The Mask
Excerpt from 'Plantation Memories'
There is a mask, of which I heard many times during my childhood. The many recounts and the detailed descriptions seemed to warn me that those were not simple facts of the past, but living memories ready to be told. Today, I want to tell them. I want to speak about that brutal mask of speechlessness.
This mask was a very concrete piece, a real instrument, which became a part of the European colonial project for more than three hundred years. It was composed of a bit, placed inside the mouth of the Black subject, clamped between the tongue and the jaw, and fixed behind the head with two strings: one surrounding the chin and the second surrounding the nose and the forehead. Formally, the mask was used by white masters to prevent enslaved Africans from eating sugar cane, cocoa beans and coffee beans, while working on the plantations, but its primary function was to implement a sense of speechlessness and fear, inasmuch as the mouth was at the same time a place of muteness and a place of torture.
The mask represents, in this sense, colonialism as a whole: Why must the mouth of the Black subject be fastened? Why must she or he become silent? What could the Black subject say if her or his mouth were not sealed? And what would the white subject have to listen to? In other words, who can speak? What happens when those who were forced to be silent start speaking? And above all, what can we speak about?
There is an apprehensive fear that if the colonial subject speaks, the colonizer will have to listen. It would be forced into an uncomfortable confrontation with ‘Other’ truths. Truths, which have been denied, repressed and kept quiet, as secrets. I do like this phrase “quiet as it’s kept”. It is an expression of the African diasporic people, which announces how someone is about to reveal what is presumed to be a secret. Secrets like racism.
The fear of listening to what could possibly be revealed can be articulated with the psychoanalytical notion of repression, since repression lies exactly in turning something away, and keeping it at distance, from the conscious. It is that process by which unpleasant truths are rendered unconscious due to the extreme anxiety, guilt or shame they cause.
When confronted with these unpleasant truths, the white subject commonly argues: ‘not to know...,’ ‘not to understand...,’ ‘not to remember...’ or ‘not to believe...’. These are expressions of this process of repression, in which the subject resists making the unconscious information, conscious. That is, one wants to make the known, unknown.
Speaking becomes then virtually impossible. It is not that we have not been speaking, but rather that our voices through racism, have been systematically silent. This impossibility illustrates how speaking and silencing emerge as an analogous project. The act of speaking is like a negotiation between those who speak and those who listen, that is, between the speaking subjects and their listeners. Listening is, in this sense, the act of authorization towards the speaker. One can (only) speak, when one’s voice is listened. And those who are listened, are also those who belong, as well as those who are not listened, become those who ‘do not belong.’
The mask re-creates this project of silencing, it controls the possibility that the colonized might one day be listened and consequently might belong.
Excerpt from the first Chapter of the author´s book: Plantation Memories. Episodes of Everyday Racism, Unrast Verlag, Münster 2008
Die Maske
Es gibt eine Maske, von der ich seit meiner Kindheit weiß. Unzählige Male schienen die Nacherzählungen und detaillierten Beschreibungen mich zu warnen, warnen davor, dass diese keine einfachen Fakten der Vergangenheit waren, sondern lebendige Erinnerungen, die darauf warten, erzählt zu werden. Heute möchte ich sie erzählen. Ich möchte über die brutale Maske der Sprachlosigkeit sprechen.
Diese Maske war physisch existend, ein reales Instrument, das für länger als 300 Jahre Teil des europäischen Kolonialprojekts war. Es bestand aus einem Stück, das in den Mund des Schwarzen Subjekts gesteckt, zwischen Zunge und Unterkiefer eingeklemmt und mit zwei Schnüren hinter dem Kopf befestigt wurde. Die eine Schnur umschloss das Kinn und die Andere umschloss Nase und Stirn. Die Maske wurde von weißen Sklavenhaltern gebraucht, um versklavte Afrikaner während ihrer Arbeit auf der Plantage daran zu hindern, Zuckerrohr, Kaffee- und Kakaobohnen zu essen. Die grundlegende Funktion der Maske war allerdings, einen Zustand der Sprachlosigkeit und Angst zu erzeugen, insofern, als dass der Mund verstummt und gleichzeitig gequält wird.
Die Maske verkörpert, im übertragenen Sinne, den Kolonialismus als Ganzes: Warum muss der Mund eines Schwarzen Subjekts verschlossen werden? Weshalb muss sie oder er verstummen? Was könnte das Schwarze Subjekt sagen, wenn ihr oder sein Mund nicht verschlossen wäre? Was müsste sich das weiße Subjekt anhören? Oder in anderen Worten, wer darf sprechen? Was passiert, wenn die zum stumm sein gezwungenen plötzlich zu sprechen anfangen? Und darüber hinaus, worüber können wir sprechen?
Es besteht eine spürbare Furcht davor, dass der Kolonialist wird zuhören müssen, wenn das koloniale Subjekt spricht. Das würde eine unangenehme Konfrontation mit ‚Anderen’ Wahrheiten bedeuten. Wahrheiten, die geleugnet, verdrängt und verschwiegen wurden als Geheimnisse. Ich mag das Sprichwort: „quiet as it’s kept“ [Anm.d.Red.: „ruhig, solgange es gehalten wird“]. Der Ausdruck wird von Menschen der afrikanischen Diaspora gebraucht, um die Enthüllung eines angenommenen Geheimnisses zu verkünden.
Die Angst vor dem Zuhören, vor dem, was möglicherweise enthüllt werden könnte, kann mit der psychoanalytischen Denkfigur der Verdrängung erfasst werden, denn Verdrängung liegt genau im Wegschauen und Abstand halten, wenn etwas vom Bewusstsein ferngehalten wird. Es ist dieser Prozess durch den unerwünschte Wahrheiten ins Unbewußte verdrängt werden durch die extreme Angst, Schuld oder Scham, die sie verursachen.
Kommt es zur Begegnung mit diesen unschönen Wahrheiten, argumentiert das weiße Subjekt meist: „nicht zu wissen…“, „nicht zu verstehen…“, „sich nicht zu erinnern...“ oder „nicht zu glauben…“. Das sind Ausdrücke des Prozesses der Verdrängung, in welcher das Subjekt sich der Bewusstmachung der unbewussten Information entzieht. Also, man möchte das Bekannte unbekannt machen.
In dem Fall wird Sprechen nahezu unmöglich. Nicht, dass wir nicht gesprochen haben, aber unsere Stimmen sind durch den Rassismus systematisch verstummt. Diese Unmöglichkeit veranschaulicht, wie sprechen und verstummen sich wie ein analoges Projekt entwickeln. Der Akt des Sprechens ist wie eine Verhandlung zwischen denen, die sprechen, und denen, die ihnen zuhören; d.h. den sprechenden Subjekten und ihren Zuhörern. Zuhören ist in diesem Sinne ein Akt der Anerkennung gegenüber dem Sprecher. Man kann nur sprechen, wenn der eigenen Stimme zugehört wird. Diejenigen, denen zugehört wird, sind zugehörig, genau wie diejenigen, denen nicht zugehört wird, nicht dazugehören.
Die Maske reproduziert das Projekt des Verstummens. Es beschränkt die Möglichkeit, dass den Kolonisierten vielleicht eines Tages zugehört wird und sie folglich dazugehören werden.
Auszug aus dem 1. Kapitel des Buches: Plantation Memories. Episodes of Everyday Racism, Unrast Verlag, Münster 2008
Über die Autorin
(weiter)
„A large part of the white audience has not decided yet to listen to the Black subject’s voice”
Interview mit Grada Kilomba (weiter)