von Christine Baur
Koppelung von sozialer Herkunft und Bildungschancen
“Deutschland wird die Bildungsrepublik”, verkündet Bundeskanzlerin Merkel im Jahre 2008 und setzt einen Bildungsgipfel an, der nach den erschreckenden Bilanzen der internationalen Schulleistungsstudien PISA und IGLU und der Nationalen Bildungsberichterstattung sicher stellen sollte, dass “kein Kind mehr zurück gelassen wird”. Handlungsdruck war durch die internationale Kritik, u.a. vom UN-Menschenrechtsausschuss am mehrgliedrigen deutschen Schulsystem und der damit verbundenen frühen Auslese der SchülerInnen entstanden.
Dass Bildungschancen mit der sozialen Herkunft zusammen hängen, haben zahlreiche BildungsforscherInnen in den letzten Jahren immer wieder thematisiert. PISA und IGLU zeigten jedoch auf, dass Deutschland der Spitzenreiter in der Koppelung von sozialer Herkunft und Bildungserfolg ist und deutliche Bildungsdisparitäten zwischen Kindern mit deutschem und mit ausländischem Pass bzw. mit Migrationshintergrund zu verzeichnen sind.
Dimensionen der Bildungsbenachteiligung
Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich zunächst mit den Dimensionen der Bildungsbenachteiligung und diskriminierenden Praktiken, die sich im Wesentlichen zeigen bei
- den Ergebnissen der Schulleistungsstudien PISA und IGLU,
- der Übergangsempfehlung von der Grundschule in die Oberstufe (Schullaufbahnempfehlung)
- den Bildungsabschlüssen und
- beim Übergang in Ausbildung und Beruf.
Durch eine reformierte Bildungspolitik alleine kann diese Benachteiligung jedoch nicht überwunden werden. Denn eine weitere Ursache der Bildungsbenachteiligung ist die Sozialstruktur in den Schulen und Stadtteilen, der bildungsbewusste Eltern immer mehr entfliehen. Die Folgen sind ethnische und soziale Segregationsprozesse, die die Bildungschancen der Kinder mit Migrationshintergrund zunehmend verschlechtern. Wie sich diese Prozesse stigmatisierend und diskriminierend auf Jugendliche in ihren Bemühungen um eine berufliche Perspektive auswirken, wird anhand eines Fallbeispiels aufgezeigt.
Bildungsbenachteiligung anhand der Ergebnisse von PISA und IGLU
Die PISA-Befunde von 2006 mit dem Schwerpunkt Naturwissenschaften zeigen einen Leistungsrückstand bei den in Deutschland geborenen Kindern von Eingewanderten im Vergleich zu den einheimischen von etwa zwei Jahren. Dieser Sachverhalt ist dramatisch, da diese Fünfzehnjährigen das ganze deutsche Schulsystem durchlaufen haben und trotz positiver Trendmeldungen im Kompetenzzuwachs seit dem ersten Test in 2000 die Bildungschancen nach wie vor an die soziale Herkunft geknüpft sind.
Im Grundschulbereich gelingt ebenfalls keine Abkoppelung der Lesekompetenz von der sozialen Herkunft. Die IGLU-Studie 2006 zeigt zwar eine signifikante Verbesserung der Leseleistungen der ViertklässlerInnen in Deutschland gegenüber 2001 auf, allerdings zeigt sich auch hier, dass ein Viertel der Kinder, deren beide Elternteile im Ausland geboren sind, nur einfache Texte erkennen können und zwei Drittel Schwierigkeiten im Umgang mit Texten haben. Betroffen sind überwiegend Kinder von arbeitslosen oder prekär beschäftigten Eltern ohne Berufsausbildung, deren Familiensprache nicht Deutsch ist (Schwippert u.a. 2007). Trotz herkunftsbedingter Benachteiligung beim Kompetenzerwerb gibt es Kinder mit Migrationshintergrund mit guten Leistungen, die es dennoch im deutschen Schulsystem schwer haben.
Bildungsbenachteiligung durch Diskriminierung bei Schullaufbahnempfehlungen
Verschiedene empirische Untersuchungen kommen zu dem Schluss, dass SchülerInnen mit Migrationshintergrund bessere Leistungen als ihre deutschen MitschülerInnen erbringen müssen, um eine Gymnasialempfehlung zu erhalten (vgl. Ditton 2007; Gomolla u.Radtke 2002; Arnold et al 2007). Die IGLU-Studie 2006 stellte fest, dass bei den Schullaufbahnpräferenzen neben dem Leistungsstand der soziale Hintergrund der SchülerInnen entscheidend ist. Die Chance eines Kindes aus der "oberen Dienstklasse" (Akademikereltern) eine Gymnasialpräferenz zu erhalten ist 3,97 mal so hoch als bei einem Arbeiterkind. Eine 2,32 mal so hohe Chance auf eine Gymnasialpräferenz der LehrerInnen erhalten einheimische Kinder im Vergleich zu jenen mit Migrationshintergrund.
Die eindeutige Benachteiligung von Kindern aus sozioökonomisch benachteiligte Verhältnissen und bildungsfernen Elternhäusern trifft nicht auf die 12% Kinder mit Migrationshintergrund zu, deren Eltern AkademikerInnen sind. Betroffen sind jene, deren Eltern manuellen Tätigkeiten nachgehen (38,4%) und zumeist maximal über einen Haupt- oder Realschulabschluss als höchste Qualifikation verfügen (Arnold et al 2007). Diese Eltern verfügen über weniger Instrumente, eigene Bildungsaspirationen gegen Grundschulempfehlungen durchzusetzen.
Institutionelle Diskriminierung
Die BildungsforscherInnen Gomolla und Radtke (2007) sprechen von institutioneller Diskriminierung, die durch das Handeln in Organisationen von der Wahrnehmung eines Problems bis zur Begründung seiner Lösung und die Einbettung diskriminierender Praktiken in die organisatorischen und institutionellen Handlungskontexte wirkt. Die Grundschulen stehen vor dem Dilemma, einerseits einem integrativen Bildungsauftrag, andererseits einem Selektionsauftrag für das nachfolgende hierarchisch gegliederte Schulsystem nachkommen zu müssen. In ihrer Bielefelder Studie zeigt sich, dass trotz guter Leistungen in der Grundschule bei Kindern mit Migrationshintergrund das Scheitern wegen Schwächen im Deutschen vielfach antizipiert wird, da Deutschdefizite als Ausschlusskriterium für das Gymnasium gelten und teilweise ungerechtfertigte Übergangsempfehlungen angesetzt werden.
Dreifache Benachteiligung der Kinder mit Migrationshintergrund
Bezüglich des Einflusses des sozialen Hintergrundes lässt sich somit eine dreifache Benachteiligung der Kinder mit Migrationshintergrund formulieren:
- Sie verfügen aufgrund geringerer familiärer Ressourcen über niedrigere schulische Kompetenzen.
- Sie erhalten bei gleichen Leistungen schlechtere Noten und Schullaufbahnpräferenzen durch ihre LehrerInnen.
- Sie werden bei gleichen Leistungen durch ihre Eltern eher auf eine niedrigere Schulform geschickt (vgl. Arnold et al 2007)
In einem vielgliedrigen Schulsystem mit Haupt-, Real-, Gesamtschulen und den Gymnasien bedeuten Hauptschulempfehlungen eine Kränkung und Frustration für die Kinder, denn die Hauptschule wird als „Restschule“ gesehen für jene, die aus den Gymnasien oder Realschulen abgeschult wurden oder einen begehrten Gesamtschulplatz nicht erhalten konnten.
Bildungsbenachteiligung bei den Schulabschlüssen
Die Aufteilung der SchülerInnen nach der Grundschule auf die einzelnen Schultypen zeigt eine hohe Diskrepanz zwischen Deutschen und SchülerInnen mit einem ausländischen Pass auf. So gelangen 40,5% der AusländerInnen auf die Hauptschule, in noch höherem Maße SchülerInnen mit türkischem und italienischem Pass. Auf das Gymnasium gelangen mehr als doppelt so viele Deutsche wie AusländerInnen (Bundesregierung 2007). Nach dem Statistischen Bundesamt gingen im Jahre 2008 15% der AusländerInnen ohne einen Hauptschulabschluss von der Schule ab im Gegensatz zu 6,2% der Deutschen. Noch weiter geht die Schere auseinander bei der Hochschulreife. Eine knapp dreifache Chance auf die Hochschulreife haben deutsche Schülerinnen im Vergleich zu jenen mit einem ausländischen Pass. Damit führt der Migrationshintergrund in allen Stufen des Schulsystems zu Benachteiligungen (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2008), die an der Schwelle von der Schule in die Ausbildung neue Hürden aufweisen.
Diskriminierung am Übergang Schule – Berufsausbildung
Dem häufig beklagten Fachkräftemangel in Deutschland und den jährlich wiederkehrenden Klagen über nicht zu besetzende Ausbildungsstellen wegen mangelnder Ausbildungsreife (Industrie- und Handelskammer 2008) stehen ernüchternde Zahlen über die Einmündung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund in eine Berufsausbildung gegenüber. Sowohl die Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2008) als auch die BIBB-Übergangsstudie 2009 stellen fest, dass eine große Anzahl von Jugendlichen ihr bevorzugtes Ausbildungsinteresse nicht verwirklichen kann. Immer weniger junge Menschen aus bildungsfernen Gruppen gelangen in eine duale Ausbildung.
Dabei sind Jugendliche mit Migrationshintergrund im voll qualifizierenden (dualen und schulischen) Berufsausbildungssystem deutlich unter-, im Übergangssystem mit berufsvorbereitenden Maßnahmen stark überrepräsentiert. Die Situation ausbildungswilliger, d.h. bei der Agentur für Arbeit registrierter Jugendlicher mit Migrationshintergrund zeigt nach einer Längsschnittuntersuchung des DJI folgende: 60% gehen ins Übergangssystem, 28% in die duale Ausbildung und 11,5% ins Berufsschulsystem. Die Hälfte der Jugendlichen gelangt nach 17 Monaten ins Ausbildungssystem, zu 60% erst nach 30 Monaten. Im Vergleich dazu gelangen in diesem Zeitraum 77% der deutschen Jugendlichen mit gleichen Bildungsabschlüssen in eine Ausbildung. Die Probleme des Übergangssystems kumulieren bei Jugendlichen mit und ohne Hauptschulabschluss, denn die Hälfte dieser Gruppe bleibt ohne Berufsausbildung (vgl.Reißig & Gaupp 2007). Der Rückgang der Jugendlichen mit Migrationshintergrund in der dualen Berufsausbildung ist nicht nur ein Zeichen mangelnder Integration in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt, sondern Anzeichen einer sozialen Exklusion (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2008). Besonders betroffen sind Jugendliche türkischer und italienischer Herkunft mit und ohne Hauptschulabschluss, von denen die Hälfte keine Berufsausbildung absolviert (Kristen 2003). Es zeigt sich demnach eine starke Koppelung der Ausbildungseinmündung an die soziale Herkunft und eine Fortsetzung der Selektivität des Schulsystems in die Ausbildung hinein.
Schulen in schwierigem Milieu
In den PISA-Studien hat sich der Begriff der „Hauptschulen in schwierigem Milieu“ herausgebildet, deren Schüler/innenschaft fast ausschließlich aus prekären sozialen Verhältnissen kommt. Viele Eltern verfügen über keine Berufsausbildung und sind von Arbeitslosigkeit betroffen. Mehr als die Hälfte der SchülerInnen stammt aus Familien, in denen die Familiensprache nicht Deutsch ist. Der Anteil an WiederholerInnen und SchülerInnen, die Gewaltbereitschaft zeigen, ist hoch und das Leistungsniveau der Schule niedrig (Baumert, Stanat & Watermann 2006). Da die Schulen für die Bewältigung der kumulierten Belastungen von ihren personellen und materiellen Ressourcen her nicht hinreichend ausgestattet sind, bilden sie Lernmilieus, die zusätzlich benachteiligend sind und die Chancen auf einen guten Schulabschluss verringern (Schümer 2004). Dies entspricht unabhängig von der deutschen Hauptschuldebatte den Ergebnissen internationaler Studien, die bei einem überwiegenden Anteil an SchülerInnen aus sozioökonomisch benachteiligten Verhältnissen in Klassen und Schulen einen negativen Effekt auf Schülerleistungen sehen. Wie können solche Schulen entstehen?
Ethnische und soziale Segregation an Schulen und in Stadtteilen
Grund- und Hauptschulen, die vorwiegend von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund aus soziökonomisch benachteiligten Familien besucht werden, wurden von ihnen selten freiwillig ausgesucht. Für die Grundschule wirkt die Verbindlichkeit des Einzugsbereiches, für die Oberschule wirken die Laufbahnempfehlung und selektive Regularien wie Schulprofile und Wohnortnähe. Dies bedeutet für Bundesländer mit Grundschuleinzugsbereichen und übernachgefragten Oberschulen an attraktiven Wohnstandorten, dass ein Kind mit Migrationshintergrund aus einem benachteiligten Stadtteil Schwierigkeiten hat, einen Schulplatz außerhalb des eigenen Wohnbezirkes zu erhalten. Abgewandert aus Quartieren mit einer hohen Konzentration an Problemen ist bereits vor der Einschulung die bildungsbewusste Mittelschicht unabhängig von ihrer ethnischen Herkunft.
Damit entstehen in Quartieren mit einer hohen Konzentration ethnischer Minderheiten und gleichzeitiger Ballung sozioökonomischer Problematiken Schulen, deren SchülerInnenschaft in noch höherem Maße von staatlichen Transferleistungen abhängig ist und von einer verfestigten Armutslage der Herkunftsfamilien ausgegangen werden kann. Hinzu kommen große Defizite in der Beherrschung der deutschen Sprache, sodass eine Verschärfung der ethnischen und sozialen Segregation im Vergleich zur Umgebung vorliegt (Baur & Häußermann 2009). Der schulische Kontext bietet dann im Zusammenhang mit der Lebenswelt außerhalb ungünstige Sozialisationsbedingungen, die die Jugendlichen über ihre individuelle Lage hinaus zusätzlich benachteiligen (Häußermann & Kronauer 2009).
Über den Einfluss eines benachteiligten Quartiers auf seine BewohnerInnen, in diesem Falle SchülerInnen, gibt es in Deutschland bisher keine befriedigende Forschungslage. Es gibt jedoch Hinweise, dass Kontexteffekte auf Sozialisationsprozesse von Kindern und Jugendlichen insbesondere dann wirken, wenn sich deren Aktions- und Kommunikationsraum stark auf den lokalen Kontext ihrer Wohnumgebung beschränkt (Häußermann & Siebel 2007), was bei Hauptschüler/innen häufig der Fall ist. Diskriminierung und Stigmatisierung sind vermutlich die wirksamsten Effekte, die mit der räumlichen Konzentration von Migranten verbunden sind, wie die nachfolgende Ausführung zum Übergang von der allgemein bildenden Schule in die Ausbildungssuche zeigt.
Mangelnde Ausbildungsreife oder Diskriminierung durch Name und Wohnort?
Die mangelnde Einmündung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund in ein Ausbildungsverhältnis kann die Folge der durch Bildungsbenachteiligungen verursachten Qualifikationsdefizite sein. Studien, die sich mit den Übergängen von der Schule in die Ausbildung beschäftigen, gelangen immer wieder zu der Erkenntnis, dass gleich qualifizierte SchülerInnen mit einem ausländischen Namen seltener in eine duale Ausbildung gelangen. Es besteht also der Verdacht, dass ein ausländisch klingender Name auf dem Ausbildungs- und Stellenmarkt die Chancen erheblich verringert. Für die Einmündung in den Beruf wurden Hinweise auf Diskriminierung zuungunsten der TrägerInnen ausländischer Namen bereits veröffentlicht (vgl. Kaas & Manger 2010 ; Gestring, Janßen & Polat 2006). Einen Einblick in die diskriminierenden Erfahrungen von SchülerInnen, die einen Betriebspraktikumsplatz während ihrer Schulzeit suchen oder sich im letzten Schuljahr auf Ausbildungsstellen bewerben, bietet der nachfolgende Abschnitt.
Bewerbungserfahrungen von SchülerInnen mit Migrationshintergrund an einer Berliner Schule
Bereits einen Platz für die dreiwöchigen Betriebspraktika in der 9. und 10. Klasse zu finden, fordert den SchülerInnen viel Geduld ab. Wenn es nicht der Handyladen von Onkel Ömer oder die kleine arabische Bäckerei in der Nachbarschaft sein soll, sondern ein mittelständischer Betrieb mit regulären Ausbildungsplätzen, treten zahlreiche Schwierigkeiten auf. Besondere Hemmnisse entstehen dabei für Mädchen mit Kopftuch und Jungen muslimischer Herkunft. In der Berliner Schule, die seit einigen Jahren dadurch bekannt wurde, dass sie als erste Schule Deutschlands zu 100 % von SchülerInnen “nichtdeutscher Herkunftssprache” besucht wird, erhielten im Jahr 2007 von 83 SchulabgängerInnen lediglich 13 den Mittleren Schulabschluss und die überwiegende Mehrzahl einen Erweiterten Hauptschulabschluss.
Obwohl es für alle SchülerInnen mithilfe außerschulischer KooperationspartnerInnen Unterstützung bei der Ausbildungsplatzsuche und im Bewerbungsverfahren gab, fanden nur fünf von ihnen eine Lehrstelle. Offensichtlich stellen ein türkisch-arabisch klingender Name, der Schultyp und der Wohnort bereits Negativkriterien bei der Auswahl dar. Nachfragen bei der Akquise von Praktikumsplätzen unter zahlreichen mittelständischen Unternehmen ergaben, dass viele kleinere Betriebe vor allem Jungen mit muslimischem Hintergrund als Praktikanten ablehnen, weil diese ‚Disziplinprobleme’ hätten und Schwierigkeiten, sich in den Betriebsablauf einzuordnen.
Bereits der Wohnort Kreuzberg wurde bei manchen Personalverantwortlichen als Ausschlusskriterium bei Bewerbungen um einen Praktikums- oder Ausbildungsplatz benannt. Kopftuchtragende Mädchen werden in Unternehmen mit KundInnenkontakt nur selten als Auszubildende genommen, da eine negative Reaktion der Kundschaft befürchtet wird (Baur & Wiese 2007).
Die Frustrationstoleranz der Jugendlichen wird sehr strapaziert, wie folgender Auszug aus dem Gedächtnisprotokoll von E., einem Deutschtürken, nach dem Bewerbungsgespräch mit dem Personalchef einer Reinigungsfirma zeigt:
Personalchef: „In deiner Bewerbung steht, dass du Deutscher bist, aber du bist ja Türke.“
E.: „Ich bin doch Deutscher.“
Personalchef: „Aber man sieht doch, dass du Türke bist. Da hat unsere Kundschaft ein Problem, wenn wir mit Türken zur Reinigung ins Hotel kommen.“ […] „Wie gut kann denn deine Mutter Deutsch?“
Fazit und Ausblick
Deutschland auf dem Weg in eine Bildungsrepublik hat noch viele Meilensteine abzuarbeiten. Einer davon ist die Entwicklung einer nationalen Bildungsstrategie, die sich die Förderung aller Kinder von der KITA bis zur Einmündung ins Berufsleben auf die Fahnen schreibt. Dazu gehören eine besonders gute materielle und personelle Ausstattung an Schulen in benachteiligten Stadtteilen und langfristig umgesetzte Veränderungsprozesse im institutionellen Handeln, die eine Diskriminierung an den Übergängen nach sozialer und/oder ethnischer Herkunft nicht mehr begünstigen. Schulstrukturreformen sind sinnvoll, wenn sie tatsächlich der sozialen Entmischung von Klassen und Schulen entgegen wirken und ein förderliches Lernmilieu begünstigen, ansonsten sind weitere Steuerungsinstrumente notwendig, die eine Verteilung der Schüler/innen über Quartiersgrenzen und Einzugsbereiche ermöglichen. In Bezug auf Diskriminierung und Stigmatisierung bei der Praktikums- und Ausbildungsplatzsuche von SchülerInnen mit Migrationshintergrund besteht Bedarf an Aufklärung, aber auch an der Anwendung des Antidiskriminierungsgesetzes. Das Mädchen mit Kopftuch als Kundenschreck und der schwarzhaarige Junge als nicht anerkannter Dienstleister zeigen die mangelnde gesellschaftliche Akzeptanz der Jugendlichen mit Migrationshintergrund auf.
Literatur
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- Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2008. Bildung in Deutschland.: Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu Übergängen im Anschluss an den Sekundarbereich I. Bielefeld: Bertelsmann
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- Gestring, Norbert, Janßen, Andrea & Polat, Ayça 2006. Prozesse der Integration und Ausgrenzung: Türkische Migranten der zweiten Generation. Univ., Diss. A. Janßen und A. Polat u.d.T.: Janßen, Andrea: Zwischen Integration und Ausgrenzung--Oldenburg. 1. Aufl. Wiesbaden: VS Verl. für Sozialwiss.
- Gomolla, Mechthild & Radtke, Frank-Olaf 2007. Institutionelle Diskriminierung.: Die Herstellung ethnischer Differenz in der Schule. 2., durchgesehene und erweiterteAuflage. Opladen: Leske + Budrich
- Häußermann, Hartmut & Kronauer, Martin 2009. Räumliche Segregation und innerstädtisches Ghetto, in Castel, Robert & Dörre, Klaus (Hg.): Prekarität, Abstieg, Ausgrenzung: Die soziale Frage am Beginn des 21. Jahrhunderts. Frankfurt am Main: Campus, 113–130.
- Häußermann, Hartmut & Siebel, Walter 2007. Integration trotz Segregation – zum Stand der wissenschaftlichen Debatte, in Schader-Stiftung (Hg.): Handlungsfeld: Stadträumliche Integrationspolitik: Ergebnisse des Projektes Zuwanderer in der Stadt". Darmstadt: Schader-Stiftung, 92–119.
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- Kaas, Leo & Manger, Christian 2010. Ethnic Discrimination in Germany's Labour Market: A Field Experiment. Bonn. In: iza.org [Stand 2010-03-13]
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- Reißig, Birgit & Gaupp, Nora 2007. Hauptschüler: Schwierige Übergänge von der Schule in den Beruf. APUZ 28, 10–17.
- Schümer, Gundel 2004. Zur doppelten Benachteiligung von Schülern aus unterprivilegierten Gesellschaftsschichten im deutschen Schulwesen, in Schümer, Gundel, Tillmann, Klaus J. & Weiss, Manfred (Hg.): Die Institution Schule und die Lebenswelt der Schüler: Vertiefende Analysen der PISA-2000-Daten zum Kontext von Schülerleistungen: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 73–114.
- Schwippert, Knut, u.a. 2007. IX Lesekompetenzen von Kindern mit Migrationshintergrund im internationalen Vergleich, in Bos, Wilfried (Hg.): IGLU 2006: Lesekompetenzen von Grundschülern in Deutschland im internationalen Vergleich. Münster [u.a.]: Waxmann, 249–269.
Christine Baur promoviert am Georg-Simmel-Zentrum für Metropolenforschung über Bildungsbenachteiligung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund und Segregationsprozesse. Davor war sie Sozialarbeiterin an einer Berliner Haupt- und Realschule.