„Soul Kitchen” Leseprobe von Jasmin Ramadan

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Jasmin Ramadan - Bild: Ali Yavani

 

Auszug aus dem Roman

 

An seinem achtzehnten Geburtstag weckten seine Eltern ihn frühmorgens. Sie strahlten so, als hätten sie selbst Geburtstag oder gerade eine Marienerscheinung gehabt. Zinos bekam ein Stück kalten Nudelauflauf, Mokka, Erdbeer-Kaba ans Bett. Dann schoben sie ihn aus der Wohnung und in den Volvo. Die Fahrt ging raus aus Altona in Richtung Innenstadt. Sie hielten bei der Musikhalle, liefen ein Stück und blieben schließlich in der Nähe des Gänsemarktes vor einem  schäbigen Altbau stehen. Sein Vater zückte einen Schlüssel. Ganz oben angekommen, schloss er die Tür zu einer wirklich kleinen Wohnung auf. Es war nur ein Raum mit Miniküche, in deren Ecke auch noch eine Duschkabine untergebracht war. Es gab kein Bett, aber Zinos´ Vater zog und rüttelte plötzlich an de riesigen gemusterten Sofa, wobei er die ganze Zeit über „Warte, warte, warte!“ rief. Er war erst wieder still, als sich das Bettsofa in seiner ganzen multifunktionalen Pracht entfaltet hatte.

Zinos wurde wieder nach draußen gezerrt, wo seine Eltern auf das mit Geschenkpapier beklebte Klingelschild deuteten und das Papier abrissen. Da stand es: ZINOS KATSANZAKIS. Shit. Zinos wollte doch gar nicht ausziehen! Es war verstörend, wie seine Eltern sich freuten. Vor allem, als sie mit der ganzen Wahrheit rausrückten. Die Eigentumswohnung war nämlich ein Geschenk an sie selber – an ihre Freiheit. Sie hatten Tickets für die Rückkehr nach Griechenland längst gekauft. Zinos protestierte. Er argumentiere, sie könnten jetzt nicht abhauen, sonst entginge ihnen die volle Rente.  Doch Zinos` Vater, der noch immer das Deutsch eines Vorbeiziehenden sprach, brachte es mit seinem ersten und letzten Satz in korrektem Deutsch auf den Punkt: „Besser arm an Land als reich auf See!“

Schon in zwei Wochen würden sie sich für immer aus Deutschland verabschieden. Zinos flehte, sie sollten ihn mitnehmen, aber seine Mutter beschwor ihn zu bleiben: wegen der Schule, wegen des Studiums. Er sollte Arzt werden und dann nach Griechenland kommen, die Praxis des alten Jorgos übernehmen, dessen Sohn ja zum Leid des ganzen Dorfes lieber Schlachter geworden sei. Zinos rief, er wolle auch lieber Schlachter werden. Oder Rennfahrer, Korbflechter, Vogelschützer. Aber er werde nicht Medizin studieren, nur weil der junge Jorgos mache, was er wolle. Oh, nein! Er wolle nicht die Verantwortung für die Gesundheit von ein paar Hundert Griechen übernehmen.

Zinos warf seine Eltern aus der Wohnung.

Nach ein paar Minuten ließ er sie rein, denn sie hatten geklingelt.

Den Rest des Tages verbrachten sie gemeinsam in Zinos´ neuem Reich. Sie redeten kaum. Seine Mutter machte Nudelauflauf – den Besten, den sie je gemacht hatte. Zinos aß, weinte -  und beschloss, sich erst dann wieder satt zu essen, wenn er ein glücklicher Mensch geworden war. Er musste irgendetwas unternehmen, um nicht vor Einsamkeit unterzugehen. In dieser Situation übergewichtig zu sein, war sicher kein Vorteil. Der Drang, selbst Geld zu verdienen, wuchs mit jedem Kilo, das er verlor. Und von dem Startgeld, das seine Eltern ihm gegeben hatten, war nur noch ein einsames Fünf-Mark-Stück übrig. Zinos gingen bald nur noch halbe Gedanken durch den Kopf, die sich schließlich auf einen einzigen Satz reduzierten:

"Ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss.“

Er wusste nicht so recht, was das bedeutet. Aber er brach die Schule ab, um sich einen Job zu suchen.

 

Auszug aus „Soul Kitchen“ von Jasmin Ramadan erschienen 2009 im Blumenbar Verlag.


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Jasmin Ramadan - Bild: Ali Yavani

 

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