von Michael Cremers und Jens Krabel
Seit Jahren wird international die Erhöhung des Anteils männlicher Fachkräfte in Kindertagesstätten eingefordert (vgl. etwa OECD 2006). Zuletzt tat dies die Europäische Kommission in ihrem aktuellen Aktionsplan „Frühkindliche Betreuung und Erziehung“ (FBBE). In allen EU-Ländern soll die Laufbahn im FBBE-Sektor für Männer attraktiver gestaltet werden (vgl. Europäische Kommission 2011). Denn, obwohl eine vergleichende Darstellung des Männeranteils in der Elementarpädagogik aufgrund der unterschiedlichen länderspezifischen Datenerfassung sowie der unterschiedlichen Bildungssysteme nur begrenzt möglich ist, lässt sich festhalten, dass der Anteil männlicher Fachkräfte weltweit, mit der Ausnahme von Dänemark und Norwegen, unter 5 Prozent liegt (vgl. Oberhuemer/Schreyer 2010, OECD 2006). Norwegen wies im Jahr 2008 einen Männeranteil von 7,6 Prozent auf (vgl. Hoel/Johannesen 2010) und Dänemark je nach Einrichtungsart zwischen 6 Prozent (Kinderkrippen), 10 Prozent (Kindergarten) und 12 Prozent (altersgemischte Einrichtungen (Oberhuemer/Schreyer 2010). Mit dem geringen Anteil von ca. 3 Prozent liegt Deutschland bereits im oberen Mittelfeld.
Im Zentrum der Ausführungen des vorliegenden Artikels stehen die große Akzeptanz und Erwünschtheit männlicher Fachkräfte im Berufsfeld ‚Kindertagesstätte‘ sowie positive Ansätze zur Steigerung des Männeranteils. In einem ersten Schritt möchten wir aber zur besseren Übersicht und Einordnung die aktuelle Datenlage zum Männeranteil in deutschen Kindertagesstätten sowie an Fachschulen für Sozialpädagogik darstellen.
Männer in Kindertagesstätten in Deutschland
Männer in Kindertagestätten sind rar, auch wenn seit Jahren die Anzahl der in Kindertagesstätten arbeitenden Männer kontinuierlich steigt. In Deutschland waren im Jahr 2011 insgesamt 14.575 männliche Fachkräfte, Praktikanten, Zivildienstleistende, FSJler und ABM-Kräfte im pädagogischen Bereich von Kindertageseinrichtungen (reine Schulhorte ausgenommen) beschäftigt. Dies entspricht einem relativen Männeranteil von 3,5 Prozent. 2011 stieg - im Vergleich zum Vorjahr - der Männeranteil um 0,2 Prozent. In absoluten Zahlen ausgedrückt: Im Jahr 2011 arbeiteten circa 1.300 Männer mehr in Kitas als im Jahr 2010. Der Anteil männlicher Fachkräfte ohne Praktikanten, Zivildienstleistender, FSJler und ABM-Kräfte lag im Jahr 2011 bundesweit bei 2,9 Prozent, das waren 11.288 männliche Fachkräfte und damit 0,3 Prozent bzw.1.309 Männer mehr als im Vorjahr.
Männer in Kindertagesstätten in den einzelnen Bundesländern
Auffällig ist, dass der Anteil männlicher Beschäftigter in Kitas regional und damit auch zwischen den verschiedenen Bundesländern stark variiert (siehe Abbildung 1). Auf Bundeslandebene zeigt ein Vergleich über einen Zeitraum von fünf Jahren, dass insbesondere die ostdeutschen Bundesländer Thüringen, Sachsen und Brandenburg und die Stadtstaaten Berlin und Hamburg eine hohe Steigerung der Männeranteils verzeichnen konnten. Während in den Jahren, 2007 bis 2011, in Gesamtdeutschland der Männeranteil in Kitas von 2,2 Prozent auf 2,9 Prozent (nur Fachkräfte) bzw. von 2,8 Prozent auf 3,5 Prozent (Fachkräfte zzgl. Praktikanten etc.) um jeweils 0,7 Prozentpunkte stieg, betrug die Steigerung des Männeranteils in Berlin 1,9 Prozent (Fachkräfte und Fachkräfte zzgl. Praktikanten etc.). In Brandenburg, Hamburg, Sachsen und Thüringen betrug die Steigerung des Männeranteils in den letzten fünf Jahren je nach Datensatz immerhin zwischen 1,4 Prozent und 1,6 Prozent.
Quelle: Forschungsdatenzentrum der Länder im Amt für Statistik Berlin-Brandenburg. Statistik der Kinder- und Jugendhilfe Teil. III (Statistik der Kinder und tätigen Personen in Tageseinrichtungen) 2007 – 2011. Hinweis: In Brandenburg kam es 2010 im Stadtkreis Potsdam aufgrund eines Softwarefehlers eines freien Trägers zu erhöhten Angaben des männlichen Personals. Da das Datenmaterial rückwirkend nicht mehr korrigiert werden kann, ist es nicht möglich, für Brandenburg 2010 verlässliche Angaben zum Männeranteil zu machen.
Männer in Kitas in der Erzieherfachschulausbildung
Der Anteil männlicher Schüler in der Erzieherfachschulausbildung lag im Schuljahr 2009/2010 bundesweit bei 14,8 Prozent und ist damit deutlich höher als der Anteil männlicher Fachkräfte, die in Kitas arbeiten (1). Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Fachschulausbildung eine Breitbandausbildung ist, die den ausgebildeten Erzieher_innen eine Tätigkeit in unterschiedlichen Berufsfeldern der Kinder- und Jugendhilfe ermöglicht – viele dieser männlichen Fachschüler werden im Anschluss an ihre Ausbildung nicht im Berufsfeld „Kindertagesstätte“ arbeiten. Nichtsdestotrotz bilden diese 14,8 Prozent ein Arbeitskräftepotenzial für Kindertagesstätten. Aufgrund des prognostizierten Fachkräftemangels ist es eine der zukünftigen Aufgaben, Kindertagesstätten insgesamt als Arbeitsort aufzuwerten und auch für Männer so zu gestalten, dass zunehmend mehr ausgebildete männliche Erzieher sich für Kitas als Arbeitsfeld entscheiden (vgl. hierzu auch Schilling/Kersting 2010).
Bei der Betrachtung statistischer Daten zum Anteil männlicher Fachschüler in den einzelnen Bundesländern fällt auf, dass auch diese sich von Bundesland zu Bundesland unterscheiden. Die höchsten männlichen Fachschüleranteile weisen die Bundesländer Schleswig-Holstein (18,9 Prozent), Berlin (18,6 Prozent) und Baden-Württemberg (17,5 Prozent) auf, dicht gefolgt von Brandenburg (17,1 Prozent). Die Bundesländer Bayern (8,9 Prozent), Thüringen (12,1 Prozent) und Sachsen (12,3 Prozent) bilden die Schlusslichter. Bei den Bundesländern Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt liegen die Fachschüleranteile zwischen ca.14 Prozent und 16 Prozent.
Akzeptanz und Erwünschtheit gegenüber Männern in Kitas
Wie die Studie „Männliche Fachkräfte in Kitas“ (Cremers/Krabel/Calmbach 2010) aufzeigen konnte, wird die international geforderte Zielsetzung der Steigerung des Männeranteils in Kitas von einem Großteil der Bevölkerung und des Fachpersonals in Deutschland geteilt. Der weit verbreitete Wunsch nach einer Steigerung des männlichen Fachkräftepersonals besteht offensichtlich. Das gilt für die Eltern ebenso wie für Kita-Leitungen, Erzieherinnen und Träger-Verantwortliche. Sogar die (wenigen) Personen, die in den Interviews angeben, dass sie negative Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Männern (Fachkräften und anderen) gemacht haben, sprechen sich klar und eindeutig für eine Erhöhung des Männeranteils in Kitas aus.
Träger-Verantwortliche, Kita-Leitungskräfte und Eltern finden nicht nur, dass Männer für den Erzieher_innenberuf geeignet sind, sondern sie plädieren eindeutig für geschlechterheterogene Kita-Teams. So verwundert es nicht, wenn ein Drittel der Eltern der Aussage „voll und ganz“ zustimmen, dass eine Kita, die auch männliche Erzieher beschäftigt, für sie attraktiver ist als eine Kita, in der nur weibliche Erzieherinnen arbeiten (ebd. S.48ff.). Eine genauere Analyse erlaubt zudem differenziertere Aussagen darüber, in welchen demografischen Teilgruppen der Eltern die Akzeptanz für männliche Erzieher in Kitas am größten ist:
- Eltern, die positive Erfahrungen mit männlichen Erziehern, Praktikanten, FSJ-lern oder Zivildienstleistenden gemacht haben, befürworteten noch stärker eine Erhöhung des Männeranteils in Kitas als der Durchschnitt aller befragten Eltern;
- insbesondere Eltern aus sozial besser gestellten Schichten plädieren für mehr Männer in Kitas, auch wenn grundsätzlich festzuhalten ist, dass die Unterschiede zwischen den sozialen Schichten insgesamt eher gering ausfallen;
- Eltern in den alten Bundesländern schreiben dem Thema „männliche Erzieher“ eine höhere Bedeutung zu als Eltern aus den neuen Bundesländern;
- dagegen zeigen sich bei der Akzeptanz von männlichen Pädagogen in Kitas keine Unterschiede zwischen Vätern und Müttern sowie zwischen Eltern aus städtischen und ländlichen Gebieten;
- zudem unterscheiden sich Alleinerziehende in ihrer grundsätzlichen Offenheit gegenüber männlichen Pädagogen nicht auffällig von gemeinsam erziehenden Eltern.
Argumente für mehr Männer in Kitas
Aus Sicht der Erzieher/innen, Auszubildenden, Träger-Verantwortlichen, Kita-Leiter_innen sowie Eltern, die im Rahmen der Studie „Männliche Fachkräfte in Kindertagesstätten“ befragt wurden, spricht eine Vielzahl an Gründen für mehr männliche Erzieher in Kitas. So verbindet beispielsweise ein Teil der Befragten mit einer Erhöhung des Anteils männlicher Fachkräfte die Hoffnung, dass überkommene Männer- und Geschlechterbilder erweitert werden. Eine Kita-Leiterin drückt dies folgendermaßen aus:
„Aber die Ungewöhnlichkeit da drin von der Begegnung zwischen einem ganz kleinen Kind und einem Mann – stellvertretend als Vater, kann man ja jetzt mal sagen –, wie viel Berührung da auch passieren kann. Wie viel Hinwendung, wie viel Zuwendung. Das ist ja was, das erleben nicht alle Kinder und nicht alle Erwachsenen in ihrem Alltag. Und das vor Ort zu sehen und zu erleben, erleichtert meines Erachtens halt auch, festgefahrene Rollenbilder aufzulösen.“ (Cremers et al. 2010, S. 54)
Weitere Gründe, die die Befragten für eine Erhöhung des Männeranteils in Kitas ins Feld führen, waren:
- Erzieher sind wichtige Vorbilder für Jungen (und auch für Mädchen);
- durch die Zusammenarbeit von Erziehern und Erzieherinnen könnten Kinder lernen, wie Männer und Frauen miteinander umgehen;
- Erzieher und Erzieherinnen können in ihrer pädagogischen Arbeit voneinander lernen;
- Erzieher sind gewinnbringend für die Elternarbeit, insbesondere da sie als Ansprechpartner für Väter fungieren könnten;
- mehr männliche Erzieher in Kitas erhöhen die gesellschaftliche Anerkennung des gesamten Berufsfeldes.
Die Studie verdeutlicht zudem, dass männliche Fachkräfte auch deshalb erwünscht sind, weil mit ihnen die Erwartungen verknüpft werden, andere pädagogische Angebote, Tätigkeiten, Interaktions- und Kommunikationsstrukturen in die Kitas einzubringen. Diese Argumentationsfigur findet sich auch in (fast) allen anderen Studien zum Thema „Männer in Kitas“ wieder (vgl. ausführlich Cremers et al. 2010, Koordinationsstelle ‚Männer in Kitas‘ 2012).
Diese Argumentationsfigur und Erwartungshaltung ist zumindest gleichstellungspolitisch nicht ganz unproblematisch, da sie dazu neigt, stereotype Männer- und Geschlechterbilder zu verfestigen und in einem auffälligen Gegensatz zu dem oben beschriebenen Wunsch steht, männliche Erzieher könnten zu einer Vervielfältigung nicht stereotyper Männlichkeitsbilder beitragen.
Skepsis und Vorbehalte gegenüber Männern in Kitas
Zwei Befunde fallen hierbei in Deutschland besonders ins Auge: Erstens wird kaum Skepsis geäußert. So stimmen etwa nur 2 Prozent der Kita-Leitungen, 3 Prozent der Träger-Verantwortlichen und 4 Prozent der Eltern der Aussage voll und ganz zu: „Es ist ein Risiko, Männer als Erzieher für Kleinkinder einzusetzen“ (Cremers et al. 2010, S. 61). Zweitens scheinen männliche Fachkräfte andererseits schwerwiegenden Vorurteilen ausgesetzt zu sein. So hat nahezu die Hälfte der befragten Trägerverantwortlichen, Kita-Leitungen und Eltern schon mal an die Gefahr eines möglichen Missbrauchs durch männliche Fachkräfte gedacht. 48 Prozent der Trägerverantwortlichen, 43 Prozent der Kita-Leitungen und 40 Prozent der Eltern stimmen der folgenden Aussage mehr oder weniger deutlich zu: „Auch wenn man vielen Männern damit Unrecht tut, habe ich schon mal an die Gefahr eines möglichen Missbrauchs durch männliche Erzieher gedacht“ (ebd., S. 62).
Die Interviews mit männlichen Auszubildenden und Erziehern zeigen entsprechend, dass dieser „Generalverdacht“ gegenüber Männern bei Fachschülern und männlichen Fachkräften einerseits zu Verunsicherungen, Irritationen, Unverständnis und Wut führen und andererseits die tägliche professionelle Arbeit einschränken kann. So berichteten männliche Erzieher häufig davon, dass sie sich nicht trauen, Kinder auf den Schoß zu nehmen oder auf die Wange zu küssen, oder dass sie auf Umarmungen und körpernahe Turnübungen verzichten (Vgl. ausführlich Cremers/Krabel 2012). Dieser Befund wird auch von vielen nationalen sowie internationalen Studien bestätigt (vgl. u.a. Koch et al 2012; Cameron et al 1999; Kreß 2006; Uhrig 2006; Watermann 2006). Während ein Teil der Autor_innen dieser Studien, wie beispielsweise Watermann und Kreß, den Generalverdacht nicht als eine der zentralen Barrieren beschreiben, die Männern den Weg in den Erzieher_innenberuf erschweren, sehen Cameron et al. (1999) und Koch et al. (2012) im Generalverdacht gegenüber männlichen Fachkräften in Kitas einen wichtigen Grund für den geringen Männeranteil in Kitas (vgl. Cremers/Krabel 2012). So resümieren Koch et al. 2012 beispielsweise:
„Insgesamt können zwei Bereiche identifiziert werden, in denen der „Generalverdacht“ zum Problem wird: zum einen die Phase der Ausbildungs- und Berufswahl, zum anderen der Umgang mit körperlicher Nähe im pädagogischen Alltag mit Kindern. Negative Reaktionen von Peers erschweren Burschen und Männern die Entscheidung für eine pädagogische Ausbildung bzw. eine Tätigkeit in der Kinderbetreuung. Dies ist insbesondere für Jugendliche von Relevanz, da es in den Peergruppen männlicher Jugendlicher eine starke Tendenz zur Ablehnung und Abwertung von Männern im Kindergarten gibt.“ (Koch et al. In Erscheinung.)
Trotz der Bedeutung, die der Generalverdacht in den verschiedenen Studien einnimmt, lässt sich zumindest für die deutsche Studie „Männliche Fachkräfte in Kindertagesstätten“ schlussfolgern, dass die Befunde – nur sehr wenige Befragte sehen in männlichen Erziehern ein Risiko oder sind ihnen gegenüber skeptisch, aber viele der Befragten verbinden männliche Erzieher gedanklich mit dem Thema „sexueller Missbrauch“ – aufzeigen, dass gerade vor dem Hintergrund und dem Bewusstsein der Missbrauchsthematik eine grundsätzlich hohe Akzeptanz und Erwünschtheit von männlichen Fachkräften erfolgt.
In den Interviews, die wir mit weiblichen Auszubildenden und Erzieherinnen durchgeführt haben, wurde weitere Skepsis gegenüber Männern in Kitas angedeutet. Die von uns befragten Frauen beklagten beispielsweise, dass in der öffentlichen Debatte häufig betont werde, die Männer würden so viel Neues und Besseres – wie beispielsweise Bewegungs- und Tobespiele sowie technische und naturwissenschaftliche Kompetenzen – in den Kita-Alltag einbringen. Dieser Begründungszusammenhang kann einerseits Kränkungs- und Abwertungsgefühle bei den Erzieherinnen hervorrufen, andererseits führt er dazu, dass Erzieherinnen, die ihre Stärken gerade in den Bereichen haben, die in der öffentlichen Diskussion den Männern zugeschrieben werden, dem „Mehr-Männer-in-die-Kitas-Diskurs“ skeptisch bis ablehnend gegenüberstehen. Eine Erzieherin, die wir im Rahmen unserer Studie interviewten und die in der Türkei ihre Tischlerinnenausbildung absolvierte und als Quereinsteigerin in den Erzieherinnenberuf gelangt ist, drückt dies folgendermaßen aus:
„(…) weil wie gesagt, ich kann Stromsachen selber anschließen und ich kann auch handwerklich, sei es Holz, seien es andere Sachen. (…). Sport ok, vielleicht Trainer oder so was, habe ich nicht so viel Ahnung, aber Fußball spielen tu ich auch. (…) Ich kann doch nicht den Hobel irgendwie anders festhalten als ein Mann. (…) wegen meinem Geschlecht möchte ich nicht untergeordnet werden. Das ist mir wichtig.“
Positive Ansätze zur Gewinnung von Männern für die pädagogische Arbeit in Kitas - Das Bundesprogramm „Mehr Männer in Kitas“
Insbesondere die Analyse der Erfahrungen aus Dänemark und Norwegen, in denen es seit Längerem gezielte und staatlich unterstützte Maßnahmen zur Erhöhung des Männeranteils in Kitas gibt, zeigen, dass nur eine langfristig angelegte Strategie, die verschiedene Akteure aus den Bereichen, Praxis, Ausbildung, Politik und Verwaltung einbindet sowie vielfältige Fördermaßnahmen und bewusstseinswandelnde Kampagnen initiiert, den Anteil männlicher Fachkräfte in Kitas nachhaltig steigern können (vgl. Cremers et al 2010, S. 31; Koordinationsstelle ‚Männer in Kitas‘ 2012).
Vor mittlerweile knapp 1 ½ Jahren wurde am 1.1.2010 auch in Deutschland der Grundstein für eine solch umfassende Strategie gelegt. Im Rahmen eines so genannten Bundesprogramms „Männer in Kitas“ fördert das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) seither die Koordinationsstelle „Männer in Kitas“. Ziel der Koordinationsstelle ist es, zentrale Akteure aus Politik und Praxis bei der Entwicklung von Strategien zur Erhöhung des Anteils männlicher Fachkräfte in Kitas zu beraten, begleiten und zu vernetzen. Weitere wichtige Bausteine zur Erhöhung des Männeranteils in Kindertagesstätten im Rahmen dieses Bundesprogramms sind das ESF-Modellprogramm „MEHR Männer in Kitas“, das Quereinstiegsprogramm und die von Prof. Dr. Holger Brandes an der evangelischen Hochschule in Dresden durchgeführte so genannte Tandem-Studie, die Erzieher/Erzieherin-Tandems daraufhin beforscht, ob sich geschlechterbasierte Effekte durch die Steigerung des Männeranteils in Kindertagesstätten prognostizieren lassen.
ESF-Modellprojekte
Im Folgenden werden auszugsweise erste gelingende Praxisstrategien vorgestellt, die im Rahmen des laufenden ESF-Modellprogramms in bundesweit 16 Modellprojekten seit dem 1.1.2011 erprobt werden. Nach mittlerweile mehr als einjähriger Laufzeit der Modellprojekte lassen sich erste erfolgversprechende und innovative Projekte und Maßnahmen benennen, die auf regionaler Ebene dazu beitragen können das Thema „Männer in Kitas“ zu befördern und perspektivisch mehr männliche Fachkräfte für die Arbeit in Kindertageseinrichtungen zu gewinnen. In erster Linie sind hierbei Öffentlichkeitsmaßnahmen zu nennen, wie beispielsweise die Medienkampagnen „Vielfalt Mann“ des Hamburger Modellprojekts und die Kampagne „Starke Typen für starke Kinder“ des Stuttgarter Modellprojekts. Beide Medienkampagnen zielen darauf ab, insbesondere jüngeren Männern aufzuzeigen, wie vielfältig, anspruchsvoll und erfüllend der Erzieherberuf sein kann und dass Männer ihre unterschiedlichen Fähigkeiten und Lieblingsbeschäftigungen in den Beruf einbringen können.
Des Weiteren engagieren sich die Modellprojekte stark im Bereich der geschlechtersensiblen Berufsorientierung. Die Modellprojekte kooperieren dabei häufig mit Schulen und bieten Jungen Hospitations- und Praktikumsplätze in Kitas an, wobei die Jungen während ihres Aufenthalts in der Kita meist von (männlichen) Erzieher-Mentoren begleitet werden. Das Darmstädter Modellprojekt beschäftigt darüber hinaus so genannte Werbeerzieher, die Schüler und Jugendliche den Erzieherberuf näherbringen, indem sie von ihren Erfahrungen aus dem Berufsalltag und ihrer persönlichen Berufsmotivation erzählen. (2)
Darüber hinaus etablieren die meisten der beteiligten Modellprojekte das Thema Gender in die Praxis der eigenen beteiligten Kitas. Hier reichen die Maßnahmen von Coachings für gemischtgeschlechtliche Teams, in denen unter anderem Geschlechterbilder oder Parameter für ein partnerschaftliches und gleichberechtigtes Zusammenarbeiten reflektiert werden über die Erprobung und Dokumentation geschlechterbewusster Pädagogikansätze bis hin zu Väterprojekten, bei denen Väter verstärkt für die Mitarbeit in Kitas gewonnen werden sollen. Andere Modellprojekte wiederum setzen sich das Ziel, Strategien für den Umgang mit dem „Generalverdacht“ zu entwickeln.
Fazit
Das Bundesprogramm „Männer in Kitas“ genießt viel öffentliche und gesellschaftliche Anerkennung. Damit diese Anerkennung aufrecht erhalten werden kann, sollten Akteur_innen, die Strategien zur Erhöhung des Männeranteils verfolgen (wollen), die hier beschriebenen Barrieren und Hindernisse berücksichtigen. Besonders wichtig erscheint uns dabei, die Erzieherinnen „mitzunehmen“, um Konkurrenzgefühle und mögliches Unbehagen konstruktiv und für alle Beteiligten gewinnbringend zu bearbeiten. Darüber hinaus müssen alle Akteur_innen, die sich für eine Steigerung des Anteils männlicher Fachkräfte in Kitas einsetzen, sich mit dem Problem auseinandersetzen, dass bestimmte Argumentationsfiguren (wie oben beschrieben) dazu tendieren, stereotype Männer- und Geschlechterbilder zu produzieren oder zu verfestigen.
Fußnoten
(1) Quelle: destatis - Publikationsservice des Statistischen Bundesamtes, Fachveröffentlichungen zum Thema Bildung, Forschung, Kultur, Publikationen im Bereich Schulen, Berufliche Schulen, Fachserie 11 Reihe 2 - Schuljahr 2009/10. Die Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Saarland sind nicht in die Datenerhebung mit eingeflossen. In der Statistik liegen bei den Fachschulen dieser Länder nur Zahlen zu den Schüler(n)/innen folgender Berufsklassen vor: 8610 Sozialarbeiter/in, Sozialpädagog(e)/in o.n.A.; 8611 Sozialarbeiter-, pädagogen i.d. Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Familien; 8620 Heilpädagog(e)/in; 8660 Heilerziehungspfleger/in, Heilerzieher/in.
(2) Vgl. hierzu auch die Themenwoche der Koordinationsstelle ‚Männer in Kitas‘ zur Berufsorientierung junger Männer, welche angesichts des Girls’Day und Boys‘ Day in der Woche vom 23.04. bis zum 27.04. 2012 durchgeführt wurde.
Literatur
- Camaron, Claire/Moss, Peter/Owen, Charlie (1999): Men in the nursery: Gender and caring work. London: Paul Chapman Publishing.
- Cremers, Michael; Krabel, Jens (2012): Generalverdacht und Sexueller Missbrauch in Kitas. Wie können Kitas Erzieher vor dem Generalverdacht und Kinder vor sexuellem Missbrauch schützen? In: Koordinationsstelle „Männer in Kitas“ (Hg.): Männer in Kitas. Eine Anthologie. Opladen: Verlag Barbara Budrich. In Erscheinung.
- Cremers, Michael; Krabel, Jens; Calmbach, Marc (2010). Männliche Fachkräfte in Kindertagesstätten - Eine Studie der Katholischen Hochschule für Sozialwesen Berlin und Sinus Sociovision GmbH. Heidelberg/Berlin: BMFSFJ (Hg.)
- destatis - Publikationsservice des Statistischen Bundesamtes, Fachveröffentlichungen zum Thema Bildung, Forschung, Kultur, Publikationen im Bereich Schulen, Berufliche Schulen, Fachserie 11 Reihe 2 - Schuljahr 2009/10.
- Europäische Kommission (2011): Frühkindliche Betreuung, Bildung und Erziehung: der bestmögliche Start für alle unsere Kinder in die Welt von morgen. Mitteilung der Europäischen Kommission. (Zugriff: 23.3.2011)
- Hoel, Anette/Johannesen, Nina (2010): „Status of Gender equality work in Norwegian Kindergartens – New kindergartens in old tracks?“ Paper presented on the 20th EECERA Conference (European Early Childhood Education Research Association), Birmingham, UK, 6.–8. September 2010. (Zugriff: 24.03.2011).
- Bernhard Koch/Tim Rohrmann/Barbara Mösinger-Strubreither/Gabriele Schauer (2012): Männer in Kindergärten und Ausbildungseinrichtungen in Österreich. In: Koordinationsstelle „Männer in Kitas“ (Hg.): Männer in Kitas. Eine Anthologie. Opladen: Verlag Barbara Budrich. In Erscheinung.
- Koordinationsstelle „Männer in Kitas“ (Hg.) (2012): Männer in Kitas. Eine Anthologie. Opladen: Verlag Barbara Budrich. In Erscheinung
- Kreß, Brigitta (2006): Männer als Erzieher. In: Psychologie Heute 11/2006, S. 64–67.
- Uhrig, Kerstin (2006): Motivationslage männlicher Fachkräfte und Evaluierung von Personalgewinnungsmaßnahmen für männliche Fachkräfte im Tätigkeitsbereich von Kindertageseinrichtungen in städtischer und freier Trägerschaft in Frankfurt am Main. Zusammenfassung der Gesamtergebnisse. Frankfurt.
- Schilling, Stefan/Kersting, Anne (2010): Gibt es einen (drohenden) Fachkräftemangel im System der Kindertagesbetreuung in Rheinland-Pfalz? Eine empirische Untersuchung zum Personalbedarf in Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege. Eine Studie im Auftrag des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Jugend und Kultur des Landes Rheinland-Pfalz/ Stefan Sell und Anne Kersting – 1. Auflage. Remagen: ibus-Verlag,
- Oberhuemer, Pamela/Schreyer, Inge (2010): Kita- Fachpersonal in Europa. Ausbildungen und Professionsprofile. Opladen/Farmington Hills: Verlag Barbara Budrich.
- OECD (2006): Starting Strong II. Early childhood education and care policy. Paris: OECD.
- Watermann, Liane (2006): Erzieher auch ein Beruf für Männer. Eine Untersuchung zur Motivation, die Rolle als Mann, Vorstellungen und Berufsperspektiven in der Ausbildung zum Erzieher. Göttingen: Gleichstellungsstelle des Landkreises Göttingen, Eigendruck
Michael Cremers und Jens Krabel sind Projektkoordinatoren und fachliche Leiter der Koordinationsstelle „Männer in Kitas“.