Heimat hat keinen Plural
"Heimat hat keinen Plural" ist ein Online-Interviewarchiv, in dem Menschen von der Möglichkeit berichten, hierzulande eine Heimat zu finden. In der ersten Staffel erzählen 13 InterviewpartnerInnen von ihren Beweggründen und ihren Erfahrungen, nach Deutschland zu migrieren.
Während die Gründe für Migration so vielfältig wie die von ihr bewegten Menschen sind, herrschen in der breiten Öffentlichkeit in Deutschland weiterhin wenige Stereotype vor, die der Komplexität des Phänomens in keiner Weise gerecht werden. Das Interviewprojekt will dem durch die Vorstellung zahlreicher und vielfältiger migrantischer Lebensläufe, Erfahrungen und Ansichten Abhilfe schaffen und die Grundlage für eine differenziertere Betrachtung dieses für Deutschland und Europa im 21. Jahrhundert eminent wichtigen Themenkomplexes bereiten.
Website und Trailer des Projekts Heimat hat keinen Plural
Über viele verschiedene Fragen kann sich den individuellen Lebensrealitäten, den Wünschen und Bedürfnissen von MigrantInnen angenähert werden…
Mit welchen Hoffnungen und Träumen kommen Menschen nach Deutschland? Wie halten diese den Realitäten hierzulande stand? Welche Schwierigkeiten begegnen ihnen? Wie meistern sie diese Schwierigkeiten oder warum können diese bis heute nicht bewältigt werden? Wo erfahren sie Unterstützung? Wo Ablehnung?
NOMI aus der Mongolei
Ihre Mutter ließ sie nach der Geburt bei ihren Grosseltern in der Mongolei zurück, da ein Kind unvereinbar mit dem Medizinstipendium ihrer Eltern in der DDR war. Nach Abschluss des Studiums holten ihre Eltern Nomi dann als 6jährige mit dem Zug aus Ulaan Bator nach Halle an der Saale. Dort arbeiten ihre Eltern bis heute als AnästhesistInnen. Nomi bereitet sich zur Zeit auf den Abschluss ihres Studiums als Wirtschaftsjuristin vor.
Ist Deutschland ihre Heimat geworden? Können sie sich vorstellen hier zu sterben? Wie definieren sie Heimat, wovon hängt das ab, ist es wichtig für sie sich heimisch zu fühlen? Kann man mehrere Heimaten haben? Wie wichtig ist das «Was bist du» in ihrem Alltag? Wieviel Zeit und Gedanken verwenden sie auf die Beantwortung dieser Frage?
JOHN aus Israel
Als Dreizehnjähriger siedelte er mit seinen Eltern und den 4 Brüdern von Jerusalem in die USA über. Nach einer erfolgreichen Karriere als New Yorker Restaurantbetreiber und Werber beschloss er 2004, nach Berlin zu ziehen. Seit 3 Jahren betreibt der studierte Künstler einen Club für elektronische Musik in Berlin.
Haben sie jemals bereut, nach Deutschland gekommen zu sein? Haben sie versucht, in ihr Geburtsland zurückzukehren bzw. Pläne dies zu tun? Wann und unter welchen Umständen haben sie entschieden, Deutsch zu lernen? Wie verändert sich der Umgang mit dem Umfeld durch die Tatsache, dass sie Deutsch sprechen?
CLAUDIA aus Kolumbien
Nach einem nächtlichen Drohanruf floh die Kunststudentin vor den kolumbianischen Paramilitärs zuerst nach Bolivien. Nachdem sie in Rio de Janeiro ihr Studium abgeschlossen hatte, kam sie als 28jährige nach Barcelona, um sich an der Kunstakademie einzuschreiben. Mittlerweile lebt sie seit 16 Jahren mit ihren zwei jugendlichen Söhnen in Berlin, wo sie als selbsternannte „Berufsmigratin“ für verschiedene Bildungseinrichtungen arbeitet.
Fühlen sie sich als Teil der deutschen Gesellschaft? In welchen Bereichen würde sie gerne mehr teilhaben? Was muss jemand, der nach Deutschland kommt, dafür tun, um Teil der Gesellschaft zu werden? Welche Bereiche werden ihm dauerhaft verschlossen bleiben? Wie verbinden sie ihre Herkunft mit ihrem neuen Lebensort? Was für Übersetzungen, Transfers und Innovationen ergeben sich daraus? Wie kommen diese „hybriden“ Bezüge in Deutschland an? Welche Vorteile ergeben sich daraus, dass sie in mehreren Kulturen leben?
HEINRICH aus Polen
Nach jahrelanger, akribischer Planung gelang dem gelernten Vermessungstechniker bei einem Berlinbesuch die Flucht in den Westen. Seine Frau, seine 5jährige Tochter und deren kleinen Bruder ließ er in Polen zurück.
Wie haben sie die erste Zeit zwischen der Loslösung von der alten Heimat und dem Ankommen in der neuen überstanden? Welche Traumata sind geblieben, sowohl in Bezug aufs Geburtsland als auch auf Deutschland? Sind sie währenddessen oft krank geworden, wie sind sie mit dem Stress umgegangen? Haben sie große Trauer empfunden, ihre Kultur hinter sich zu lassen? Wer hat ihnen wie geholfen?
FUMI aus Japan
Sie ist in Tokio geboren, und ihr wurde als junger Mensch schnell klar, dass sie nicht in der von Arbeit und Konformität bestimmten japanischen Umgebung studieren wollte.
Wo begegnen sie rassistischen und diskriminierenden Vorbehalten? Wie reagiert ihre Umwelt darauf? Wie gehen sie selber damit um? Was sind die Folgen?
Wie steht es um ihre rechtliche Situation? Für wie lange ist ihr Aufenthalt in Deutschland gesichert? Wieviel Zeit und Sorgen müssen hierauf verwendet werden? Wie werden sie von den Behörden behandelt? Überträgt sich ihr Bild der Behörden auf ihr Bild von der restlichen Gesellschaft? Warum haben sie ein Recht darauf, in Deutschland wohnen zu dürfen? Inwiefern beeinflusst ihr Aufenthaltsstatus ihre persönliche Lebensplanung und ihre emotionale Situation?
HAKAN aus der Türkei
Er kam als 8jähriger in das Einwandererviertel Berlin- Moabit. Trotz der Parole «Türken Raus» an der Schultafel machte er neben seinem Job als Gebäudereiniger das Abitur und studierte gegen den Willen seines Vaters Anglistik und Pädagogik. Mittlerweile leitet er ein Jugendzentrum in Kreuzberg.
Fühlen sie sich in den Medien repräsentiert? Welche Inhalte und Formen würden sie sich wünschen? Was müssen/mussten sie tun, damit es ihren Kinder besser ergeht als ihnen? Wo sehen sie Möglichkeiten für einen sozialen Aufstieg?
Über die Interviewprojekt-Initiatoren
Jan Gerritzen, geb. 1979 in Moers, studierte zwischen 1999 und 2007 Rechtswissenschaften und Philosophie in Berlin, Shanghai, Bordeaux und Florenz. Danach arbeitete er im Rahmen der Maestria en cine documental an der Universidad del Cine Buenos Aires als Regisseur, Kameramann, Produzent und Tonmann an zahlreichen Dokumentarfilmprojekten, die u.a. beim Festival Internacional de Estudiante de Cine und der Nationalbibliothek von Buenos Aires vorgestellt wurden. Zur Zeit begleitet er die Postproduktion seines Kinodokumentarfilmes über jugendliche Boxer im Rotlichtviertel von Buenos Aires.
Iván López Tomé, geb. 1977 in Barcelona, ist Mediengstalter sowie Bild- und Tontechniker. Er begann seine Karriere mit Fernseh- und Filmproduktionen in Barcelona. 2002 erhielt er ein Stipendium des Centro de Fotografía Can Basté und stellte seine Arbeiten in der Galerie Maus Hábitos 2004 in Portugal aus. Als Regisseur, Direktor und Kameramann verwirklichte er unterschiedliche Filmproduktionen sowie audiovisuelle Events mit Musik und Theater durch sein eigenes Label «Flux.Escena Visual». 2009 produzierte er in Liberia (Afrika) Dokumentarfilme u.a. für UNICEF und die Welthungerhilfe. Zur Zeit arbeitet er als Direktor des Fernsehprogramms «Què vols ser de gran?» über die Berufswünsche von Kindern und bereitet neue Projekte zwischen Barcelona und Berlin vor.
Beide haben die Produktionsfirma nezfilms gegründet, die Imagefilme und Dokumentationen für soziale Träger und Projekte entwickelt.
Jan Gerritzen und Iván López Tomé