Von ethno-kultureller zu republikanischer Integration

von Jürgen Gerdes und Thomas Faist

Die in der Nachkriegszeit im internationalen Vergleich eher restriktive Haltung Deutschlands zu Einwanderung und insbesondere zur rechtlichen und politischen Integration von ImmigrantInnen ist in der Migrationsforschung häufig mit kulturhistorischen Faktoren erklärt worden. Es ist vielfach behauptet worden, dass die langjährige offizielle Weigerung der Anerkennung Deutschlands als ein Einwanderungsland und insbesondere die restriktive Einbürgerungspolitik gegenüber den seit den 1950er Jahren eingewanderten Arbeitsemigrantinnen auf eine längerfristige historische Kontinuität eines ethnischen oder ethno-kulturellen Verständnisses von Nation basieren würde, das auch noch in der neugegründeten Bundesrepublik Deutschland die politische Kultur wesentlich geprägt habe. Dass hier das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz von 1913 im Wesentlichen noch bis 2000 gelten konnte, sei ein deutlicher Ausdruck dessen.

Während in Nationalstaaten mit einem traditionell demokratisch-republikanischen Nationskonzept, wie insbesondere Frankreich und den USA, ein der Aufnahme und Eingliederung von ImmigrantInnen gegenüber offeneres Verständnis dominiere, sei in Deutschland ein auf Kultur und Abstammung beruhendes Verständnis von staatsbürgerlicher Zugehörigkeit vorherrschend gewesen. Dieses Erklärungsmodell ist sowohl in der nationalen (z.B. Oberndörfer 1991; Heckmann 1992; Hoffmann 1992) als auch in der internationalen Migrationsforschung vielfach vertreten worden (z.B. Brubaker 1992; Castles/Miller 1993; Koopmanns 1999, hier zu den Literaturangaben).

Durch die rot-grüne Reform des Staatsangehörigkeitsrechts im Jahre 1999 wurde jedoch das lange ausschließlich in Deutschland geltende Abstammungsprinzip (ius sanguinis) des primären Staatsangehörigkeitserwerbs durch ein im europäischen Vergleich äußerst weitreichendes Territorialprinzip (ius soli) ergänzt und die erforderliche Aufenthaltsdauer bei Einbürgerungen auf acht Jahre verkürzt. Viele wissenschaftliche Beobachter, die zuvor die „ethno-kulturelle These“ im deutschen Fall für erklärungskräftig hielten, sehen in dieser Reform nunmehr eine eindeutige Abkehr von ethnokulturellen Selbstbestimmungsansprüchen in Deutschland (siehe z.B. Joppke 1999 im Vgl. zu Joppke 2000, oder Kurthen 1995 im Vgl. zu Kurthen 2006).

Dennoch hat dieses Erklärungsmodell in der Migrationsforschung offenbar einen so starken Einfluss, dass es nach wie vor Interpreten gibt, die in den immer noch vergleichsweise geringen Einbürgerungsraten in Deutschland und weiterhin existierenden restriktiven Einbürgerungsbedingungen, wie bspw. der aufrecht erhaltenen prinzipiellen Ablehnung doppelter Staatsbürgerschaft im deutschen Staatsangehörigkeitsrecht, weiterhin einen Ausdruck eines fortbestehenden problematischen ethno-kulturellen nationalen Selbstverständnis sehen (z.B. Dietl 1999; Meiländer 2001; Green 2005; Sarcinelli/Stopper 2005; Kirloskar-Steinbach 2007).

Vor dem Hintergrund dessen, dass sich die Einbürgerungsraten auch nach der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts von 1999 nicht erhöht haben und die Einbürgerungsbedingungen im Jahr 2007 insgesamt weiter verschärft worden sind, soll hier die Erklärungskraft dieses nationalgeschichtlichen Ansatzes noch einmal begutachtet werden.

Wir vertreten hier die These, dass die Fokussierung auf ein spezifisch deutsches, historisch tradiertes ethno-kulturelles Nationsverständnis zur Erklärung der jüngeren Entwicklung des deutschen Staatsangehörigkeitsrechts und der politischen Diskussion nichts mehr beitragen kann, sondern von den eigentlichen Kontroversen und Problemen eher ablenkt.

Die heutigen politischen Konflikte um die rechtliche Integration von ImmigrantInnen und deren Einbürgerung ereignen sich, sehr ähnlich wie in anderen westlichen Staaten, innerhalb eines republikanischen Selbstverständnisses und reflektieren sehr unterschiedliche Interpretationen der Funktion der Staatsbürgerschaft und des Verhältnisses von Integration und Einbürgerung. Insbesondere wird auf der einen Seite Bürgerschaft als Aktivität, Pflicht und Leistung und auf der anderen Seite Staatsbürgerschaft als Rechtsstatus und Voraussetzung der Demokratie akzentuiert.

Die hier präsentierten Überlegungen basieren auf Ergebnissen des von der Volkswagenstiftung geförderten dreijährigen Forschungsprojekts Mehrfache Staatsbürgerschaft in einer sich globalisierenden Welt. Deutschland im internationalen Vergleich an der Hochschule Bremen, das die Staatsangehörigkeitspolitik in Deutschland, der Niederlande, Schweden, Polen und der Türkei analysiert hat (Faist 2007; Gerdes/Faist 2006; Gerdes/Faist 2007).

Das ethno-kulturelle Erklärungskonzept und seine Probleme
Die wissenschaftliche Kanonisierung der idealtypischen Gegenüberstellung von ‚republikanischem’ vs. ‚ethno-kulturellem’ Nationskonzept, oder auch Staatsnation vs. Kulturnation, verdankt sich wesentlich dem systematisch zugespitzten Gegensatz zwischen traditionellem französischen und deutschen Nationsverständnis, das sich insbesondere im Streit um die legitime Zugehörigkeit Elsass-Lothringens Ende des 19. Jahrhundert in polemischer Gegenüberstellung entwickelt hat (Gosewinkel 2001).

Bei genauerer Betrachtung lassen sich im Wesentlichen zwei Kriterien identifizieren, durch die sich die beiden Konzepte vor allem unterscheiden und die beide die Zugehörigkeit von BürgerInnen zum Staatsvolk in paradigmatischer Weise bestimmen.

Aus der Perspektive der Personen ist dem republikanischen Verständnis zufolge die Mitgliedschaft wesentlich eine Frage des subjektiven Willens und der individuellen Bereitschaft zur Zugehörigkeit und Identifikation mit Staat und Nation, während nach einem ethno-kulturellen Verständnis die Mitgliedschaft objektiv durch die Zugehörigkeit zur ethnischen, kulturellen und sprachlichen Gemeinschaft hauptsächlich aufgrund von Abstammung bestimmt wird.

Hinsichtlich der Reproduktion der politischen Gemeinschaft ist aus republikanischer Sicht die politische Integration wesentlich durch gleiche politische Partizipation derjenigen, die auf dem Territorium des Staates der politischen Herrschaft unterworfen sind, für die Ausbildung von Loyalität und Gemeinsinn zentral, während in ethno-kultureller Perspektive die kulturelle Integration durch ein Bewusstsein gemeinsamer ethnischer Abstammung und kultureller Zugehörigkeit in vorpolitischer intergenerationeller Kontinuität die Voraussetzung für politische Mitgliedschaft darstellt. Der Zugang zur Staatsbürgerschaft ist deswegen in ethnisch-kulturell definierten Nationalstaaten häufig nach ethnischer Abstammung und kultureller Nähe differenziert und stellt die Ausnahme dar und erfolgt in republikanischen Nationalstaaten für alle ImmigrantInnen unter vergleichsweise liberalen gleichen Bedingungen (vgl. z.B. Alter 1985; Lepsius 1990; Brubaker 1992).

Die intuitive Anziehungskraft dieses nationalgeschichtlichen Erklärungsmodells und seiner manchmal geradezu beschwörenden Anwendung im deutschen Kontext beruht wahrscheinlich sowohl auf seiner griffigen Gegensätzlichkeit als auch darauf, dass darin analytische und normative Elemente eigentümlich miteinander vermischt sind. Genau darin aber bestehen die konzeptuellen Probleme dieses Erklärungsansatzes. Aussagen, die zwischen Staats- und Kulturnation oder republikanischem und ethno-kulturellem Nationsverständnis unterscheiden, enthalten i. d. R. ein eindeutiges normatives Urteil über das jeweils vorzugswürdigere Konzept.

Während das republikanische Nationskonzept mit modernen und universalistischen Prinzipien, freiwilliger Entscheidung, liberaler Gleichheit und Demokratie assoziiert wird, gilt ein ethno-kulturelles Nationsverständnis zumindest der Tendenz nach als Ausdruck eines rückwärtsgewandten, partikularistischen, tendenziell autoritären und mindestens chauvinistischen Nationalismus (Peters 2002).

Dementsprechend bedeutet die Charakterisierung der deutschen Integrations- und Staatsangehörigkeitsrechtspolitik als ethno-kulturell meistens nicht nur ihre Beschreibung als vergleichsweise eher exkludierend, sondern enthält darüber hinaus das Urteil, dass diese restriktiven Regeln eine illegitime Diskriminierung nach askriptiven Merkmalen wie Rasse, Ethnizität oder nationaler Herkunft beinhalten, was den einschlägigen Anti-Diskriminierungsnormen in den Menschenrechtskatalogen offensichtlich widerspricht.

Aber auch in erklärender Perspektive beinhalten die Argumente im Kontext dieser Typologien nicht selten deutliche Unklarheiten. Es gibt i.d.R. eine Gleichsetzung eines republikanischen Nationsverständnisses mit inklusiven und liberalen Regeln des Staatsbürgerschaftserwerbs, ebenso wie umgekehrt davon ausgegangen wird, dass ein ethno-kulturelles Nationskonzept eher restriktive Einbürgerungsregeln zur Folge haben würde. Dabei werden häufiger die beiden Faktoren des Nationalverständnisses einerseits und der staatsangehörigkeitsrechtlichen Regeln andererseits gar nicht systematisch voneinander getrennt, um die Frage eines möglichen Zusammenhangs unvoreingenommen zu prüfen. Aus der Tatsache, dass die Regeln des Staatsangehörigkeitsrechts oder deren Wirkung in Gestalt der Einbürgerungsraten restriktiv sind, wird dann manchmal geschlossen, dass ein ethno-kulturelles Nationskonzept fortexistiert.

In den deutschen Diskussionen vor der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts wurde z.B. von Kritikern oft allein die Existenz des ius sanguinis wegen seines zweifellos exkludierenden Effektes als hinreichendes Indiz für die Kontinuität des historisch überlieferten deutschen Nationsverständnis betrachtet.

In ähnlicher Weise wurde in einem jüngeren die Staatsangehörigkeitsrechtsreform von 1999 interpretierenden Beitrag argumentiert, dass Deutschland nur dann den ethno-kulturellen Pfad wirklich verlassen hätte, wenn die Staatsangehörigkeitsrechtspolitik einen eindeutigen Anstieg der Einbürgerungszahlen zur Folge gehabt hätte. Die vehemente Ablehnung doppelter Staatsbürgerschaft wurde dabei als hinreichender Beleg für ein dennoch starkes ethno-kulturelles Verständnis innerhalb der CDU/CSU gewertet, weil damit das Ziel vergleichsweise niedriger Einbürgerungsquoten konstant gehalten werden könne (Green 2005). Mit diesem Zirkelschluss wird einerseits einfach unterstellt, dass es einflussreiche ethno-kulturell motivierte politischen Interessen, in diesem Fall innerhalb der Unionsparteien, nach wie vor gibt, und andererseits, dass – zumindest in Deutschland – restriktive Einbürgerungsregeln ihre Ursache nur im ethno-kulturellen Selbstverständnis haben können.

Diese Beschreibung des Problems der mangelhaften Inklusion der in Deutschland lebenden ImmigrantInnen als eine Frage des nicht hinreichend aufgeklärten und modernisierten deutschen Nationalbewusstseins hat offenbar die Auffassung genährt, dass es vor allem um eine Demokratisierung der politischen Kultur in Deutschland geht und dass dies sozusagen automatisch auch zu liberaleren Regeln einer (nachholenden) politischen Integration führt.

Inzwischen aber hat die Implementierung restriktiverer Einbürgerungsregeln in traditionell republikanischen Nationalstaaten, wie z.B. die Einführung von Einbürgerungstests bzw. die Diskussion darum in Großbritannien, den Niederlanden und Frankreich diese Gleichung von republikanischem Selbstverständnis und liberalen Einbürgerungsbedingungen als eine Illusion entlarvt.

Aber auch in historischer Perspektive zeigt sich die Fragwürdigkeit solcher Annahmen hinsichtlich einer anderen restriktiven Einbürgerungsbedingung, nämlich der der Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit als Voraussetzung der Einbürgerung. Im klassischen republikanischen Einwanderungsland USA gab es schon aus historischen Gründen starke Bedenken gegenüber mit doppelten Staatsbürgerschaften assoziierten doppelten Loyalitäten. Das illustriert die berühmte Abschwörungsklausel im Treueeid, den ImmigrantInnen bei der Einbürgerungszeremonie leisten müssen:

„I hereby declare, on oath, that I absolutely and entirely renounce and abjure all allegiance and fidelity to any foreign prince, potentate, state or sovereignty, to whom or which I have heretofore been a subject or citizen (…)“

In den USA führten in früheren Zeiten auch andere Indikatoren doppelter Loyalität, wie der Eintritt in den Wehrdienst, die Übernahme politischer Ämter und mitunter sogar die Teilnahme an politischen Wahlen in einem anderen Staat zur Ausbürgerung.

Auch im aktuelleren amerikanischen politik- und sozialwissenschaftlichen Diskurs werden doppelte Staatsbürgerschaften von kritischer Seite als Begünstigung transnationaler Bindungen betrachtet, die die nationalstaatliche Identifikation und Loyalität neuer BürgerInnen gefährden. Die Aufgabe des Prinzips der Exklusivität der Staatsbürgerschaft bedeute die Entwertung nationaler Staatsbürgerschaft zu einem Instrument vorwiegend individuellen Nutzenkalküls, wobei die Balance zwischen Rechten und Pflichten aus dem Gleichgewicht gerate. Ferner würden die ImmigrantInnen von Integrationsleistungen und Assimilationsanstrengungen dadurch entlastet (vgl. Renshon 2001; Huntington 2004).

Eindeutig republikanische Nationalkonzepte können also offenbar durchaus restriktive Einbürgerungsbedingungen zur Folge haben.

Wenn hohe Hürden des Staatsangehörigkeitserwerbs dagegen auf ethno-kulturell geprägte kollektive Identitäten zurückgeführt werden sollen, müsste man das Nationalbewusstsein als eine von den geltenden Staatsangehörigkeitsrechtsregeln zunächst unabhängige Größe betrachten. Dann müsste danach gefragt, ob und wie weit sich ein etwaiges dominantes ethno-kulturelles Denken in politischen und öffentlichen Debatten über die nationale und kollektive Identität in Deutschland offenbart. Welche Anhaltspunkte gibt es dafür, dass sich Auffassungen eines „deutschen Sonderwegs“ der kulturnationalen Selbstdefinition, der sicher zur Katastrophe des Nationalsozialismus, Holocausts und Zweiten Weltkriegs beigetragen hat, auch in der Bundesrepublik Deutschland von Bedeutung waren oder gar noch sind? Diskurse über die Fragen der „Aufarbeitung der Vergangenheit“ und der besonderen nationalen Verantwortung Deutschlands gegenüber dieser Vergangenheit gehen gerade nicht von einer bruchlosen Kontinuität eines bestimmten deutschen Nationalismus aus (vgl. z.B. Winkler 1991; Peters 2002).

In diesen regelmäßig wiederkehrenden Debatten über den Umgang mit der deutschen Geschichte ist die dominante Frage eher die, ob der deutsche Faschismus historisch einmalige Merkmale aufweist oder ob dieser sich mit der Zeit und/oder im Vergleich mit anderen kollektiven und staatlich organisierten Verbrechen relativieren lässt.

Interessanterweise sind es dabei eher Positionen aus dem linken Lager, die im Verweis auf die historische Einmaligkeit des Nationalsozialismus eine besondere Verantwortung Deutschlands reklamieren, während konservative Akteure eher auf eine Normalisierung der deutschen nationalen Identität drängen, die aber gerade nicht vorrangig in Anknüpfung „altdeutscher“ Traditionen, sondern unter Hinweis auf das Nationalbewusstsein in anderen westlichen demokratischen Staaten gesucht wird.

So war denn auch die West- und Europaorientierung der Bundesrepublik von Anbeginn ein herausragendes und konstantes Merkmal der Debatten um die deutsche Identität. Westorientierung und außenpolitische Rücksichten haben im Übrigen auch schon in den frühen politischen Debatten um die Anwerbung der sogenannten „Gastarbeiter“ und des Ausländerrechts eine bedeutende Rolle gespielt (Schönwälder 2001).

Ein anderer Aspekt, der häufig als zentraler Beleg der Kontinuität des ethnischen deutschen Nationsverständnisses angeführt wurde, ist die privilegierte Behandlung der deutschen (Spät-)AussiedlerInnen gemäß und infolge Art. 116 des Grundgesetzes. In dieser Hinsicht ist es schon verwunderlich, dass in Überblicksdarstellungen über die deutsche Immigrationspolitik häufig der Hinweis fehlt, dass dieser Passus des Grundgesetzes die Verantwortung des Nachfolgestaats des Naziregimes gegenüber denjenigen, die wegen der nationalsozialistischen Verbrechen als Deutschstämmige verfolgt und vertrieben wurden, widerspiegelt.

Die ethnische Definition der betreffenden Personen war ja kein Selbstzweck, sondern Mittel zur Identifizierung von Personen, die Anspruch auf Kompensation für erlittenes Unrecht haben sollten. Deswegen betrafen diese Regelungen nur die Länder des ehemaligen Ostblocks und galten niemals für alle Nachkommen deutscher Auswanderer in anderen Teilen der Welt, wie etwa in Nord- und Südamerika (Bös 2000).

Die Übernahme des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes von 1913 in Verbindung mit Art.116 GG in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg stand außerdem in einem engem Zusammenhang damit, die Perspektive einer zukünftigen Wiedervereinigung Deutschlands aufrechtzuerhalten. Als Ausdruck der Kontinuität einer einheitlichen deutschen Staatsangehörigkeit sollte keine besondere Staatsangehörigkeit der Bundesrepublik Deutschland geschaffen werden.

Während des Kalten Krieges diente die Übernahme des alten deutschen Staatsangehörigkeitsrechts wesentlich als ein Mittel, die Legitimität und Souveränität der DDR ideologisch zu unterminieren und die Repräsentation aller Deutschen zu reklamieren. Jedes neue Staatsangehörigkeitsrecht, das die BürgerInnen Ostdeutschlands als Deutsche definiert hätte, wäre wohl völkerrechtswidrig gewesen, weil es keinem Staat erlaubt ist, BürgerInnen eines anderen anerkannten Staates als seine eigenen zu erklären.

Es ist insofern kein Zufall, dass erst nach der Wiedervereinigung Deutschlands die politische Debatte um eine Staatsangehörigkeitsreform an Intensität erheblich zugenommen hat und von allen Seiten diverse Reformvorschläge unterbreitet wurden.

Gab es Argumente eines ethno-kulturellen Nationskonzepts in den Debatten um die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts?
Wenn ein ethno-kulturelles Nationsverständnis in Deutschland einflussreich wäre, müsste es sich gerade im Kontext von politischen Debatten zum Staatsangehörigkeitsrecht zeigen. Argumentationsanalysen der öffentlichen und parlamentarischen Debatten zur Reform des deutschen Staatsangehörigkeitsrechts in 1990er Jahren, die im Kontext des oben erwähnten Forschungsprojekts durchgeführt wurden, haben solche Positionen jedoch nicht identifizieren können.

SPD, Bündnis 90/Grüne und die PDS als die BefürworterInnen der Einführung eines ergänzenden ius soli und einer generellen Toleranz gegenüber doppelter Staatsbürgerschaft in allen Fällen von Anspruchseinbürgerungen argumentierten durchgängig und eindeutig republikanisch, indem sie den Staatsbürgerschaftserwerb als eine Frage des gleichen Rechtsstatus der ImmigrantInnen und eine erleichterte Einbürgerung im Namen der demokratischen Idee der Kongruenz von Wohnbevölkerung und wahlberechtigtes Staatsvolk als notwendig verteidigten.

Aber auch die damalige vehemente Opposition gegen die rot-grüne Staatsangehörigkeitsrechtsreform insbesondere seitens der Unionsparteien lässt sich nicht auf ein ethno-kulturelles Nationsverständnis zurückführen. Die individuelle Beitrittsmöglichkeit der EinwanderInnen zur politischen Gemeinschaft wurde sogar besonders akzentuiert. Der individuelle Wille der ImmigrantInnen ist aus Sicht der CDU/CSU gerade die entscheidende Voraussetzung der Einbürgerung.

Die Unionsparteien hatten ja bereits im Rahmen des Kompromisses zur Änderung des Asylrechts 1993 der Einführung eines individuellen Rechtsanspruchs auf Einbürgerung unter definierten Voraussetzungen zugestimmt. Zu diesen Bedingungen gehört die Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit aus Sicht der CDU/CSU deshalb, weil dieser Akt und die entsprechenden Bemühungen auf Entlassung aus der Staatsangehörigkeit des Heimatstaates gerade die Funktion erfüllen soll, den authentischen Willen und die individuelle Bereitschaft der ImmigrantInnen zur Identifikation mit Staat und Gesellschaft in Deutschland angemessen zu dokumentieren: er dient somit als eine Art Treueeid.

In den Debatten im Deutschen Bundestag zur Staatsangehörigkeitsreform wurde von christdemokratischen Abgeordneten wiederholt zugestanden, dass eine weitere grundlegende Reform des überalterten Staatsangehörigkeitsrechts von 1913 notwendig sein würde und weiteren Erleichterungen der Einbürgerungsbedingungen zugestimmt.

Die damalige CDU/CSU-FDP-Koalition hat 1984 bereits hingewiesen, dass eine Erhöhung der Einbürgerungsraten auch im öffentlichen Interesse sei, „weil kein Staat es auf Dauer hinnehmen kann, dass ein zahlenmäßig bedeutender Teil der Bevölkerung über Generationen hinweg außerhalb der staatlichen Gemeinschaft und außerhalb der Loyalitätspflichten ihm gegenübersteht.“ (BT-Drs. 10/2071) Ähnliche Aussagen sind auch in den parlamentarischen Debatten um die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts in den 1990er Jahren von Unions-Abgeordneten gemacht worden.

Im Übrigen hat die CDU/CSU in ihrem alternativen Entwurf für eine Staatsangehörigkeitsrechtsreform 1999 restriktivere Bedingungen des Verlusts deutscher Staatsangehörigkeit vorgeschlagen, wenn infolge langjährigen Wohnsitzes im Ausland angenommen werden kann, dass die Bindungen zum deutschen Staat gelöst worden sind (BT-Drs. 14/535). Dies widerspricht ebenso einem ethno-kulturellen Nationsverständnis, weil in diesen Fällen die Neigung besteht, die Bindungen zu Auslandsbürgern aufrecht zu erhalten.

Die sehr wenigen Äußerungen seitens der Union, die sich im Zusammenhang der Reformdebatte direkt auf das Nationsverständnis bezogen, verweisen ebenso auf ein eher republikanisches Verständnis. Der Abgeordnete Scholz etwa stimmte dem Begriff der Nation als „Willens- und Erlebnisgemeinschaft“ ausdrücklich zu, den Innenminister Schily zur Rechtfertigung des Reformgesetzes in der letzten Beratung im Bundestag unter Bezug auf einen der wichtigsten Urheber des republikanischen Nationsbegriff, Ernest Renan, ausführlich zitierte und erläuterte (BT-Plenarprotokoll 14/40: 3418). Auch Rüttgers bezog sich in derselben Debatte zustimmend auf Renan und betonte die überlebensnotwendige „Offenheit“ moderner Nationen (BT-Plenarprotokoll 14/40: 3420).

Die mehrfache Charakterisierung des Staatsvolks als Schicksalsgemeinschaft, aus der man nicht beliebig ein- und austreten könne, kann ebenso nicht als Hinweis auf ein ethno-kulturelles Verständnis in der CDU/CSU betrachtet werden, weil in diesem Zusammenhang in der Regel auf Aussagen des Bundesverfassungsgerichts verwiesen wurde. Dabei ging es eher um die besondere Bedeutung der Staatsbürgerschaft im Unterschied zu anderen Formen von Mitgliedschaften wie in Vereinen, Verbänden und Organisationen.

Allerdings ist argumentiert worden, dass aus Gründen des dominierenden kritischen Diskursklimas gegenüber ethno-kulturellen Konzepten die gleichwohl substanziell nach wie vor vorhandenen kulturnationalen Einstellungen nicht offen geäußert würden, sondern in einem unverdächtigen Vokabular und mittels anderer, beispielsweise verfassungsrechtlicher und demokratietheoretischer Argumentationsmuster rationalisiert werden, um dadurch wiederum bestimmte Wählergruppen anzusprechen, die starke Ressentiments und Vorurteile gegenüber ethnisch-kulturellen Differenzen haben (Sarcinelli/Stopper 2005). Nach unserer Auffassung sollte man aber davon ausgehen dürfen, dass, wenn die Dominanz oder Persistenz eines bestimmten Nationsverständnisses in der politischen Kultur reklamiert werden soll, sich dieses zu einem gewissen Anteil auch in öffentlichen Äußerungen in den entsprechenden Debatten kristallisiert, ähnlich wie dies auch in historischen Debatten zum deutschen Staatsangehörigkeitsrecht am Ende des 19. Und zu Beginn des 20. Jahrhunderts der Fall war (vgl. Brubaker 1992). 

Einbürgerung als Voraussetzung oder Abschluss der Integration
Die politischen Vorstellungen des Verhältnisses von Integration und Einbürgerung haben sich in den letzen Jahren in Europa insgesamt signifikant verändert. Während in vielen europäischen Immigrationsstaaten etwa ab den 1970er die Einbürgerung von ImmigrantInnen aus Gründen der rechtlichen und politischen Gleichstellung überwiegend als eine Voraussetzung bzw. ein Mittel der Integration aufgefasst wurden, dominiert nunmehr die Auffassung, dass die Einbürgerung erst am Ende einer gelungenen Integration erfolgen sollte (Bauböck et. al. 2006). In der deutschen Debatte 1999 um die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts trafen diese beiden Auffassungen in den sich gegenüberstehenden politischen Lagern direkt und besonders kontrovers aufeinander.

Die zentralen Argumente für eine erleichterte Einbürgerung seitens der Befürworter des ius soli und der Akzeptanz doppelter Staatsbürgerschaften bezogen sich in verschiedenen Varianten auf die Herstellung politischer und gesellschaftlicher Gleichheit. Die SPD, Bündnis 90/Grüne, die PDS und zum Teil auch die FDP betrachteten die politische Inklusion mittels des Staatsangehörigkeitserwerbs wurde einerseits als die Voraussetzung gelingender Integration und andererseits als eine Frage gleicher Rechte und der Herstellung rechtlicher und gesellschaftlicher Gleichheit.

Die einzelnen Argumente der Gleichheit waren dabei auf verschiedene Vergleichsgesichtspunkte bezogen worden. Beispielsweise sei es im Verhältnis zur deutschen Bevölkerung ein legitimer Anspruch der ImmigrantInnen, mittels des Staatsbürgerschaftserwerbs im Aufenthaltsstaat denselben Umfang ziviler und sozialer und insbesondere politischer Rechte als Voraussetzung ihrer gleichen Lebenschancen zu erhalten. Der staatsangehörigkeitsrechtlichen Gleichstellung der ImmigrantInnen wurde außerdem der vermutete Effekt zugeschrieben, fremdenfeindlichen Einstellungen dadurch entgegenzuwirken, dass einer diskriminierenden Differenzierung von Ausländern und Deutschen sozusagen die institutionelle Grundlage entzogen werde. Außerdem würde der Erwerb der Staatsbürgerschaft auf Seiten der ImmigrantInnen die Ausbildung von Gefühlen gleichberechtigter Zugehörigkeit und Identifikation mit der deutschen Gesellschaft begünstigen.

Darüber hinaus wird der Staatsbürgerschaftserwerb, teilweise unter explizitem Rekurs auf die berühmte Parole der amerikanischen Revolution „no taxation without representation“, als eine überfällige Balancierung der Rechte und Pflichten der ImmigrantInnen betrachtet: Diejenigen, die seit langer Zeit ihre Pflichten in Gestalt der Entrichtung von Steuern und Sozialbeiträgen erfüllt haben, hätten einen legitimen Anspruch auf den vollen Umfang der korrespondierenden Rechte.

Auch im Hinblick des grundgesetzlich uneingeschränkten Anspruchs der osteuropäischen Aussiedler auf die deutsche Staatsangehörigkeit gelte es eine Gleichstellung der schon lange im Land befindlichen ArbeitsmigrantInnen herzustellen, indem auch hier doppelte Staatsbürgerschaften toleriert werden. Auch im Bezug auf das Verhältnis von Nicht-Staatsangehörigen aus der Europäischen Union und Drittstaatsangehörigen spielte das Gleichstellungsargument eine gewisse Rolle. Denn nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum kommunalen Ausländerwahlrecht könne nur eine Einbürgerung der ImmigrantInnen aus Nicht-EU-Staaten ihnen politische Wahlrechte verschaffen, die nichtdeutsche EU-Bürger auf kommunaler Ebene bereits haben.

Argumente des kollektiven Selbstverständnisses Deutschlands zugunsten der debattierten Reformen bezogen sich in verschiedenen Varianten auf die überfällige Selbstanerkennung Deutschlands als Einwanderungsland und auf die allgemein akzeptierte pro-europäische Haltung, die sich aber insofern in einem reformierten deutschen Staatsangehörigkeitsrecht niederschlagen müsse, als die liberalen Entwicklungen in anderen europäischen Staaten nachvollzogen werden müssten.

Auf Seiten der Gegner der umstrittenen Elemente der Reform des deutschen Staatsangehörigkeitsrechts wurde der Begriff der Integration tendenziell mit Loyalität identifiziert. Während für die Befürworter der Reform die politische Loyalität der ImmigrantInnen von ihrer gleichberechtigten politischen Inklusion zu erwarten sei, waren die die Gegner der Auffassung, dass sich politische Loyalität erst aus einer umfassenden gesellschaftlichen Integration ableiten lasse.

Nach der bis heute aufrecht erhaltenen Auffassung der CDU/CSU ist der Staatsbürgerschaftserwerb selbst kein Mittel der Integration, sondern kann erst nach erkennbar erfolgreicher gesellschaftlicher Integration gewährt werden. Gesellschaftliche Integration wurde dabei als Partizipation in öffentlichen Institutionen und Mitgliedschaft in Vereinigungen der Zivilgesellschaft erläutert. Die Regeln der Einbürgerung hätten deshalb auf verlässlichen Kriterien zu basieren, die eine erfolgreiche gesellschaftliche Integration vermuten lassen, damit eine Einbürgerung von Personen ausgeschlossen ist, die keine wirklichen Bindungen zu Deutschland entwickelt haben oder dies wegen späteren Rückkehrabsichten in das Heimatland auch gar nicht wollen. Aber auch für die übrigen ImmigrantInnen, die eine dauerhafte Lebensperspektive in Deutschland sehen, sei die Akzeptanz von doppelter Staatsbürgerschaft im Namen ihrer Integration schädlich, weil sie dadurch von den notwendigen eigenverantwortlichen Integrationsanstrengungen befreit würden. Integration wurde insofern nahezu ausschließlich als eine Aufgabe der ImmigrantInnen selbst beschreiben: als ihre jeweilige individuelle Bereitschaft, Anstrengung und Leistung.

Unter Gesichtspunkten demokratischer Legitimation vertrat die CDU/CSU, wie schon in der Kontroverse zum kommunalen Ausländerwahlrecht zu Beginn der 1990er Jahre (vgl. Joppke 1999), eine Position, die vor allem die Seite der bürgerschaftlichen Pflichten betont, denen die einzelnen Personen sich nicht entziehen dürfen sollen, wenn sie demokratisch in vollem Umfang mitbestimmen können. Die Akzeptanz doppelter Staatsbürgerschaften würde zudem zu einer Privilegierung von ImmigrantInnen führen, die damit Zugang zu den korrespondieren Rechten von zwei Staatsbürgerschaften hätten, was deshalb konsequenter Weise von der Mehrheit der deutschen Bevölkerung abgelehnt würde.

Dem Diskurs über Integrationspflichten auf Seiten der Unionsparteien korrespondierte sicherlich eine unverhältnismäßige Akzentuierung staatlicher Interessen in Fragen des Staatsangehörigkeitsrechts zu Lasten legitimer Ansprüche der ImmigrantInnen. Die einzelnen Argumente bezogen sich aber nicht auf Aspekte kultureller Homogenität oder Integrität, sondern auf Fragen nationalstaatlicher Souveränität. Sie entsprachen ganz überwiegend den klassischen Einwänden gegen doppelte Staatsbürgerschaften, wie sie unter dem Stichwort der damit einhergehenden doppelten oder gespaltenen Loyalität in einer Welt koexistierender Nationalstaaten schon immer vorgetragen worden sind und auch in anderen Staaten gegenwärtig noch von eher konservativen Parteien vertreten werden.

Im deutschen Kontext verwiesen Unionsabgeordnete auf mögliche Rechtskonflikte im einfachen Recht durch die Anknüpfung an zwei staatliche Rechtsbereiche – insbesondere in den Bereichen der Wehrpflicht, Steuerpflicht und im Familienrecht. Insbesondere aber wurden Argumente im Kontext innerer Sicherheit vorgetragen. So wurde vielfach behauptet, dass in Fällen krimineller Vergehen keine Möglichkeit der Abschiebung besteht, wenn die betreffenden Personen auch die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Außerdem bestehe die Möglichkeit des Konfliktimports, wenn Personen mit unterschiedlichen anderen Staatsbürgerschaften nationale Konflikte auf deutschem Boden austragen. Die nationale Souveränität könne womöglich auch dadurch beeinträchtigt werden, dass Emigrationsstaaten, die ihre Bürger zur Annahme der Staatsangehörigkeit in Deutschland auffordern, darüber vermittelt Einfluss auf die deutsche Politik nehmen könnten.

Statt durch nicht hinreichend aufgeklärte ethno-kulturelle Relikte ist die Position der CDU/CSU viel eher durch „kommunitaristische“ Vorstellungen gekennzeichnet (vgl. Kluxen-Pyta 1997; CDU-Präsidiumskommission 2000), und zwar in zweierlei Hinsicht.

Sie besteht einerseits auf dem völkerrechtlich anerkannten Recht souveräner Nationalstaaten, die Zugangs- und Beitrittsbedingungen zum Staatsvolk weitgehend autonom festzulegen.

Zum anderen spielt die Überzeugung eine Rolle, dass die Integration der Gesellschaft nicht allein durch Recht und Politik gewährleistet werden kann, sondern vielmehr auf gesellschaftliche Ressourcen der Selbstorganisation und Solidarität im Rahmen einer in diesem Sinn oft so genannten Zivilgesellschaft angewiesen ist. In diesem Sinn sollten Anwärter der deutschen Staatsbürgerschaft bereits bürgerschaftliche Kompetenzen entwickelt haben, die ihnen eine möglichst eigenverantwortliche Lebensführung ermöglichen.

Auf Basis expliziter Aussagen gibt es im Übrigen auch kaum Anhaltspunkte dafür, dass hier etwa eine kulturelle Assimilation im Sinn der Anpassung an bestimmte konkrete Praktiken und Lebensweisen gemeint wäre. Eher geht es um die Fähigkeiten des eigenverantwortlichen Bürgers, der über ausreichend schulische und berufliche Qualifikationen verfügt oder die individuelle Motivation und Kompetenz ihrer Aneignung besitzt und außerdem genügend gesellschaftlich eingebunden ist, dass er auf staatliche Hilfe nur unter außergewöhnlichen Umständen angewiesen ist. Diesem Verständnis gesellschaftlicher Integration korrespondieren erkennbar Elemente der traditionell konservativen und der wirtschaftsliberalen Position der tendenziellen Begrenzung der Staatsaufgaben insbesondere auf innere und äußere Sicherheit und der Übertragung möglichst vieler Funktionen auf Privatwirtschaft und bürgerschaftliche Eigeninitiative.

Letztlich zeigen sich in den divergierenden Auffassungen beider Lager grundlegend verschiedene Vorstellungen politischer Legitimität. Für SPD, Bündnis 90/Grüne und PDS ist demokratische Legitimität wesentlich eine Frage des Inputs: die Qualität des politischen Prozesses basiert wesentlich auf der möglichst weitgehenden Inklusion und der demokratischen Partizipation der den Gesetzen Unterworfenen. Die Unionsparteien dagegen favorisierten offensichtlich eine Vorstellung von Legitimität, die sich auf die Effektivität und den Output der staatlichen Regulierung bezieht. Die Leistungsfähigkeit des Staates im Rahmen seiner Kernfunktionen erscheint hier als der zentrale Aspekt der Generierung politischer Unterstützung von Staat und Regierung, die im Übrigen vor allem den Interessen der einheimischen Mehrheitsgesellschaft gegenüber zu verantworten ist.

Politische Rahmenbedingungen, Politisierung und symbolische Politik
Das im internationalen Vergleich eher ungewöhnliche Regelwerk der jüngeren deutschen Staatsangehörigkeitsrechtsreform in Gestalt eines äußerst liberalen ius soli einerseits in Verbindung mit einer restriktiven Grundausrichtung gegenüber mehrfachen Staatsbürgerschaften andererseits, muss als ein politischer Kompromiss wider Willen zwischen zwei politischen Lagern mit grundlegend verschiedenen Auffassungen über das Verhältnis von Staatsangehörigkeitserwerb und Integration aufgefasst werden. Der stark prinzipielle oder gar ideologische Charakter der Debatte, der in der öffentlichen Mobilisierungs- und Unterschriftenkampagne der Unionsparteien kulminierte, lässt sich aber wohl kaum ohne einen Hinweis auf die institutionellen Rahmenbedingungen des politischen Systems in Deutschland verstehen, das unter bestimmten Umständen geeignet ist, dauerhafte und tiefergehende politische Konflikte insbesondere zwischen den beiden großen Parteien zu begünstigen.

Dazu gehört vor allem das föderale System Deutschlands, in dem die Zustimmung des Bundesrates in zahlreichen Gesetzgebungsverfahren erforderlich ist, sowie die zeitlich relativ kontinuierliche Verteilung von Landtagswahlen, deren jeweiligen Ergebnissen in den medialen Interpretationen regelmäßig ein erheblicher demoskopischer Indikationswert für die jeweils aktuellen Mehrheitsverhältnisse zugeschrieben wird.

Für die Unionsparteien war die Debatte um die Reform des deutschen Staatsangehörigkeitsrechts nach ihrer schweren Niederlage bei der Bundestagswahl 1998 eine willkommene Gelegenheit, den öffentlichkeitswirksamen Versuch zu unternehmen, verlorene politische Unterstützungspotenziale zurückzugewinnen. Die CDU/CSU konnte dabei an früher schon erfolgreiche strategische Kampagnen in der Ausländerpolitik anknüpfen, wie z.B. im Vorfeld des Machtwechsels zu Beginn der 1980er Jahre und vor allem bei der Grundgesetzänderung des Rechts auf Asyl. Das Problemfeld der Immigrationspolitik eignet sich offenbar für eine parteistrategisch gemeinte Politisierung und populistische Instrumentalisierung in besonderer Weise, weil es sozusagen ein ‚Meta-Thema’ darstellt, bei dem zentrale politische Probleme in vielen anderen Bereichen – Arbeitslosigkeit, Probleme des Sozialstaats, organisierte Kriminalität – scheinbar plausibel und kausal damit verknüpft werden können (vgl. Faist 1994).

Der strukturelle Anreiz dieser Art populistischer Politik dürfte darin bestehen, dass so zu einem wesentlichen Teil durch Globalisierungsprozesse verursachten Probleme zumindest symbolisch in den Bereich nationalstaatlicher Kompetenz zurückgeholt werden können und sich die nationalstaatlichen Eliten so für deren Bearbeitung weiterhin anempfehlen können.

Aber auch auf der anderen Seite hat symbolische Politik eine Rolle gespielt. Repräsentanten der SPD, von Bündnis 90/Grüne und der PDS haben der Union wiederholt vorgeworfen, nach wie vor eine ethno-kulturelle Konzeption der Nation zu favorisieren und diese Unterstellung nicht selten zumindest implizit mit nicht hinreichend aufgearbeiteten Aspekten der deutschen Geschichte und des Nationalsozialismus in Verbindung gebracht. Insofern spielte die „ethno-kulturelle These“ also in der politischen Auseinandersetzung durchaus eine Rolle. Ihre rhetorische Beschwörung und ihr strategischer Einsatz zur Diffamierung des politischen Gegners haben aber sicherlich eher zur Polarisierung als zur Versachlichung der Debatte beigetragen.

Doch die Unionsparteien vertreten schon lange keine Position mehr, die an eine partikulare und ethno-kulturelle Vorstellung deutschen Nationalismus und dessen Traditionen anknüpft. Unter dem vergleichendem Gesichtspunkt unseres Forschungsprojekts ist deutlich geworden, dass die Argumente, die in anderen westlichen Immigrationsstaaten gegen doppelte Staatsbürgerschaften in politischen Diskursen um Staatsangehörigkeitsrechtsreformen vorgebracht wurden, denen der Unionsparteien im deutschen Kontext überaus ähnlich waren (ausführlich: Faist 2007). Neuere Revisionen des Staatsangehörigkeitsrechts einschließlich der sukzessiven Rücknahme einer zwischenzeitlichen generellen Toleranz gegenüber doppelter Staatsbürgerschaft in den Niederlanden wurden in ganz ähnlicher Weise begründet.

Insbesondere wurden auch dort individuelle Integrationsleistungen als die Voraussetzung der Einbürgerung betrachtet, während eine zu leicht erwerbbare Staatsbürgerschaft auch dadurch, dass die Aufgabe bisheriger Staatsbürgerschaft nicht verlangt wird, diese individuellen Integrationsanstrengungen nicht in adäquater Weise verbürgen würde.

Insgesamt war auch der niederländische Diskurs von Begriffen wie Loyalität, staatsbürgerlicher Pflicht und Eigenverantwortung geprägt. Auch im Rahmen der schwedischen Debatte um eine Reform des Staatsangehörigkeitsrechts haben die Gegner einer generellen Toleranz gegenüber doppelter Staatsbürgerschaft, auch wenn sie sich letztlich nicht durchsetzen konnten, ähnliche Argumente vertreten.

Ausblick
Die neueren Entwicklungen im Staatsangehörigkeitsrecht und in der Zuwanderungs- und Integrationspolitik in Deutschland als auch in anderen europäischen Staaten weisen die Haltung der Unionsparteien in den 1990er Jahren rückblickend als durchaus zukunftsweisend aus. Die Einführung von obligatorischen Integrationskursen im Kontext des Zuwanderungsgesetzes ab 2005 sowie die weitere Verschärfung der korrespondierenden Sanktionen durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union 2007 reflektieren insgesamt eine Entwicklung, die Legitimität und Legalität des Aufenthalts und der nationalstaatlichen Mitgliedschaft von individuellen Vorleistungen und sozialen und kognitiven Kompetenzen abhängig zu machen, die eine eigenverantwortliche und autonome Lebensführung und Arbeitsmarktchancen ermöglichen und insbesondere eine Abhängigkeit der ImmigrantInnen von sozialstaatlichen Transferleistungen weniger wahrscheinlicher machen sollen.

Dies zeigt sich auch in der weiteren Verschärfung der Einbürgerungsbedingungen im Richtlinienumsetzungsgesetz – auch die Ehepartner von deutschen Staatsangehörigen müssen nun Deutschkenntnisse nachweisen; auch Jugendliche unter 23 Jahren, die zuvor von dieser Regel ausgenommen waren, dürfen nicht mehr von Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld II abhängig sein; die Schwelle des Umfangs von Straftaten, die eine Einbürgerung ausschließen, ist signifikant abgesenkt worden – und die Einführung von bundesweiten Einbürgerungstests im September 2008.

Die Implementierung solcher z. T. sehr restriktiver Programme „ziviler Integration“ und die Einführung von Integrationsprüfungen und Einbürgerungstests in zahlreichen europäischen Ländern zeigen, dass diese Diskurse wie deren gesetzliche Konsequenzen alles andere als einen deutschen Sonderweg darstellen. Sie reflektieren vielmehr eine länderübergreifende Entwicklung in westlichen Wohlfahrtsstaaten zu einem „repressiven Liberalismus“ (Joppke 2007), der sich keineswegs auf den Bereich der Immigrationspolitik beschränkt, sondern vor allem in weitreichenden Revisionen von Gerechtigkeitskonzepten und des Verhältnisses von Rechten und Pflichten im Kontext der Transformation zu sogenannten aktivierenden Sozial- und Arbeitsmarktpolitiken vollzieht, an dem die europäische wie die deutsche Sozialdemokratie inzwischen maßgeblich beteiligt ist (vgl. Gerdes 2006).

Die simultane Verwendung der inzwischen geradezu magischen Formel vom „Fördern und Fordern“ in der Integrationspolitik wie in der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik illustriert dies bestens. Auch die Verwendung von Begriffen wie „präventiver Integration“ (vgl. Innenausschuss-Anhörungs-Protokoll Nr. 16/42: 37f.) und einem „vorsorgenden Sozialstaat“ (aktuelles SPD-Parteiprogramm) deuten darauf hin.

Die ebenfalls europaweiten Diskurse um die politische Steuerung der „Qualität“ der Immigration zugunsten der vermehrten Anwerbung als gesamtgesellschaftlich nützlich erachteter hochqualifizierter ImmigrantInnen in kompetitiven nationalstaatlichen Wissensgesellschaften korrespondieren mit diesen Integrationsvorstellungen.

Entscheidend ist, dass die Selektionskriterien nicht (mehr) in erster Linie nach ethnischen oder rassischen Merkmalen diskriminieren, sondern nach individuell erbrachten (Vor)Leistungen und erwarteten Tugenden und sozialen und kognitiven Kompetenzen des eigenverantwortlichen Bürgers.

Diese Entwicklungen lassen sich wahrscheinlich zu einem wesentlichen Teil auf die schwindenden Kompetenzen nationalstaatlicher Wohlfahrtsstaaten zurückführen, einen zunehmend globalisierten Kapitalismus noch zu zähmen und die marktwirtschaftlichen Konsequenzen sozialer Ungleichheit mit den Mitteln sozialstaatlicher Umverteilungen zu korrigieren. Die Alternative politischer Steuerung wird zu wesentlichen Teilen partei- und länderübergreifend offensichtlich darin gesehen, einerseits bildungspolitisch, aber andererseits auch „erziehungspolitisch“ mittels Mechanismen sozialer Disziplinierung an der Ausbildung von personalen Kompetenzen nachhaltig mitzuwirken, die die Personen in die Lage versetzen sollen, sich auf den verschiedenen Märkten zu behaupten und gemeinwohlförderliche Beiträge zu erbringen statt in erster Linie staatliche Leistungen zu beanspruchen.

Auf dieser Linie liegen Beiträge, die aus ökonomischer Perspektive Staaten in erster Linie als Kollektivgüter bereitstellende Klubs verstehen, die die Mitgliedschaft an „zahlungskräftige Neumitglieder“ verkaufen sollten: „Wer mehr Steuern in Deutschland zahlen würde, als zusätzliche Kosten für Straßen, Krankenhäuser oder Schulen zu verursachen, sollte mit offenen Armen willkommen geheißen werden.“ (Straubhaar 2003: 89). Offenbar ähnlich gelagert ist die kürzlich von Ulrich Beck vorgetragene Idee der Entkriminalisierung grenzübergreifender Migration durch eine Migrationssteuer, wodurch „die Migranten dafür, dass wir sie aufnehmen, einen Beitrag leisten und damit zum Mehrwert unserer Gesellschaft beitragen.“ (Beck 2007: 2)

Im Bereich der Einbürgerungspolitik ist in Deutschland auffällig, dass das erforderliche Niveau der Deutschkenntnisse seit der Reform des Staatsangehörigkeitsgesetzes im Jahre 2000 aus Gründen ursprünglicher Normenunklarheit und unterschiedlichen Auslegungen in den Ländern stetig gestiegen ist (Davy 2008). Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass sich die insbesondere von den Unionsparteien vorangetriebene ständige Erweiterung erforderlicher Sprachkenntnisse als Voraussetzung der Einbürgerung der Idee kultureller Assimilation verdankt.

Sprachkenntnisse werden eher einerseits als eine Schlüsselkompetenz eines allgemeinen Bildungserfolgs und der darauf basierenden Chancen auf den Arbeitsmärkten gesehen. Ein Symptom dessen ist, dass „Kulturnation“ im neuen Parteiprogramm der CDU im Terminus „Bildungs- und Kulturnation“ erscheint und in direkter Weise mit der Bedeutung individueller Bildung in der „Wissensgesellschaft“ verbunden wird.

Andererseits können Sprachkenntnisse auch als eine Voraussetzung kompetenter demokratischer  Partizipation betrachtet werden, wenn man Demokratie als die Institutionalisierung politischer Kommunikation durch Meinungs- und Pressefreiheit auffasst und an die Erwartung eines rationalen Diskurses oder pluralistischen Wettbewerbs der Meinungen unter Bürgerinnen und Bürger knüpft (vgl. Dorf 2008).

Die christdemokratischen Beiträge im Rahmen der Diskurse um islamischen Fundamentalismus seit dem 11. September 2001 – über Mohammed-Karikaturen, Ehrenmorde, Zwangsehen und muslimische Kopftücher u. ä. – mögen zwar im Effekt oder gar intentional nach religiösen oder ethnischen Merkmalen diskriminieren. Die Grundlage dessen ist aber kein spezifischer ethno-kultureller deutscher Nationalismus, kraft dessen die
Anpassung an eine partikulare deutsche Wertekultur oder spezifische Lebensweise gefordert würde, sondern vielmehr der explizite Bezug auf universale westliche Werte wie Demokratie und Menschenrechte. Die ideologische Grundlage des christdemokratischen Integrationsverständnisses ist neuerdings das Konzept der „Leitkultur“, das als die Grundlage des Zusammenhalts der Gesellschaft die Anerkennung von Verfassung und Rechtsordnung und der dem korrespondierenden Werte der Demokratie und Menschenrechte ausweist (vgl. die entsprechenden Beiträge in Lammert 2006). 

Der entscheidende Unterschied des Konzepts der Leitkultur zu konkurrierenden Konzepten des Multikulturalismus und insbesondere des Verfassungspatriotismus liegt aber darin, dass diese Werte als in Gesinnungen, lebensweltlichen Orientierungen und selbst affektiven Einstellungen Fuß fassen sollen (vgl. Stein 2008).

Und dies scheint gleichzeitig der Grund dafür zu sein, noch einen entscheidenden und problematischen Schritt weiterzugehen. Einerseits sollen nämlich solche staatsbürgerlichen Gesinnungen in Form bspw. von Toleranz gegenüber anderen Lebensformen und kommunikativ-demokratischen Kompetenzen mit den Mitteln von Politik und Recht und den korrespondierenden Sanktionsmaßnahmen paternalistisch und erzieherisch hergestellt und abgeprüft werden. Dies erscheint aber aus der Perspektive des Rechtsstaats insofern problematisch, weil dieser sich normalerweise auf die „Regelung und Bewertung äußerlich sichtbaren Verhaltens“ (Bielefeldt 2007: 190) beschränkt und Aspekte der inneren Einstellung mit dem Grundrecht der Gewissenfreiheit schützt.

Andererseits sollen die Grundrechte Dritter präventiv geschützt werden, indem Kopftuchverbote für muslimische Lehrerinnen erlassen werden oder der Familiennachzug an die Bedingung des Erwerbs von Sprachkenntnissen vor der Einreise geknüpft werden. Damit werde, so das entscheidende Argument, der Unterdrückung von Frauen innerhalb von traditionalen Familienverhältnissen vorgebeugt.

Die Problematik der Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit solcher Regelungen besteht hier erkennbar darin, dass mit dem Verweis auf einen bloß präventiven, aber ja nicht zielgewissen Grundrechtsschutz substanzielle Eingriffe in unmittelbar geltende Grundrechte der Religionsfreiheit und der Familieneinheit gerechtfertigt werden sollen.

Damit wird deutlich, dass die politischen Rechtfertigungen von (restriktiven) Regelungen in der Immigrations- und Integrationspolitik längst auch in Deutschland weithin auf der Basis von Interpretationen der Legitimationskerne moderner Nationalstaaten, Demokratie und Menschenrechten, stattfinden und wenig zu tun haben mit bestimmten partikularen nationalistischen Auffassungen. Die Realisierung und Anerkennung dessen in der politischen Auseinandersetzung könnte möglicherweise zur Versachlichung der Debatten beitragen und die Kritik auf die tatsächlich problematischen Aspekte rechtlicher Regeln fokussieren. 

Vor dem Hintergrund einer deutlichen Entwicklung in Richtung restriktiverer Einbürgerungsvoraussetzungen seit der Staatsangehörigkeitsrechtsreform von 2000 ist allerdings zu befürchten, dass die im OECD-Vergleich ohnehin extrem niedrigen Einbürgerungsraten Deutschlands, die bspw. 2005 nur von Luxemburg, Tschechien, Portugal und Japan unterboten wurden (Thränhardt 2008), nicht angehoben werden können. Die Einbürgerungsrate der größten Kategorie von Nicht-Staatsangehörigen, nämlich der türkischstämmigen ImmigrantInnen, ist seit 1999 gar dramatisch zurückgegangen.

Auch ein republikanischer Ansatz, der die individuellen Fähigkeiten demokratisch kompetenter Mitgliedschaft besonders anspruchsvoll definiert, kann letztlich die Bedingung demokratischer Legitimität nicht ignorieren, dass die dauerhaft den geltenden Gesetzen Unterworfenen über die vollen und gleichen politischen Partizipationsrechte verfügen müssen, um an der politischen Herrschaft mitwirken zu können.

Unabhängig von ihrer tatsächlichen Ausübung sind Wahlrechte für ImmigrantInnen in einer repräsentativen Demokratie allein schon deshalb notwendig, damit ihre Belange von den politischen Eliten überhaupt angemessen wahrgenommen und repräsentiert werden. Eine erleichterte Einbürgerung von ImmigrantInnen ist in Deutschland auch deshalb von besonderer Bedeutung, weil durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum kommunalen Ausländerwahlrecht im Jahre 1990 der Weg versperrt ist, Nicht-Staatsangehörigen Wahlrechte zu gewähren.

Zur Erleichterung der Einbürgerung wäre es insbesondere wünschenswert, dass die im internationalen Vergleich inzwischen unübliche Ablehnung doppelter Staatsangehörigkeit in Deutschland aufgegeben und insbesondere die Optionspflicht im Fall des ius soli-Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit fallen gelassen würde. Die Politik könnte hier den Empfehlungen der ExpertInnen folgen.

Bei einer kürzlich durchgeführten Anhörung im Innenausschuss zu Fragen des Staatsangehörigkeitsrechts haben alle Expertnnen für eine Streichung der Optionspflicht plädiert, die Hälfte hat sich zudem für eine generelle Akzeptanz mehrfacher Staatsbürgerschaften und die andere Hälfte für Erweiterungen der Ausnahmeregelungen ausgesprochen.


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Thomas Faist ist Professor für Transnationale Beziehungen und Entwicklung an der Universität Bielefeld und leitet das Center on Migration, Citizenship and Development (COMCAD). Jürgen Gerdes ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am COMCAD.