Interview mit Imran Ayata
Interview
„Mein Name ist Revolution“ ist ihr erster Roman. Vor einigen Jahren ist schon der Erzählband „Hürriyet Love Express“ herausgekommen. Wann und warum haben Sie angefangen Geschichten zu schreiben?
Imran Ayata: Meine erste Kurzgeschichte habe ich als verliebter Jugendlicher geschrieben. Ich habe den Fehler gemacht, sie auch noch der Auserwählten zu schenken, in die ich damals verknallt war. Handschriftlich geschrieben auf gelbem Papier. Ich habe keine Kopie davon. Das eigentliche fiktionale Schreiben begann Anfang der Nullerjahre. Auslöser war die „Kanak History Revue“, die wir damals als Kanak Attak in der Volksbühne aufgeführt haben. Wir haben damals die Geschichte der Migration aus der Perspektive sozialer Kämpfe und Auseinandersetzungen auf die Bühne gebracht. Für diese Show habe ich kleine Schnipsel und Szenen geschrieben. Das war der Auslöser für mich weiterzumachen. Mit der Zeit entstanden immer mehr Erzählungen, die 2005 unter dem Titel „Hürriyet Love Express“ erschienen sind.
Schriftsteller werden in der Regel gefragt wie sie zum Schreiben gekommen sind. Mal andersherum gefragt: was macht man denn eigentlich so in einer Kommunikationsagentur, von der Sie ja laut Biographie Chef sind?
Ich bin nicht alleiniger Chef, sondern einer der geschäftsführenden Gesellschafter. Es ist unmöglich, hier in gebotener Kürze ein Bild davon zu vermitteln, worin meine Tätigkeit besteht. Ich zeichne bei A&B One Politische Kommunikation und den Bereich Kreation verantwortlich. Dazu gehört zum Beispiel die Konzeption und Umsetzung von Kampagnen.
Ihre Arbeit wird des Öfteren unter „Popliteratur“ abgelegt. Finden Sie dieses Label wird Ihrer Arbeit gerecht oder wo würden Sie sich verorten?
Es ist nicht meine Aufgabe, meine eigene Arbeit in eine Schublade zu stecken. Offen gestanden finde ich das nicht besonders spannend. „Mein Name ist Revolution“ hat Elemente des Popkulturellen, aber ist es deswegen gleich Popliteratur? Keine Ahnung. Mir scheint, dass solche Kategorien für das Marketing und die Medien viel wichtiger sind. Ein Buch ist letztlich ein Produkt, das im Markt viele Käuferinnen und Käufer finden soll. Noch heute hält sich das Gerücht, dass es helfen kann, Literatur zu kategorisieren. Das Problem ist nur, dass solche Überlegungen häufig aufgehen. In meinem Fall gibt es – leider noch immer – die Besonderheit, dass auf dem Cover meines Buches der Name „Imran Ayata“ steht. Ich weiß nicht, wie der Umgang mit dem Roman wäre, wenn ein geläufigerer deutscher Name als Autor ausgewiesen wäre.
In Ihrem Buch heißt es „Wer es in Berlin zu etwas bringen will, braucht eine Geschichte, die man sich weitererzählt“. Welche Geschichte erzählt denn ihr Buch?
Es erzählt sehr viele Geschichten. Vor allem geht es um das wilde Leben, um die große Stadt und die guten Freunde, um den Alltag zwischen Rausch und Reue. Der Roman handelt von den Schwierigkeiten eines Mitdreißigers, Beziehungen einzugehen und sich einzulassen auf die eigene Geschichte, das eigene Umfeld oder die große Liebe. Eine anti-identitäre Story, von der man nicht weiß, wie sie ausgeht. Es ist eine Hommage an einen Lebensstil, der mir immer weniger begegnet.
Die Eltern ihres Romanhelden „Devrim“ sind Kommunisten – und tot. Der Sohn namens „Revolution“ lebt. Ist das als eine Art Metapher zu verstehen?
Nein, so ist die Konstruktion nicht gemeint. Dass Linke in oder aus der Türkei ihre Kids Devrim nennen, ist - vorsichtig gesagt – nicht ungewöhnlich. Andersherum gibt es Vornamen, die sofort islamisch konnotieren. Wenn man so will, ist dann der Name Programm. Zumindest ist das häufig die Intention der Namensgeber. Aber es kann natürlich ganz anders kommen. Bei meinem Romanhelden ist das so. Er ist unpolitisch und oftmals ohne Meinung. Weil diese Figur so ist, hat sie mich irgendwann genervt. Ich wollte ihn anschreien und ihn auffordern, sich endlich mal zu verhalten und Positionen zu beziehen. Das habe ich bis zum Ende nicht geschafft.
Welches Ziel verfolgt das „coole Kneipen-Clubs-Bars-und Cafes“-Namedropping im Buch? Sollen die Leser_innen auch an diese Orte gehen oder eher das Gefühl vermittelt bekommen, dass sie allein durch lesen dieses Romans irgendwie zu Insidern geworden sind?
Nein, so einfach wird man nicht zum Insidern. Wer das will, muss mehr tun als einen solchen Roman zu lesen. Dafür muss man dieses Leben schon leben. Einfacher geht das leider nicht.
Hat Johnny Depp wirklich mal im Cake gesessen?
Ich habe ihn dort nie getroffen. Mir hat aber mal ein Freund erzählt, dass ein Bekannter von ihm, Johnny Depp in der Schnabelbar gesehen habe. Ich habe keine Ahnung ob das stimmt oder nur eine Story ist, die man sich weitererzählt. Mir gefiel die Vorstellung, dass Depp in Kreuzberg ausgeht. Daraus habe ich dann diese Szene geschrieben.
Ist das Buch auch eine Hommage an das Berliner Nachtleben bevor Tourist_innen die Oranienstrasse gestürmt haben. Eine Erinnerung daran, wie schön damals alles noch war?
Auch wenn ich manchmal nostalgische Erinnerungen an das Mitte und Kreuzberg von früher habe, gilt die Hommage nicht den besseren Zeiten von damals. Trotzdem bin ich nicht glücklich darüber, wie sich diese Stadtteile entwickeln. Ich mag mich nicht an das Bild von Touristenhorden gewöhnen, die mit Bierflaschen in der Hand Ausgehkreuzzüge durch die Adalbertstraße veranstalten. Also, wenn überhaupt, dann ist der Roman eine Hommage an das Leben ohne Reue, das sich nachts in Berlin ganz gut leben lässt.
Ich bin bei der Recherche zum Interview auf eine Seite eines größeren deutschen Fernsehsenders gestoßen, wo Ihr Buch unter „Neue Literatur zum Thema Islam“ aufgelistet wurde. Was hat „Mein Name ist Revolution“ Ihrer Meinung nach mit dem Thema Islam zu tun? Oder vielmehr warum würde die Redaktion dieses Senders denken, es müsste eigentlich etwas mit dem Thema Islam zu tun haben?
Ehrlich? Wahnsinn. Das ist mir neu. Da der Roman ganz unterschiedliche erzählerische Stränge hat, lädt er vermutlich ein, in auch mal ganz woanders einzusortieren. Nur Islam finde ich sehr abwegig. Denn in meinem Roman wird das Thema Islam nur am Rande gestreift. Daraus „Neue Literatur zum Thema Islam“ zu machen, ist eigentlich dreist. Ich vermute, dass ich auch wegen meines Namens in dieser Rubrik gelandet bin.
Welcher Begriff ist absurder „Integration“ oder „Inklusion“?
Beide Begriffe sind nicht meine. Ich hatte schon mehrfach das Vergnügen, mich hier und da zu Integration zu äußern. Ich habe das immer kritisch getan. Integration kann für eine demokratische Gesellschaft keine Leitorientierung sein, weil Ausgangspunkt von Integration immer Ausgrenzung ist. Ohne Ausgrenzung gibt es keine Integration. Das funktioniert ungefähr so: Erstens sagt einem die Mehrheitsgesellschaft, dass man (nicht richtig) dazu gehört und gibt einem gleich vor, was man erfüllen muss, damit es so sein könnte, dass man kulturell, gefühlt oder wie auch immer in der Mehrheitsgesellschaft dauerhaft Asyl finden könnte. Wenn in Deutschland von Integration die Rede ist, dann wird selten politische Gleichberechtigung und Teilhabe thematisiert. Zu Inklusion habe ich mich weniger beschäftigt. Ich weiß so viel darüber, dass auch dieses Konzept mich nicht überzeugt. Ich gebe den Traum nicht auf, dass beide Begriffe irgendwann von anderen abgelöst werden.
Die obligatorische letzte Frage: Was können wir in naher Zukunft von Ihnen erwarten?
Oh, oh. Nahe Zukunft ist eine Falle, in die ich nicht tappen möchte. Ich habe erste Geschichten für einen Erzählband und eine Idee für einen Roman. Ich taste mich gerade ran. Mit ersten Recherchen und Überlegungen zu den zentralen Romanfiguren. Aber das ist alles nicht konkret und ein verdammt langer Weg. Ich will es so sagen: Es wird weitergehen? Wie und wann, das kann ich heute nicht genau sagen.
Das Inteview führte Julia Brilling im April 2012
Imran Ayata
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"Mein Name ist Revolution"
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