Beten und bauen - Die Moscheendebatte in Frankfurt

Moschee
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Der Bau von Moscheen löst in Deutschland immer wieder heftige Diskussionen aus – so auch in Frankfurt

Die Hazrat-Fatima-Gemeinde in Frankfurt möchte ein würdiges Gotteshaus; die Zeiten von Hinterhofmoscheen sollen ein Ende haben. Welche Mauern es einzureißen gilt und welche noch errichtet werden müssen. Ein Bericht.

Die Linkstraße in Frankfurt-Griesheim ist eine ruhige Wohnstraße mit zweistöckigen Wohnhäusern. Dass es sich bei dem Gebäude mit eierschalenfarbener Wandbemalung um eine Moschee handelt, fällt beim Vorübergehen nicht auf. Nur ein kleines grünes Schild an der Wand, das erst zu sehen ist, wenn man schon durch das Tor getreten ist und unmittelbar vor dem Gebäude mit sichtundurchlässigen Fenstern steht, lässt ahnen, dass das Haus ein Ort des Glaubens ist.

Im Hof schaffen Blumenkübel, Fahrräder und ein Boxsack eine familiäre Atmosphäre. In einer Ecke hängt eine Fahne mit arabischer Schrift schlaff herunter. Auf ihrer Mastspitze thront eisern die Hand der Fatima – ihre fünf Finger stehen für die fünf Grundpflichten des Islam: das Glaubensbekenntnis, das fünfmalige Gebet, die Almosensteuer, Fasten im Ramadan und die Pilgerfahrt nach Mekka. Gläubige sind an diesem Donnerstagnachmittag allerdings nicht zu sehen.

Transparenz und Würde

Doch selbst im säkularen Deutschland möchten Muslim_innen ihren Glauben genauso lebendig gestalten können, wie sie es aus ihrem Herkunftsland kennen. Sie wollen eine Moschee, die aussehen soll wie eine Moschee. Die Zeiten unscheinbarer Hinterhofmoscheen sollen endgültig vorbei sein. In Frankfurt soll seit Jahren eine neue Moschee gebaut werden. Größer und schöner, ein repräsentatives Gotteshaus.

Der Generalsekretär der Hazrat-Fatima-Gemeinde in Griesheim, einem Stadtteil von Frankfurt, Ünal Kaymakci sieht das so: „Wir wollen in schönen, würdigen Räumen unser Gebet verrichten – so wie es die Christen gerne auch in schönen Kirchen tun.“ Die meisten Mitglieder der Gemeinde sind in Deutschland geboren und aufgewachsen, sehen es als ihre Heimat. „Für uns ist der Bau des Gotteshauses sehr wichtig für die Identifikation mit unserer neuen Heimat. Es reicht nicht, sich als Individuum im Land wohl zu fühlen. Wir wollen auch als Gemeinde gut aufgehoben sein.“ sagt Kaymakci vor einigen Jahren in einem Interview. Damals eröffnet er der Frankfurter Stadtgemeinschaft das Bauvorhaben eines repräsentativen Gotteshauses.

Die Gemeinde möchte aus der Linkstraße ins zentralere Hausen, einem anderen Stadtteil, ziehen. Der Architekt Darioush Sattari und der Vorstand des Moscheevereins haben ein modernes Konzept für die Moschee entwickelt. Die Hazrat-Fatima-Gemeinde träumt von einer Moschee mit Kuppel und Minaretten, die nicht nur Anlaufstelle für Gläubige sein soll. Kaymakci: „Wir haben viele Ideen, insbesondere zu sozialen Angeboten und wollen etwas Neues machen.“

„Zu viel für diesen Stadtteil“

Doch schon vor Baubeginn hatte es innerhalb des Stadtteils erhebliche Schwierigkeiten mit der Akzeptanz des Projekts gegeben. Im Sommer und Herbst 2007 entbrannte in Frankfurt eine heftige Debatte um das Bauvorhaben der Moscheengemeinde.

Einige Anwohner_innen organisierten sich in einer Bürgerinitiative gegen den Moscheenbau. Sie argumentierten, dass es in Hausen bereits zwei Moscheen gibt und stießen sich an dem orientalischen Aussehen des Gotteshauses. Podiumsdiskussion folgte auf Podiumsdiskussion. Eine Annäherung zwischen der Bürgerinitiavie und dem Moscheenverein gab es nicht. „Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin, bedenken Sie, dass der Allah des Koran mit dem Gott der Bibel nichts im Entferntesten zu tun hat“ schrieben wütende Bürger in einem offenen Brief an die Oberbürgermeisterin Petra Roth.

Dem Bauantrag wurde schließlich trotzdem stattgegeben, doch weitere Eskalationen ließen nicht lange auf sich warten. Eine Sitzung des Römer-Ausschusses sollte der Vermittlung zwischen den Konfliktparteien dienen und die Möglichkeit zu Rückfragen bieten. Die Stadt organisierte eine Reihe von Veranstaltungen, doch die Stimmung blieb angespannt. Als ein Bürger die Zahl der „Migrantenkinder“ an Frankfurter Schulen kritisierte, konterte die Grünen-Stadtverordnete Nargess Eskandari-Grünberg: „Migration ist in Frankfurt eine Tatsache. Wenn Ihnen das nicht passt, müssen Sie woanders hinziehen.“ So prallten im multikulturellen Frankfurt Welten aufeinander, die eigentlich längst zusammen gehören.

Sinn fehlt wie ein amputiertes Bein

Die neue Moschee soll zwei Gemeinden unterschiedlicher Herkunft verbinden. Die Gläubigen kommen aus Pakistan und der Türkei. Sie alle teilen den schiitischen Glauben. Sie wollen ihn für die Außenwelt sichtbar machen, sich nicht länger in städtischen Randbezirken verstecken.

Gerade dieses demonstrative Selbstbewusstsein ist es, was etliche Hausener Bürger_innen scheinbar pikiert. Das Symbol einer anderen Kultur vor ihren Augen. Die Höhe der Minarette ist eines der Streitthemen. Ein Wahlplakat der Republikaner zu den Hessischen Landtagswahlen 2008 zeigte das Piktogramm einer Moschee, durchgestrichen wie bei einem Verbotsschild und den Schriftzug: “Für ein Minarett-Verbot.“

Der Einsatz des Moscheevereins für den Bau ihres Gotteshauses verdeutlicht, dass Religion als ein Teil der Kultur etwas Erfüllendes und Sinnstiftendes verkörpern kann. Ein Großteil der Bio-Deutschen wiederum ist nicht religiös praktizierend, wie eine aktuelle Studie der Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland zeigt. Einigen Menschen scheint der Glaube zu fehlen.

Der Soziologe Claus Leggewie beschreibt dieses Phänomen als „Phantomschmerz“: Der Glaube, der im Laufe der Generationen langsam entwichen ist oder zumindest den früheren Stellenwert verloren hat, hinterlässt eine Art Vakuum bei den Menschen. Mit aktiven Gläubigen konfrontiert zu werden löst dann eine Abwehrreaktion aus. In Hausen zeigen sich die Folgen davon.

„Egal was Sie sagen, wir lehnen diesen Bau ab“

Aufklären und offen sein für Nachfragen. Das sind die Mittel, die der Moscheeverein nutzt, um Vorbehalte abzubauen. Oft ist das kein leichtes Geschäft. Der Sprecher der Bürgerinitiative Horst Weißbarth reagiert abweisend auf Dialogveranstaltungen mit der muslimischen Gemeinde: „Ich werde dort zwar hingehen, eine neue Moschee werde ich aber weiterhin ablehnen.“ Weißbarth zeichnet das Szenario eines „muslimischen Ghettozustands“, der durch weitere Moscheen entstehe.

Die Islamwissenschaftlerin Grudrun Krämer erkennt an der Auseinandersetzung in Hausen, dass einige Menschen nicht zwischen den Muslim_innen in Deutschland und solchen in der ganzen Welt trennen. Das daraus folgende Durcheinander von Informationen über den Islam erklärt für Krämer die Brisanz der Diskussion.

Gerade aus diesem Grund ist es wichtig, Moscheen in das Stadtbild zu integrieren, findet der grüne Europa-Abgeordnete Daniel Cohn-Bendit: „Man muss den Muslimen Raum geben, denn je offener wir für Moscheebauten sind, desto offener und kritischer können wir uns mit dem Islam auseinandersetzen.“ Seine Äußerungen bei einer Podiumsdiskussion im Haus am Dom verhallen offensichtlich ungehört.

Der "Fall Türkyilmaz"

Eine Selbstverständlichkeit scheint das Zusammenleben mit Muslim_innen für einige Hausener_innen nicht zu sein. Aber nicht alle sind gegen die Moschee. Viele der rund 7000 Bürger_innen in dem Stadtteil sehen dem Bau des muslimischen Gotteshauses gelassen entgegen. „In vier Jahren wird sich darüber garantiert keiner mehr aufregen“, kommentierte ein Hausener zu Beginn der Debatte 2008.

Vier Jahre später ist der Bau der Moschee immer noch nicht abgeschlossen. Der Platz, den die Hazrat-Fatima-Moschee einmal einnehmen soll, ähnelt eher einer Brachfläche als einem religiösen Ort. Nur das Kellergeschoss, das die Moschee einmal tragen soll, ist schon zu erkennen.

Doch der Streit geht weiter. Knapp zwei Jahre nach Grundsteinlegung hatte ein Bericht im Magazin „defacto“ des Hessischen Rundfunks eine neue Debatte ausgelöst. Der damalige Imam der Moschee Türkyilmaz soll an einer antiisraelischen Demonstration in Berlin teilgenommen haben, zu der die iranische Regierung aufgerufen haben soll. Nach der langwierigen, hitzigen Debatte um den Bau der Moschee traf der Beitrag einen empfindlichen Nerv. Kaymakci sieht darin eine Hetzkampagne und kritisierte die Rolle der Medien: „Seit Jahren trägt die Sendung „defacto“ durch unsachgemäße Darstellungen zu einem falschen Bild der Muslime in der Wahrnehmung unserer Gesellschaft bei und schürt die Spaltung bzw. Polarisierung unserer Gesellschaft.“

Die Gelder, um den Bau der Moschee abzuschließen, fehlen momentan auch noch. Ein Mann steht mit dem Rücken zur Baustelle und raucht. Außer ihm ist niemand auf der Straße zu sehen. Sein kleiner Hund schnüffelt an dem Pfeiler des Plakats, das den Bauplan zeigt. „Einen Bagger hab ich hier lange nicht gesehen. Und in der Zeitung stand auch nichts mehr“, sagt der Hausener. Er wohnt schon seit fast 40 Jahren in dem Viertel und hat die Debatte um die Moschee mitverfolgt. Auf der anderen Seite der Straße sieht man die Parkplätze des Schwimmbads. Sie sollen von den Moscheebesucher_innen mitbenutzt werden. Im Freibad ist momentan noch nichts los. „Mal sehen, ob das hier bald wieder munterer wird“, meint er.

Der Mann ist optimistisch, dass sich die Hausener_innen mit ihrer neuen Moschee anfreunden werden. „Geschrieben wurde ja viel, aber ich glaube, wenn die erstmal steht, findet schon jeder seinen Platz“, sagt er. Wieviel Zeit vergehen wird, bis auf dem Kellergeschoss eine Moschee steht, ist bislang unklar. Was sich schon gezeigt hat ist, dass noch viel getan werden muss, bis sich etwas in den Köpfen einiger Frankfurter_innen ändert.

 

 Muslime in Frankfurt

• Anfang der 60er Jahre wurde der erste islamische Verein gegründet
• der Hazrat-Fatima-Moscheeverein besteht seit 1991
• heute leben ca. 70.000 muslimische Bürger_innen in Frankfurt
• sie sind in 35 Gemeinden organisiert
 

 

Pia Rauschenberger studiert Psychologie in Leipzig. Die Moscheedebatte verfolgte sie als Schülerin in Frankfurt mit. Sie interessiert, welche Faktoren eine Offenheit gegenüber Muslim_innen beeinflussen.