Editorial Dossier Empowerment

Empowerment

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Empowerment wird als das Steigern der politischen, sozialen, ökonomischen und spirituellen Stärke einer Gemeinschaft oder Person verstanden, die durch soziale Konstrukte wie »Rasse«, Religion, Gender, Sexualität, Klasse, Disability und Alter strukturell benachteiligt sind. Der Begriff »Empowerment« wurde durch die Bürgerrechtsbewegung in den USA in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts im breiten politischen Diskurs gebräuchlich. Empowerment wird hier auch als Ansatz verstanden der ähnlich der Positiven Maßnahmen, Subjekten und Gemeinschaften denen aufgrund struktureller Barrieren Chancengleichheit verwehrt wird, zu ermöglichen die ihnen zustehenden Rechte wahrzunehmen und auf allen Ebenen von Gesellschaften teilzuhaben.   

Das Dossier stellt Essays, Interviews und Filme vor, die das Empowerment von Menschen fokussieren, die aufgrund von rassistischen Strukturen marginalisiert werden – People of Color, Schwarze Personen, Nicht-Weiße Migrant_innen und sogenannte »Minderheiten«. Mit diesem Fokus demonstriert die Sammlung einen wichtigen Teil des Empowerment-Prozesses, über die Probleme von Disempowerment (Entmachtung) und Diskriminierung hinauszugehen. Das Dossier erweitert somit den Kanon dessen, was bereits schriftlich über Empowerment in der Praxis dokumentiert wurde, erkundet, was es bedeutet und erklärt, wie es funktioniert.

Es betrachtet verschiedene individuelle und strukturelle Ansätze des Empowerments, in verschiedenen Sphären des Lebens - bei der Arbeit, in der Schule, in der Familie, auf der Straße.

Das Ziel dieses Dossiers ist es zunächst, einen Überblick über die Grundtheorien und historischen Kontexte des Empowerments in Deutschland und international zu schaffen: Wie und wo entwickelte sich der Begriff? Wie unterscheidet sich Empowerment von anderen Formen anti-rassistischer Arbeit? Und wie ist es mit dem Kampf der Dekolonisierung verbunden? Im zweiten Teil werden die verschiedenen Empowerment-Strategien und -Ansätze in Form von Empowerment-Trainings, künstlerischem Ausdruck und Erkundungen bis hin zu neuen Formen des Netzwerkens und Teilens von Strategien durch neue Medien und Technologien vorgestellt. Wir fragen: Wie überschneidet sich Empowerment entlang von Trennungslinien wie Hautfarbe/»Rasse«, Gender und Ability? Welche pädagogischen Methoden gibt es auf der Welt, die junge Leute empowern? Und welche Rolle spielen Community und soziale Netzwerke bei Empowerment-Prozessen?

Sehr oft ist Disempowerment eine physische Erfahrung; es ist nicht nur ein kognitiver Prozess, der auf rassistische Gedanken oder Wörter reagiert. Auch wenn kognitive Empowerment-Methoden, wie Trainings und Mentoring, häufig die geläufigsten Werkzeuge sind, muss Empowerment nicht immer durch das Nadelöhr der Sprache und Gedanken gezwängt werden. Wenn Rassismus in unsere Körper eingeschrieben ist, welche Methoden nutzt unser physisches Selbst als Medium des Empowerments? Während das »Empowerment von People of Color«-Rahmenwerk eine zentrale Rolle im Kampf gegen Rassismus in Deutschland und auch anderswo spielt, schauen wir auch, wo dessen Grenzen sind.

In »Teaching Critical Thinking« schreibt bell hooks: »Wissen, welches auf Erfahrung beruht, formt, was wir wertschätzen und als Konsequenz, wie wir wissen, was wir wissen, und wie wir nutzen, was wir wissen.« Was Empowerment für People of Color in Deutschland und in der Welt heute bedeutet, zeigt dieses Dossier. Da Empowerment-Prozesse mit einem Ausbalancieren von Macht einhergehen, werden auch jene, welche einen privilegierten Zugang zu Ressourcen in der Gesellschaft haben, nicht vergessen. Erwähnt wird auch die Verantwortung und Aufgabe jener, welche systematisch über-empowered werden, und was sie durch dieses Über-Empowerment verlieren, insbesondere in Bezug auf Identität, Sicherheit und Selbst. Empowerment ist daher eng mit einem Paradigmenwechsel verbunden, der die Lebensqualität der Gesellschaft als Ganzes erhöht. Gleichzeitig ist Macht nicht immer etwas, das zwangsläufig von privilegierten Gruppen wahrgenommen wird. Ein Verständnis, welches sich durch das Dossier zieht, ist, dass Macht durchaus auch in benachteiligten Gruppen und Individuen existiert. Macht kann daher auch als eine nicht-angezapfte Quelle wahrgenommen werden, eine existierende Ressource, die nicht wertgeschätzt oder anerkannt wird, oder einfach eine, die verschoben werden muss, damit sie ihre Kraft entwickeln kann.

Ein etwas anderes Vorwort
Gün Tank, die Integrationsbeauftragte des Bezirks Berlin-Tempelhof/Schöneberg, stellt in ihrem etwas anderen Vorwort ihren persönlichen Zugang zum Thema her  und plädiert für die Verbindung von Solidarität und Empowerment.

Die Grundlagen
Der erste Teil des Dossiers stellt verschiedene theoretische Herangehensweisen an Empowermentarbeit in Deutschland vor. Die Texte erkunden die Wurzeln des Empowerments und verbinden diese mit dekolonialer Theorie, Beratungsarbeit, Anti-Rassismus und Cultural Studies.

Internationale Perspektiven
Der zweite Teil erweitert den Blick über Deutschland hinaus und stellt Beispiele und kreative Konzepte aus verschiedenen internationalen Kontexten vor, darunter Katar, Großbritannien und Süd-Amerika.

Strategien und Ansätze in Deutschland
Wie vielfältig die Empowermentarbeit in Deutschland bereits ist, zeigt der dritte und letzte Teil des Dossiers mit Beispielen aus der Praxis und Raum für empowerte Stimmen.

 

Julia Brilling                   Sofia Hamaz & Mutlu Ergün-Hamaz
Heinrich-Böll-Stiftung    Dossier-Redaktion