von Josef Winkler
Just an dem Tag, an dem die Ministerpräsidenten bei der Integrationspolitik ein Schrittchen nach vorn gehen, geht Schwarz-Rot im Bundestag mit Riesenschritten zurück. Mit der Verschärfung des Zuwanderungsrechts durch das sogenannte EU-Richtlinienumsetzungsgesetz fällt Deutschland integrationspolitisch weit hinter den Zuwanderungskompromiss von 2004 zurück.
Wenn die Ministerpräsidenten es wirklich ernst meinen mit der Integration, müssen sie das integrationsfeindliche Gesetz am 6. Juli im Bundesrat ablehnen.
Während die Ministerpräsidenten im Vorfeld des Integrationsgipfels am 12.7.07 betonen, die Sprachförderung verbessern zu wollen, sieht das gerade vom Bundestag beschlossene Gesetz vor, Menschen ohne Deutschkenntnisse einfach gar nicht einreisen zu lassen. Das Recht auf eheliches Zusammenleben wird von Sprachkenntnissen abhängig gemacht. Damit werden keine Zwangsheiraten verhindert und nichts für die Integration getan. Kenntnisse der deutschen Sprache und der Rechte von Frauen können viel besser in Deutschland vermittelt werden - in den Integrationskursen, die mit dem Zuwanderungsgesetz geschaffen wurden.
Wenn aber wirklich die Bildungschancen von Eingewanderten verbessert werden sollen, reicht es nicht, dass die Länderchefs den kleinsten gemeinsamen Nenner kundtun. Eine Verbesserung der Sprachförderung ist überfällig. Aber ohne eine Reform des Schulsystems, das Kinder nach Herkunft der Eltern aussortiert, bleibt die Integrationsförderung auf Landesebene nur Stückwerk.
Die Widersprüche zwischen dem "Nationalen Integrationsplan" und dem heute verabschiedeten Zuwanderungsänderungsgesetz sind auch Thema der grünen Integrationskonferenz der Bundestagsfraktion am 28. Juni 2007.
Bereits zum Auftakt des Integrationsgipfels im vergangenen Jahr hatten wir kritisiert, dass dort zentrale Themen wie „Einbürgerung“ und „Partizipation“ überhaupt nicht Gegenstand der Beratungen sein sollten.
Wenn man ein nachhaltiges Integrationskonzept, das von Migrantinnen und Migranten und aufnehmender Gesellschaft akzeptiert werden soll, entwickeln will, dann kann man nicht wesentliche Themenkomplexe auf dem Gipfel aussparen.
Der am 14.6. 07 verabschiedete „Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union“ wird weder europäischen Vorgaben noch integrationspolitischen Erfordernissen gerecht. Er sieht Verschärfungen im gesamten Aufenthalts-, Asyl- und Staatsangehörigkeitsrecht vor, die nichts mit den umzusetzenden 11 EU-Richtlinien zu tun haben, sondern einseitig den Abschottungs- und Ausweisungsforderungen konservativer Innenpolitiker entsprechen. Nichtregierungsorganisationen haben darauf hingewiesen, dass die vorgesehenen Regelungen im „krassen Widerspruch“ zu den Intentionen des Integrationsgipfels stehen.
Die dreitägige Sachverständigenanhörung im Innenausschuss hat die grüne Kritik am Gesetzentwurf bestätigt. Die deutliche Mehrheit der Sachverständigen bezweifelte, dass der Gesetzentwurf europa- und menschenrechtlichen Vorgaben genügt und befürchtet negative Auswirkungen des Gesetzes für die Integration. Das Recht auf eheliches Zusammenleben wird für bestimmte Nationalitäten (insbesondere aus der Türkei) beschränkt. Opfer von Zwangsverheiratung erhalten keine Hilfe durch ein gesichertes Aufenthaltsrecht. Zusätzliche Hürden für die Verfestigung des Aufenthalts und die Einbürgerung zementieren ungleiche Rechte und Chancen. Das Problem der Kettenduldung wird durch die halbherzige Altfallregelung nicht gelöst. Bürgerkriegsflüchtlinge und Opfer von Menschenhandel erhalten nicht den Schutz, der in den EU-Richtlinien vorgesehen ist.
Trotz dieser massiven Kritik hat die Koalition am 14.6. 07 das umfangreichste Paket an Einschränkungen von Bürgerrechten für Migrantinnen und Migranten und Flüchtlinge seit Jahrzehnten beschlossen.
Nicht einmal offensichtliche Verstöße gegen das Grundgesetz oder das Europarecht wurden im parlamentarischen Verfahren korrigiert.
Die als großer Erfolg dargestellte Bleiberechtsregelung, die jetzt im Gesetz steht und bei großzügigster Auslegung einige Zehntausend Menschen zugute kommt, darf niemanden darüber hinwegtäuschen, dass dafür für Millionen von Ausländerinnen und Ausländern in Deutschland drastische Verschärfungen des Aufenthalts-, Einbürgerungs- und Flüchtlingsrechts beschlossen wurden.
Zusammenfassend kann man sagen:
Die Koalition hat ein frauenfeindliches, familienfeindliches, integrationsfeindliches und menschenrechtswidriges Gesetzespaket beschlossen.
Unter dem Titel "Integration braucht Rechte und Chancen" organisiert die Grüne Bundestagsfraktion am 28. Juni 07 eine Konferenz mit den Schwerpunktthemen: Frauenrechte, Teilhaberechte und gleiche Chancen durch Bildung
Zur Konferenzwebsite hier
Stellungnahmen von Verbänden zum Zuwanderungsänderungsgetz
- DGB
- Deutsches Institut für Menschrechte
- Pro Asyl
- UNHCR
- Pressemitteilung des Interkulturellen Rates
- Presseinfo des Bundesausländerbeirates
Josef Winkler ist seit 2002 Mitglied des Deutschen Bundestages und Sprecher für Migrationspolitik, Kirchenpolitik und interreligiösen Dialog der Bundestagsfraktion von Bündnis90/Die Grünen.