von Özcan Mutlu
Für Berlin besteht nach Art. 141 GG (Bremer-Klausel) keine Verpflichtung, Religionsunterricht als ordentliches Unterrichtsfach anzubieten. Seit 1948 ist Religion in Berlin ein freiwilliges Unterrichtsfach (Berliner Modell). Das Land Berlin finanziert allen Anbietern des freiwilligen Religions- und Weltanschauungsunterrichts 90 Prozent der Personalkosten und übernimmt anteilig die Sachkosten. Das ist auch gut so!
Allerdings muss sich die Schule, vor dem Hintergrund des fortschreitenden gesellschaftlichen Wandels in einer multikulturellen Stadt wie Berlin, stärker als bisher der Rolle eines Wertebildners bewusst werden. Das friedliche Zusammenleben in einer pluralistischen Gesellschaft ergibt sich eben nicht von alleine. Es bedarf der aktiven Erziehung zu gegenseitigem Respekt und zur Anerkennung von Unterschiedlichkeit.
Aus diesem Grund war die Einrichtung eines eigenständigen, bekenntnisfreien Faches Ethik, in dem sich die Schüler mit Werte- und Sinnfragen auseinandersetzen können und ein breites Grundwissen über Religionen und Weltanschauungen vermittelt bekommen, konsequent und richtig. Ein solches Fach dient dem gegenseitigen Verständnis von Schülern mit unterschiedlichem kulturellen und religiösen Hintergrund. Es kann helfen, eigene und fremde Weltdeutungen bewusst wahrzunehmen, sich mit Beweggründungen menschlichen Handelns auseinander zusetzen und zu gegenseitigem Verständnis beitragen. Dabei ist der Dialog und der Austausch zwischen den unterschiedlichen Weltanschauungen und Religionen unabdingbar und für ein friedliches Miteinander zwingend notwendig. Voraussetzung für den pädagogischen Erfolg des neuen Faches ist jedoch, dass die Schüler miteinander und voneinander lernen und nicht getrennt nach Konfessionen unterrichtet werden. Der freiwillige Religionsunterricht kann weiterhin wie bisher angeboten werden.
Ein Bekenntnisunterricht alternativ zum Ethikfach, wie sie die Initiatoren des Volksbegehrens „Pro-Reli e.V.“ wollen, kann dagegen durch die Aufteilung der Schülerinnen und Schüler nach Weltanschauung und Religion, keine integrative Wirkung entfalten, sondern würde die Abgrenzung weiter verstärken.
Die Schule muss aber dafür Sorge tragen, dass möglichst allen Schülern ein nicht an Bekenntnisse gebundenes Grundwissen über die wichtigsten religiösen und ethischen Lehren nahe gebracht wird. Hält man zudem am Grundsatz des weltanschaulich und religiös neutralen Staat fest, besteht auch kein zwingender Grund für die öffentliche Schule, ein bekenntnisgebundenen Religionsunterricht anzubieten.
Wir brauchen weder ideologische Grabenkämpfe, noch einen Kulturkampf. Daher halten wir an dem Berliner Modell fest: Ethikunterricht für alle Schülerinnen und Schülern der Klassen 7 - 10 als Pflichtfach, ohne Abwahlmöglichkeit. Schülerinnen und Schüler die einen Weltanschauungs- oder Religionsunterricht wollen, sollen dies weiterhin auf freiwilliger Basis tun.
Özcan Mutlu ist bildungspolitischer Sprecher Bündnis 90 / Die Grünen im Abgeordnetenhaus von Berlin.