Seit dem 37. Strafrechtsänderungsgesetz vom 11.2.2005 macht sich nach § 233 Abs. 1 S. 1 StGB strafbar, „wer eine andere Person unter Ausnutzung einer Zwangslage oder der Hilflosigkeit, die mit ihrem Aufenthalt in einem fremden Land verbunden ist, in Sklaverei, Leibeigenschaft oder Schuldknechtschaft oder zur Aufnahme oder Fortsetzung einer Beschäftigung bei ihm oder einem Dritten zu Arbeitsbedingungen, die in einem auffälligen Missverhältnis zu den Arbeitsbedingungen anderer Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer stehen, welche die gleiche oder eine vergleichbare Tätigkeit ausüben, bringt“. Bei Personen unter 21 Jahren verzichtet das Gesetz auf das Tatmittel der Ausnutzung einer Zwangslage usw.
Die Vorschrift geht zurück auf Art. 3 lit. a des Zusatzprotokolls zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhandels zum UN-Übereinkommen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität vom 15.11.2000 („Palermo-Protokoll“) sowie Art. 1 des EU-Rahmenbeschlusses zur Bekämpfung des Menschenhandels vom 19.7.2002, der inzwischen durch die Richtlinie 2011/36/EU vom 5.4.2011 zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer abgelöst worden ist. Aber auch schon davor war die Ausbeutung der Arbeitskraft ausschnittsweise strafbar. Unverhältnismäßig schlechte Arbeitsbedingungen wurden von den §§ 291 Abs. 1 Nr. 3 StGB (Wucher), 15 a Abs. 1 AÜG (Entleihung von Ausländern ohne Genehmigung) und 10 SchwarzArbG (Beschäftigung von Ausländern ohne Genehmigung und zu ungünstigen Arbeitsbedingungen – früher § 406 SGB III) erfasst. Schutz vor dem Verbringen in Sklaverei und Leibeigenschaft bot § 234 Abs. 1 StGB a.F.
In der Praxis spielt § 233 StGB bislang keine nennenswerte Rolle. Die Gründe hierfür sind komplex. Möglicherweise steht aber gerade die Fixierung auf sklavereiähnliche Ausbeutungsverhältnisse einer umfassenden Verarbeitung der Ausbeutung der Arbeitskraft im Wege (siehe unten).
Eine terminologische Klarstellung
Phänotypisch muss man zwischen verschiedenen Handlungsebenen des Menschenhandels unterscheiden: Die „Nachschubebene“ betrifft die Rekrutierung der Opfer, die „Logistikebene“ betrifft die Weitergabe der Opfer bis zur eigentlichen Ausbeutung, der „Basisebene“. Die Frage der Strafwürdigkeit und Strafbedürftigkeit stellt sich auf jeder Ebene. Der Grundgedanke der internationalen Vorgaben ist eine Vorverlagerung der Strafbarkeit vor die Basisebene und eine weitgehende Erfassung der Nachschubebene und der Logistikebene unabhängig von einem Ausbeutungserfolg. Dadurch soll die Strafverfolgung arbeitsteilig operierender Täter_innen erleichtert werden. Menschenhandel im international üblichen Sprachgebrauch bezieht sich auf die Nachschubebene und auf die Logistikebene.
Die Gesetzesüberschrift „Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft“ ist daher irreführend, denn § 233 StGB pönalisiert nicht den „Handel“ mit Menschen im eigentlichen Sinne, das heißt die Rekrutierung der Opfer und ihren Transfer (vgl. Eydner, 11). Diese Verhaltensweisen fallen unter § 233 a StGB, der mit „Förderung des Menschenhandels“ überschrieben ist. Das Wesen der Tat nach § 233 liegt vielmehr darin, dass Täter_innen die Arbeitskraft des Opfers ausbeuten, indem sie eine Schwächesituation oder den vom Gesetz unwiderleglich vermuteten Mangel an Urteilsvermögen ausnutzen.
Der unterschiedliche Zugriff auf das Kriminalitätsphänomen erklärt sich daraus, dass die internationalen Regelungen den Menschenhandel vor allem in seiner grenzüberschreitenden Dimension wahrnehmen. Die strafrechtliche Regelung der einzelnen Ausbeutungsverhältnisse ist dagegen grundsätzlich eine Angelegenheit des nationalen Rechts, wofür weder die UN noch die EU ein Mandat besitzen.
Die Strafverfolgungspraxis bei Menschenhandel
Bei kaum einem Deliktsfeld klaffen rechtliche Regelung und Strafverfolgungspraxis so weit auseinander wie beim Menschenhandel zur Arbeitsausbeutung. Wie viele Personen hierzulande als Haushalts- oder Dienstbotensklaven gehalten werden, lässt sich nicht sagen. Bereiche der Arbeitsausbeutung in Deutschland sind neben dem Sexgewerbe das Baugewerbe, Landwirtschaft, Gastronomie oder Schlachthöfe sowie Privathaushalte – praktisch der gesamte Niedriglohnsektor (vgl. auch van Voorhout, 48 f.). In Deutschland sollen nach einer Schätzung der ILO etwa 15.000 Personen von Arbeitsausbeutung betroffen sein (näher dazu Cyrus, 19 ff.; Cyrus/De Boer, 43 ff.; zu Schätzungsversuchen s. Vogel, 309 ff.).
Die polizeilich registrierte und gerichtlich abgeurteilte Kriminalität liegt demgegenüber sehr niedrig. Nach dem Statistischen Bundesamt Wiesbaden (Strafverfolgung, Tab. 2.1.) wurden im Jahr 2012 10 Personen nach § 233 StGB verurteilt. Die polizeiliche Kriminalstatistik ergibt 37 polizeilich registrierte Fälle im Jahr 2012 und 113 im Jahr 2013. Der Norm wird daher nur eine symbolische Bedeutung zugemessen (Fischer, § 233 Rn. 3).
Die Gründe für die wenig effiziente Strafverfolgung sind vielschichtig. Die komplizierten Tatbestandsmerkmale erfordern aufwendige und personalintensive Ermittlungen, die häufig durch Auslandsbezüge erheblich erschwert werden. Bei § 233 StGB handelt es sich ferner um ein typisches Kontrolldelikt, das nur selten von Dritten oder den Opfern selbst angezeigt wird. Eine verstärkte Überwachung der Arbeitsplätze durch die Behörden scheitert häufig an begrenzten Ressourcen. Unter einer notorisch knappen Personalausstattung leiden aber auch die Strafverfolgungsbehörden und die Gerichte. Daraus eröffnen sich Einfallstore für Absprachen im Strafprozess (vgl. dazu Kestermann/Rump/Busse, 83 ff.).
Bei den Opfern von Arbeitsausbeutung stößt die Strafverfolgung kaum auf Euphorie. Die soziale Ungleichheit und die große Armut in den Herkunftsländern der Opfer als größte Faktoren des Menschenhandels führen dazu, dass die Ausbeutung der Arbeitskraft den Betroffenen attraktiver erscheint als die Alternativen: Ausbeutung ist immer noch besser als Hunger. Wer aber mit den Strafverfolgungsbehörden kooperiert, sägt so den Ast ab, auf dem sie/er sitzt, denn es drohen der Verlust der Verdienstmöglichkeit sowie bei einer Ausweisung die Rückkehr in eben die Strukturen, die die Ausbeutung erst herbeigeführt haben. Hinzu kommt ein generelles Misstrauen gegenüber den staatlichen Behörden, die die Opfer in ihren Heimatstaaten häufig nur als korrupt wahrgenommen haben.
Die „Pyramide der Arbeitsausbeutung“ und das geltende Strafrecht
Ein weiterer Grund für das – vermeintliche oder tatsächliche – Auseinanderklaffen von Deliktswirklichkeit und Strafverfolgungspraxis liegt daran, dass man die Arbeitsausbeutung bislang zu einseitig durch die Brille des Menschenhandels betrachtet. Diese Sichtweise wird der Komplexität des Phänomens nicht gerecht, denn es ist zu vermuten, dass die Fälle von „forced labour“ nicht so häufig vorkommen.
Für ein ganzheitliches Verständnis des Phänomens der Ausbeutung ist die Metapher der Pyramide (Cyrus/De Boer, 48 f. / vgl. unten folgende Grafik) hilfreich: Den Sockel bilden die Fälle einvernehmlicher Beschäftigung, die in verschiedenen Aspekten ungünstigere Bedingungen bietet, aber noch nicht strafrechtlich relevant sein muss. Die Ausnutzung einer Zwangslage wird hier noch nicht vorausgesetzt. Es kann verschiedene Gründe geben, weshalb jemand freiwillig zu ungünstigen Bedingungen arbeitet. Schon allein dadurch verbessert er seine Marktsituation gegenüber denjenigen, die dazu nicht bereit sind. Wenn eine derartige Ausbeutung verdeckt stattfindet, können nicht nur die Auftraggeber_innen, sondern auch die Anbieter_innen von Schwarzarbeit zusätzlich dadurch profitieren, dass Sozialversicherungsabgaben und Steuern hinterzogen werden. Die mittlere Ebene bilden die Fälle, in denen sich jemand in einer Situation der Verletzlichkeit (vgl. § 291 StGB: Zwangslage, Unerfahrenheit, Mangel an Urteilsvermögen, Willensschwäche) auf ungünstige Arbeitsbedingungen einlässt. Die Spitze der Pyramide bilden die Fälle des klassischen Menschenhandels, das heißt offen erzwungener Ausbeutung durch Sklaverei und Zwangsarbeit, die zumeist mit Nötigung oder Freiheitsberaubung einhergehen.
Arbeitsausbeutung ist also ein kontinuierliches Phänomen mit fließenden Übergängen zwischen den einzelnen Ebenen (instruktiv van Voorhout, 59 ff.). Dabei kommt es weniger auf das wachsende Missverhältnis zwischen Arbeitsleistung und Entgelt, als auf die Zunahme des auf die Betroffenen ausgeübten Drucks an – mit dem sich dann etwa im Fall der Sklaverei auch die denkbar schlechtesten Arbeitsbedingungen durchsetzen lassen. Arbeitsausbeutung beginnt, wenn die Mindestbedingungen angemessener Arbeit unterschritten werden, und endet in „forced labour“ – über subtilen Druck, in dem eine Notlage oder persönliche Bedrängnis ausgenutzt werden, Arbeitsverhältnisse, die von Arbeitnehmer_innen nicht frei beendet werden können (zum Beispiel Schuldknechtschaft) bis hin zu nackter Gewalt. Zwangsarbeit kann indes noch nicht mit niedrigen Löhnen und schlechten Arbeitsbedingungen gleichgesetzt werden. Außerdem kommt es durchaus vor, dass ein Arbeitsverhältnis zunächst freiwillig eingegangen wird und erst im Laufe der Zeit zu Ausbeutung mutiert.
Ein Blick auf die geltenden Strafvorschriften gegen Arbeitsausbeutung zeigt, dass von einem stimmigen Umgang mit Arbeitsausbeutung bislang keine Rede sein kann.
Die Spitze der Pyramide der Arbeitsausbeutung wird durch § 233 StGB erfasst. Neben die „Sklaverei, Leibeigenschaft oder Schuldknechtschaft“ stellt das Gesetz als weitere Erscheinungsform „sklavereiähnlicher Verhältnisse“ (BT-Drs. 15/3045, 9) die Beschäftigung „zu Arbeitsbedingungen, die in einem auffälligen Missverhältnis zu den Arbeitsbedingungen anderer Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer stehen, welche die gleiche oder eine vergleichbare Tätigkeit ausüben“. Diese Formulierung schließt an die §§ 15 a Abs. 1 S. 1 AÜG, 10 SchwarzArbG an, auf die die Gesetzesbegründung explizit verweist (BT-Drs. 15/3045, 9 f.). Gegen diese Gleichstellung bestehen jedoch erhebliche Bedenken, weil ungünstige Arbeitsbedingungen bereits bei einer schlechteren Bezahlung unter einem Drittel des üblichen Arbeitslohnes angenommen werden (vgl. BGHSt 43, 53 ff. zu § 291 Abs. 1 Nr. 3 StGB). Eine schlechte Bezahlung kann mit den Beeinträchtigungen infolge Sklaverei oder Leibeigenschaft nicht verglichen werden. Charakteristisch für den Menschenhandel ist die Zwangslage, in der sich das Opfer befindet. Darunter fällt jede Situation, in der die betreffende Person keine für sie zumutbare andere Möglichkeit hat, als sich der Arbeitsausbeutung zu beugen (s. Art. 2 Abs. 2 RL 2011/36/EU). Deshalb und angesichts des hohen Strafrahmens von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe wird einschränkend gefordert, dass das Opfer weitgehend der Disposition durch die Arbeitgeber_innen unterworfen sein muss, so dass es die Beschäftigung nicht ohne Weiteres aufgeben kann (vgl. Eydner, 13 f.).
Die Bestrafung der Nachfrageseite ist nur sehr rudimentär geregelt. Seit dem 26.11.2011 macht sich nach § 10 a SchwarzArbG strafbar, wer Ausländer ohne Aufenthaltstitel beschäftigt „und hierbei eine Lage ausnutzt, in der sich der Ausländer durch eine gegen ihn gerichtete Tat eines Dritten nach §§ 232 oder 233 des Strafgesetzbuches befindet“. Der Straftatbestand geht zurück auf die „Arbeitgebersanktionenrichtlinie“ der EU vom 18.6.2009 (RL 2009/52/EG). Der Anwendungsbereich beschränkt sich auf Arbeitnehmer_innen aus Drittstaaten außerhalb der EU und hat deshalb keine praktische Bedeutung. Bislang konnte sich der Gesetzgeber nicht zu einer generellen Kriminalisierung der Nachfrage nach Menschenhandelsopfern durchringen (siehe demgegenüber Art. 19 der Convention on Action against Trafficking in Human Beings des Europarats vom 16.5.2005).
Eine weitere Vorschrift gegen Arbeitsausbeutung ist der Lohnwucher als Unterfall des Leistungswuchers nach § 291 Abs. 1 Nr. 3 StGB. Da sich die rechtswidrige Ausbeutung nach dem Verhältnis von Leistung und Gegenleistung bemisst, kommt es nicht darauf an, ob jemand abhängig beschäftigt oder als Selbständige_r tätig wird. Lohnwucher setzt voraus, dass Arbeitsleistung und Entlohnung in einem auffälligen Missverhältnis stehen und dass die Arbeitsausbeutung auf einer der abschließend benannten Schwächesituationen beruht: Zwangslage, Unerfahrenheit, Mangel an Urteilsvermögen, erhebliche Willensschwäche. Im Jahr 1997 beurteilte der BGH erstmalig einen Fall von Arbeitsausbeutung als Lohnwucher nach § 291 Abs. 1 Nr. 3 StGB (BGHSt 43, 53 ff.). Ein Bauunternehmer hatte zwei tschechische Grenzgänger als Maurer zu einem Bruttostundenlohn von 12,70 DM beschäftigt. Der Tariflohn betrug 19,05 DM pro Stunde; seine deutschen Arbeitnehmer entlohnte der Bauunternehmer mit 21 DM pro Stunde. Der BGH bewertete die Bezahlung von einem Drittel unter Tarif als strafbaren Wucher. Die Annahme, beide seien Opfer ihrer Unerfahrenheit geworden, erscheint jedoch als weit hergeholt, gab es doch gute Gründe für eine Tätigkeit in Deutschland. Beide erzielten auf diese Weise ein Monatseinkommen von circa 2.000 DM, das in der Tschechischen Republik der oberen Mittelklasse entsprach. Durch die Annahme einer sittenwidrigen Ausbeutung wurde den tschechischen Bauarbeitern somit eine – aus ihrer Sicht lukrative – Einnahmequelle versperrt, denn die Vorstellung ist illusorisch, dass sie in Deutschland eine Beschäftigung zum Tariflohn hätten realisieren können. Faktisch läuft diese Rechtsprechung auf einen Konkurrentenschutz inländischer Arbeitnehmer_innen vor Lohndumping im betreffenden Wirtschaftszweig hinaus (Bernsmann, 633).
Die untere Ebene der Arbeitsausbeutung wird repräsentiert durch die §§ 15 a AÜG, 10 SchwarzArbG. Die in der Praxis völlig bedeutungslosen Straftatbestände richten sich gegen die illegale Beschäftigung von ausländischen Arbeitskräften ohne Aufenthaltstitel zu ungünstigen Arbeitsbedingungen. Vorrangiger Schutzzweck ist die Bekämpfung von Lohndumping durch die Verhinderung von Anreizen zur illegalen Beschäftigung von Ausländer_innen. Daneben sollen ausländische Arbeitnehmer_innen vor Diskriminierung, Gesundheitsgefährdung und Arbeitsausbeutung bewahrt werden. Ausländische Arbeitnehmer_innen ohne Aufenthaltstitel oder Arbeitsgenehmigung sind besonders anfällig für Arbeitsausbeutung, weil sie sich bei einer Verletzung ihrer Rechte kaum an die Behörden wenden können (vgl. BT-Drs. 7/3100, 5; 10/2102, 20).
Am 29. und 30.6.2010 verbreiteten die Medien die irreführende Meldung, dass die Unterschreitung des gesetzlichen Mindestlohnes erstmals von einem Gericht als Straftat behandelt worden sei. Das Urteil des LG Magdeburg (21 Ns 17/09; s. dazu Metz, 782 ff.), auf das sich die Meldung bezog, eröffnete eine weitere Möglichkeit zur Strafverfolgung der Arbeitsausbeutung. In dem fraglichen Strafverfahren wurden die Angeklagten keineswegs wegen der Unterschreitung von Mindestlöhnen, sondern wegen der Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen nach § 266 a Abs. 1 StGB verurteilt. Die Angeklagten hatte ihre Arbeitnehmerinnen zwar den Sozialversicherungsträgern gemeldet (s. § 266 a Abs. 2 StGB) und auch Sozialversicherungsbeiträge entrichtet. Die Gerichte akzeptierten jedoch nicht die Berechnung der Abgaben nach dem tatsächlich bezahlten – aber sittenwidrigen (vgl. § 138 BGB) – Stundenlohn im 1-€-Bereich, sondern orientierten sich an dem einschlägigen tarifliche Mindeststundenlohn in Höhe von 7,68 € für Reinigungskräfte. Hierfür spricht der Wortlaut von § 266 a Abs. 1 StGB, wonach die Beiträge „unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird“, zu entrichten sind (sogenannte „Lohnpflichttheorie“, s. BT-Drs. 14/8221, 18; BGHZ 144, 311 ff.).
Ausblick
Die Neuregelung der §§ 232 ff. StGB steht auf der Tagesordnung. Der Gesetzgeber sollte bei dieser Gelegenheit den Flickenteppich von nicht aufeinander abgestimmten Strafvorschriften durch einen systematischen Zugriff auf die Spannbreite der Arbeitsausbeutung ersetzen, die oben mit dem Bild der Pyramide beschrieben wurde. Es ist nicht einzusehen, weshalb die sozialschädliche Beschäftigung nur bei Arbeitskräften aus Drittstaaten ohne Aufenthaltsgenehmigung oder Arbeitserlaubnis strafrechtlich verarbeitet wird, obwohl die von den §§ 15 a Abs. 1 AÜG, 10 Abs. 1 SchwarzArbG vorausgesetzten ungünstigen Arbeitsbedingungen auch bei deutschen Arbeitnehmer_innen anzutreffen sind. Arbeitsausbeutung ist kein Problem ausschließlich oder auch nur vorrangig der – illegalen – Migration (näher dazu Renzikowski).
Neben der – einseitigen – Konzentration auf straf- und ausländerrechtliche Instrumente wäre es mindestens ebenso wichtig, ein Konzept arbeitsrechtlicher Mindeststandards zu entwickeln – denn das wäre die wirksamste Prävention vor Ausbeutung innerhalb der eigenen Gesellschaft. Die entscheidende Frage ist daher, welche Mindeststandards in einer sozialen Marktwirtschaft legitimerweise vorgeschrieben werden können. Es geht dabei auch um die Frage, wie weit der immerhin durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Privatautonomie aus übergeordneten Erwägungen Grenzen gezogen werden dürfen – was verfassungsrechtlich grundsätzlich möglich ist. Das Gesetz über den Mindestlohn vom 11.8.2014 ist ein Anfang. Art. 4 der Europäischen Sozialcharta, wonach „alle Arbeitnehmer (…) das Recht auf ein gerechtes Arbeitsentgelt [haben], das ihnen und ihren Familien einen angemessenen Lebensstandard sichert“, legt einen an der Sicherung des Lebensunterhalts orientierten Mindestlohn nahe (Nassibi, 204 f.).
Ausländerrechtliche Restriktionen und schärfere Strafgesetze allein sind jedenfalls keine wirkliche Lösung des Problems, sondern treiben nur die Kosten für die Menschenhandelsopfer in die Höhe.
Literatur
Bernsmann, Klaus: Anmerkung zu BGHSt 43, 53, in: Juristenzeitung 1998, S. 629–633.
Cyrus, Norbert: Menschenhandel und Arbeitsausbeutung in Deutschland, Genf 2006.
Cyrus, Norbert/de Boer, Katrin: Darstellung und Analyse der Vorkommensweise des Menschenhandels zur Arbeitsausbeutung, in: KOK (s.u.), S. 43–79.
Eydner, John Richard: Der neue § 233 StGB – Ansätze zum Verständnis der „Ausbeutung der Arbeitskraft“, in: Neue Zeitschrift für Strafrecht 2006, S. 10–14.
Fischer, Thomas: Strafgesetzbuch, 61. Aufl., München 2014.
Kestermann, Claudia/Rump, Petra/Busse, Marie-Luise: Untersuchung der polizeilichen und strafrechtlichen Verfahren im Bereich des Menschenhandels zur Arbeitsausbeutung, in: KOK (s.u.), S. 83–121.
KOK – Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Frauenhandel und Gewalt an Frauen im Migrationsprozess (Hrsg.), Entwicklung tragfähiger Unterstützungsstrukturen für die Betroffenen von Menschenhandel zur Arbeitsausbeutung. Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, März 2011 (unter: http://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Meldungen/studie-mensche… – abgerufen am 1. 11. 2014).
Metz, Jochen: Strafbarkeit bei untertariflicher Bezahlung, in: Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht 2011, S. 782–786
Nassibi, Ghazaleh: Das Verbot sittenwidriger Löhne und die Europäische Sozialcharta, in: Kritische Justiz 43 (2010), S. 194–205.
Renzikowski, Joachim: Strafvorschriften gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution de lege lata und de lege ferenda, Halle 2014 (unter: renzikowski/jura.uni-halle.de/aktuelles/).
Vogel, Dita: Schätzung der Häufigkeit und Vorkommensweise des Menschenhandels zur Arbeitsausbeutung – Wie viele Betroffene gibt es in Deutschland, in: KOK (s.o.), S. 309–328.
van Voorhout, Coster: Human trafficking for labour exploitation: Interpreting the crime, in: Utrecht Law Review 3 (2007), S. 44–69.