Dossier

Empowerment

Die Grundlagen

Im Gegensatz zum normativen Antirassismusansatz wird die Empowerment-Bewegung hauptsächlich von Schwarzen Menschen, People of Color, und Nicht-Weißen angeführt. Ein ganz wesentliches Element in der Empowerment-Arbeit ist, sich von Fremdbestimmungen zu befreien. Jedoch sind wir durch unsere soziale Prägung nicht frei von Zwängen, die unsere (Selbst-)Wahrnehmung und unser Handeln bestimmen können. Unsere soziale Prägung ist maßgeblich von unserer gesellschaftlichen Position bestimmt; soziale Konstruktionen wie »Rasse«, Klasse, (Cis-)Gender, Religion, Alter, Ability sind ausschlaggebend für die Formung unserer Wahrnehmung und unseres Handelns.

People of Color (PoC) ist ein Begriff, der aus dem US-amerikanischen Diskurs nach Europa geschwappt ist. Mit diesem Begriff sollen all diejenigen angesprochen werden, die strukturell durch Rassismus benachteiligt sind. PoC ist als emanzipative Selbstbezeichnung auch in Deutschland in vielen anti-rassistischen/aktivistischen Diskursen angekommen, wenn auch nicht ohne Kritik. In dem Begriff vereinigen sich die Elemente der Selbstdefinition (als agierendes Subjekt), aber auch der Bündnisarbeit – eine der wichtigsten Widerstandsstrategien gegen das koloniale Teile-und-Herrsche-Prinzip. Es wird deutlich, wie schwierig der Empowerment-Ansatz von dekolonialen Theorien zu trennen ist, geht es doch in beiden Ansätzen darum, die internalisierten Unterdrückungsstrukturen zu überwinden und neue Möglichkeiten des Handelns zu entdecken.

Internationale Perspektiven

Das Konzept des Empowerments von Menschen, die wegen ihre Hautfarbe, Nationalität oder Herkunft rassistisch behandelt werden, hat seine Ursprünge in der Schwarzen Bürgerrechtsbewegung in den USA. Die grundliegende (Selbst-)Ermächtigung von marginalisierten Menschen findet inzwischen in verschiedenen Bewegungen weltweit Ausdruck in unterschiedlichen Kontexten, Ansätzen und Methoden.

Die diversen politischen Kontexte, Wirtschaftssysteme und Rechtsstrukturen in Ländern und Regionen weltweit setzen die Rahmenbedingungen für  Selbstermächtigungsmethoden, Ansichten und Erfahrungen. Hier können Empowermentstrategien in verschiedene soziale Bereiche einfließen, sei es im Arbeitsleben, in der Familie oder in Schulen. Diese heterogenen und manchmal divergierenden Geschichten geben einen wertvollen Einblick für den Einsatz und die Entwicklung von Ermächtigungsstrukturen von und für Schwarze Menschen, Migrant_innen und People of Color weltweit und illustrieren, wie divers die Kontexte sind, in denen Empowermentstrategien Anwendung finden können.

Strategien und Ansätze in Deutschland

Auch in Deutschland hat der Empowerment-Ansatz immer mehr Eingang gefunden, wie die nachfolgenden Beispiele zeigen. Dabei wird deutlich, in welchen Facetten Empowerment sich manifestieren kann: Es kann über staatlich finanzierte Kanäle wie zum Beispiel eine Anti-Diskriminierungsberatungsstelle laufen, über das Wahrnehmen und Anerkennen des eigenen Empowermentpotentials, über ganz unterschiedliche Formen von Empowermenttrainings, durch neue Medien wie das Internet, aber auch über künstlerischen Ausdruck.

Der Empowerment-Ansatz, welcher stark von Schwarzen Feminist_innen geprägt ist, zielt darauf ab, die eigenen Grenzen neu zu bestimmen. In geschützten Räumen geht es darum,eine Sprache für unsere Erlebnisse zu finden, die Auswirkungen von alltäglichen Rassismuserfahrungen auf Körper und Geist zu verstehen, Erfahrungen der Mehrfachdiskriminierungen mit Heilung und dem Gedanken des Wohlbefindens entgegenzuwirken. Durch diesen Perspektivwechsel wird auch ein Wechsel von Paradigmen möglich.

Was alle Ansätze in ihrer Unterschiedlichkeit gemeinsam haben, ist die Abkehr von defizitorientierten Theorien und Praxen. Deutlich werden hier die vielen Möglichkeiten, aber auch die Grenzen des Empowerment-Ansatzes. Dennoch geben sie einen Ausblick auf das, was da ist, was kommen kann und was noch gebraucht wird.