Unter dem Titel „Willkommen in Deutschland" diskutierten die Bundestagsabgeordneten Katrin Göring-Eckardt und Peter Tauber Fragen über Migration und Arbeitsmarkt, Flucht und Asyl sowie ein deutsches Einwanderungsgesetz.
In Sachen Einwanderungspolitik stehen sich Grüne und CDU nicht unbedingt nahe – Katrin Göring-Eckardt und Peter Tauber wagten vergangene Woche trotzdem die Begegnung. Unter dem Titel „Willkommen in Deutschland – die Zukunft der Einwanderungsgesellschaft“ diskutierten die beiden Bundestagsabgeordneten aktuelle Fragen zu Migration und Integration in der Bundesrepublik – und fanden trotz zahlreicher Unterschiede doch auch Gemeinsamkeiten.
Im Vordergrund stand zunächst das Thema Fachkräftemangel. Die deutsche Volkswirtschaft ist angesichts ihrer rapide alternden Gesellschaft dringend auf die Zuwanderung von qualifizierten Arbeitskräften angewiesen. Trotz zahlreicher Zugangserleichterungen zum Arbeitsmarkt bleibt diese aber noch deutlich unter den Erwartungen. Wie also macht man Deutschland attraktiver für Fachkräfte, vor allem aus dem nicht-europäischen Ausland?
Doch auch eine andere Frage stand im Raum: Angesichts einer von bewaffneten Konflikten, politischer Verfolgung und wirtschaftlicher Unsicherheit geprägten Lage in den Nachbarregionen Europas, erlebt Deutschland derzeit einen enormen Anstieg in der Zuwanderung von Menschen, die als Asylsuchende kommen. Wie kann und soll die Bundesrepublik mit diesen Menschen umgehen?
„Ein Einwanderungsgesetz kann eine zentrale Rolle spielen.“
Eingeleitet wurde die Veranstaltung, die von der Heinrich-Böll-Stiftung in Kooperation mit der Konrad-Adenauer-Stiftung ausgerichtet wurde, von zwei Fachvorträgen. Es sprachen Steffen Angenendt, Migrationsforscher der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), sowie Cornelia Schu, Geschäftsführerin des Sachverständigenrates deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR).
Um mehr Fachkräfte aus Drittstaaten zu gewinnen, sagte Cornelia Schu in ihrem Vortrag, müsse Deutschland den Zugang zum Arbeitsmarkt weiter erleichtern, etwa durch eine schnellere Anerkennung von ausländischen Berufs- und Hochschulabschlüssen. Es müsse aber auch an einem moderneren Staatsbürgerschaftskonzept gearbeitet werden. Schu sprach von einer „Einbürgerungsoffensive“ und „Turbo-Einbürgerung“ und betonte: „Ein Einwanderungsgesetz kann eine zentrale Rolle spielen.“
Unter den Diskutanten bestand Einigkeit, dass Deutschland mehr tun muss um qualifizierte Einwanderer für sich zu gewinnen. Peter Tauber forderte eine „breite gesellschaftliche Debatte über das Einwanderungsland Deutschland“. Wie genau diese Debatte aussehen soll, darüber gab es jedoch Unstimmigkeiten. Taubers Forderung nach einer „Leitkultur“ lehnte Katrin Göring-Eckardt kategorisch ab.
Beide Seiten plädierten hingegen für die Einführung eines Einwanderungsgesetzes. „Wir brauchen ein Gesetz, das sagt: wir wollen euch, wir brauchen euch!“, sagte Göring Eckardt. Auch Peter Tauber tritt – als einer der wenigen in seiner Partei – für ein Einwanderungsgesetz ein. Doch bei der Frage, unter welchen Prämissen die Einwanderung nach Deutschland künftig geregelt werden soll, fanden Göring-Eckardt und Tauber nicht zueinander. „Es geht nicht um mehr oder weniger Zuwanderung sondern darum, wie wir die Zuwanderung bekommen, die unsere Gesellschaft voranbringt“, sagte Peter Tauber – „Es kann nicht nur darum gehen, was uns selber nutzt“, erwiderte Göring-Eckardt.
Willkommen in Deutschland! Die Zukunft der Einwanderungsgesellschaft - Heinrich-Böll-Stiftung
Direkt auf YouTube ansehen„Wieso können Flüchtlinge nicht zu Migranten werden?“
Immer wieder versuchte die grüne Fraktionsvorsitzende, die Diskussion auf die Situation von Flüchtlingen in Deutschland zu lenken. Sie forderte eine schnellere Bearbeitung der Asylverfahren sowie eine strukturelle Entlastung der Länder und Kommunen durch den Bund. Dazu gehöre unter anderem die finanzielle Unterstützung bei der Unterbringung, der Gesundheitsversorgung und dem Sprachunterricht. Vor allem aber forderte sie, Arbeitsmarkt- und Flüchtlingspolitik zusammen zu denken: „Mir leuchtet das nicht ein“, sagte sie. „Wieso können Flüchtlinge nicht zu Migranten werden?“
Damit griff Göring-Eckardt einen Punkt auf, der zu Beginn im Vortrag von Steffen Angenendt deutlich geworden war. Die klassische Unterscheidung zwischen „Flüchtling“ und „Migrant“, sagte der Migrationsforscher, löse sich zunehmend auf. Es müsse geklärt werden, wie man Menschen begegnet, die nicht aus gezielter politischer oder rassischer Verfolgung ihren Heimatländern entfliehen, sondern aus allgemeiner Gewalt oder der Zerstörung ihrer wirtschaftlichen Lebensgrundlagen. Diese Menschen sind keine Flüchtlinge im Sinne der Genfer Konvention – sie sind aber auch keine klassischen Migranten: sie sind gezwungen, ihre Heimat zu verlassen, wandern also unfreiwillig aus und – aus Mangel an legalen Alternativen – meist ungeregelt ein.
„Es muss einen anderen Weg geben!“
Während Katrin Göring-Eckardt dafür plädierte, einen „einfachen gesetzlichen Statuswechsel“ zu ermöglichen, damit Asylsuchende schnell und unkompliziert in Deutschland arbeiten können, blieb Peter Tauber in dieser Frage zurückhaltend. „Natürlich brauchen Menschen aus Ländern wie Syrien oder Irak unsere Hilfe“, antwortete er. „Aber es gibt auch viele Flüchtlinge aus Ländern, da liegt die Anerkennungsquote unter 0,1 Prozent, und denen muss ich sagen: ‚es muss einen anderen Weg geben, wie ihr euch aus euren Heimatländern bewerben könnt.‘“
Dass das Asylrecht nicht der primäre Zugang für Menschen sein sollte, „die eigentlich Einwanderer werden wollen“, erkannte auch Göring-Eckardt an. Sie warb jedoch für Empathie gegenüber denjenigen, die keine andere Chance sehen, als es über den Asylweg zu versuchen. „Viele Menschen, beispielsweise aus dem Kosovo, verkaufen ihr sämtliches Hab und Gut, und kommen voller Hoffnung zu uns“, sagte sie. „Von uns werden sie dann bitter enttäuscht. Zurück in ihren Heimatländern stehen sie vor dem Nichts. Das sind tragische Geschichten.“
Die kommende Herausforderung für die deutsche Einwanderungspolitik, das wurde auf der Veranstaltung deutlich, ist nun nicht nur, eine Antwort darauf zu finden, wie man mit Arbeitsmigranten und Flüchtlingen umgeht, sondern eben genau mit solchen „Mischformen“, die laut Steffen Angenendt die Zukunft der globalen Migration darstellen.