Flüchtlingshilfe in Hamburg - Jeden Tag neue Gesichter

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Die Flüchtlingshilfe Café Exil in Hamburg versucht Menschen, die nach Deutschland kommen, vor der Abschiebung zu bewahren

Es gibt viele Wege, die rein und raus aus Deutschland führen. Beide erfolgen nicht immer freiwillig. Menschen, die als Flüchtlinge ein Land betreten, wird nur in seltenen Fällen Asyl gewährt. Die Gesetzeslage definiert den Aufenthaltsstatus eines Flüchtlings als „legal“ oder „illegal“, Attribute, die ein Mensch sich nicht aus freien Stücken zuschreiben würde.

Das „Café Exil“ im Hamburger Bahnhofsviertel berät und informiert Flüchtlinge über ihre Rechte, um Ihnen Hilfe und Begleitung in ihren durch Reglementierungen erschwerten Alltag zu geben.

„Wir versuchen die Flüchtlinge über ihre Rechte zu informieren und ihnen zu helfen, Asyl zu beantragen“, sagt Florian (Name von der Redaktion geändert), ein ehrenamtlicher Mitarbeiter des Café Exil. Auf seiner Kleidung ist ein Aufnäher mit dem Schriftzug „No borders, no nations“ zusehen, die neongrünen Dreadlocks sind lose zu einem Zopf gebunden. Vor seinem Umweltinformatikstudium entschloss sich der Jugendliche ein Praktikum im Flüchtlingsrat Hamburg zu machen. Inzwischen arbeitet er in der Flüchtlingsberatung im Café Exil – es gab zu wenig Leute und er sprang ein.

Hilfe und Beratung

Im Café Exil arbeiten Mitarbeiter_innen mit verschiedensten Hintergründen; Student_innen, Schüler_innen, Auszubildende, Lohnarbeiter oder auch Pensionierte, die sich ehrenamtlich gegen Rassismus in der Stadt engagieren. Sie alle haben eines gemeinsam: Sie haben eine kritische Einstellung gegenüber der Abschiebung von Flüchtlingen.

„Jeder kann mitmachen, es kommt nicht darauf an, wie viel du kannst oder schon weißt, sondern darauf, dass du dich ehrenamtlich engagieren und den Menschen helfen möchtest.“ Florian arbeitet zwei bis drei Mal die Woche im Café Exil. Für ihn entscheidend ist die Begleitidee des Cafés: Die Hilfe bei Behördengängen etwa. Für viele Asylsuchenden ist der Weg dorthin nicht leicht, die Kommunikationsbarrieren oft zu hoch. Ein großes Problem, weiß Florian. „Viele Mitarbeiter der Ausländerbehörde gehen respektlos mit den Flüchtlingen um, weil sie sie nicht verstehen können. Wir versuchen Verständnisprobleme zu vermeiden, in dem wir sie begleiten.“

Eine weitere Aufgabe des Cafés ist die Beratung der Asylsuchenden. Gespräche bei einer Tasse Kaffee oder Tee im Café, im Zweier-Gespräch oder auch in der Gruppe. „Viele Flüchtlinge wissen gar nicht, welche Rechte Ihnen zustehen. Wir sind dafür da, dass sie diese Rechte auch bekommen“, sagt Florian. Bei der Beratung müsse man sensibel im Umgang mit den Flüchtlingen sein, weil viele schon viel mitgemacht hätten. Folter sei nur ein Beispiel.

Das 1993 in Kraft getretene Asylverfahrensgesetz legt gesetzliche Reglementierungen fest, die den Asylsuchenden im Alltag prägend einschränken. Zum Beispiel durch die Residenzpflicht, die regelt, dass Asylsuchende den Landkreis ihrer zuständigen Ausländerbehörde nicht verlassen dürfen. Oder die Unterbringung in Notunterkünften, die sich oftmals in katastrophalen Zuständen befinden. Oder die Verweigerung auf Arbeitsrecht. „Viele Menschen denken: Scheiß Asylanten, wollen doch nur unser Geld! Dabei wird Ihnen das Recht auf Arbeit verwehrt.“ Florian findet das alles total ungerecht.

Kontakt und Distanz

Solche Erfahrungen verändern den Blick auf die Flüchtlinge „Durch meine Mitarbeitet im Cafe Exil bin ich toleranter geworden, da ich tagtäglich mit ihnen zu tun habe und höre was sie durchmachen“, sagt Florian. In seiner Arbeit muss er professionell bleiben. Er muss lernen, mit den Geschichten, umzugehen und sich auf das Wesentliche, die Beratung, zu konzentrieren. „Ich selber hatte bis jetzt noch keine Probleme damit, professionell zu bleiben. Ich realisiere, was abgeht, aber irgendwann ist es mir egal und ich mache einfach meine Arbeit.“

Darüber hinaus beschäftigt er sich nicht immer mit denselben Fällen „Wenn du einen berätst, tut es am nächsten Tag jemand anderes. Es kommen oft dieselben, aber jeden Tag neue Gesichter.“ Es gibt aber auch Fälle bei denen Freundschaften zwischen Asylsuchenden und Mitarbeiter entstehen, die über die Beratungshilfe hinausgehen. „Es gibt Flüchtlinge, mit denen ich mich zum gemeinsamen Kochen oder Treffen verabrede, die ich nicht nur berate, zu denen ich ein freundschaftliches Verhältnis pflege“, sagt Florian.

Die Presse spricht nicht oft über Flüchtlinge und ihre Lebensbedingungen. Von Abschiebung und Einwanderung bekommt man nicht viel mit, obwohl es tagtäglich stattfindet.

Abschiebung und Intervention

Florian war selbst schon bei einer Abschiebung dabei. Die Bundespolizei holt die Flüchtlingsfamilie in Bullis mit vergitterten Fenstern ab und transportiert sie zum Flughafen, wo Polizist_innen sie begleiten, damit keiner die Flugteilnahme verweigern kann. „Für mich war es eine traurige Situation aber meine Kolleg_innen, die eine persönliche Bindung zu den Flüchtlingen hatten, konnte man den tiefen Schock ansehen.“

Durch diese schwierigen Situationen der Flüchtlinge greift die Flüchtlingsarbeit noch viel weiter als die bloße Beratung. Mitarbeiter_innen versuchen politisch zu intervenieren, indem sie Aktionen und Demonstrationen planen und gegen die Abschiebungen vorgehen. Verschiedene Arbeitsgruppen behandeln dabei spezifische Themen, um Konzepte zur politischen Intervention zu entwickeln. Dabei organisieren sich die Aktivist_innen auch in Kundgebungen oder „Anti-Lagerarbeit“. Auch kostenlose Sprachkursangebote gibt es.

„Dass die Gesetzgebung so ist, wie sie ist, darf man nicht einfach hinnehmen“, findet Florian. In seiner täglichen Arbeit erfährt er die Mängel der deutschen Asylpolitik. Sie legt fest, wer sich wo aufhalten darf und welchen Aufenthaltsstatus ein Mensch besitzt. Laut Florian könne die Veränderung dieser Gesetzesgrundlage jedoch nur erreicht werden, wenn nicht nur einzelne Betroffene politisch intervenieren, sondern Europa, Deutschland und somit die Bürger_innen sich selbst für eine andere Asylpolitik entscheiden.

Dass dieses Ziel eines langen Prozesses und Weges bedarf, scheint den Mitarbeiter_innen des Cafés bewusst zu sein, weswegen sie, um es in den Worten Florians zu sagen, versuchen „aus dem, was sie haben“, die Menschenrechte der Asylsuchenden, „das meiste rauszuholen“; Beratung, Begleitung und juristische Hilfe. Die Unterstützung in alltäglichen Angelegenheiten soll die schwierigen Lebensbedingungen der Flüchtlinge zu mindestens in einem geringfügigen Maße erleichtern.
 

Gesetzeslage Asylpolitik

• Der Artikel 16GG, der jedem das Recht auf politisches Asyl in der BRD gewährt, wurde 1993 durch den Artikel 16aGG ersetz.
• Der Artikel 16aGG beinhaltet, dass nur diejenigen asylberechtigt sind, die sich vor ihrer Flucht in die BRD in einem „sicheren Drittstaat“ aufgehalten haben.
• „Sichere Drittstaaten“ sind nach den verfassungsrechtlichen Vorgaben die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften, in denen die Einhaltung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Menschenrechtskonvention sichergestellt ist.


 

Leyla Yenirce studiert derzeitig Kultur der Metropole an der Universität Hafencity in Hamburg. Seit Oktober 2011 ist sie Hamburgerin und hat sich mit der lokalen Flüchtlingshilfe auseinandergesetzt.