von Pasquale Virginie Rotter
Liebe Schwester, lieber Bruder!
Du hast gefragt, was mich bewegt. Hier nun die versprochene und lang erwartete Antwort. Mein lieber Bruder, du hast im Sommer an einem »Empowerment in Motion«-Workshop teilgenommen, den ich im Rahmen des jährlichen Bundestreffens der Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland e.V. angeboten habe. Als ich dich nach dem Workshop gefragt habe, wie du es fandest, meintest du, es wäre ja ganz nett gewesen, die Bewegung und so, doch eigentlich hättest du gedacht, dass man sich mal über Rassismuserfahrungen austauschen könne und auch gemeinsam besprechen würde, was man denn tun könne. Ich musste schmunzeln und fand deshalb lediglich eine Antwort, die Dich nur mäßig befriedigte. Eine ausführliche Antwort möchte ich nun nachholen.
Lieber Bruder, liebe Schwester, du bist die in Ostdeutschland sozialisierte Schwarze Buchautorin, die deutsche Filmemacherin, deren Großmutter aus der Ost-Türkei nach Deutschland kam, der Technik-Student aus der Mongolei, der afro-deutsche Fernsehjournalist, die Studentin und Aktivistin iranischer Herkunft, der afrodeutsche in WestBerlin sozialisierte Koch, die Studierende kubanischer Herkunft, mit und ohne spanischen Akzent, die Politik-Studierende of Color, die »passed« (1), die Frau of Color, deren Onkel im kurdischen Widerstand gekämpft hat, die Promovierende aus Indien, in deren Familie mindestens zwei Sprachen verloren gingen und durch eine Kolonialsprache ersetzt wurden, der arbeitslose Akademiker, der aus der Demokratischen Republik Kongo geflohen ist, die Juristin vietnamesischer Herkunft in zweiter und dritter Generation, der Organisationsberater, der als Kind mit seinen Eltern aus Eritrea geflüchtet ist, die Auszubildende aus Kasachstan, der Afrodeutsche aus Baden-Württemberg, die Deutsch-Türkin aus Kreuzberg und der Deutsch-Türke aus Frankfurt. (2) Du bist der, der von überall und nirgendwoher kommt. Du bist die, deren Eltern von überall her gekommen sind. Ihr seid die, die immer schon da waren.
Life is movement. Enjoy movement and you will enjoy life. (Ismael Ivo)
Ich möchte dir zuerst erzählen, wie alles begann, wie ich überhaupt auf »Empowerment in Motion« gekommen bin. Es begann mit einer Liste von Fragen, die vor rund vier Jahren einfach aus mir herausströmten. Ganz banale Fragen wie: »Wie drückt sich Anpassung körperlich aus?« »Wie fühlt es sich an, wenn alle dich anstarren?« Oder: »Wie fühlt es sich an, wenn du soviel Raum wie nur möglich einnimmst?« Oder auch: »Wie fühlt es sich an, wenn du getragen wirst?« Bis hin zu: »Wie fühlt es sich an, wenn du Grenzen setzt?« Dieses wiederholte »Wie fühlt es sich an..?« war natürlich denkbar unpräzise, doch zum damaligen Zeitpunkt für mich die beste Formulierung um auszudrücken, dass irgendwie der Körper beteiligt sein muss, um Antworten auf die unzähligen Fragen zu finden, die mich als Schwarze Frau inmitten meines persönlichen Empowerment-Prozesses so bewegten. Ich wollte also Antworten auf diese Fragen finden. Und zwar um neue, weitergehende Fragen zu formulieren. Fragen, die sich jenseits des gewaltvollen und traumatischen Dreh- und Angelpunktes »Rassismus-Erfahrung« bewegen. Rückblickend weiß ich, dass ich Fragen stellen wollte, die meinen Blick nach innen richten (vgl. Kilomba 2008, 138ff.).
Fragen die mich, mein subjektives, einseitiges und emotionales Erleben, meinen Körper, das Erleben meines Körpers und die kollektiv und transgenerational vermittelten Erfahrungen meiner Communities ins Zentrum meines individuellen und damit auch eines kollektiven Empowerment-Prozesses stellen. Ich wollte Methoden und Übungen entwickeln, die diese Antworten erlebbar machen. Räume schaffen, in denen Menschen ihre ganz persönlichen und möglichst viele verschiedene Antworten finden können. Und schließlich wollte ich Menschen ermutigen, weitere befreiende Fragen zu stellen und das ganz ohne Worte. Wenige Wochen später – ich weiß nur, es schien die Sonne – saß ich mit meinem Kollegen Sebastian Fleary im Park und er fragte »Warum eigentlich ›in Motion‹?« und ich antwortete schlicht: »Ich weiß es nicht.« Er lachte auf und sah mich erstaunt an. Einige Jahre, zahlreiche Workshops und unzählige Rückmeldungen von Teilnehmenden später ist klar, dass es bei »Empowerment in Motion« um alles andere als um Worte geht. Und trotzdem werde ich den Versuch unternehmen, »Empowerment in Motion« mit Worten zu beschreiben. Und weil es um Bewegung geht, kann es sein, dass die Beschreibung, die ich genau in diesem Moment finde, schon im nächsten Moment nicht mehr »wahr« ist und für die Menschen, die das erlebt haben, schon gar nicht. Verzeiht mir diesen Beginn eines paradoxen Zirkels, der nicht in meiner Macht liegt.
Als ich selbst vor etwa sechs Jahren meinen ersten Empowerment-Workshop bei Nuran Yiğit und Güler Arapi besuchte, war das die Fortsetzung meines in der politischen Situation Österreichs der Jahrtausendwende (3) begonnenen Empowerment-Wegs und ein Erweckungserlebnis zugleich. Nachdem ich bisher nur ihre Bücher gekannt hatte, sah ich zum ersten Mal den Film über die Poetin und afrodeutsche Aktivistin May Ayim, vergoss befreiende Tränen, teilte einen Raum und meine Erfahrungen mit Frauen, die mich bedingungslos verstanden und wertschätzten und spürte erneut, dass ich nicht alleine bin mit rassistischen Erfahrungen. Schon seit Jahren und schließlich auch parallel zu diesem Empowerment-Weg habe ich immer viel getanzt, verschiedene Bewegungsformen und Elemente des Modernen Tanzes, Tanztheaters und zeitgenössischen Tanzes, New Dance, Afrobrasilianischen Tanzes, Contact Improvisation, Atem- und Stimmübungen unter der Leitung von großartigen und nachhaltig inspirierenden Lehrer_innen erfahren und erforscht und damit meinen Körper und seine Grenzen besser kennen gelernt. Mir wurde immer klarer, wie eng meine Körper- und meine Rassismuserfahrungen aneinander geknüpft waren. So kam es, dass ich die eingangs zitierten Fragen aufschrieb.
»Dance is the hidden language of the soul.« (Martha Graham)(4)
Um »Empowerment in Motion« greifbarer für Dich zu machen, möchte ich einfach exemplarisch eine bestimmte Methode sowie Erfahrungen und Beobachtungen aus den bisher durchgeführten »Empowerment in Motion«-Trainings mit dir teilen. Ein Baustein des Workshops auf Basis des Empowerment-Konzepts gegen Rassismus und Diskriminierung der von Halil Can und Nuran Yiğit geschaffenen HAKRA-Empowerment-Initiative ist Biografiearbeit. Impulsgeber für die Biografiearbeit sind zumeist Orientierungsfragen, welche die bewegten Lebens-, Familien- und Migrationsgeschichte(n) fokussieren und sie vor dem Hintergrund von Rassismuserfahrungen in Deutschland beleuchten. Dabei eröffnet sich zumeist ein reicher Raum gefüllt mit Worten, Geschichten, Bildern und Gefühlen. Dieser offenbart den Teilnehmenden Vielfalt und Schönheit, Einzigartigkeit und Schmerz von Migrationsgeschichten von Menschen of Color, Schwarzen Menschen und Menschen mit Migrationsgeschichte und nicht zuletzt die geballte Gewalterfahrung von Rassismus auf globaler, struktureller, individueller und alltäglicher Ebene. Die Hauptausdrucksmittel dieser Art von Biografiearbeit sind Schrift, Zeichnungen, Sprache, Gesten, Erzählungen, Lachen und Tränen.
Biografiearbeit und sprachliche Impulsgeber sind auch essentieller Bestandteil von »Empowerment in Motion«-Trainings. Mit dem Unterschied, dass kaum geschriebene oder ausgesprochene Worte zur Beschreibung bzw. Darstellung der biografischen Auseinandersetzung verwendet werden.
Vielmehr werden Bewegungs- und Improvisationselemente genutzt, um die eigene Geschichte zu ergründen und zu teilen. Damit sich die Körper der Teilnehmenden auf diese zumeist ungewohnten verschiedenen Ausdrucksweisen vorbereiten können, erfahren die Teilnehmenden im Laufe des Trainings verschiedene Grundlagen der Körperarbeit sowie der Bewegungs- und Stimmimprovisation. Dazu zählen beispielsweise Atemübungen, die Wahrnehmung der Körperachsen und -ebenen und des Körpernahbereiches, die Wahrnehmung der körperlichen Verortung in Bezug zum Raum und zu anderen Menschen im Raum, die Wahrnehmung von Resonanzräumen im Körper und die isolierte Nutzung von Spannung und Entspannung bestimmter Körperbereiche für freie oder vorgegebene Bewegungsabläufe.
Auf der technischen Ebene wird beispielsweise die Aufmerksamkeit auf den Atem als einschränkende oder unterstützende Kraft gelenkt, die Variationsmöglichkeiten einer Bewegung ausprobiert und die technischen Feinheiten bestimmter Bewegungsabläufe erforscht (Denn stell dir vor, allein bei einer einfachen Drehung kommen allein mindestens acht Dimensionen zum Tragen: am Platz, auf einem Bein, von zwei Beinen auf ein Bein, von einem auf das andere Bein, durch den Raum, am Boden, nach außen oder nach innen). Dabei wird ein synaptisches Feuerwerk in Gang gesetzt, das an das eigene Körpergedächtnis anknüpft und immer neue Verbindung schafft und alte transformiert. Das einfachste Beispiel für eine Transformation dieser Art ist wohl, wenn jemand der Meinung ist, nicht »tanzen« zu können und dann erfährt, wie leicht ihm_ihr ein bestimmter – bisher als rein tänzerisch begriffener - Bewegungsablauf fällt. Oder auch von anderen Teilnehmenden die Rückmeldung bekommt, wie sehr seine_ihre Bewegung sie berührt haben oder was sie darin gesehen haben und dies zu teilen.
»We have more possibilities available in each moment than we realize.« (Thích Nhất Hạnh) (5)
Auf diese Vorarbeit folgt eine improvisatorische Phase, die einzelne biografische Fragen als Referenzpunkte nutzt und die Teilnehmenden einlädt, die eigenen biografischen Erfahrungen als Weg (etwa von A nach B durch den Raum) oder als Kontinuum (als Loop) zu begreifen. Es wird Zeit und Raum gegeben, um in Einzelarbeit frei zu improvisieren, mittels der erfahrenen performativen Elemente, Stimm- und Bewegungstechniken den biografischen Weg zu erforschen und einen performativen Ausdruck dafür zu finden. Schließlich werden die Teilnehmenden eingeladen ihren biografischen Weg in Form einer improvisatorischen Performance zu teilen. Das Spannende an dieser Kombination ist, dass mittels der erinnerungsorientierten Biografiearbeit nicht nur das episodische (Wann hast du Tee gekocht?) und das deklarative (Was ist Tee?) Gedächtnis, sondern mittels der performativen Biografiearbeit auch das prozedurale (Wie machst du Tee?) aktiviert wird. Das bedeutet, dass die Teilnehmenden im Moment der Improvisation, indem sie einen mehr oder weniger spontanen Ausdruck für das Wann und das Was einer biografischen Erfahrung finden, auch das Wie erforschen und diese Erfahrung zugleich in jedem Moment der Entscheidung (neu) komponieren, verarbeiten und verwandeln.
»Being opressed means the absence of choices.« (bell hooks) (6)
Während jeder Improvisation erfährst Du also die Gleichzeitigkeit von Darstellen und Sein, Erinnern und Wiederherstellen, Entscheiden und Verwandeln. Im Moment des performativen Teilens mit den übrigen Workshop-Teilnehmenden stellst du zum Beispiel die allzu bekannte Erfahrung von Unterdrückung in Form rassistischer Fragen und Kommentare dar. Dabei nimmst du wahr, wie du als Körper darauf reagierst, wie es sich anfühlt (der Blick nach innen) und was es mit dir und auch was es mit den Zuschauer_innen macht. Im selben Moment triffst du aus einem Bewegungsimpuls heraus (der etwa auf muskuläre Überanstrengung oder eingeschränkte Atmung zurückgeführt werden kann oder auch auf Langeweile, Unbehagen oder Orientierungslosigkeit) eine neue Entscheidung und komponierst im Moment die Performance und somit deine biografische Erfahrung neu.(7)
Lieber Bruder, du hast natürlich recht:
in Empowerment-Trainings geht es vor allem und in erster Linie auch darum, Sprachlosigkeit zu überwinden, traumatische Erfahrungen zu artikulieren, im Austausch mit anderen zu transformieren und neue Handlungsmöglichkeiten für die Zukunft zu eröffnen. In diesem Zusammenhang wird oft der Wunsch nach dialogischer Schlagfertigkeit genannt, die mein Gegenüber Schachmatt setzt. Der Wunsch eine Antwort darauf zu bekommen, wie ich »richtig« handeln kann, wenn ich mit Rassismus konfrontiert bin. Das beinhaltet jedoch eine Vorstellung davon, dass es ein objektives »richtiges« Verhalten in rassistischen Erfahrungssituationen gibt. Ein Handeln also, das mein Gegenüber 1) davon überzeugt, dass er_sie rassistisch gehandelt hat und 2) anerkennt, dass mich das verletzt hat und 3) sich vornimmt in Zukunft nicht mehr rassistisch zu sein. Sprich: Ein Verhalten meinerseits, das Rassismus aus der Welt schafft! Und das alles mit klugen und gewählten Worten und ich selbst möchte mich nach so einer Situation natürlich stark und gut fühlen. Merkst du was? Die ersten drei Wünsche richten sich an mein Gegenüber, und es wird nur davon gesprochen, was ich leisten muss – also richtig machen muss – um Rassismus aus der Welt zu schaffen. Kein Wort davon, wie es mir dabei geht, wie viel Energie ich da hineinstecke und schon gar nicht, wie ich mich dabei auf einer körperlichen Ebene fühle.
»Ausdruck ist der Mut zur Klarheit des eigenen Gefühls.« (unbekannt) (8)
Liebe Schwester,
hinter den Wünschen steht unter anderem das grundlegende Bedürfnis, diese traumatische Erfahrung einfach nicht wieder zu machen zu müssen. Ich verstehe diese Wünsche, und es ist wichtig uns bewusst zu machen, welche Bedürfnisse dahinterstehen. Zugleich verkennen sie grundlegende Merkmale von Rassismus: er ist 1) gewaltförmig und 2) völlig irrational. Grada Kilomba hat in Ihrem Buch »Plantation Memories« Rassismuserfahrungen als traumatische Erfahrung beschrieben. So müssen wir Rassismuserfahrungen als ganzkörperliche Erfahrung begreifen, die auch ganzkörperliche Reaktionen und Bewältigungsmuster hervorruft. Es ist also natürlich wichtig zu wissen, was ich erlebt habe, wie ich bisher darauf geantwortet habe und was ich in Zukunft sagen kann. Doch genauso wichtig ist es zu erkennen, dass ich jedes Mal, wenn ich mit Rassismus konfrontiert werde, die Luft anhalte.
Und damit die Verbindung zur Grundbewegung meines Lebens unterbreche. Oder, dass mein Körper gelernt hat, sich unmerklich kleiner zu machen, um rassistischen Angriffen zu entgehen. Oder meine Stimmorgane sich jedes Mal unmerklich zuschnüren, weil eine dünne Stimme mich in meiner Wahrnehmung weniger bedrohlich für mein rassistisches Gegenüber macht. Oder, dass ich unmerklich zurückweiche, wenn meine Grenze überschritten wird und ich damit mein Bedürfnis nach meinem Raum aufgebe. Oder, dass ich im öffentlichen Raum meinen Blick senke, um nicht von den vielen potenziell gewaltvollen Energien in Form von Blicken oder rassistischen Bildern getroffen zu werden. Oder, dass ich jedes Mal, wenn ich nichts sage, meinen Kiefer anspanne. Der Glaube, dass Rassismus rational ist, weckt in uns den Wunsch, rational darauf reagieren zu können, im besten Fall möglichst unemotional, um nicht auch noch in die Dichotomiefalle von rational/emotional zu tappen und die emotionale Position, die zuvor für mich konstruiert wurde, einzunehmen. Dabei ist es völlig irrational, Menschen anhand eines beliebigen phänotypischen Merkmals zu kategorisieren, in besser und schlechter zu unterteilen und damit Herabwürdigung, Infantilisierung, Paternalisierung, Kriminalisierung, Bevormundung, Exotisierung, Sexualisierung, Gewalt, Verfolgung, Versklavung, Ausbeutung und Mord zu legitimieren!
»Your body ist your home. Welcome home!« (Ismael Ivo) (9)
Du bist dein Körper und dein Körper bist du. Dein Körper macht Judo, dein Körper geht auf eine Demonstration, dein Kopftuch schmiegt sich an deinen Körper, dein Körper sitzt im Uni-Seminar, dein Körper zwängt sich in die U-Bahn, dein Körper antwortet auf die Frage »Wo kommst du her?«, dein Körper liest von rassistischen Übergriffen, dein Körper sieht herabwürdigende Darstellungen von Menschen wie dir, dein Körper nimmt die Migrationsgeschichten deiner Familie auf, dein Körper ist Zeuge von rassistischen Übergriffen, dein Körper wird angefasst, besprochen, kommentiert und repräsentiert. Warum also der Wirkung von Rassismus auf deinen Körper weniger Beachtung schenken als der Wirkung deiner Ernährung, Sonnenschein oder zärtlicher Berührung? Warum also die Auswirkungen von Rassismus auf deinen Körper und Geist durch das Nadelöhr Sprache fädeln und dabei alle anderen Bewältigungs- und Ausdrucksformen ignorieren? »Empowerment in Motion« stellt deinen Körper als Speicher sozialer Erfahrungen – also dich – (wieder) in den Mittelpunkt deiner Wahrnehmung und verfeinert diese Wahrnehmung gleichzeitig auf vielen unterschiedlichen Ebenen – und Sprache ist nur eine davon.
»Empowerment in Motion« ermöglicht es dir, den emotionalen/körperlichen Spuren von Rassismuserfahrungen nachzuspüren, diese zu erkennen und anzuerkennen, sie – völlig »irrational« und jenseits einer Vorstellung von richtig und falsch – umzuwandeln. Der Miteinbezug von Körperwahrnehmung und Bewegung in deinen Empowerment-Prozess ermöglicht es dir, deine unmittelbaren emotionalen/körperlichen Impulse in rassistischen Situationen wahrzunehmen, sie ernst zu nehmen, dich von alten und möglicherweise schwächenden Reaktionsmustern darin zu befreien und neue, dein ganzes Sein respektierende Formen der Handlungs- und Reaktionsmöglichkeiten, des Widerstands, der Befreiung und der Transformation zu schaffen.
Ich hoffe, meine Antwort macht dir Lust auf Bewegung! In diesem Sinne... ich schicke dir herzliche und empowernde Grüße!
Pasquale Virginie Rotter
Für Celia, Sanaa und Kalala
Fußnoten
(1) Das Phänomen, dass jemand aus einer Dominanzperspektive betrachtet als weiß wahrgenommen wird, heißt im US-amerikanischen Sprachgebrauch »Passing«. Wenn du mehr darüber wissen möchtest, kannst du im Text »’Na ja, irgendwie hat man das ja gesehen’. Passing in Deutschland – Überlegungen zu Repräsentation und Differenz« von Aischa Ahmed im Buch »Mythen, Masken und Subjekten« von Maisha Eggers et al. (Hrsg.) nachlesen.
(2) Ich benenne an dieser Stelle bewusst konstruierte, (re)produzierte und wirkmächtige Identitätsmerkmale wie nationale, geografische oder sonstige Herkunft. Sowohl um eine machtvolle Praxis der Selbstbenennung und Selbstrepräsentation von Menschen of Color und Schwarzen Menschen zu pflegen, die es uns ermöglicht, rassistischen Repräsentation positive Selbstbilder entgegenzusetzen, als auch um Identität als konstruierte Kategorie zu begreifen, die Dominanzverhältnisse in Frage stellen kann.
(3) Was damals in Österreich passierte kannst Du hier: http://www.profil.at/articles/0917/560/240367/angstschuebe-vor-jahren-nigerianer-marcus-omofuma [14.1.2013], hier: http://no-racism.net/rubrik/160/ [14.1.2013] und hier: http://www.mopo.de/news/sonnabend-05-02-2000—10-46-weiter-heftige-reaktionen-nach-regierungswechsel-in-oesterreich,5066732,6265466.html [14.1.2013] nachlesen.
(4) Dieses wunderschöne Zitat der US-amerikanischen Tänzerin, Choreografin und Tanzpädagogin Martha Graham fand ich unter folgendem Link: http://www.nellymazloummadri.org.gr/dance_quotes.htm (14.1.2013)
(5) Diese Aussage des buddhistischen Mönchs, Schriftstellers und Lyrikers Thích Nhất Hạnh ist wohl eines der berühmtesten Zitate von ihm. Hole dir ein paar Bücher von ihm, vielleicht begegnet es dir da!
(6) Dieses berühmte Zitat findest Du auf Seite 5 des Buches »Feminist Theory. From Margin To Center« der afroamerikanischen Literaturwissenschaftlerin und Feministin bell hooks (1984).
(7) Wenn du mehr über die wunderbaren Möglichkeiten der Tanzimprovisation erfahren möchtest, kannst du das im Buch »Tanzimprovisation: Geschichte – Theorie – Verfahren – Vermittlung« von Friederike Lampert (2007) ab S. 122 nachlesen.
(8) Als ich vor Jahren eine Fortbildung zum Thema »Atem und Stimme« besuchte, hat der Dozent diesen Satz formuliert. Leider weiß ich nicht mehr, wie er heißt, doch diese Aussage hat mich seitdem begleitet.
(9) Mit diesen Worten eröffnet der Tänzer und Choreograf Ismael Ivo in der Regel seine Tanz-Workshops!
Literatur
- hooks, bell (1984): Feminist Theory. From Margin To Center. South End Press, Boston.
- Kilomba, Grada (2008): Plantation Memories. Episodes of Everyday Racism. Unrast, Münster.
- Lampert, Friederike (2007): Tanzimprovisation: Geschichte – Theorie – Verfahren – Vermittlung. transcript, Bielefeld.
Pasquale Virginie Rotter lebt und arbeitet in Berlin und ist bundesweit als Diversity- und Empowerment-Trainerin tätig. Darüber hinaus arbeitet sie als Mediatorin, Moderatorin und Körper-Coach im Themenfeld Migration, Diversity und Empowerment.