Anfang des Jahres 2010 begann eine große Migrationswelle von Griechenland aus nach Nordeuropa und Australien. Eines der beliebtesten Zielländer ist dabei Deutschland. Diese neue Auswanderungswelle hat ihre eigenen Ursachen und Besonderheiten. Ein Faktor des neuen Migrationsphänomens ist die Schuldenkrise Griechenlands, unter der das griechische Volk leidet, und mit der zugleich eine systemische wirtschaftliche, politische und soziale Krise einher geht. Das Migrationsphänomen aus Griechenland nach Deutschland könnte für andere südeuropäische Länder, wie z.B. Spanien oder Portugal exemplarisch sein, woher schließlich viele Gastarbeiter_innen in den 1960er Jahre nach Deutschland kamen.
Dennoch kennzeichnet die neue griechische Zuwanderung nach Deutschland grundlegend andere Merkmale, als die Einwanderungswelle in der Periode der 1960er bis 1970er Jahre. Die "neuen“ Einwander_innen sind oft jung, hochqualifiziert und mehrsprachig. Ihre Flucht aus Griechenland aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit unter jungen Menschen, die inzwischen bei über 45 Prozent liegt, während die Arbeitslosenquote in Griechenland insgesamt offiziell mehr als 20 Prozent beträgt, ist für Griechenland ein großer Verlust und gleichzeitig ein großer Gewinn für Deutschland. Deutschland als Zielland der neuen griechischen Migration profitiert vom neugewonnenen dynamischen Humankapital, das schnell und ohne große Investitionskosten in die nationale Industrie und Wirtschaft einbezogen werden kann.
Die neuen Einwander_innen begegnen vielen Hürden, wie zum Beispiel Problemen bei der Wohnungssuche, mit dem Arbeitplatz und haben oft Schwierigkeiten sich in der deutschen Gesellschaft zu Recht zu finden. Besonders die Einbeziehung der Kinder in der Schule ist ein Problem, gerade jetzt, wo viele der griechischen Schulen in Deutschland schließen müssen. Neben der hohen Anzahl von jungen Griech_innen kommen in die großen Städte Deutschlands besonders Familien mit kleinen Kindern und ältere Menschen, um dort eine Beschäftigung zu suchen.
Die neue griechische Migration mit ihrer Vielfalt und Dynamik bereichert das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Leben in vielen Städten Deutschlands. Diese Erneuerung spiegelt sich in verschiedenen kulturellen Programmen, Projekten, Vereinen und Initiativen wider, die den Charakter und Charme großer Städte wie Berlin prägen.
Das Phänomen der neuen griechischen Migration nach Deutschland, seine Ursachen, Folgen und mögliche Entwicklungsszenarien für die Zukunft ist, wie alle Migrationsbewegungen, kein abgeschlossener Prozess und entwickelt sich ständig weiter.
Wir haben die „neue griechische Welle“ zum Anlass genommen, einen Blick auf die Situation der neuangekommenen Griech_innen zu werfen. Die verschiedenen Aspekte des Lebens in Deutschland und die Verbindungen zu Griechenland zu beleuchten und nicht nur auf Probleme und Diskriminierungen aufmerksam zu machen, aber auch die neuen Möglichkeiten und Organisationsformen der griechischen Diaspora in Deutschland darzustellen.
Im Rahmen dieses Versuchs konzentrieren wir uns auf einige wichtige Fragen und Themen, die in den verschiedenen Beiträgen dieses Dossier verarbeitet werden. Die Beiträge sind in Griechisch, Deutsch und Englisch verfasst, so dass der dynamische und vielfältige Charakter der neuen griechischen Migration nach Deutschland auch sprachlich repräsentiert wird.
Olga Drossou und Julia Brilling Elektra Paschali
Heinrich Böll Stiftung Dossier Redaktion