierung“ in der Erklärung als „jede Andersbehandlung, Ausgrenzung, Benachteiligung oder Bevorzugung wegen der tatsächlichen oder vermeintlichen Rasse, Religion, ethnischen oder nationalen Zugehörigkeit oder Hautfarbe eines Menschen mit der Folge, dass die Gleichbehandlung bei der Einstellung oder bei der Arbeit zunichte gemacht oder beeinträchtigt wird. Dazu gehört die unmittelbare Diskriminierung, d. h. die Benachteiligung eines Menschen wegen seiner tatsächlichen oder vermeintlichen Rasse, Religion, ethnischen oder nationalen Herkunft oder Hautfarbe. Dazu gehört aber auch die mittelbare Diskriminierung, das sind unberechtigte Praktiken, die zwar für alle gelten, sich aber auf diese Personen besonders negativ auswirken.“ Vgl. Gemeinsame Erklärung über die Verhütung von Rassendiskriminierung und Fremdenfeindlichkeit sowie Förderung der Gleichbehandlung am Arbeitsplatz, verabschiedet vom Gipfel des Sozialen Dialogs (UNICE, EGB; CEEP), am 21. Oktober 1995 in Florenz. Zitiert nach: Module für Chancengleichheit und gegen Diskriminierung (Schriftenreihe Migration und Arbeitswelt, Nr. 60), hg.v. DGB Bildungswerk, Düsseldorf 2008. Zu kritisieren ist in diesem Zusammenhang, dass von „tatsächlicher oder vermeintlichen Rasse“ gesprochen wird. Hier sollte klargestellt werden, dass es um Diskriminierungen aufgrund zugeschriebener „Rasse“ geht und nicht der Begriff der ‚Rasse‘ festgeschrieben werden. Vgl. zur Verwendung des Begriffs ‚Rasse‘ und Alternativen dazu: Hendrik Cremer, Ein Grundgesetz ohne "Rasse". Vorschlag für eine Änderung von Artikel 3 Grundgesetz (Policy Paper No. 16, hg.v. Institut für Menschenrechte) Berlin 2010.

6 Dazu beispielsweise: Berücksichtigung kultureller Vielfalt in der Organisationsentwicklung - Zukunft durch Cultural Mainstreaming gestalten, hg.v. IQ Consult, Düsseldorf 2009.

7 Dazu beispielsweise IG Migration, Ausgabe Juli 2010, hg.v. IG Metall Vorstand Ressort Migration

8 Seit der Anwerbung hat sich die Zuwanderung stark verändert. In den 1970er Jahren kam die Mehrzahl der ZuwandererInnen aus fünf Herkunftsländern, heute verteilen sich 75 Prozent der ZuwandererInnen auf 80 Herkunftsgruppen. Dazu kommen unterschiedliche Generationen von ZuwandererInnen, Auswanderungsgründe rechtliche Unterschiede, die bei AsylbewerberInnen beispielsweise den Zugang zum Arbeitsmarkt einschränken, sowie unterschiedliche Migrationsbiographien und -pfade usw.

9 Jugendliche mit Migrationshintergrund verlassen die Schule häufiger ohne Abschluss als Jugendliche ohne Migrationshintergrund. Dazu kommt: „Trotz leichter Verbesserungen beim Zugang zur Berufsausbildung ist die Situation für Jugendliche mit maximal Hauptschulabschluss weiterhin prekär, für ausländische Jugendliche mehr noch als für deutsche. Von den deutschen Ausbildungsinteressenten ohne Hauptschulabschluss münden 2008 drei Viertel ins Übergangssystem ein, von denen mit Hauptschulabschluss die Hälfte (48 Prozent, bei den ausländischen Jugendlichen sind es 88 Prozent und 67 Prozent)“, Bildung in Deutschland 2010 (Bildungsbericht), Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu Perspektiven des Bildungswesens im demografischen Wandel, Bildungswerk 2010, S. 9.

10 In der Wirtschaftskrise ist der Anteil der weiterbildenden Betriebe gesunken, so das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Mit 45 Prozent liegt der Anteil der Betriebe, die ihren Beschäftigten regelmäßig Weiterbildungen anbieten, im Jahr 2009 vier Prozentpunkte unter dem Vorjahreswert. Im Zeitraum von 1999 bis 2008 war der Wert von 39 Prozent auf 49 Prozent angestiegen. IAB-FORUM, 1/2010, Schwerpunktthema „Berufliche Weiterbildung“.

Literatur und Links

 

Bild entfernt.

 

Michaela Dälken ist Leiterin des Kompetenzzentrums Europa im Geschäftsbereich Migration & Qualifizierung beim DGB Bildungswerk BUND.