Jedes Jahr am 21. Februar wird weltweit der "Internationale Tag der Muttersprache" begangen. Die Generalversammlung der UNESCO beschloss die Durchführung dieses Tages im November 1999; erstmals begangen wurde er im Februar 2000.
2007 war das Thema des Tages die Verknüpfung von Muttersprache und mehrsprachiger Erziehung. Die UNESCO erkennt, dass "die Muttersprache eine wichtige Rolle für den Integrationsprozess in allen Aspekten des öffentlichen Lebens spielt, besonders aber in der Bildung". Doch Hunderte der 6000 Sprachen dieser Erde werden öffentlich nicht wahrgenommen,fünfzig Prozent von ihnen sind sogar in Gefahr zu verschwinden. Daher will die UNESCO dieses Jahr den "Tag der Muttersprache" dem Thema Multilingualismus widmen. Die Förderung der sprachlichen Vielfalt und kulturellen Identität bedeutet den bewussten Umgang mit der Muttersprache sowie das Erlernen und die Förderung der Mehrsprachigkeit.
Einen großen Erfolg in ihren Bemühungen für die weltweite Anerkennung der kulturellen und sprachlichen Vielfalt erzielte die UNESCO im November 2005, als nach langjährigen zähen Verhandlungen die Konvention zur kulturellen Vielfalt von der Generalversammlung verabschiedet wurde. Nachdem 35 Staaten dem "Übereinkommen über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen" beigetreten sind, wird es nun am 18. März 2007 in Kraft treten. Die Europäische Gemeinschaft und die ersten 13 Mitgliedstaaten haben am 19. Dezember 2006 mit einer politischen Feierstunde in Brüssel ihren Beitritt zur Konvention begangen. Mittlerweile hat auch der Deutsche Bundestag am 1. Februar 2007 mit großer Mehrheit den Beitritt Deutschlands zur Konvention beschlossen.
Mehr dazu: UNESCO Portal Cultural and Linguistic Diversity in Education
Das Erlernen und die Ausübung der Muttersprache gehören zu den kulturellen Menschenrechten, wie im Artikel 5 der Allgemeinen Erklärung zur kulturellen Vielfalt der UNESCO verankert:
Rechte zur Schaffung eines Umfeldes für kulturelle Vielfalt
Kulturelle Rechte sind integraler Bestandteil der Menschenrechte, die universell gültig, unteilbar und aufeinander bezogen sind. Die Entwicklung kreativer Vielfalt erfordert die vollständige Umsetzung der kulturellen Rechte, die in Artikel 27 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und in den Artikeln 13 und 15 des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte aufgeführt werden. Deshalb sollte jeder die Möglichkeit haben, sich selbst in der Sprache seiner Wahl auszudrücken und seine Arbeiten zu erstellen und zu verbreiten, insbesondere in seiner Muttersprache; jeder hat Anspruch auf eine qualitativ hochwertige Bildung und Ausbildung unter voller Achtung seiner kulturellen Identität; jeder sollte sich am kulturellen Leben beteiligen und unter Achtung der Menschenrechte und Grundrechte Anderer seine eigenen kulturellen Praktiken ausüben können.
Muttersprachlicher Unterricht für Migrantenkinder: in Deutschland immer noch keine Selbstverständlichkeit
Das Recht auf Muttersprache ist in Deutschland für deutschsprachige Menschen eine Selbstverständlichkeit. Auch dass Kinder möglichst mehr als eine Sprache erlernen sollten, steht schon lange außer Zweifel. Doch für die Migrantenkinder gelten offenbar nicht die gleichen Maßstäbe: Muttersprachlicher Unterricht in den Schulen ist eher die Ausnahme als die Regel.
Auf diesen Missstand weist auch die Kinderkommission des Deutschen Bundestages in ihrer Erklärung zum „Internationalen Jahr der Muttersprache“ im Jahre 2006 hin:
„Spracherwerb weist auch den Weg für eine erfolgreiche Integration. Dieser gelingt Kindern mit Migrationshintergrund am besten, wenn bei ihnen sowohl der Erwerb der deutschen Sprache, als auch der Muttersprache gefördert wird. Dazu bedarf es einer deutlich verbesserten vorschulischen und schulischen Förderung, in die gleichfalls ihre Familien eingebunden sein müssen. Mehrsprachigkeit wird so zu einer Bereicherung für Kinder und Gesellschaft.“
Doch diese auch wissenschaftlich mehrfach begründete Ensicht wird von der Bildungspolitik hierzulande nicht berücksichtigt. Und obwohl es vielfach belegt ist, dass die "lebensweltliche Zweisprachigkeit" eine besondere Kompetenz von und Chance für Migrantenkinder ist, die gefördert werden müsste, wird immer noch allein die Förderung der deutschen (Zweit-)Sprache (und anderer als "wertvoll" anerkannter Fremdsprachen) als vorrangig erachtet. Doch gute deutsche Sprachkenntnise sind zwar eine notwendige, aber keine hinreichenende Bedingung für die Eröffnung gleicher Bildungschancen für die Migrantenkinder, wie die Migrationsf- und Bldungsforschung seit vielen Jahren nachgewiesen hat.
Interkulturelle Erziehungs- und Bildungskonzepte, die die Kompetenz der Mehrsprachigkeit und den Wert sprachlicher und kultureller Vielfalt anerkennen und fördern, warten im Einwanderungsland Deutschland weiter auf ihre Umsetzung.
Lesen Sie hierzu:
Annita Kalpaka: (Erst-)Sprache - Muttersprache - Zweisprachigkeit
EU-Studie: Fremdsprachen- und Interkulturelle Kenntnisse als Wirtschaftsfaktor