Kritische Übergänge : Hürdenläufe internationaler StudienbewerberInnen und AbsolventInnen

von Mohamed Amjahid


Eins vorweg: Es ist möglich, als Nicht-EU-BürgerIn in Deutschland ein Studium aufzunehmen, ja sogar sesshaft kann man hier zu Lande werden und sich in Lohn und Brot in Deutschland niederlassen. Wer als – im juristischen Sinne – AusländerIn den Paragraphendschungel meistert, hat sowieso gute Chancen auf einen adäquaten Studien- und späteren Arbeitsplatz. Eine gute Sache: durch die vielen aber unscharfen Verordnungen und Verfahren bekommen wir wirklich nur die Besten der Besten. Auf den ersten Blick zumindest.

Das Studium: „Die Hürden sind mindestens so groß wie die Distanz zwischen Deutschland und meiner Heimat“ 

Soll ich studieren? Vor dieser Frage stehen viele junge AbiturientInnen, weltweit. Und für die, die sich so etwas leisten können, stellt sich schnell die weitere Frage, ob sie dafür ins Ausland gehen. Die Wahl auf Deutschland fällt wegen verschiedenen Gründen: Deutsch als Fremdsprache in der Schule, der Besuch einer Infoveranstaltung eines Goethe-Instituts, die Einzigartigkeit eines bestimmten Studiengangs oder schlicht Familie und Bekannte, die schon in Deutschland leben. Oft ist das Internet die erste Informationsquelle, wo sich viele zum Vorhaben ein Studium in Deutschland aufzunehmen, austauschen. In einem Forum schreibt ein User mit dem Namen Deutschlerner: „Die Hürden sind mindestens so groß wie die Distanz zwischen Deutschland und meiner Heimat“. Ein entmutigender Satz am Anfang eines Abenteuers. 

Alexander Djurkov Hotter ist 19 Jahre alt, selbstbewusster Sohn deutscher Auswanderer in Venezuela und trägt einen modisch-eleganten Krawattenersatz um seinen Hals geschnürt. „Deutschland ist das naheliegendste gewesen“, begründet er seine Entscheidung für ein Studium in dem Heimatland seiner Eltern, „Kulturschock ausgeschlossen“. Einen Kulturschock hat Alexander in seiner neuen Wahlheimat Berlin tatsächlich nicht bekommen, einen Studienplatz bis jetzt aber auch nicht. „Das Architekturstudium wollten vor allem meine Eltern. Ich wollte schon immer Modedesigner werden, mittlerweile darf ich das sogar versuchen.“ Denn vor allem sein Vater erlaubt ihm inzwischen die Verwirklichung seines Ziels, für Glamour und Trends auf den Laufstegen zu sorgen, und zieht seinen Kompromiss „Häuser anzukleiden“ zurück. Die üblichen Elternprobleme, mag man meinen, aber Alexander wird das Leben auch von anderer Seite schwer gemacht: Er befindet sich gerade in einer regelrechten Warteschleife. Schon seit über zwei Jahren geduldet er sich um endlich studieren zu dürfen, und in nächster Zeit ist noch mehr warten angesagt.

Aber erstmal wieder zurück in die Heimatländer: Bevor der Traum vom Hörsaal beginnen kann, rollt eine Bürokratiewelle über die BewerberInnen. Uni-Assist soll da helfen, es ist der ganze Stolz vieler deutscher Universitäten. Assist, das steht für Arbeits- und Servicestelle für Internationale Studienbewerbungen. Nebenbei klingt Assist auch wirklich nach Hilfe und Unterstützung. Laut Selbstdarstellung soll die zentrale Bewerbungsstelle vor allem Service bieten und den BewerberInnen den Zugang zur deutschen Hochschullandschaft vereinfachen. Doch was im Ansatz vernünftig klingt, bewirkt nicht selten das Gegenteil. Viele sehen Uni-Assist vor allem als Kostenfaktor. Denn jede Bewerbung kostet: die erste 55 Euro, jede weitere 15 Euro. EU-BürgerInnen und Studierende aus China genießen einen Rabatt, letztere aber nur weil ihre Bewerbung zusätzlich durch eine kostenpflichtige Prüfung des Kulturreferats der Deutschen Botschaft in Peking muss.

Am Ende ist Uni-Assist mehr Service für die Hochschulen: „Die Bewerbung? dafür ist Uni-Assist zuständig, nicht wir und gut ist“, erklärt eine Mitarbeiterin, die nicht genannt werden möchte und im Zulassungsbüro einer großen deutschen Universität arbeitet. Sie bestätigt auch, dass Uni-Assist oft nur die Funktion hat, „die Dokumente weiterzuleiten“. Eine teure Post. Alexander sind die ganzen Kosten und Posten egal: „Ich habe das Glück, dass meine Eltern alles für mich bezahlen können. Viele meiner Kommilitonen müssen sogar hier in Deutschland nebenbei arbeiten, um zu überleben“. Wohlgemerkt liegt die Höchstverdienstgrenze für ausländische Studierende in Deutschland bei 400 Euro im Monat.  Definitiv gilt das für Studierende aus nicht EU und EWR-Staaten. Für Studierende aus den östlichen EU-Mitgliedländern gilt bis April 2011 wegen einer eingeschränkten Arbeitnehmerfreizügigkeit das gleiche, diese kann sogar noch verlängert werden. Der Gedanke dahinter ist, dass es eine bestimmte Reihenfolge in der Besetzung von Arbeitsplätzen (auch mit geringem Verdienst und sogar unbezahlte Praktika) gibt: zuerst kommen Deutsche und ihnen gleichgestellte EU- und EWR-BürgerInnen, dann folgen die BürgerInnen der östlichen EU-Mitgliedsländer und am Ende Menschen aus Drittstaaten.
 
Über Neben- oder Hauptverdienste machen sich die meisten am Anfang wenig Gedanken. Denn da steht erstmal der Antrag des Studierendenvisums an, meist doch das Schlüsselerlebnis, wo das Herz am schnellsten schlägt. Wer schon Mal an dem Tor einer Deutschen Botschaft stand, kann nachvollziehen wie viele junge Menschen nervös ihre Dokumente und Finanzierungsnachweise über die Schaltertheken wandern lassen. Der Prozess ähnelt manchmal einem Vorsprechen im Theater. Wer den BotschaftsmitarbeiterInnen einen Willen zum Studium zeigen oder suggerieren und vor allem die Fähigkeit zur Finanzierung dieses Lebensabschnitts beweisen kann , bekommt den begehrten, glänzenden Sticker in den Pass geklebt: Der Bundesadler, von vielen Europasternchen und einem biometrischen Foto der PassinhaberIn umgeben, ist ab diesem Zeitpunkt offiziell ständiger Begleiter durch das Leben in Deutschland.

Den Bundesadler als Lebenskompagnon braucht Alexander nicht und ist froh darüber. „Was ich alles von meinen Kommilitonen höre, ist wirklich nicht lustig“. Sein deutscher Pass öffnet ihm viele Tore, verschließt aber gleichzeitig andere: „Ich profitiere zum Beispiel überhaupt nicht von Ausländerquoten“, beschwert er sich und macht auf die wachsende Zahl der Auslandsdeutschen aufmerksam, die in gar kein Raster fallen. An seinem Studienkolleg sind es schon 10 von rund 200 Kollegsstudierenden, eine „ganze Menge“, Tendenz steigend. Aber froh über die Privilegien eines EU-Bürgers ist er dann doch. Er musste sich zum Beispiel weder um eine Bürgschaft noch um ein Sperrkonto in Deutschland mit 8000 Euro pro Studienjahr kümmern.

Wer Bewerbung, Paragraphendschungel und die lange Reise schon hinter sich gebracht hat, findet sich allerdings noch lange nicht an einer Universität oder Fachhochschule wieder. Erstmal muss die Schulbank weiter gedrückt werden: Das Studienkolleg ist nämlich eine Art Schule. Es soll StudienbewerberInnen mit einer ausländischen Hochschulzugangsberechtigung auf ein Studium in Deutschland vorbereiten. Jede größere Universität betreibt eine solche Einrichtung. Alexander nennt das Kolleg lieber „einen sanften Übergang in die Uni“. Auch weil das Studienkolleg, das er an der Technischen Universität Berlin besucht, auf dem zentralen Campus liegt. Sogar ganz oben im fünften Stock eines Altbaus mit einem schönen Blick auf den quirligen Ernst-Reuter-Platz. Hier, oberhalb der Dächer von Berlin pauken junge Leute aus aller Welt Physik, Geographie und Deutsche Literatur. Je nach gewünschtem Studiengang wird der dafür nötige Grundstoff noch mal durchgegangen. Bei Alexander ist es vor allem Mathematik: „In diesem Fach habe ich aus Venezuela keine Basis und bin froh, dass ich das hier machen darf“.

Mindestens ein Jahr Geduld müssen die StudienbewerberInnen mitbringen, um somit auf das „deutsche“ Niveau zu kommen. Bei Alexander wird sich die Wartezeit voraussichtlich auf drei Jahre summieren, zwar hat er „zum Glück“ nichts mit der deutschen Einreise- und Aufenthaltsbürokratie zu tun, aber die venezolanischen Behörden haben fast ein Jahr gebraucht, um ihm die permanente Ausreise zu erlauben. Am Ende muss er noch den Anfang des Wintersemesters abwarten, um endlich mit seinem Modedesignstudium zu beginnen. Das Studienkolleg hält er aber trotz der suboptimalen Wartezeit in seinem Fall für eine gute Idee. Für einige ist es tatsächlich sehr wichtig, ja elementar zur Aufnahme des Wunschstudiums: „In Lateinamerika kommt man über einen Aufnahmetest an die Uni, nicht durch Leistung in der Schulzeit“, erklärt Alexander „da ist man nicht so motiviert und schon gar nicht bei Mathe“. Für andere gestaltet sich die Zeit eher als langweilig: „Meine Kommilitonen aus arabischen Ländern zum Beispiel sind super gut, was Mathe angeht. Für die spielt nur noch die Sprache eine Rolle“. Immerhin können jene, die von sich denken, dass sie nicht noch ein Jahr die Schulbank drücken wollen oder müssen die Hochschulzugangsprüfung am Kolleg als Externe ablegen. Aber das hat wieder Auswirkungen auf das Visumsverfahren: es ist wesentlich schwieriger mit einer schlichten Einladung zu einem Vorgespräch eine Einreisegenehmigung zu bekommen. Alles hängt mit allem zusammen, wie so oft im Leben.

Im Studienkolleg geht es letztlich um den Erwerb einer Hochschulzugangsberechtigung für ein bestimmtes Fach an einer deutschen Universität. Dabei spielt die Endnote eine entscheidende Rolle. Die setzt sich aus der Note der Endklausuren am Studienkolleg und aus der Abschlussnote der Hochschulzugangsberechtigung im Heimatland zusammen. Für die Einschätzung dieser Schulleistungen im Herkunftsland hat die Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (KMK) eine Datenbank namens anabin aufgestellt. Anabin ist das Kürzel für Anerkennung und Bewertung ausländischer Bildungsnachweise. Über das Informationssystem im Internet (sprich eine Kalkulationstabelle) werden die ausländischen Abi-Noten in deutsche Schulnoten umgerechnet, meist zum Nachteil der StudienbewerberInnen. Denn in vielen Ländern ist die Höchstpunktzahl selbst theoretisch nicht zu erreichen, zum Beispiel in jenen Ländern, die vom französischen Bildungssystem geprägt sind. Dazu kommt noch: andere Länder, andere Prüfungen. Hier können Fächer abgewählt werden, dort nicht. Hier gibt es mündliche Prüfungen, dort nur schriftliche usw.

Die Umrechnung der Note, die am Ende über den Studienplatz entscheidet, erfolgt nach einer von der KMK festgelegten und sogenannten „Modifizierten Bayerischen Formel“. Einige Bundesländer möchten aber die Zuströme an ihren Hochschulen doch selbst kontrollieren und richten eigene Zeugnisanerkennungsstellen ein, zum Beispiel in Bayern. Die vergeben dann Zertifikate für die Bewerbungen, dass die Hochschulzugangsberechtigung berechtigt ist. 

Und nach dem Studienkolleg? Wenn es gut läuft, ist es so weit: Hörsäle, Seminare und Exkursionen. Wenn es schlecht läuft, muss man theoretisch wieder zurück in sein Heimatland. Die Motivation ist bei der Mehrheit aber grenzenlos: „Die meisten wollen schon in Deutschland bleiben und legen sich ins Zeug. Außer vielleicht einige zukünftige Verkehrsingenieure aus Indonesien, die wollen nach dem Studium wieder zurück nach Jakarta und das Verkehrschaos dort beheben“, sagt Alexander.    

Die Arbeitssuche: „Irgendwann hast du nur noch eine Woche, die dein ganzes Leben entscheidet“

Eine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland ist für Studierende nur dann gültig, wenn eine Immatrikulation an einer deutschen Hochschule besteht. Diese Bedingung wird sogar im Pass vermerkt. Sobald die Exmatrikulation erfolgt – ob wegen Abbruch oder Abschluss des Studiums – wird die Aufenthaltserlaubnis automatisch ungültig. Zu diesem Zeitpunkt muss eine Aufenthaltserlaubnis zur Vorbereitung der Ausreise beantragt werden. Woraufhin die Betroffenen wenige Wochen Zeit haben, um ihre Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik aufzulösen.

Es gibt aber auch eine zweite Option, die das Gesetz vorsieht: eine berufliche Perspektive in Deutschland. Die Einjahresregelung ist für die meisten AbsolventInnen mit nicht-EU-Pass Hoffnung und Fluch zugleich. Hoffnung, weil sie ganz legal die Möglichkeit einräumt, einer Arbeit in Deutschland nachzugehen. Fluch, weil der seelische und finanzielle Druck, innerhalb eines Jahres einen „dem Abschluss angemessenen Arbeitsplatz“ zu finden, enorm ist. Der Zeitpunkt des Hochschulabschluss wird somit auch zum Startschuss für die Arbeitssuche, wie bei allen Studierenden mag man meinen: aber anders als bei inländischen AbsolventInnen haben die ausländischen diplomierten NeuakademikerInnen wenig Unterstützung und tatsächlich nur ein Jahr, das laut vielen schnell vorbei geht, zu schnell.

Maria (Name geändert) bleiben nur noch 4 Monate. Schwer liegt die Ausländerbehörde in der betonierten Landschaft am Friedrich-Krause-Ufer des Berlin-Spandauer Schifffahrtskanals. Der penetrante und dichte Nebel an diesem Donnerstagmorgen durchnässt die Menschen, ohne dass sie es gleich merken. Instinktiv schützen alle ihre Dokumente und Papiere vor der tückischen Nässe, so als würden sie ihre Identität schützen, auch wenn sie immer wieder einen letzten prüfenden Blick darauf riskieren. Maria ist im Kopf noch bei ihrer Sachbearbeiterin als sie gedankenverloren durch das massive Tor hinausschlendert und von einem dumpfen Geräusch geweckt wird: ein kleines Heft mit der Aufschrift „Georgia Passport“ hebt sie mindestens so schnell wieder auf, wie die Schwerkraft ihren Pass zu Boden gezogen hat. Trotz der kurzen Aufregung, lässt sie sich nur spärlich auf ein Gespräch ein, aber nach einigen zögerlichen Blicken kommt sie wieder zurück und berichtet. Im letzten Semester hat Maria ihr BWL-Studium mit einer 1,6 abgeschlossen: „Dafür, dass ich am Anfang wirklich schlecht Deutsch konnte, finde ich das eine sehr gute Note“, verteidigt sie prompt ihre Leistung.

Aber nun drängt die Zeit, Maria macht sich keine Sorgen mehr über Noten und Klausuren. Den Master hat sie schon in der Tasche und sucht nun fieberhaft nach Arbeit. „Am Anfang wollte ich in Berlin bleiben, aber jetzt habe ich meine Suche auf ganz Deutschland ausgeweitet“, gibt sie mittlerweile etwas souveräner Auskunft. Maria lebt schon seit 6 Jahren in Berlin und würde am liebsten ihre erste Arbeitserfahrung in Deutschland sammeln: „Sagen wir es so: ich möchte schon irgendwann mal wieder nach Georgien, aber nicht jetzt“. Der Termin heute war Routine, die Ausländerbehörde möchte regelmäßig die Bemühungen um einen Arbeitsplatz nachgewiesen haben. Bewerbungen und Absagen werden in der Akte vermerkt, dann dürfen die Arbeitssuchenden wieder gehen. „Diese Sache mit dem einen Jahr finde ich gut, aber das ist wirklich schlimm, weil ich so unter Druck stehe“, seufzt Maria und kramt als Abschiedssignal eine Zigarettenschachtel aus ihrer Tasche. Der Tag sei für sie sowieso schon gelaufen. Sie möchte nur noch in ihrem Briefkasten nachschauen, ob dort das erlösende „Herzlich willkommen bei…“ auf sie wartet und hastet mit einem Satz und einer platten selbstgedrehten Zigarette im Mund zur U-Bahn: „Irgendwann hast du nur noch eine Woche, die dein ganzes Leben entscheidet. Ich hoffe, dass es bei mir nie so weit kommt“.

Und nicht nur Maria fällt an diesem Tag in die Kategorie der internationalen AbsolventInnen Berliner Hochschulen, die in Deutschland eine Arbeit aufnehmen möchten und ein Praktikum nach dem anderen absolvieren: Hauptsache nicht den Anschein aufkommen lassen, dass man faul ist. Trotz ihrer Vielzahl verlassen die meisten schnell und sichtlich betrübt den Ort. Einer ruft auf eine Interviewanfrage: „Bitte nicht. Ich habe gerade schlechte Nachrichten bekommen“ und beschleunigt seine Schritte verschämt, vielleicht wegen seiner feuchten Augen und seiner zittrigen Stimme. Es funktioniert bei vielen HochschulabsolventInnen nicht auf Anhieb mit dem Arbeitsplatz, aber für die ausländischen unter ihnen ist es halt existenzbedrohlicher.

Die rechtlichen Rahmenbedingungen zur Arbeitssuche für diese Gruppe sind vage und nicht klar definiert. Prinzipiell muss die Bundesagentur für Arbeit der Beschäftigung zustimmen, bevor es zur Ausstellung der Aufenthaltserlaubnis in die Ausländerbehörde geht. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ist allerdings bevollmächtigt einige Berufsgruppen davon zu befreien. Sie brauchen demnach nicht das OK der Bundesagentur für Arbeit und können somit die Aufenthaltserlaubnis bei Arbeitsaufnahme direkt beantragen. Die Befreiung soll vor allem ein Signal setzen: Sie sind besonders willkommen. Und besonders willkommen sind WissenschaftlerInnen und eben auch Hochqualifizierte. Qualifikation wird hier jedenfalls an der „überdurchschnittlichen Gehaltshöhe“ gemessen (vgl. hierzu Beschäftigungsverordnung § 3 und dessen Begründung.  Allerdings wird auch ein Auge zugedrückt, wenn „ein besonderes wirtschaftliches, wissenschaftliches und gesellschaftliches Interesse, insbesondere auch zur Stärkung und zur Förderung des Wissenschafts- und Forschungsstandortes besteht.“ (Verordnungsbegründung Beschäftigungsverordnung § 3). Wer wann welches Auge zudrückt, ist aber nicht festgelegt. Im Endeffekt liegt es also im Ermessen der SachbearbeiterIn in der Ausländerbehörde den Sachverhalt am konkreten Fall zu prüfen und zu entscheiden.

So bekommen wir nicht die Besten der Besten

Nachwuchs in Wissenschaft, Wirtschaft und Kulturszene in Deutschland wird rar. Der kann zur Ergänzung des deutschen Beschäftigungsmarktes einsatzfertig aus dem Ausland importiert werden. So viele Auslandsdeutsche und willige EU-BürgerInnen gibt es aber nicht, und deswegen läuft der Wettbewerb um lernfreudige und kreative Menschen weltweit. Die internationalen Studierenden an unseren Hochschulen müssten somit in Deutschland bleiben dürfen, wenn sie wollen und einen Arbeitsplatz finden. Aber vor allem die rechtliche Prozedur muss so gestaltet werden, dass wir diese Leute nicht abschrecken, dass sie nicht bei kritischen Übergängen, an die deutsche Hochschule und wieder aus ihr heraus, bangen müssen.

Alexander spricht perfekt Deutsch, kennt mittlerweile Integralrechnungen und sollte endlich mit dem Entwerfen von schicker Kleidung beginnen. Maria ist hochqualifiziert, potenzielle Beitragszahlerin in die deutschen Sozialsysteme und sollte mehr Zeit und Unterstützung für die Arbeitssuche bekommen. Es sollten klare, transparente aber auch wohlwollende Regeln gelten, die vor allem im Einzelfall flexibel sind. Und weil es vielen in unserer Gesellschaft nun mal besonders wichtig ist: Diese Regulierungen dürfen gleichzeitig keine Willkür und Anarchie in der Einwanderung erzeugen. Aber eins ist klar, mit dem jetzigen Verfahren bekommen wir nie die Besten der Besten, die gehen schnell woandershin. Dort, wo sie nicht nur im Willkommensbrief der Gemeinde maschinell begrüßt werden. Somit ist Deutschland noch weit davon entfernt, ein attraktives Land im Sinne eines internationalen Hochschul-, Wissenschafts-, Kultur- und Wirtschaftsstandorts zu sein.

Februar 2011
 

Bild entfernt.

Mohamed Amjahid ist 22 Jahre alt. Er ist Stipendiat im Medienprogramm der Heinrich-Böll-Stiftung und studiert Politikwissenschaften an der Freien Universität Berlin.