Heimatlandschaften - Ein Blick aus der Ferne
Zwei Kontinente und ein großes Meer dazwischen, zwei Kulturen in einer globalisierten Welt.
Ich bin 1956 in São Paulo, Brasilien geboren und habe schließlich mein Heimatland als Architektin verlassen, um 1985 mit einem Stipendium der Humboldt-Stiftung nach München zu kommen. Im Jahr 1991 entschloss ich mich mit meinem deutschen Mann und unseren zwei Söhnen in München zu leben. Später kam unsere Tochter hinzu.
Von diesem Moment an lebt unsere Familie zwischen zwei Welten, in einer Synthese von verschiedenen Perspektiven, Ausdrucksformen, Sprachen und Erinnerungen. In diesem Prozess begleitet mich die Malerei. Ich hatte schon immer eine grafische Wahrnehmung der Ereignisse, die in enger Verbindung mit meiner Ausbildung als Architektin steht. Alles passiert im Raum.
Seitdem ich in Deutschland lebe, setzt sich meine Malerei differenziert mit meiner Heimat Brasilien auseinander. Die Kunst ist für mich eine Reflexion: Viele meiner Arbeiten sind durch Anregungen aus Zeitungen und Nachrichten angestoßen worden. Ich sammele Texte und Bilder, die ich mit mir in das Atelier mitnehme.
Die Entdeckung der „Landschaft“ in der Malerei war für mich etwas Neues, vielleicht die Konsequenz meines Lebens im Ausland. Ich würde sogar sagen, dass ich die brasilianischen Landschaft wiedergefunden habe – die natürliche, die gebaute oder imaginierte und ihre Protagonisten.
Ich suche die Dualität der Landschaft: Bühne der Ungerechtigkeit und Verschobenheit auf der einen Seite, und Poesie auf der anderen, die eine Mischung aus Sehnsucht und Suche nach den eigenen Wurzeln thematisiert.
Ich möchte hier Arbeiten aus dem kritischen Zyklus „Politische Landschaften“ vorstellen.
Um es mit Botero zu sagen: „Ich bin kein Anhänger der Kampfkunst. […]. Aber ich fühle mich verpflichtet ein Dokument über ein irrationales Moment unserer Geschichte zu hinterlassen.“
(Botero über die Gewalt in Kolumbien, Medellín)
Die Geschichte von der Ermordung der Schwester Dorothy Stang (2005), hat mich traurig gestimmt und empört. Sie starb wegen ihres Engagements für die kleinen Landarbeiter im Konflikt um Boden in Pará, im Amazonasgebiet. Das Foto der drei verhafteten Verdächtigen ließ mich auf eine Verurteilung der Schuldigen hoffen, was tatsächlich, einige Jahre danach, eingetreten ist. Trotzdem gehen Verbrechen wie dieses weiter, solange der Konflikt um den Boden nicht gelöst ist.
Die Kämpfe der Drogenbanden in den Slums von Rio de Janeiro haben einen bürgerkriegsähnlichen Charakter. Auseinandersetzungen im Jahr 2006 haben mich schockiert: Szenen von Gewalt, die nicht mit dem Postkartensymbol, dem Zuckerhut zusammenpassen.
2010 wiederholten sich diese Bilder, nur das diesmal Panzer durch die Favelas rollten, um die Stadt militärisch zu „befrieden“. Es bleibt die Frage: Wie kann man Gewalt sinnvoll vorbeugen?
Die Verstärkte Nachfrage von Zuckerrohr (etwa für die Treibstoffherstellung) führt in Brasilien zu großen Monokulturplantagen, für die große Flächen des Waldes gerodet werden. Die Pflanzenvielfalt verödet, das ökologische Gleichgewicht ist zerstört. In vielen Fällen finden die Landarbeiter nur noch Beschäftigung in Verhältnissen moderner Sklavenarbeit: Die Arbeiter werden von weither, von sog. Agenten („gatos“ = Katzen) angeheuert, oft auf Lastwagen herbeigeschafft, um dann das Zuckerrohr von Hand zu schneiden. Die Arbeitsbedingungen sind denkbar schlecht: Die Unterkünfte sind prekär, der geringe Lohn wird in der Regel nicht vollständig ausbezahlt, sondern mit den, im Laden des Großgrundbesitzers gekauften Lebensmitteln verrechnet, es kommt zu Arbeitsunfällen. Man arbeitet bis zur Erschöpfung. Es herrscht eine permanente Überwachung. Diese Form von Beschäftigung ist in Brasilien illegal.
Über die Künstlerin
Benelisa Franco wurde 1956 in São Paulo, Brasilien geboren wo sie zwischen 1975 und 1980 Architektur an der Universität São Paulo studierte. 1985-86 erhielt sie ein Alexander von Humboldt Stipendium. Seit 1991 ist Benelisa Franco freischaffende Künstlerin und lebt in München. Seit 2004 Mitglied der Künstlergruppe Botanikum ebenfalls in München. Sie hat an zahlreichen Ausstellungen mitgewirkt. Ihre Arbeit wurde unter anderem im Katalog „Hände schaffen Heimat“ der Caritas Akademie der Nationen des Ausländerbeirats München präsentiert.
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Benelisa Franco