Erfolgreiche Strategien und im Übergang Schule - Ausbildung

Von Dr. Mona Granato

Der Übergang von der Schule in eine Berufsausbildung gestaltet sich für immer mehr Jugendliche tendenziell länger und von seinem Ausgang her unsicherer. Dabei hat sich die „erste Schwelle“ zu einer eigenen Lebensphase mit ungewissem Ausgang entwickelt. Dies gilt auch für Schulabsolventen mit günstigen schulischen Voraussetzungen. Bei ungünstigen schulischen Voraussetzungen steigt das Risiko, dass sie vorübergehend oder dauerhaft ohne Ausbildung bleiben. Doch ist die Einmündung in und der erfolgreiche Abschluss einer beruflichen Erstausbildung nach wie vor entscheidend für einen späteren Berufseinstieg.

Die Ausbildungsmöglichkeiten für junge Menschen mit Migrationshintergrund haben sich in den letzten Jahren verschlechtert (Uhly/ Granato 2006; Friedrich 2006), obgleich ihre schulischen Abschlüsse im vergangenen Jahrzehnt (leicht) gestiegen sind. Für die ungünstige Lage werden eine Reihe unterschiedlicher Ursachen thematisiert. Einerseits werden die Bildungsvoraussetzungen und persönlichen Ressourcen junger Menschen mit Migrationshintergrund für ihre unterdurchschnittliche Partizipation an beruflicher Ausbildung verantwortlich gemacht. Andererseits belegen aktuelle Untersuchungen ihre geringeren Chancen beim Übergang in eine vollqualifizierende berufliche Ausbildung selbst bei gleichen schulischen Voraussetzungen wie junge Menschen ohne Migrationshintergrund (Ulrich/ Granato 2006; Friedrich 2006; Reißig u.a. 2006).

Diese Ergebnisse weisen darauf hin, dass die in der Vergangenheit häufig als Erklärungsansatz für die schlechteren Zugangschancen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund zu beruflicher Ausbildung verwendeten unzureichenden schulischen Voraussetzungen keine hinreichende Erklärung mehr bieten, sondern dass andere Faktoren für die mangelnde Chancengleichheit als ursächlich anzusehen sind, wie beispielsweise Verdrängungsprozesse zu ihren Ungunsten angesichts einer erheblichen Lehrstellenknappheit (Ulrich/ Granato 2006). Damit deutet sich ein Paradigmenwechsel an: die Chancenungleichheit wird zunehmend mit sozioökonomischen Faktoren wie den o.g. Rahmenbedingungen auf dem Lehrstellenmarkt in Zusammenhang gebracht und Ausschließungstendenzen seitens der Anbieter betrieblicher Ausbildungsplätze argumentativ stärker in den Blick genommen (Überblick z.B. Granato 2006; Boos-Nünning 2006).

Der vorliegende Beitrag greift jedoch weniger diese Erklärungsansätze auf, sondern wechselt die Perspektive und legt „erfolgreiche“ Strategien und Wege junger Menschen mit Migrationshintergrund in eine berufliche Qualifizierung dar. Dabei stehen neben den Bildungsplänen von SchulabsolventInnen die Bewerbungs- und Übergangsstrategien junger Menschen auf der Suche nach einer Lehrstelle im Mittelpunkt des folgenden Beitrags.

Bildungsziele und Bildungspläne von SchulabsolventInnen

Schüler mit und ohne Migrationshintergrund haben gleichermaßen Ausbildungsziele für die Zeit nach Beendigung der Schule und können konkrete Qualifizierungspläne benennen. So planen 58% der Schulabsolventen mit Migrationshintergrund 2005 für die Zeit nach der Schule eine duale bzw. 5% eine berufsfachschulische Ausbildung zu beginnen sowie 15% ein Studium aufzunehmen, vergleichbar zu denjenigen ohne Migrationshintergrund (BMBF 2006:86). An konkreten Ausbildungszielen und -plänen mangelt es also nicht. Die Frage ist nur: welche Wege nutzen junge Menschen, um sie zu erreichen und wie sieht es mit den Realisierungschancen aus?

Junge Menschen auf dem Weg in eine berufliche Bildung

Schulische Vorbildung und schulische Kompetenzen

Im Jahr 2004 hat bereits knapp die Hälfte der bei der Bundesagentur gemeldeten Lehrstellenbewerber mit Migrationshintergrund eine mittlere Reife bis Fachhochschulreife, etwas über die Hälfte ist es bei den Bewerbern ohne Migrationshintergrund (mit MH 46%, ohne MH 54%). Zwar stellen günstige schulische Voraussetzungen längst keine Garantie mehr für ein Gelingen des Übergangs an der ersten Schwelle dar, sie tragen aber dazu bei die Chancen zu erhöhen. Dies belegen z.B. die Ergebnisse der BA/BIBB-Bewerberbefragung 2004 (Bundesagentur für Arbeit/Bundesinstitut für Berufsbildung)[1] So gelingt es nur 25% der Bewerber mit Migrationshintergrund und einem Hauptschulabschluss in eine betriebliche Ausbildungsstelle einzumünden – dagegen 34% derjenigen mit mittlerer Reife bis Fachhochschulreife.[2]

Auch die Noten im Abschlusszeugnis, wie die Deutsch- und Mathematiknote bleiben nicht ohne Auswirkungen: Bewerber aus Migrantenfamilien mit einem Hauptschulabschluss und einer höchstens ausreichenden Mathematiknote finden zu 15% eine betriebliche Lehrstelle – mit mittlerer Reife (bis Fachhochschulreife) und einer (sehr) guten Mathematiknote sind es dagegen 41%, denen es gelingt in eine Ausbildungsstelle einzumünden (Ulrich/ Granato 2006). Immerhin 18% der bei der BA gemeldeten Bewerber mit Migrationshintergrund haben eine (sehr) gute Deutschnote – erwartungsgemäß etwas seltener als diejenigen ohne Migrationshintergrund (26%). Bei der Mathematiknote ist es umgekehrt: hier haben Bewerber mit Migrationshintergrund diejenigen ohne Migrationshintergrund überflügelt – jeder Dritte hat eine (sehr) gute Mathematiknote auf dem Abschlusszeugnis gegenüber jedem Vierten bei denjenigen ohne Migrationshintergrund. Aus Sicht der Unternehmen stellen diese Noten auf dem Abschlusszeugnis oft ein als sehr wichtig bewertetes Auswahlkriterium für die Einstellung eines Auszubildenden dar. Bereits an dieser Stelle wird deutlich, dass es sich für Unternehmen und Verwaltungen lohnt, heute in die berufliche Qualifizierung junger Nachwuchskräfte mit Migrationshintergrund zu investieren.

Suchstrategien

Strategie: Informations- und Kommunikationskanäle (-wege) nutzen

Jugendliche mit Migrationshintergrund nutzen wie Bewerber ohne Migrationshintergrund Informations- und Kommunikationskanäle: rund 40% erkundigen sich direkt bei Betrieben nach einem Ausbildungsplatz, 23% tun dies bei Kammern und Verbänden – fast so oft wie einheimische Bewerber.

Besonders häufig setzen Jugendliche auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz elektronische Kommunikationskanäle ein. Rund 80% der Bewerber nutzen unabhängig vom Migrationshintergrund das Internet für ihre Berufsorientierung bzw. Berufsfindung – (mit MH 78%, ohne MH 82%). Für 91% der Bewerber mit Migrationshintergrund steht in erster Linie die Suche nach Ausbildungsplatzangeboten im Internet im Vordergrund – etwas häufiger als für Bewerber mit einheimischem Familienhintergrund (89%). 71% der Lehrstellensuchenden mit Migrationshintergrund informieren sich via Internet über Berufe – seltener als Nichtmigranten mit 75%. Jeder fünfte verwendet das Internet für Interessen- und Berufswahltests (ohne Migrationshintergrund 26%). Auch hierin zeigen sich die Kompetenzen von Bewerbern mit Migrationshintergrund.

Strategie: Flexibilität und Mobilitätsbereitschaft

In puncto Flexibilität und Mobilitätsbereitschaft stellen junge Menschen an der ersten Schwelle unabhängig vom Migrationshintergrund ihr Engagement unter Beweis. Dies findet beispielsweise darin seinen Niederschlag, dass rund 60% sich gleichzeitig in mehreren Berufen bewerben. Immerhin mehr als jeder siebte Befragte bewirbt sich konkret außerhalb der eigenen Region in einem Umkreis von mehr als 100 km von seinem Wohnort entfernt und zeigt dadurch seine Bereitschaft, für eine berufliche Qualifizierung auch eine räumliche Veränderung in Kauf zu nehmen – genauso oft wie Bewerber ohne Migrationshintergrund in Westdeutschland.

 

Ich habe ...

Migrationshintergrund

mit

ohne

schriftliche Bewerbungen verschickt

82

85

mich gleich in mehreren Berufen beworben

58

61

Verwandte/Bekannte/Freunde um Hilfe gebeten

47

48

an einem Vorstellungsgespräch teilgenommen

47

58

bei Betrieben nachgefragt und mich dort nach Ausbildungsmöglichkeiten erkundigt

40

43

alle wichtigen Fragen auch mit den Eltern besprochen

29

51

mich bei Kammern, Verbänden o.ä. nach Möglichkeiten erkundigt

23

27

mich auch außerhalb der Region beworben (> 100 km entfernt)**

15

16

keine Angabe

2

2

Quelle: BA/BIBB-Bewerberbefragung 2004; vgl. Ulrich/ Granato, M. 2006

*Nur Befragte, die in den letzten 15 Monaten auf Lehrstellensuche waren

**Nur Befragte in Westdeutschland

Übersicht 1: Suchstrategien von Bewerbern* mit und ohne Migrationshintergrund in %

 

Strategie: eigene Potenziale nutzen

 

 

Neben den schulischen Voraussetzungen stellen die eigenen Potenziale ein wichtiges Kapital bei Bewerbungen dar. Diese individuellen Ressourcen und Potenziale können sehr unterschiedlich sein. Neben speziellen Hobbys, die für den Qualifizierungsweg als positiv gesehen werden, kann es auch das ehrenamtliche soziale Engagement des Bewerbers für eine gesellschaftlich anerkannte Sache sein. Junge Menschen mit Migrationshintergrund haben hier oftmals noch ein zusätzliches plus: vielfach verfügen sie über – unterschiedlich ausgeprägte – interkulturelle Potenziale, die sie als Zusatzpunkt bei einer Bewerbung mit einbringen können. Voraussetzung hierfür ist, dass sie sich dieser Potenziale bewusst sind und sie aktiv einsetzen wollen. Eine aktuelle BIBB-Studie belegt, wie es jungen Fachkräften mit Migrationshintergrund gelingt, ihre interkulturellen Kompetenzen im Berufsalltag zu nutzen (Settelmeyer u.a. 2006). Arbeitgeber profitieren in der Regel – so ein weiteres Ergebnis der Studie – vom Einsatz der interkulturellen Kompetenzen ihrer Nachwuchskräfte mit Migrationshintergrund.

Denn durch die Beschäftigung einer selbst ausgebildeten Fachkraft mit Migrationshintergrund gelingt es Betrieben oder Praxen oftmals, ihren Kunden- oder Patientenkreis zu stabilisieren bzw. zu erweitern oder sich neue Geschäftsfelder zu eröffnen – ein Vorteil, den Arbeitgeber häufiger nutzen sollten. Dies gilt gleichzeitig für interkulturell gemischte Teams – auch sie sind in Zeiten der Globalisierung ein Plus im wirtschaftlichen Wettbewerb.

Strategie: Unterstützung durch das Umfeld

Junge Menschen mit Migrationshintergrund sollten nicht zögern, sich bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz, Unterstützung im eigenen persönlichen wie sozialen Umfeld zu sichern. Dies reicht von der emotionalen Unterstützung durch die Eltern über Gespräche mit Eltern, Familie und Freunden in der Phase der Berufsfindung und der Ausbildungsplatzsuche bis zur konkreten Unterstützung bei Bewerbungen und Lehrstellensuche. So besprechen 29% aller Bewerber mit Migrationshintergrund alles wichtige mit ihren Eltern – erheblich seltener als die Vergleichsgruppe ohne Migrationshintergrund (51%). Dies ist der einzig signifikante Unterschied zwischen beiden Gruppen bei den Bewerbungsstrategien.

Doch knapp die Hälfte der jungen Menschen bittet in dieser Phase Eltern, Verwandte oder Freunde um Hilfe - unabhängig vom Migrationsstatus. Sie sollten verstärkt auch die Angebote ihrer Umgebung im Stadtteil oder in ihrer Kommune für ihre Berufsfindung und bei der Suche nach einer Lehrstelle nutzen, sei es im Hinblick auf Unterstützung bei der Orientierung, sei es für Bewerbungstrainings oder bei der konkreten Suche nach einem Ausbildungsplatz. Auskunft können neben den Arbeitsagenturen vor Ort auch Lehrer oder die Integrationsbeauftragten der Gemeinde geben.

Aus kommunaler Sicht ist es von Vorteil für Jugendliche – mit und ohne Migrationshintergrund – die aktuell keine Bildungsangebote nutzen (s.u.), niedrigschwellige und gleichzeitig zielorientierte Angebote zu schaffen, die ihnen die Rückkehr in das Bildungssystem, sei es in eine berufliche Grundbildung - die es ihnen erlaubt einen (weiterführenden) Schulabschluss zu erreichen - sei es in eine abschlussbezogene Qualifizierung ermöglicht.

Strategien im Übergangsmanagement

Die Situation auf dem Lehrstellenmarkt hat sich im vergangenen Jahrzehnt erheblich verschlechtert: auf der einen Seite ist ein Rückgang an neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen auf der anderen Seite ein erheblicher Anstieg von Schulabsolventen zu beobachten (Ulrich u.a. 2007). Diese gegenläufigen Entwicklungen  – steigende Schulabgänger-, aber sinkende Lehrvertragszahlen – haben dazu beigetragen, dass rechnerisch weniger als  60% eines Jahrgangs von Schulabsolventen in eine duale Ausbildung einmünden.

Die seit Anfang der 90er Jahre vergleichsweise konstant gebliebene Jugendarbeitslosigkeit ist zurückzuführen auf eine stärkere Einmündung von Schulabgängern in das Schulberufssystem wie in die Hochschulen sowie auf eine erhebliche Ausweitung des sog. Übergangssystems, d.h. der Ausweitung des Angebots an beruflicher Grundbildung, die allerdings nicht zu einem anerkannten Berufsabschluss führt. So überwog 2005 erstmals die Zahl der Jugendlichen, die in eine berufliche Grundbildung einmündeten gegenüber denjenigen, denen ein Einstieg in eine duale Ausbildung gelang. Von daher sind in den letzten Jahren die Aussichten, direkt von der Schule in eine duale (betriebliche) Ausbildung einzumünden erheblich gesunken. Laut der BA/BIBB – Bewerberbefragung mündet noch nicht einmal jeder dritte Jugendliche mit Migrationshintergrund in eine betrieblichen Lehrstelle ein (29%), 40% sind es bei denjenigen ohne Migrationshintergrund.

Jeder vierte Bewerber mit Migrationshintergrund mündet in Bildungsgänge des „Chancenverbesserungssystems“, d.h. in berufliche oder schulische Grundbildung ein, die nicht zu einem Berufsabschluss führt. Im Vergleich zu Lehrstellensuchenden ohne Migrationshintergrund sind sie hier überproportional vertreten (19%).

Zentral ist es daher, wie junge Menschen, die nicht direkt eine abschlussbezogene Ausbildung finden den Übergangsprozess weiter gestalten, um doch noch ihr Qualifizierungsziel zu erreichen.

Um diese schwierige Phase des Übergangs von der Schule in die Ausbildung erfolgreich zu bewältigen, halten AutorInnen einer aktuellen Bremer Studie Kompetenzen wie Flexibilität, Durchhaltevermögen, Frustationstoleranz und vieles mehr für zentral. Sie ziehen dabei den Schluss: der konstruktive „Umgang mit Enttäuschungen an dieser Schnittstelle ist zu einer wichtigen Kompetenz geworden. (...) Diese Generation der Jugend mit einem entsprechenden Qualifikationsniveau ist damit konfrontiert, ständig Übergänge gestalten können zu müssen.“ (Quante-Brandt u.a. 2006).

Dies gilt insbesondere für junge Menschen mit Migrationshintergrund, die sich durch Schwierigkeiten und Hürden, die sie bei der Lehrstellensuche erleben nicht entmutigen lassen dürfen. Denn sie müssen im Schnitt „längere Schul- oder Übergangszeiten“ als einheimische Jugendliche hinnehmen – auch wenn sie über die gleichen schulischen Voraussetzungen verfügen wie einheimische Jugendliche. Bereits mehrere Studien bestätigen den in Zeiten von Lehrstellenmangel zu beobachtenden Trend auf dem Ausbildungsstellenmarkt: junge Menschen mit Migrationshintergrund haben im Vergleich zu denjenigen ohne Migrationshintergrund selbst mit den gleichen schulischen Voraussetzungen signifikant schlechtere Chancen in eine berufliche Ausbildung einzumünden (Friedrich 2006; Quante-Brandt u.a. 2006; Reißig u.a. 2006; Ulrich/ Granato 2006).

Dies bedeutet, dass es gerade für sie besonders wichtig ist, den Übergang unter strategischen Gesichtspunkten möglichst zielorientiert zu gestalten.

Strategie: Umwege für eine schulische (Höher)Qualifizierung nutzen

Ist der Übergang in eine berufliche Grundbildung unausweichlich, so kann diese Zeit auch dafür genutzt werden Schulabschlüsse nachzuholen, weiterführende Schulabschlüsse zu erreichen oder die schulischen Voraussetzungen fachlich zu verbessern. Der Erhalt eines (weiterführenden) Schulabschlusses verbessert - wie bereits dargelegt (Kap. 2.1.) - die Chancen in eine betriebliche Ausbildung einzumünden.

Strategie: Umwege in Kauf nehmen, um das abschließende Qualifizierungsziel zu erreichen

Gelingt kein schneller oder direkter Einstieg in eine berufliche Qualifizierung, ist es wichtig den angestrebten Ausbildungsberuf schrittweise zu erreichen. Neben der schulischen (Höher)Qualifizierung stellen Betriebspraktika eine Möglichkeit dar, den gewählten Ausbildungsberuf und möglicherweise auch den künftigen Ausbildungsbetrieb näher kennen zulernen. Je früher ein solches Betriebspraktikum erfolgt – z.B. bereits in der Schulzeit wie dies bei Schulbetriebspraktika der Fall ist – desto eher kann er dazu beitragen, dass sich beide „Partner“ potentielle Auszubildende und Ausbildende gegenseitig kennen lernen können. Wichtig ist es rechtzeitig einen geeigneten Praktikumsbetrieb zu finden. Manche Ausbildungsbetriebe bieten auch „Schnupperpraktika“ oder längere Praktika – zum Teil in den Schulferien -  an, um geeignete Kandidaten für eine Ausbildungsstelle zu „sondieren“. Als vorteilhaft hat sich auch das EQJ, das EinstiegsQualifizierungsjahr herausgestellt.

Strategie: „step by step” vorgehen

Zum Teil gelingt kein “glatter” Einstieg in eine Ausbildung und oft reicht auch eine Zwischenstation in der Übergangszeit nach Beendigung der Schulzeit nicht aus, um eine Ausbildung zu finden. Zentral ist es daher für junge Menschen mit Migrationshintergrund ihr – abschlussbezogenes – Qualifizierungsziel im Blick zu behalten. Manchmal gelingt der Einstieg in eine Ausbildung letztlich nur über Praktika und vorbereitende Lehrgänge u.ä.. Ein Beispiel hierfür sind Auszubildende im Beruf der Krankenschwester, die zunächst eine Fülle von Absagen bekamen, daraufhin Praktika bei Ärzten und im Krankenhaus absolvierten und schließlich nach dem Besuch einer Vorschule einen Ausbildungsplatz in einer Klinik erhalten haben (Schittenhelm 2005).

Oftmals sind solche Um-Wege zwar nicht von vorneherein „planbar“, gerade deswegen ist es wichtig, sich dem Ausbildungsziel „schrittweise“ anzunähern. Eine solche Strategie kann auch dazu beitragen junge Menschen in dieser Übergangsphase zu stabilisieren.

Strategie: Notlösungen überwinden – Qualifizierungsziel im Auge behalten

Manchmal will selbst nach einer Reihe von Zwischenschritten der Einstieg in eine berufliche Qualifizierung (scheinbar) nicht gelingen. Auch können sich manche Wege als Sackgasse oder Irrweg erweisen. Dies gilt z.T. für Jobs aber auch für manche Grundbildungslehrgänge. Sie können eher eine „Notlösung“ darstellen als ein wirklicher Beitrag auf dem Weg in eine berufliche Ausbildung.

Die schwierige Lage an der Statuspassage Schule – Ausbildung zeigt sich konkret auch darin, dass 21% der Bewerber mit Migrationshintergrund noch nicht einmal der Übergang in eine Grundbildung gelingt, sondern dass sie arbeitslos sind oder jobben – häufiger als diejenigen ohne Migrationshintergrund (15%, vgl. Ulrich/ Granato 2006). Auch ist der Anteil junger Menschen mit Migrationshintergrund bei den sog. „Altbewerbern“, die sich bereits im Jahr bzw. den Jahren zuvor auf eine Ausbildungsstelle beworben haben, höher als bei der einheimischen Vergleichsgruppe. Es kommt in dieser Phase auch vor, dass sich Jugendliche angesichts der Lage in ihrer Umgebung, die aussichtslos erscheint, von ihrem Qualifizierungsziel abbringen lassen und es aufgeben (wollen). Wichtig ist es daher, gerade für junge Menschen mit Migrationshintergrund, sich nicht entmutigen zu lassen und ihr Qualifizierungsziel im Blick zu behalten bzw. wieder in den Blick zu nehmen.

Die Frage, ob ein ursprüngliches Ausbildungsziel aufgegeben werden soll, ist nicht generell zu beantworten. Flexibilität ist zwar wichtig, ist aber nicht gleichbedeutend mit der Aufgabe des eigenen (abschlussbezogenen) Qualifizierungsziels. Dies würde die Chance auf einen stabilen Berufseinstieg erheblich verringern (Solga 2005). Nach einer Reihe von Misserfolgen in dieser Übergangsphase kann eine Umorientierung, die zu einer beruflichen Ausbildung führt, die als „Notlösung“ begonnen wird und die keine Aussicht auf eine ausbildungsadäquate Beschäftigung nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung eröffnet nur eine unbefriedigende Lösung sein, da die Schwierigkeiten in diesen Fällen oft von der ersten auf die zweite Schwelle, d.h. auf die Einmündung in den erlernten Ausbildungsberuf verschoben werden (Schittenhelm 2005).

Die Aufgabe bisheriger Ziele sollte daher mit einer Umorientierung verknüpft sein, die eine tragfähige berufliche Perspektive bietet. Eine solche - eventuelle - Umorientierung sollte überlegt erfolgen und die eigenen Potenziale berücksichtigen. Hierbei sind Beratung und Unterstützung von „Profis“, die die Lage auf dem Ausbildungsmarkt, aber auch die Fähigkeiten und Kompetenzen des Jugendlichen kennen, notwendig. Wichtig kann in einer solchen Phase auch eine individuelle Begleitung von Jugendlichen sein, damit sie ihr Qualifizierungsziel (wieder) in den Blick nehmen und auch tatsächlich erreichen. Von Vorteil ist es hierbei mit Unterstützung von außen (erneut) Handlungsstrategien zu entwickeln, die eine Aussicht auf eine berufliche Qualifizierung ermöglichen – sei es im ursprünglich geplanten Ausbildungsberuf sei es in einer Alternative. Zentral ist es aus bildungspolitischer Sicht für junge Menschen mit Migrationshintergrund vor Ort solche Angebote zu schaffen, die eine Beratung und Begleitung ermöglichen gerade in einer Phase der Suche nach einer Ausbildung, die von Misserfolgen begleitet sein kann.
 

Endnoten

[1] In die Untersuchung einbezogen sind ausschließlich Jugendliche, die bei der Berufsberatung als   Ausbildungsstellenbewerber gemeldet waren. Die bundesweit repräsentative Befragung wurde im November/ Dezember 2004 vom Bundesinstitut für Berufsbildung und der Bundesagentur für Arbeit bundesweit schriftlich-postalisch bei Lehrstellenbewerbern durchgeführt. Von den angeschriebenen Probanden antworteten 5.100. Die Rücklaufquote lag damit bei 53 %. Rund 20% der Befragten haben einen Migrationshintergrund. Unter Befragte mit Migrationshintergrund werden Lehrstellenbewerber mit ausländischer Staatsangehörigkeit sowie Aussiedler sowie andere Lehrstellenbewerber mit Migrationshintergrund (wie eingebürgerte Lehrstellenbewerber) zusammengefasst. Lehrstellenbewerber ohne Migrationshintergrund sind diejenigen, die die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, in Deutschland geboren sind und Deutsch als Muttersprache haben. Vgl. Ulrich/ Granato 2006.

[2] Zur Chancenungleichheit zwischen Bewerbern mit und ohne Migrationshintergrund bei gleichen guten schulischen Voraussetzungen vgl. Ulrich/ Granato 2006
 

Literatur

  • Boos-Nünning, Ursula 2006: Berufliche Bildung von Migrantinnen und Migranten – ein vernachlässigtes Potential für Wirtschaft und Gesellschaft. In: Friedrich-Ebert-Stiftung/ Bundesinstitut für Berufsbildung (Hrsg.): a.a.O.. Bonn.
  • Bundesministerium für Bildung und Forschung 2006: Berufsbildungsbericht. Berlin, Bonn.
    Friedrich-Ebert-Stiftung/ Bundesinstitut für Berufsbildung (Hrsg.): Kompetenzen stärken, Qualifikationen verbessern, Potenziale nutzen. Berufliche Bildung von Jugendlichen und Erwachsenen mit Migrationshintergrund. Bonn.
  • Friedrich, Michael 2006: Jugendliche in Ausbildung: Wunsch und Wirklichkeit. In: Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis. Heft 3
  • Granato, Mona 2006: Ungleichheiten beim Zugang zu einer beruflichen Ausbildung: Entwicklungen und mangelnde Perspektiven für junge Menschen mit Migrationshintergrund. In: Deutsches Jugendinstitut: Thema 2006/07: Herausforderung Integration. Der Blick von aussen I.
  • Granato, Mona; Bethscheider, Monika; Friedrich, Michael; Gutschow, Katrin; Paulsen, Bent; Schwerin, Christine; Settelmeyer, Anke; Uhly, Alexandra; Ulrich; Joachim Gerd: Integration und berufliche Ausbildung. Expertise.
  • Quante – Brandt, Eva; Rosenberger, Silvia; Breden, Manfred 2006: Ausbildungsrealität- Anspruch und Wirklichkeit. Studie zum Wandel von Wahrnehmungen und Einstellungen Auszubildender im Ausbildungsverlauf. Bremer Beiträge zur Praxisforschung, Band 1. Universität Bremen, Akademie für Arbeit und Politik an der Universität Bremen.
  • Reißig, Brigitte; Gaupp, Nora; Hofmann-Lun, Irene; Lex, Tilly 2006: Schule und dann? Schwierige Übergänge von der Schule in die Berufsausbildung. Deutsches Jugendinstitut. Forschungsschwerpunkt Übergänge in Arbeit. München.
  • Settelmeyer, Anke; Hörsch, Karola; Dorau, Ralf 2006: Die Wahrnehmung interkultureller Kompetenzen von Fachkräften mit Migrationshintergrund fördern! In: Friedrich-Ebert-Stiftung/ Bundesinstitut für Berufsbildung (Hrsg.): a.a.O. Bonn.
  • Solga, Heike 2005: Ohne Abschluss in der Bildungsgesellschaft. Opladen
  • Schittenhelm, Karin 2005: Statuspassagen. Junge Migrantinnen und Einheimische zwischen Schule und Berufsausbildung, Wiesbaden
  • Uhly, Alexandra; Granato, Mona 2006: Werden ausländische Jugendliche aus dem dualen System der Berufsausbildung verdrängt?. In: Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis. Heft 3.
  • Ulrich, Joachim Gerd Ulrich; Flemming, Simone; Granath, Ralf-Olaf; Krekel, Elisabeth M. 2007: Stärkster Zuwachs bei den neuen Ausbildungsverträgen seit der Wiedervereinigung. BIBB-Erhebung 2006 über neu abgeschlossene Ausbildungsverträge. Bundesinstitut für Berufsbildung.
  • Ulrich, Joachim Gerd; Granato, Mona 2006: „Also, was soll ich noch machen, damit die mich nehmen?“ Jugendliche mit Migrationshintergrund und ihre Ausbildungschancen. In: Friedrich-Ebert-Stiftung/ Bundesinstitut für Berufsbildung (Hrsg.): a.a.O. Bonn.

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Dr. phil Mona Granato ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Arbeitsbereich "Kompetenzentwicklung", vormals Arbeitsbereich "Bildungsverhalten, Berufsverläufe, Zielgruppenanalysen" im Bundesinstitut für Berufsbildung in Bonn.