„Hier bin ich ewiger Wanderer“

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Kim Gŭn-ch’ŏl
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Kim Gŭn-ch’ŏl

Kim Gŭn-ch’ŏl im Zeitzeugengespräch mit You Jae Lee

 

Mein Name ist Kim Gŭn-ch’ŏl. Ich wurde am 23. Mai 1937 geboren und bin nun 75 Jahre alt. Ich bin im sehr ländlichen Naju in Chŏnnam, Chŏlla-do, geboren. Mit zwölf Jahren kam ich auf die Mittelschule in Kwangju. Weil meine Familie seit Generationen christlich ist, war es eine christliche Schule. Nach einem Jahr Mittelschule brach der Koreakrieg aus. Daher musste ich die Schule verlassen, und richtig lernen konnten wir auch nicht mehr.

Die Schule musste schließen, und mir blieb nichts anderes übrig als zu Hause zu bleiben. Fast ein halbes Jahr verbrachte ich so, aber dann ging ich zurück. So schloss ich die Mittelschule ab und kam in die Oberschule, die ich drei Jahre später in Kwangju abschloss. Nach dem Schulabschluss wollte ich Theologie studieren und ging deshalb an die Calvin-Universität für Theologie in Pusan und studierte dort ein Jahr lang am Koryó-Seminar. Als ich ins zweite Jahr kam, erhielt ich einen Einberufungsbefehl vom Militär. Das war 1957. Ich bin ins Militär eingetreten und bin dort ausgebildet worden. Das war sehr anstrengend.

1961 ging das anstrengende Militärleben zu Ende und ich bin wieder nach Hause zurückgekehrt. Mein Vater betrieb zu Hause Landwirtschaft, und ich habe diese Aufgabe übernommen. Ein Jahr lang habe ich einfach alles gemacht. Ich machte mir Gedanken, wie ich unser Leben verbessern könnte. Ich versuchte mich in der Viehzucht und pflanzte Maulbeerbäume an, um mit Seidenraupen einen Nebenverdienst zu haben. So habe ich über ein Jahr viele verschiedene Anstrengungen unternommen.
 

„Was das betraf, so hatte ich keine Ahnung vom Bergbau“

Eines Tages besuchte mich mein Freund Ko T’ae-sŏk der in Kwangju lebte, mit einer Zeitung in der Hand. In der Zeitung war das Stellenangebot zur Anwerbung für Bergleute in Westdeutschland. Als ich den Inhalt des Gesuchs, nein, des Stellenangebots las, traf nichts davon auf mich zu. Beispielsweise musste das Körpergewicht mindestens 55 Kilo betragen, aber zu dieser Zeit hatte ich keine 55 Kilo. Ich wog nur 53 Kilo. Zudem wurde Erfahrung im Bergwerk verlangt. Was das betraf, so hatte ich keine Ahnung vom Bergbau, daher ging das auch nicht. Außerdem hieß es in der Stellenausschreibung, man müsse nach Deutschland gehen. Ich hatte zwar in der Oberschule Deutsch gelernt, aber als ich später nach Deutschland kam, war das einzige Wort, an das ich mich erinnerte, „Wasser“. Auch die Aussprache, die wir damals gelernt hatten, brachte mich hier nicht weiter. Ich konnte weder die Sprache noch andere Fremdsprachen, und alles kam insgesamt nicht für mich in Frage. Ich beklagte mich bei meinem Freund, dass er unnötig nur Wind aufwirbelte. Doch mein Freund sagte, er würde die Dokumente für uns vorbereiten und ich solle zur Musterung kommen.

Das tat er, und eines Tages kam die Nachricht. Ich sollte zur Musterung kommen. Ich fuhr nach Kwangju. Zusammen mit meinem Freund ging ich zur Musterung. Mir fehlten zwei Kilo, die ich irgendwie ausbessern musste. Vor der Untersuchung ging ich zur Toilette und trank so viel Wasser wie ich konnte. So kam ich hier durch. Danach wurde die Körperkraft inspiziert. Man musste einen Sandsack mit 30 Kilo so in die Hand nehmen und sich so hinstellen und ihn einige Male aufheben. Wo hatte ich vorher schon einmal 30 Kilo gehoben? Aber mit aller Kraft hob ich ihn bis zur Schulter. Mehrere Male schaffte ich es aber nicht. Aber weil ich ihn einmal heben konnte, kam ich durch die Musterung. Ja, die Musterung schien in Ordnung gewesen zu sein. Allerdings gab es noch die Auswahl nach den Unterlagen, und da dachte ich, dass ich bestimmt durchfallen würde. Aber ich kam durch. Mein Freund, der alles vorbereitet hatte, schaffte es nicht.

Und dann endlich entschied ich mich, als Bergarbeiter nach Westdeutschland zu gehen und ging nach Seoul, um dafür ausgebildet zu werden. In den ersten sechs Wochen Deutschunterricht lernte ich die Fachsprache, die man im Bergwerk verwendet, sechs Wochen lang. Es gab dort auch noch einen besonderen Kurs von so einem Doktor, der in Innsbruck studiert hatte. Der wurde eingeladen und brachte uns bei, was man machen musste, wenn man nach Deutschland ging. Er unterrichtete praktisches Wissen über das Leben in Deutschland, was man brauchte und solche praktischen Dinge. Also haben wir uns tatsächlich versammelt und haben uns alles angehört. Diese Person erzählte uns, dass, wenn man nach Deutschland ginge, es keine Badehandtücher gäbe, jedenfalls keine großen. Weil es dort keine gab, wäre dies etwas, was wir hier vorbereiten sollten, also sind wir alle losgegangen und haben jeder ein großes Handtuch gekauft. Das Handtuch hat aber ein Drittel des Platzes in der Tasche eingenommen. Er sagte auch, in Deutschland gäbe es kein Gemüse. Es gäbe kein Gemüse! Daher sollten wir viel Vitamin C kaufen und mitnehmen. Er hat uns noch vielen anderen Unsinn aufgetischt. Als ich nach Deutschland kam, stellte ich fest, dass diese Person einer dieser Yangban [Gelehrten] war, die nur studieren, aber von den Dingen der Welt nichts wissen. Nach den Sprachkursen haben wir in Changsŏng [Provinz Kangwŏn], in einem Kohlebergwerk ein zweiwöchiges Praktikum absolviert. Wir haben uns dort den Kohleabbau angeschaut, aber selbst zum Einsatz kamen wir nicht. In der Praxis sind deutsche und koreanische Förderungsmethoden völlig verschieden. Auch die Kohle und Steinkohleschächte in Korea und Deutschland sind ganz unterschiedlich. Wir sind [beim Praktikum] nur in den Tunnel gegangen und haben Kohlestaub eingeatmet, gebracht hat uns das nichts. Das war keine Hilfe.

Im Dezember feierten wir Abschied. Die allererste Gruppe umfasste 256 Menschen. [Die wurde in zwei Flugzeugen aufgeteilt] Im ersten Flugzeug waren 127 Menschen. Ich war in dem ersten Flugzeug. Wir bereiteten die Abschiedsfeier vor, und dafür mussten wir auch die deutsche Flagge aufhängen, aber wir wussten nicht genau wie die Flagge aussehen musste, ob das Schwarze nach oben gehörte oder das Gelbe. Also haben wir in der deutschen Botschaft angerufen und das in Erfahrung gebracht. Weil der deutsche Botschafter an der Abschiedsfeier teilnahm und weil es eine förmliche Feier war, durften solche Fehler nicht passieren. Dann stiegen wir ins Flugzeug. Korea hatte damals noch kein eigenes Flugzeug. Es war eine Boing 707 der Air France. Die war für uns gemietet worden. 127 Leute sind über Alaska, Anchorage und Hamburg nach Deutschland gereist, und dann am 21. Dezember 1963 kam ich endlich in Düsseldorf an. Ab Alaska hatten wir alle möglichen Sorgen: unbekannte Landschaften und die Sprache – wir sind in Ländern gewesen, in denen Menschen lebten, die nur in merkwürdigen Sprachen redeten. Das hat ganze 21 Stunden gedauert. Heute braucht man nonstop elf oder zwölf Stunden.
 

“Dank dem Abiturienten, von dem ich Deutsch lernte, konnte ich ein bisschen besser Deutsch und wurde dort als Dolmetscher ausgewählt“

Außer mir sind noch 59 andere Leute in ein Bergwerk in Aachen geschickt worden, ein EBV Bergwerk [Eschweiler Bergwerksverein]. Der Rest wurde nach Hamborn und Gelsenkirchen geschickt. Da wurde gesagt, für uns sei es wichtig, jetzt schnell Deutsch zu lernen. Wir sollten in deutschen Familien lernen. Dann wurden wir zu jeweils sechst in deutsche Familien eingeteilt. Die Hausvorstände holten uns ab. Und woran ich mich noch erinnere, ist, dass uns 20 DM als Vorschuss gegeben wurden. Mit 20 DM konnte man zwei Wochen auskommen. Damals war alles billig, daher war das möglich.

In der Zeche haben wir, wie in Korea, wieder Deutsch gelernt. Sprachunterricht hatte ich vier Wochen lang, dann gab es noch ein Praktikum im Bergwerk, zu welchem ich jeden Tag ging und wo ich ausgebildet wurde. Sechs Wochen lang habe ich das gemacht, zwischendurch sind wir alle medizinisch untersucht worden. Unter den 60 Menschen, die untersucht wurden, war ein Kumpel, bei dem ein Spulwurm gefunden wurde. Anders als bei normalen Spulwürmern war dieser ansteckend, es handelte sich deshalb um einen problematischen Bandwurm. Um den Bandwurm loszuwerden, nahmen wir jede Woche Alkopal. Es schmeckte bitter. Über drei Monate, drei Monate mussten wir das einnehmen. Denn der Kollege wurde den Bandwurm einfach nicht los und war weiterhin davon befallen, und außerdem war es ja ansteckend. Dank ihm mussten wir darum nicht unter Tage und konnten über Tage bleiben. Dank ihm musste ich drei Monate lang nicht in den Stollen runter und hatte nur leichte Arbeit. Es fiel mir daher nicht schwer, mir Zeit zu nehmen. Vom Sohn des Heimleiters, der gerade das Abitur machte, lernte ich sechs Monate lang Deutsch. Richtig, drei Monate lang lernte ich Deutsch, bevor ich unter Tage arbeitete, und drei Monate, während ich unter Tage arbeitete. Nach den drei Monaten war der Kollege den Bandwurm endlich losgeworden, und so konnte ich meine Arbeit aufnehmen.

Die Arbeit, die wir am Anfang machten, wechselte jede Woche. Zum Beispiel mussten wir nach Steinkohle bohren, dann beim Transport helfen. Danach mussten wir den Minengang vorantreiben, dafür mussten wir zuerst einen blinden Stollen ausheben. Wir klopften die Felsen aus und so entstand der Gang. Auf diese Weise gingen wir jede Woche verschiedenen Arbeiten nach und lernten, während wir arbeiteten. Aber ich habe nur zwei Wochen unter Tage gearbeitet. Danach kam die zweite Gruppe – wir waren die erste Gruppe. Für die zweite Gruppe wurde ein Dolmetscher benötigt. Dank dem Abiturienten, von dem ich Deutsch lernte, konnte ich ein bisschen besser Deutsch und wurde dort als Dolmetscher ausgewählt. Die Dolmetscher gingen nicht unter Tage. Sie blieben im Büro über Tage. Was die Arbeit im Büro angeht, das waren verschiedene Aufgaben: Sachen, die nur in der Zeche anfallen, Beratungsgespräche und Erledigung dieser Angelegenheiten sowie Fragen, die mit der Botschaft zusammenhingen. Das waren meine Hauptaufgaben. Unter der Woche war ich täglich acht Stunden damit beschäftigt, aber über die Arbeitszeit hinaus war man eigentlich 24 Stunden lang im Einsatz. Darüber hinaus wurde ich gebeten, auf den Markt mitzugehen, um ein paar Dinge zu besorgen, im schlimmsten Fall sogar einen Liebesbrief aufzusetzen. Manchmal tat ich auch nur so, als ob ich es versuchte, denn wie hätte ich das alles erledigen können? So war ich rund um die Uhr auf Bereitschaft. Fünf Jahre verbrachte ich so. So eine Arbeit war das.

Etwa 500 Koreaner waren es, die in unserem Bergwerk arbeiteten. Es gab solche, die ständig Unfälle verursachten und solche, die betrunken waren und Krawalle machten. Wegen denen wurde dann die Polizei gerufen. Verletzte und Kranke mussten ins Krankenhaus gebracht werden. Bei einigen saß ich am Sterbebett. Solche Fälle hat es gegeben, und ich musste mich darum kümmern.

Die Beerdigung dieser Leute fiel mir so schwer und ich fühlte mich richtig schlecht. Die Leiche musste nach Korea gebracht werden. Darum haben sich die Botschaft oder die Firmen nicht gekümmert. Jede Zeche musste das selbst erledigen. Mit Leichenbestattern musste man das organisieren. Aber wie kommt die Leiche nach Korea? Die Koreaner lassen die Leichen ja nicht einäschern. Der Sarg musste aus Zink sein. So ein Sarg kostete mehrere Tausend DM. Aber die Hinterbliebenen in Korea wollten das. Der Zinksarg musste wasserundurchlässig abgedichtet sein. So konnte er mit dem Flugzeug transportiert werden. Solche Fälle gab es ungefähr zehn an der Zahl, und damals war das sehr anstrengend. Es gab viele Begebenheiten in der Zeche, die mich belastet haben, und ich bekam Magengeschwüre. Da wusste ich, dass ich das nicht mehr ertrage. Deshalb habe ich damals ein Jahr und sechs Monate lang jeden Samstag einen Computerkurs besucht. Zu dieser Zeit fing es auch in Deutschland gerade erst mit den Computern an.

So habe ich bei der Zeche aufgehört und im Hauptsitz der Zeche in der elektronischen Rechnungsabteilung 28 Jahre lang gearbeitet. Damals gab es dort etwa 24.000 Angestellte. Die Lohnkarte musste immer elektronisch abgestempelt werden. Zu der Zeit gehörten etwa zehn Bergwerke zu unserem Hauptsitz. Und die Abteilung, die alle Computer miteinander verknüpfte, kontrollierte und verwaltete, das war unsere Abteilung, in der ich gearbeitet habe. Dort war die Arbeit ganz angenehm, denn es gab Zeiten, da haben wir die Computer die Arbeit machen lassen. Zeit zum Ausruhen. Zeit, in der man nichts anderes tun musste. Das habe ich oft ausgenutzt.

1992 ereilte das Bergwerksunternehmen nach 150-jähriger Geschichte das Schicksal der Schließung. Die Produktionskosten waren zu hoch und der Kohlenpreis war teurer als der Preis der Kohle, die aus Südafrika und China nach Europa gelangte. Zwar kamen von der deutschen Regierung Subventionen, aber weil das nichts brachte, mussten die Minen stillgelegt werden. Ich war 55 Jahre alt, als ich 1992 die Möglichkeit bekam in Frührente zu gehen. Und das habe ich dann auch getan. Das sind jetzt 20 Jahre? Das ist schon 20 Jahre her, 20 Jahre ...
 

„Als wir 1975 tatsächlich in Korea waren, hatte ich das Gefühl, dass ich in Korea überhaupt nicht leben könnte“

Danach habe ich überlegt, wie es weitergehen sollte. Ich dachte mir, was ich tun könnte, wäre das, was ich schon in Korea begonnen hatte. Es wäre schön das Theologie-Studium fortzusetzen. Also habe ich in Deutschland Theologie studiert und 1994 erhielt ich die Ordination. Schon zuvor hatte ich mich kirchlich engagiert und 1975 einen Verband gegründet, eine Krankenhausmission. 1985 ergab sich die Gelegenheit, Missionare nach Afrika zu senden. Inzwischen haben wir in sieben Ländern etwa 400 Kirchen, in die wir Missionare geschickt haben und denen wir bei der Gründung geholfen haben: Republik Südafrika, Swasiland, Malawi, Mosambik, Sambia, Kongo, sogar Kenia. 140 davon haben wir errichtet.

Bevor ich Korea verließ, habe ich mich verlobt. Wir verlobten uns am 11. Dezember, und dieser Tag ist für mich auch unser Hochzeitstag. Tatsächlich haben wir erst in Deutschland geheiratet, als meine Frau mir zwei Jahre später gefolgt ist. Zu der Zeit war es neu, dass eine einfache Hausfrau nach Deutschland kam. Damals war auch das Fliegen teuer. Über ein Jahr lang musste ich mein Gehalt sparen, so teuer war das. 1965 ist sie gekommen und am letzten Tag im Dezember, am letzten Tag des Monats, haben wir geheiratet.

1975 haben wir überlegt [nach Korea] zurückzugehen und hatten alles vorbereitet. Bis dahin hatte ich von dem wenigen Lohn insgesamt 70.000 DM nach Korea überwiesen. Deswegen sind wir dorthin gegangen und haben auf dem Land 25 Majigi [8250 m²] gekauft. Als wir 1975 tatsächlich in Korea waren, hatte ich das Gefühl, dass ich in Korea überhaupt nicht leben könnte. Der Grund dafür war, dass wir 1975 schon 13 Jahre lang fort waren. Zwar haben wir die Sprache verstanden, aber wir konnten uns nicht anpassen. Die Menschen dort waren alle Überflieger und es war abzusehen, dass wir leicht deren Futter werden würden. Hinzu kam das Problem, dass unser Kind damals drei Jahre alt war. Wir hörten, dass die Ausbildungskosten in Korea ein großes Problem seien. Daher haben wir beschlossen, uns in Deutschland niederzulassen. Wir haben unsere koreanische Staatsbürgerschaft nicht aufgegeben, bis 1985 haben wir sie behalten. 25 Jahre lang haben wir damit gewartet. Aber als dann die Kinder angefangen haben zu studieren, haben wir gesagt, es tut uns zwar leid die koreanische Staatsbürgerschaft aufzugeben, aber lasst uns die deutsche Staatsbürgerschaft annehmen, und seither haben wir die deutsche Staatsbürgerschaft.

Von 1972 bis 1975, drei Jahre lang, habe ich in Nordrhein-Westfalen im koreanischen evangelischen Gemeindeverband als Vorstand gearbeitet. Bevor ich damit aufhörte, habe ich ein Jahr lang das Wochenblatt „Das Wort dieser Woche“ herausgegeben. Am Anfang betrug die Auflage etwa 500 Exemplare, zu der Zeit als ich aufhörte, waren es 1500. Das habe ich alles getippt. Ich habe Predigten von koreanischen Pastoren abgetippt, dann die Nachrichten unseres Gemeindeverbandes, Neuigkeiten von unseren Mitgliedern und verschiedene Berichte aufgeschrieben und verbreitet. Und das verschickten wir nicht nur in Deutschland, sondern auch in andere Länder, andere europäische Länder.

Wenn ich jetzt so überlege, war es nicht gut, dass ich gekommen bin. Ich denke, wenn ich in Korea geblieben wäre, egal welche Arbeit ich gehabt hätte, hätte sich mein Leben dort wohl anders entwickelt. Jetzt kann ich es sowieso nicht mehr rückgängig machen. Das geht ja nicht. Ich denke, dass alles so gekommen ist, war zwar auch meine Entscheidung, aber ich denke, Gott hat mich geschickt. Dass ich hier meinen Job gemacht habe und auch noch in der Kirche aktiv Mission betreiben konnte, war nur möglich, weil ich hier her gekommen bin. Als ich noch in Korea war, wollte ich anfangs nach Deutschland gehen, um für die Arztkosten meiner Mutter aufkommen zu können. Meine Mutter ist inzwischen gestorben. Als ich nach Deutschland ging, hat sie zu mir gesagt: „Wenn du jetzt gehst, werde ich dich wohl nicht wiedersehen können“. Bis heute denke ich an ihre Worte.

In der Sprache seines Landes, in seiner Kultur zu leben, ist das Glücklichste. In einer anderen Sprache, in einer anderen Umgebung zu leben, birgt immer Schwierigkeiten. Egal wie gut wir Deutsch sprechen, unseren Gesichtern nach sind wir Koreaner. Obwohl ich die deutsche Staatsbürgerschaft habe, bin ich Koreaner. Ich werde als Koreaner behandelt und nicht als Deutscher. Als ich das erkannt habe, wusste ich, ich muss nach Korea gehen, um als Koreaner behandelt zu werden. Hier bin ich ewiger Wanderer. Ein ewig Reisender, der seit dem 12. Lebensjahr in der Fremde umherstreift. Ewiger Wanderer. Ich denke, solange wir auf Erden sind, sind wir Wanderer. Auf Erden sind wir Wanderer. Ich lebe aber in der Hoffnung, dass wir eine Heimat haben, das ewige Paradies, in die wir zurückkehren können.

 

Übersetzt aus dem Koreanischen von You Jae Lee und Janna Wörner.

 

 

Kim Gŭn-ch’ŏl gehört zu den ersten Bergarbeitern, die 1963 aus Korea kamen. Er arbeitete in Aachen in der Zeche als Dolmetscher. Später studierte er Theologie und wirkte als Pfarrer und Missionar. Heute lebt er als Rentner in Bonn.