von Asli-Juliya Weheliye
Fairness- und Discrimination- Ansatz
“The discrimination and fairness paradigm is based on the recognition that discrimination is wrong. Under it progress is measured by how well the company achieves its recruitment and retention goals. The paradigm idealizes assimilation and color- and gender- blind conformism”.[1]
Dieser Ansatz propagiert Fairness und Gleichberechtigung durch die Einhaltung gesetzlicher Rahmenbedingungen. Dabei wird die Gleichstellung aller Mitglieder einer Organisation in den Vordergrund gestellt. Es entsteht eine Neigung, Unterschiede zu negieren und anzunehmen, alle Menschen seien gleich.
Der Fairness- und Discrimination- Ansatz erfüllt bestimmte gesetzliche Anforderungen, bleibt jedoch von einem nachhaltigen und umfassenden Diversity-Ansatz in der Organisation weit entfernt. Den existierenden Diskriminierungspraktiken soll mittels Gleichbehandlung aller MitarbeiterInnen entgegen gewirkt werden. Dabei werden jedoch tief sitzende diskriminierende Denk- und Verhaltensmuster nicht thematisiert. Da es keine Unterschiede zwischen den Menschen gibt, wird auch niemand benachteiligt. Aus dieser Argumentation heraus sollen alle dennoch bestehenden Unterschiede zwischen MitarbeiterInnen durch entsprechende Maßnahmen, wie Affirmative Action oder Equal Opportunity, relativiert werden.
Die Anzahl marginalisierter Gruppen in der Organisation nimmt zwar zu, was aber nicht bedeutet, dass diese einen bedeutenden Beitrag zur Organisationskultur leisten können. “The staff, one might say, gets more diversified, but the work does not”.[2]
Bedenklich ist, wenn Organisationen wertvolles Potenzial verschenken, weil durch die Relativierung der individuellen Unterschiede zwischen den MitarbeiterInnen wichtige Ressourcen ignoriert werden.[3] “It also keeps people from identifying strongly and personally with their work- a critical source of motivation and self-regulation in any business environment”.[4]Damit wird deutlich, dass Vielfalt als rein quantitatives Kriterium - wie im Fairness- und Discrimination- Ansatz angewandt - nicht ausreicht, sondern ein qualitativer und nachhaltiger Wandel nötig ist.
Im Gegensatz zum Fairness-Discrimination-Ansatz erkennt und wertschätzt diese Position Unterschiede zwischen den MitarbeiterInnen.[5] VerterterInnen dieses Ansatzes haben festgestellt, dass in der Vielfalt und Unterschiedlichkeit der MitarbeiterInnen wichtiges Potenzial verborgen ist. Diese Unterschiede gilt es (für sich) zu nutzen. Dabei geht es aber nicht darum, die MitarbeiterInnen wegen ihrer vielfältigen Persönlichkeit wertzuschätzen, sondern einzig und allein um den wirtschaftlichen Nutzen, der aus einer diversen Belegschaft gezogen werden kann. “Diversity isn’t just fair, it makes business sense”.[6] Dies ist die klassische ökonomische Sichtweise auf Vielfalt in einer Organisation. Man spricht in diesem Zusammenhang auch vom „Market Based View“, da „(…) die spezifische marktabhängige Demografie (…)“[7] reproduziert werden soll. Die MitarbeiterInnen sollen ein Abbild der demografischen Lage sein, in welcher die Organisation agiert. Das heißt, dass z.B. in Gegenden mit einem hohen Anteil an ethnischen Gruppen jeweils VertreterInnen dieser Gruppen mit den Kunden in Kontakt treten. Man verspricht sich so eine Erweiterung der Kernkompetenzen und eine Sicherung und Ausweitung von Marktanteilen.[8]
Jedoch birgt dieser Ansatz auch Gefahren, denn durch die Kategorisierung von MitarbeiterInnen aufgrund bestimmter Merkmale, die von der Organisation als vorteilhaft empfunden werden, kann es passieren, dass die MitarbeiterInnen stereotypisiert und kategorisiert werden. “(…) access legitimacy leaders are quick to push staff with niche capabilities into differentiated pigeonholes without trying to understand what those capabilities really are and how they could be integrated into the company’s mainstream”.[9] Das wiederum kann dazu führen, dass diese Personen sich benutzt fühlen können, d.h. dass sie Probleme mit der Hervorhebung einzelner ihrer Merkmale haben könnten. Man wird aufgrund von „Marktqualitäten“ eingestellt und nicht primär aufgrund der eigentlichen Qualifikationen.
Die beschriebene Kausalität zwischen Managing Diversity und der Produktivitäts- und Profitsteigerung ist insbesondere in der Wirtschaft ein wichtiges Argument.[10] In erster Linie betreiben Organisationen Managing Diversity, die auf das zielgruppengerechte Vermarkten von Vielfalt angewiesen sind, um sich Wettbewerbsvorteile zu sichern und Marktanteile zu vergrößern.
Learning- Effectiveness- Ansatz
Dieser Ansatz vereint die positiven Aspekte vom Fairness-Discrimination-Ansatz und Access-Legitimacy-Ansatz und versucht gleichzeitig, eine Kultur der Toleranz, Aufgeschlossenheit und Vielfalt nachhaltig in der Organisationskultur zu verankern.
“Like the fairness paradigm, it promotes equal opportunity for all individuals. And like the access paradigm, it acknowledges cultural differences among people and recognizes the value in those differences. Yet this new model for managing diversity lets the organization internalize differences among employees so that it learns and grows because of them. Indeed, with the model fully in place, members of the organization can say. We are all on the same team, with – not despite them”.[11]
Es geht darum, miteinander und voneinander zu lernen.[12] Unterschiede sollen wahrgenommen und wertgeschätzt werden, jedoch nicht auf Kosten der MitarbeiterInnen. Ferner sollen die Unterschiede dabei helfen, die Organisation von innen zu verändern, um so etwaige Wettbewerbsvorteile zu erlangen. Es wird erkannt, dass Vielfalt nicht nur die Organisation nach außen, sondern auch nach innen stärken kann. Der bewusste Umgang mit Vielfalt stellt eine große Herausforderung dar. Das Personal und die Führung der Organisation müssen voll und ganz dahinter stehen, damit positive Veränderungen eintreten können. Die Hürden, die MitarbeiterInnen davon abhalten sich vollständig zu entfalten, müssen durch die Verringerung von Hierarchien und die Internalisierung von Diversity in die Organisationskultur, sukzessiv abgebaut werden.[13]
Da dieser Ansatz übersetzt „Effektives Lernen“ heißt, sollte noch kurz auf den Terminus Effektivität eingegangen werden. Es geht darum, zu lernen, effektiv zu sein und die Fehler zu erkennen, die die Effektivität einer Organisation behindern können. Dazu gehören Sexismus, Homophobie, Rassismus und auch sexuelle Belästigungen. Die Theorie des Ansatzes geht davon aus, dass bestimmte Formen der Diskriminierung die Effektivität, die Effizienz und das Arbeitsklima negativ beeinträchtigen.[14]
Der Vorwurf der Entfremdung vom ursprünglichen sozialpolitischen Anspruch von Diversity hin zu einem Führungskräfte-Tool ist durchaus berechtigt. Diversity ist ein Managementinstrument, um die Produktivität, den Gewinn und die Marktanteile zu steigern.[15] Zu bemängeln ist dabei, dass MitarbeiterInnen außerhalb des oberen Managements in der Praxis nur selten mit einbezogen werden. Damit ist dieser Ansatz in erster Linie ein top-down approach und läuft Gefahr, auf wenige Bereiche in der Organisation verengt zu werden.
Systemtheoretischer Gender- und Managing Diversity-Ansatz
„Betrachtet man Organisationen als soziale Systeme, die für ihr Funktionieren auch auf Ressourcenzufuhr aus den Umweltsystemen angewiesen sind, dann sind in der gegenwärtigen Phase des Kapitalismus die Unternehmen dazu gezwungen, die Ressourcen aus diesen Umweltsystemen - kulturelle, gesellschaftliche, psychische und organische Systeme - weitaus effizienter und effektiver als bisher zu nutzen“.[16]
Der systhemtheoretische Diversity-Ansatz, der von deutschen WissenschaftlerInnen konzipiert wurde, setzt genau dort an, wo die anderen vorgestellten Ansätze an die Grenze ihrer Erklärungskraft gelangen. Er stammt aus der Soziologie und versucht, durch eine systemtheoretische Perspektive die mangelnden Internalisierungsstrategien der anderen bereits vorgestellten Ansätze zu kompensieren. In erster Linie dient der Ansatz als theoretisches Konstrukt, anhand dessen der Umgang mit Vielfalt in gesellschaftlichen Subsystemen analysiert werden kann. Aufbauend auf diesem soziologischen Ansatz könnten deutlich komplexere Diversity-Strategien entwickelt werden, die der existenten Vielfalt in der Gesellschaft gerechter würden.[17]
Der theoretische Bezugsrahmen des systemischen Managing Diversity ist die „Theorie der Allgemeinen Handlungssysteme“ von Talcott Parsons. In diesem Theorierahmen wird Diversity als Ressource einer Organisation gesehen, die, wenn sie richtig eingesetzt wird, den Fortbestand der Organisation sichern und die Organisationsstruktur stabiler machen kann.[18] Auch in dieser Theorie werden die besprochenen Dimensionen instrumentalisiert, jedoch sind diese auf verschiedenen Systemebenen zu finden. Es wird zwischen der Ebene des allgemeinen Handlungssystems (z.B. Alter, Behinderung), des organischen Systems (Geschlechtsmerkmale), des psychischen Systems (Persönlichkeitsmerkmale, Ausbildung, sexuelle Orientierung), des Sozialsystems „Gesellschaft“ (Ethnizität, Gender) und des kulturellen Systems (Glaube) unterschieden.[19]
Ferner werden hier sozial konstruierte Differenzen und Hierarchien kritisch beleuchtet, um auf Basis der Erkenntnisse neue Handlungs-und Kommunikationsformen zu entwickeln. Die sozial konstruierten Unterschiede, die in Organisationen reproduziert werden und zu Ausgrenzung und Unterdrückung führen, werden aus der systemtheoretischen Perspektive thematisiert und nicht, wie in den meisten Diversity-Ansätzen einfach ignoriert. In Luhmans Worte gefasst, könnte diese kritische Auseinandersetzung mit der Konstruktion von sozialen Systemen im Rahmen von Diversity symbolisieren, dass das Personalmanagement „therapeutische Aufgaben“[20] zugewiesen bekommt. Das bedeutet, dass ein systemtheoretisches Managing Diversity den Anspruch hat, Ausgrenzung und Unterdrückung tiefer und aus mehreren Perspektiven zu beleuchten und somit auch Gefahr läuft, 'alte Wunden' in oder zwischen diesen Systemen, aufzureißen. Dadurch kann es zu Konflikten kommen, die womöglich schwer bis gar nicht zu bewältigen sind und die betreffende Organisation an den Rand der Existenz bringen.
Dieser Ansatz ist besonders durch die mehrdimensionale Betrachtung und die Unterteilung der Gesellschaft in sich selbst überlappende und autopoetisch gesteuerte Subsysteme, sowie die Unterscheidung zwischen dem Innen und Außen von Organisationen, interessant. An der Systemperspektive kann bemängelt werden, dass auf die Unterschiede, Besonderheiten und Herausforderungen einzelner Dimensionen nicht eingegangen wird. Allerdings bezieht sich dieser Vorwurf nicht auf einen Mangel an dieser soziologischen Sichtweise, sondern kann ein Hinweis darauf sein, dass derartige theoretische Konstrukte die Wissenschaft befruchten können, auf die Praxis aber nur marginale Auswirkungen und Anwendungsmöglichkeiten haben.
Zusammenfassung
Die vorangegangenen Ausführungen haben die Vielfalt an Perspektiven im Diversity-Ansatz näher beleuchtet. Jeder der vier Ansätze hat einen bestimmten Blickwinkel, aus dem Vielfalt in einer Organisation gesehen wird. Auf der jeweiligen Perspektive aufbauend, bedienen alle Positionen verschiedene Herangehensweisen, wie Vielfalt als Erfolgsfaktor in einer Organisation eingesetzt werden kann. Organisationen haben so die Möglichkeit, einen zu ihrem Kontext passenden Ansatz zu wählen.
Genau diese Heterogenität im Diversity-Ansatz, die es Organisationen gestattet, Managing Diversity auf ihre Besonderheiten zuzuschneiden, stellt die Stärke und zugleich Schwäche des Ansatzes dar. Es ist wichtig sich dieser Heterogenität innerhalb des Ansatzes bewusst zu werden, denn was der eine unter Diversity versteht, mag für den oder die andere/n noch lange nicht dasselbe sein.
Endnoten
[1] Thomas, David. A. und Ely, Robin: “Making Differences Matter,” in: Harvard Business Review, Band 74, Heft 5, 1996, S. 33.
[2] vgl. Thomas, Roosevelt und Ely, Robin (1996): 39
[3] vgl. ebd.: 40
[4]ebd.
[5] vgl. Thomas, Roosevelt und Ely, Robin (1996): 42
[6] vgl. ebd.: 44
[7] vgl.Aretz, Hans-Jürgen und Hansen, Katrin. Diversity und Diversity-Management im Unternehmen: Eine Analyse aus Systemtheoretischer Sicht. Münster: Lit. 2002, S. 34.
[8] ebd.
[9]Thomas, Roosevelt und Ely, Robin (1996): 45
[10] vgl. z.B. Thomas, Roosevelt (1999), Stuber, Michael (2003)
[11] Thomas, Roosevelt und Ely, Robin (1996):51
[12] vgl. Aretz, Hans-Jürgen und Hansen, Katrin (2002): 35
[13] ebd.
[14] vgl.Thomas, Roosevelt und Ely, Robin (1996): 61
[15] vgl. Aretz, Hans-Jürgen und Hansen, Katrin (2002): 36
[16] Aretz, Hans-Jürgen und Hansen, Katrin (2002): 31
[17] vgl. ebd.: 38
[18] vgl .ebd. : 43
[19] vgl ebd. : 43
[20] Luhman, Niklas. Organisation und Entscheidung .Westdeutscher Verlag: Wiesbaden, 2000, S. 283.
Asli-Juliya Weheliye absolvierte ihr Studium in Betriebswirtschaft und Nordamerikastudien. Sie ist Diversity Trainerin und als freie Mitarbeiterin in der Heinrich-Böll-Stiftung tätig.