Stimme geben.
Die beiden Arbeiten BABA und I LOVE TO YOU verweisen auf die chronisch fragile Situation von Wanderarbeitern in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Beide Arbeiten thematisieren den Entzug von Stimme unter bestimmten sozio-politischen Voraussetzungen als Metapher.
BABA zeigt das aufgezwungene Schweigen in Form von stillen Portraits, I LOVE TO YOU lässt uns die Gesänge der Stimme hören, die unterdrückt wird.
Macht und Ohnmacht kommen in der Stimme untrüglich zur Geltung.
Video BABA
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BABA Video (16:9), 15 Minuten, 2007 Premiere beim Filmfestival Bayreuth 2008.
Den Aufnahmen zum Video „BABA“ geht die Teilnahme an der 8ten Sharjah Biennale 2007 und einer damit verbundenen fünf-wöchigen Reise durch die Arabischen Emirate voraus, auf der ich, gemeinsam mit Rene Gabri, Erin McGonigle und Ayreen Anastas Lieder von Wanderarbeitern in ihrer Muttersprache aufnahm.
Für den Zeitraum der Ausstellung wurden Lautsprecher in den Arbeiter-Wohnvierteln von Sharjah installiert, aus denen die gesammelten Lieder schallten.
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Sänger Hajiabdul Sattar und Freunde, Bäcker aus Afghanistan; aufgezeichnet: Sharjah Februar 2007
Sowohl die Klanginstallation als auch das Video entstanden vor dem Hintergrund der bedrückenden Rechtlosigkeit von Wanderarbeitern in den Arabischen Emiraten. Gewerkschaften, fast alle Arten von Streiks und jede politische Betätigung sind verboten. Nahezu 99 Prozent der Arbeitskräfte in der Privatwirtschaft sind Ausländer, die sofort abgeschoben werden können.
Sie arbeiten in Schichten von zwölf Stunden an sechseinhalb Tagen in der Woche in einer Hitze, die den Asphalt schmelzen lässt.
Die Emirate missachten die Regeln der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und haben die Wanderarbeiter-Konvention nicht ratifiziert. Die Organisation Human Rights Watch beschuldigte das Emirat Dubai 2003, seinen Wohlstand auf "Zwangsarbeit" zu begründen. Die Presse (auf dem Index der Pressefreiheit nehmen die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) den 137. Platz ein) darf über Wanderarbeiter, ausbeuterische Arbeitsbedingungen und Prostitution nicht berichten. Sie schlafen zu sechst, acht oder zwölft in Unterkünften, in denen es oft weder Klimatisierung noch funktionierende Toiletten gibt.
Doch als die Arbeiter versuchten, eine Gewerkschaft zu gründen, um mehr Lohn und erträgliche Wohnverhältnisse durchzusetzen, wurden sie sofort verhaftet. Diese Menschen verfügen über keine Stimme in einem sozio-politischen Kontext. Das Schweigen wird deshalb so penibel beschrieben, weil es im Gegensatz steht zu dem Aufschrei, welcher angebracht wäre, um das Recht, sich selbst zu vertreten, das diesen Menschen dauernd vorenthalten wird, einzufordern.
Über den Künstler
Heimo Lattner arbeitet seit 1999 gemeinsam mit Erin McGonigle und Rene Gabri unter dem Gruppennamen e-Xplo. Das Kollektiv hat im Rahmen zahlreicher Ausstellungen Bustouren durchgeführt, in denen sich stadtplanerische Konzepte, soziale Kontexte und politisch-ökonomische Aspekte mit fiktiven narrativen Elementen vermischen. In seinen Radioarbeiten, Videos, Installationen und Performances beschäftigt er sich mit den Kleinigkeiten der alltäglichen Denkweisen und den gewöhnlichen Tätigkeiten, die in der Menge das Ganze der imaginären und realen Wirklichkeit eines Ortes ausmachen. Denn genau an diesen Orten findet die individuelle Politik, die Individualethik der Einmischung statt.
Den Rahmen hierfür boten u.a. diese internationalen Foren:
ICA London; PS1 New York; Akademie der Künste Berlin; Wexner Center for the Arts Columbus, Ohio; Museum of Contemporary Art Massachusetts/MassMoca; Goldsmith College und Whitechapel Gallery London; 8. Sharjah Biennale; Baltic Center for Contemporary Art Gateshead; Transmedieal und Club Transmediale Berlin.
Heimo Lattner, geb. 1968 in Österreich, lebt in Berlin. Er studierte an der Akademie der Bildenden Künste in Wien und am Whitney Museum of American Art-Independent Study Program.
Links
"Unsere Sänger sind stolz". Ein Gespräch mit Heimo Lattner in der taz zu seinem Beitrag zur Biennale im arabischen Emirat Sharjah.
Ein weiteres Projekt von Heimo Lattner: Kunstradio - Radiokunst "Die Harmonische Gesellschaft - Ein Ohrenzeugenbericht aus Peking".