Zusammengestellt von Riem Spielhaus
1. Islamophobie
Berichte des European Monitoring Centre on Racism and Xenophobia (EUMC):
- Muslims in the European Union. Discrimination and Islamophobia, Wien 2006
Der erste Teil des Berichts gibt Informationen über die Situation von Muslimen in Schlüsselbereichen sozialen Lebens wie Beschäftigung, Bildung und Wohnsituation. Der zweite Teil stellt verfügbare Daten zu den EU-Mitgliedsstaaten und der dritte Teil staatliche und zivilgesellschaftliche Initiativen für Verständigung und gegen Islamophobie zusammen. Islamophobie wird hier als gegen Muslime gerichtete, auf Stereotypen basierende Haltungen und Taten verstanden. Klar abgegrenzt wird sie von Kritik an muslimischen Glaubensauffassungen, die fundamentale Rechte unterminieren.
Der Bericht stellt fest, dass die Datenlage zur Lebenssituation und zu islamfeindlichen Straftaten in den meisten EU-Staaten äußerst lückenhaft ist. Die meisten Staaten fassen religiös motivierte Angriffe zusammen mit rassistischen und xenophoben Straftaten unter Hasskriminalität. Der Bericht empfiehlt u.a., islamfeindliche Straftaten gesondert zu erfassen und die Opfer zu betreuen.
EUMC-Studie Muslims in the European Union
- Perceptions of Discrimination and Islamophobia. Voices from Members of Muslim Communities in the European Union, Wien 2006
Dieser Bericht basiert auf 58 ausführlichen Interviews mit Mitgliedern muslimischer Gemeinden in 10 EU-Mitgliedstaaten und besteht überwiegend aus Ausschnitten dieser Interviews. Er versucht die individuellen Erfahrungen und Zukunftserwartungen von Musliminnen und Muslimen in Europa zugänglich zu machen und ergänzt damit die quantitativen Daten des ersten EUMC-Berichts. In den Gesprächen äußerten muslimische Jugendliche das Gefühl, vom ökonomischen, sozialen und kulturellen Leben ausgeschlossen zu sein und seit den Anschlägen des 11. September 2001 unter besonderer Beobachtung zu stehen. Das Gefühl, als unerwünschte ‚Ausländer’, die eine Gefahr für die Gesellschaft darstellten, wahrgenommen zu werden, habe sich unter in Europa geborenen Muslimen gegenüber deren Eltern verstärkt. Sie seien integrierter als die Einwanderergeneration, haben aber höhere Erwartungen und reagierten umso frustrierter auf Diskriminierung. Die Interviewten zeigten ein Bewusstsein dafür, dass sie selbst einen großen Beitrag zur Veränderung ihrer eigenen Situation, indem sie sich stärker in die Gesellschaft einbringen und Verantwortung für ihre Integration tragen.
EUMC-Studie Perceptions of Discrimination and Islamophobia
- Securitization and Religious Divide in Europe - Muslims in Western Europe After 9/11: Why the term ’Islamophobia’ is more a predicament than an explanation, 2006
Der Bericht beginnt mit einer Kritik am Begriff der Islamophobie. Daran schließen in Rubriken zu den EU-Staaten Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, den Niederlanden und Spanien detaillierte Informationen über die Lebenssituation von Muslimen, die Beziehung zwischen Muslimen und Regierungen, Reaktionen auf die Terroranschläge in den USA 2001 in der Gesetzgebung der Staaten und Debatten über Muslime und Islam in an. Der Vergleich der Diskussionen in den unterschiedlichen westeuropäischen Ländern ergibt, dass die Debatten über Islam und muslimischer Einwohner sich ähneln und auch die Unterschiede an geäußerten antiislamischen Stereotypen klein sind.
Securitization and Religious Divide in Europe
Heitmeyer, Wilhelm (Hrsg.): Deutsche Zustände. Folge 5, Suhrkamp, Frankfurt/M. 2007
Ein Forscherteam um den Soziologen Wilhelm Heitmeyer untersucht in einer zehnjährigen Langzeitstudie das Phänomen „Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“. Der mittlerweile fünfte GMF-Survey des Bielefelder Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung zeigt die in Deutschland bestehenden Vorurteilsstrukturen gegenüber verschiedenen Minderheitengruppen auf. Jährlich werden 2.000 repräsentativ ausgewählte Personen interviewt. Die Ergebnisse der Befragungen werden thematisch ausgewertet und zu Beginn des darauf folgenden Jahres veröffentlicht.
Der Terminus ‚Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit’ beschreibt eine mentale Haltung, die schwache gesellschaftliche Gruppen abwertet und ausgrenzt. Neun Symptome werden hier separat und in Korrelation miteinander untersucht: Fremdenfeindlichkeit, Etabliertenvorrechte, Islamophobie, Abwertung von Obdachlosen, Homophobie, Abwertung von Behinderten, Sexismus, Antisemitismus und Rassismus. Die Gemeinsamkeit dieser Elemente liegt in der Abwertung von Gruppen aufgrund zugewiesener oder gewählter Merkmale. Islamophobie beschreibt hier „die Ablehnung und Angst vor Muslimen, ihrer Kultur und ihren politischen und religiösen Aktivitäten.“
Das Forscherteam beobachtet einen kontinuierlichen Anstieg von Islamophobie. Insbesondere die Angst vor Überfremdung und die ablehnende Haltung gegenüber der Aussage: „Der Islam hat eine bewundernswerte Kultur hervorgebracht“ habe 2006 zugenommen. Die Befragung von 2005 hatte bereits gezeigt, dass ungefähr 60 Prozent der Bevölkerung eine Sympathie von Muslimen für Terroristen annähmen. Im Zusammenhang mit anderen Phobien zeigt sich ein gesellschaftlicher Trend: Während im Jahr 2001 lediglich 33 Prozent der Deutschen Angst vor Überfremdung hatten, lag die Zahl fünf Jahre später bei 47 Prozent. Im gleichen Zeitraum nahm die Auffassung, dass Ausländer das kulturelle Leben in Deutschland bereichern, von 54 auf 45 Prozent ab.
Projektseite
2. Islam in den Medien
Kai Hafez und Carola Richter: Das Gewalt- und Konfliktbild des Islams bei ARD und ZDF. Eine Untersuchung öffentlich-rechtlicher Magazin- und Talksendungen, Erfurt 2007
Die Studie untersucht, in welchem thematischen Zusammenhang der Islam in Magazin- und Talksendungen von ARD und ZDF zwischen dem 1. Juli 2005 und 31. Dezember 2006 in Erscheinung trat. Der Islam wurde in insgesamt 133 Sendungen und Einzelbeiträgen thematisiert. Dabei waren Terrorismus und Extremismus für deutsche Magazin- und Talk-Sendungen sowie Dokumentationen/Reportagen die attraktivsten Themen. Etwa ein Viertel der Islam-Beiträge beschäftigte sich mit diesem Themenfeld. Auch die restlichen Islambeiträge wurden überwiegend von konfliktorientierten Themen in den Kategorien Internationale Konflikte, Integrationsprobleme, religiöse Intoleranz, Fundamentalismus/Islamisierung, Frauen/Unterdrückung/Emanzipation und Menschenrechte/Demokratie beherrscht.
Neutrale oder positive Themen, in denen nicht Gewalt und Gesellschaftskonflikte sondern reguläre Gesellschaftsabläufe bzw. Fragen der Kultur und der Religion im Vordergrund stehen, stellten weniger als ein Fünftel aller Thematisierungsanlässe dar. Diese Sendungen geben ein zugespitztes Gewalt- und Konfliktbild des Islam wider, stellen die beiden Autoren fest, in dem er weniger als Religion als vielmehr als politische Ideologie und gesamtgesellschaftlichen, mit westlichen Moralvorstellungen kollidierenden Wertekodex erscheint. Darstellungen des Islam seien zudem durch die krisenorientierte Auslandsberichterstattung geprägt.
Jedoch sei nicht die Darstellung des Negativen das Problem, sondern die Ausblendung des Normalen, des Alltäglichen und des Positiven, stellen Hafez und Richter zum Abschluss der Studie fest.
Das Gewalt- und Konfliktbild des Islams bei ARD und ZDF
Sabine Schiffer: Die Darstellung des Islams in der Presse. Sprache, Bilder, Suggestionen. Eine Auswahl von Techniken und Beispielen, Ergon Verlag, Würzburg 2006
Untersuchungsschwerpunkt der medienkritischen Analyse dominanter Präsentationstechniken des Islams in der Presse sind ‚Qualitätsmedien’: überregionale Tageszeitungen, Wochenzeitungen und Magazine. Dabei zieht sie von der Diskursanalyse über die klassische Sprachwissenschaft bis zur Orientalistik und Psychologie die unterschiedlichsten Disziplinen heran. Ausgangsthese der Studie ist, dass Medien soziale Realität sowohl widerspiegeln als auch schaffen.Sie liefert eine Strukturanalyse des pressemedialen Wahrnehmungsangebotes in Bildern und Texten, eine quantitativ empirische Analyse der Verwendung arabo-islamischen Wortgutes sowie eine umfassende Analyse zu einem speziellen Medienereignis.Die wiederholt auftretenden Verknüpfungen von Islam mit Gewalt, Bedrohung, Rückschritt und Frauenunterdrückung stehen im Mittelpunkt der Untersuchung. Medienrealitäten fokussieren grundsätzlich auf Normverletzungen und blenden den unspektakulären Alltag aus, stellt Schiffer fest. Wenn jedoch „gegenteilige Informationen über muslimisches Leben ausgeblendet bleiben, ebenso wie Gewalt, Terror und andere Negativa in anderen Teilen der Welt, entsteht bereits der Eindruck eines kausalen Zusammenhangs zwischen den geschilderten Erscheinungen und dem Islam“, schreibt sie weiter.Als Technik der Verknüpfung stellt Schiffer den „Sinn-Induktionsschnitt“ vor, mit dem ohne explizite Bezüge und argumentative Rechtfertigung Zusammenhänge zwischen Bildern und/oder Texten unterschiedlicher Sachverhalte hergestellt werden und damit dem Islam unbemerkt bestimmte Eigenschaften zugeschrieben werden. Weil bestimmte Sachverhalte zusammen präsentiert werden, werden sie auch für einander relevant gehalten. Falsche aber häufig wiederholte Kontextualisierungen ergeben eine Markierung und implizieren unzutreffende Kausalitäten. Selektives Zeigen und Ausblenden führen zu einer verzerrten Wahrnehmung beim Rezipienten. Die Summe von Einzelfällen, die als Gruppenphänomene wahrgenommen werden, nährt die Vorstellung einer Bedrohung durch Mitglieder der islamischen Gemeinschaft. Die Vorstellung eines monolitischen islamischen Blocks, der ‚uns’ feindlich gegenübersteht, sei wiederum eine Folge der Stereotypenbildung, stellt Sabine Schiffer fest.Zahlreiche Beispiele untermauern die teilweise sehr theoretischen Darstellungen Schiffers. Entgegen der häufigen Meinung, negative Darstellungen seien problematisch, stellt sie fest, dass die ständige Markierung des Islams in den Medien, schwerwiegender sei. Obwohl der Negativismus als Nachrichtenfaktor zentral sei, tragen auch positive oder wohlmeinende Berichte zur Markierung bei. Ist die Kategorie dann etabliert, könne sie jederzeit negativ umgedeutet werden, warnt Schiffer.Die Ereignisse des 11.September 2001 markieren laut Sabine Schiffer nicht den Beginn der negativen Sicht, sondern eher einen weiteren Höhepunkt in einer tradierten Skepsis gegenüber dem Islam und den Muslimen. Am Ende der Publikation verweist die Autorin auf Ähnlichkeiten zwischen dem aktuellen antiislamischen und dem antisemitischen Diskurs des 19. Jahrhunderts.
3. Lebensalltag und Religiosität
Rauf Ceylan: Ethnische Kolonien. Entstehung, Funktion und Wandel am Beispiel türkischer Moscheen und Cafés. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2006
Mit einer Fallstudie zu Moscheen und Cafés in einem Stadtteil mit hohem Anteil Zugewanderter widmet sich Rauf Ceylan viel diskutierten aber bisher kaum erforschten Themen der Integrationsdebatte unter dem Begriff der „ethnischen Kolonie“. Am Beispiel des Stadtviertels Duisburg-Hochfeld, in dem 40 Prozent der 16.000 Einwohner keinen deutschen Pass haben, diskutiert der Forscher Gegenwart, Entwicklung ethnischer Kolonien sowie deren Potentiale negativer und positiver Art. Die Studie kontrastiert empirische Daten und Interviewauszüge aus seiner Feldforschung mit Erkenntnissen aus der wissenschaftlichen Literatur und theoretischen Interpretationen.
Über Gebetsräume und Cafés hat der Forscher zwei Segmente der Freizeitwelt von Quartieren und gleichzeitig unterschiedliche Milieus im Blick. Während die Moscheen sich seit ihrer Gründung von rein sakralen Einrichtungen zu multifunktionalen Zentren mit sozialer Funktion gewandelt haben, spielen in den Cafés mittlerweile Prostitution, Glücksspiels und illegale Beschaffungskriminalität eine Rolle.
In ihren wirtschaftlichen und sozialen Beziehungen sei die Ethnische Kolonie offen, stellt Rauf Ceylan fest, nicht in sich geschlossen und geprägt durch einen Zwangscharakter, der für Ghettos charakteristisch ist. Ethnische Kolonien werden sich nicht einfach auflösen, sind aber auch keineswegs nur als Problemfälle anzusehen, argumentiert der Autor am Ende der Studie. Das Binnenleben der Kolonien sei von Solidarität und Netzwerken geprägt, die als Potentiale für eine Entwicklung genutzt werden sollten. Dennoch kommt er zu dem Schluss, dass sie bei weiterer Randständigkeit einen Nährboden für ethnisch kulturelle Konflikte und politisch extremistische Tendenzen bilden könnten. Sie seien eben keine in sich geschlossenen statischen Gebilde, sondern, wie die Studie zeigt, dynamisch und entwicklungsfähig, Deshalb scheint auch eine positive Entwicklung möglich. Notwendig seien dafür die Verbesserung der Integrationschancen Jugendlicher vor allem durch systematische Sprachförderung im Vorschulalter, Förderunterricht an den Schulen und Projekte der Straßensozialarbeit. Rauf Ceylan schlägt deshalb eine aktive Einwanderungspolitik unter Einbeziehung ethnischer Strukturen vor.
Riem Spielhaus und Alexa Färber [Hrsg.]: Islamisches Gemeindeleben in Berlin. Beauftragter des Berliner Senats für Migration und Integration, Berlin 2006
Die Veröffentlichung basiert auf einer Studie über die Situation der Islamischen Gebetsräume im Auftrag des Beauftragten des Berliner Senats für Migration und Integration. Nahezu alle Gebetsräume Berlins wurden in diesem Zusammenhang besucht und in die Studie aufgenommen. In ausführlichen Interviews wurden Vertreterinnen und Vertreter von mehr als der Hälfte der religiösen Orte befragt.
Ergebnis ist eine Beschreibung im Zusammenhang sozialer, kultureller, stadträumlicher und individueller Aspekte. Im Vergleich mit einer Vorgängerstudie zu Moscheen in Berlin aus dem Jahr 1999 konnten Entwicklungen wie die Pluralisierung islamischer Gemeinden, einen Generationenwechsel, die Professionalisierung von Moscheevereinen sowie eine Zunahme der Kommunikation islamischer Vereine mit Einrichtungen der städtischen Verwaltung und Zivilgesellschaft festgestellt werden. Die Bedeutung der deutschen Sprache als Kommunikationsmittel mit der städtischen Umwelt aber auch mit Vereinen anderen ethnischen Ursprungs und innerhalb von Vereinen der zweiten Migrantengeneration nahm in den vergangenen Jahren zu. Lediglich die Hälfte der islamischen Gebetsräume Berlins ist auf Landes- oder Bundesebene durch einen Dach- oder Spitzenverband vertreten. Ein die Mehrheit der Moscheen umfassenden Berliner Dachverband ist derzeit nicht in Sicht.
Thomas Lemmen: Islamische Verbände und Vereine in Deutschland, Bonn 2002
Die 2002 erschienene Publikation zu den islamischen Verbänden und Vereinen Deutschlands von Thomas Lemmen ist bis heute das Referenzwerk zu diesem Thema. Der Autor gibt einen sehr gut recherchierten und nüchternen Überblick über die relevantesten islamischen Vereine, ihre Dach- und Spitzenverbände. Er beschreibt zudem prägnant deren Entstehung, politische sowie religiöse Bedeutung und strukturelle Beziehungen. Seit dem Erscheinen der Veröffentlichung hat sich einiges geändert, so ist auf eine Aktualisierung der Übersicht zu hoffen.
Amir-Moazami, Schirin: Politisierte Religion. Der Kopftuchstreit in Deutschland und Frankreich. Transkript Verlag, Bielefeld 2007
Ausgangspunkt für die Dissertation von Schirin Amir-Moazami sind die Debatten um das islamische Kopftuch in staatlichen Bildungseinrichtungen in Deutschland und Frankreich. Sie untersucht dabei sowohl den öffentlichen Diskurs als auch die Selbstrepräsentation muslimischer Frauen in internen Diskussionen. Gerade über die Kopftuchdebatten kamen Kritiker des Islams und junge Musliminnen miteinander ins Gespräch, stellt die Autorin dabei fest. In der Studie zeichnet sie nach, wie auf der einen Seite zunehmende sichtbare Partizipation stattfindet, während auf der anderen Seite der Islam als Gegenkategorie zu jeweils national geprägten Säkularitätskonzepten begriffen wird. Die Lebenspolitik junger Kopftuch tragender Musliminnen werde dabei vorwiegend als eine Bedrohung reflektiert und provoziert den Versuch einer klaren Grenzziehung zwischen uns und ihnen, stellt die Autorin fest. Junge Musliminnen sowohl in Frankreich als auch in Deutschland ließen sich engagiert auf diesen Aushandlungsprozess ein. Das soziale und kulturelle Kapital der in Frankreich und Deutschland aufgewachsenen ist im Vergleich zur ersten Einwanderergeneration ungleich höher. Selbstverständlichkeiten sind für sie Netzwerke, Interaktion, Vertrautheit mit intellektuellen und politischen Instrumenten und vor allem das Beherrschen der Sprache des Landes. Die jungen Frauen aus Shirin Amir-Moazzamis Forschung versuchen, islamische Regeln mit einem staatsbürgerlichen Engagement in der Gesellschaft zu verbinden. Aber genau die Einbringung in gesellschaftliche Prozesse und die gleichzeitige Beteuerung, der Zugehörigkeit zu einer muslimischen Gemeinschaft scheint Unbehagen zu provozieren, denn sie werde als eine vermeintlich externe kulturelle Einheit angesehen, meint die Autorin am Ende der Untersuchung. Noch eine interessante Überlegung über Kopftuchdiskurse in Frankreich und Deutschland bringt diese zum Ausdruck: „so sehr das Kopftuch und mit ihm religiöse Differenz den säkularen Konsens stört, so sehr bringt es ihn überhaupt erst hervor“. In diesem Sinne gestalten Amir-Moazzami zufolge Musliminnen die französische und die deutsche Gesellschaft also bereits mit, hier indem sie Anlass zum Nachdenken, Diskutieren und (Neu)Gestalten von Gesellschaft geben.
Gerlach, Julia: Zwischen Pop und Dschihad. Muslimische Jugendliche in Deutschland. Linksverlag, Berlin 2006.
Die Journalistin und Islamwissenschaftlerin Julia Gerlach beschäftigt sich in diesem populärwissenschaftlichen Buch mit der islamischen Bewegung junger Musliminnen und Muslime der zweiten Generation. Als „Pop-Islam“ bezeichnet sie deren Zugang zur Religion über Medienstars – von Telepredigern bis Rap-Musikern. Dass sie sich freiwillig an islamische Gebote halten und gleichzeitig in die Gesellschaft einbringen wollen, sorge in der deutschen Gesellschaft für Unbehagen. Die Angst vor einer Islamisierung Deutschlands führte zu ihrer Ausgrenzung. Als Kriterium für die Zusammenarbeit mit muslimischen Organisationen schlägt sie deshalb die Haltung zur Gewaltfrage vor.
Klausen, Jytte: Europas muslimische Eliten. Wer sie sind und was sie wollen. Frankfurt/Main, Campus Verlag, Frankfurt/M. 2006
Auf der Grundlage von Interviews mit ca. 300 führenden Musliminnen und Muslimen (Parlamentsabgeordnete, Stadträte, Ärzte, Ingenieure, Professoren, Anwälte, Sozialarbeiter und Unternehmer) aus sechs europäischen Ländern, untersuchte die Politikwissenschaftlerin die Herausbildung eines neuen europäischen Islamverständnisses. Erstmals liegt damit eine Studie über die muslimische Elite Europas, zum großen Teil mit Migrationhintergrund, vor, die zu dem Ergebnis kommt, dass sie mehrheitlich nach Möglichkeiten suchen, ihre europäische Staatsbürgerschaft und die Ausübung ihres Glaubens miteinander zu vereinbaren. Sie verbinden den Willen zur Anpassung an die europäischen Gesellschaften allerdings mit der Forderung nach Anerkennung von kultureller Differenz. Muslime, die öffentliche Ämter in europäischen Ländern bekleiden, sind keine Fundamentalisten. Sie bestehen nicht darauf, den Koran wörtlich auszulegen und wollen auch kein europäisches Kalifat errichten, sondern haben meist mit Theologie äußerst wenig im Sinn.
Schmitt, Thomas: Moscheen in Deutschland. Konflikte um ihre Errichtung und Nutzung, Flensburg 2003
Die Publikation beschäftigt sich mit Bauvorhaben für repräsentative Moscheen als Auslöser innerstädtischer Konflikte. Auf der Grundlage von Interviews und Medienanalysen geht der Autor dem Verlauf der Konflikte nach und rekonstruiert Motive, Wahrnehmungen, Haltungen und das Handeln der beteiligten Akteure vom Stadtrat über Moscheevereine bis hin zu den Medien. Drei Dimensionen bestimmten dabei die unterschiedlichen, vom Autor untersuchten Konflikte: die raumbezogen-städtebauliche, die ethnisch-kulturelle und die religionsbezogene.
Riem Spielhaus ist Islamwissenschaftlerin an der Humboldt Universität Berlin. Sie engagiert sich u.a. in der Muslimischen Akademie.