Schule mit Migrationshintergrund
Migration bestimmt den Unterrichtsalltag in Deutschland seit dem Beginn der Gastarbeiterperiode in den 60er Jahren. Erst seit den 90er Jahren aber wurde anerkannt, dass die kulturelle Vielfalt der SchülerInnen ein nicht vorübergehender Zustand ist, sondern Merkmal der modernen Gesellschaft und somit auch der Schule. In einigen Großstädten haben bis zu 50 Prozent der SchülerInnen einen Migrationshintergrund. In machen Schulen 100 Prozent.
Insbesondere die ersten PISA-Ergebnisse aus dem Jahr 2000 haben gezeigt, dass die Schulen keinen Weg finden, Bildung und Kompetenzen unabhängig von der kulturellen Herkunft zu verteilen. Besonders Jugendliche mit Migrationshintergrund der zweiten Generation scheitern in der Schule oder konzentrieren sich in den
Hauptschulen. Etwa 40 Prozent von ihnen erreichen in Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften nicht einmal ein minimales Kompetenzniveau. Entsprechend gering sind die Aussichten, gleich im Anschluss in eine berufliche Ausbildung zu kommen. Viele, vor allem männliche Jugendliche mit Migrationshintergrund, landen in einem Übergangssystem, das mehr Parkplatz als Vorbereitung auf eine berufliche Bildung ist. Fast keines der hier angebotenen schulischen Angebote kann auf eine spätere Berufsausbildung angerechnet werden. Solche Aussichten schwächen die schulische Motivation. Warum anstrengen, wenn Leistung sich doch nicht lohnt!
Die Debatte über die Ursachen dieser Entwicklung führt zu gegenseitigen Schuldzuweisungen. Schulen beschuldigen die Migranteneltern, ihre Kinder nicht genügend zu unterstützen oder ihre schulische Integration durch kulturelle Abschottung geradezu zu behindern. Eltern und SchülerInnen beschuldigen das Schulsystem, die Gruppen mit besonderem Förderbedarf von vorneherein vor allem den Schulformen mit den schlechteren Aussichten zuzuweisen. Einigkeit besteht nur darin, dass Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund besondere Förderung brauchen.
Wie und unter welchen Umständen diese auch jenseits von Schuldzuweisungen gelingen kann, unter welchen Bedingungen Schule mit Migration und Heterogenität erfolgreicher als bisher umgehen kann, ist die Frage der Hamburger Konferenz „Schule mit Migrationshintergrund“, zu der dieses Dossier zusammen gestellt wurde. Die hier versammelten Artikel sind zum großen Teil Konferenzbeiträge, sie werden ergänzt um weitere Artikel über Engagement, Einfallsreichtum von Eltern, SchülerInnen und LehrerInnen. Sie zeigen, dass und wie Schule mit Migrationshintergrund gelingen kann.
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Inhaltsverzeichnis
Abseits der Debatte über Schulformen und Schulstruktur, die an anderem Ort geführt werden muss, und auch unter Absehung von der sehr wichtigen Frage nach der Ausrichtung des Sprachunterrichts gliedert sich das Dossier in vier Themenblöcke:
- Im Themenbereich Interkulturelle Schule finden sich Beispiele von Programmen für die Öffnung der Schulen gegenüber der kulturellen Vielfalt ihrer Schülerschaft, für den reflektierten Umgang mit Heterogenität und Diversität. Diese Programme bestechen dadurch, dass sie Chancengleichheit und hohe Qualität und Leistung gewährleisten sollen.
- Im Themenblock Diskriminierung in der Schule werden diskriminierende Strukturen und Mechanismen analysiert und Gegenstrategien vorgestellt. Neben den Diskriminierungserfahrungen von SchülerInnen mit Migrationshintergrund kommen auch solche von LehrerInnen zur Sprache.
- Im Themenbereich Eltern- und Elternbeteiligung geht es um die große Bedeutung, die der Kooperation zwischen Schule und Elternhaus zukommt. Hier spielen Einstellungen und Werthaltungen von Migranteneltern gegenüber Bildung und Schule eine große Rolle, ebenso der Wille zur Selbsthilfe durch Elternvereine. Nicht weniger kommt es aber auch darauf an, wie die Schulen den Eltern durch interkulturelle Elternarbeit entgegenkommen.
- Im letzten Themenbereich Mentoring und andere Fördermöglichkeiten finden sich Beiträge über die beispielhafte Förderung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund in Schule und Beruf, die den besonderen Bildungsvoraussetzungen und Schwierigkeiten dieser Schülergruppe Rechnung tragen.