von Ingrid Papies-Winkler
Das Leben in der Großstadt lässt Kindern im Alltag oft nur geringen Gestaltungsspielraum. Das zeigt sich besonders in Stadtteilen mit besonderer sozialer Belastung und es trifft vor allem Kinder aus sozial benachteiligten Familien – oftmals mit Migrationshintergrund –, die zudem mit gesundheitsfördernden Maßnahmen nur schwer zu erreichen sind.
Mit dem 1997 vom Kinder- und Jugendbüro Marzahn in Berlin entwickelten Projekt „Kiezdetektive“ hat das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg 1999 – als Kooperationsprojekt im Rahmen des Gesunde-Städte-Netzwerks und der Lokalen Agenda 21 – begonnen, den Beweis anzutreten, dass die Mädchen und Jungen aus sozial benachteiligten Familien und Stadtteilen sehr wohl bereit sind, sich konstruktiv mit der Wohn- und Lebenssituation in ihrem Kiez auseinanderzusetzen und auch in der Lage sind, ihre Interessen erfolgreich gegenüber Politik und Verwaltung zu vertreten. Beim Vergleich der Bezirke im Berliner Sozialstrukturatlas rangiert Friedrichshain -Kreuzberg auf dem letzten Platz. Nirgendwo sonst in der Hauptstadt gibt es so wenige Grünflächen und so viele Arbeitslose.
Logo des Projekts
Beinahe 40 % der Familien mit Kindern – Alleinerziehende eingeschlossen – leben unterhalb der Armutsgrenze. Hiervon sind auch insbesondere Familien mit Migrationshintergrund betroffen. Und auch dies zeigt die Sozialstatistik: Wer arm ist, hat ein doppelt so hohes Krankheitsrisiko und eine um bis zu 10 Jahre geringere Lebenserwartung als BürgerInnen mit höherem Einkommen, wie z. B. im Bezirk Zehlendorf.
Trotz niedrigstem Sozialindex Berlins, verfügt der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg jedoch auch über wertvolle Ressourcen wie eine reiche Projektelandschaft, einer Vielfalt von Kulturen, lebendige nachbarschaftliche Kiezstrukturen, gute Modelle von Stadtplanung und -entwicklung, engagierte BezirkspolitikerInnen und eine lange Tradition der Bürgerbeteiligung.
Hier setzt auch das Projekt zur Kinderbeteiligung „Kiezdetektive“ an. Kinder sollen als ExpertInnen in eigener Sache in Planungs- und Entscheidungsprozesse zur nachhaltigen gesunden Stadtentwicklung und -gestaltung eingebunden werden. Sie erkunden als „Kiezdetektive“ ihr Lebens- und Wohnumfeld, ermitteln Probleme, aber auch Schätze, dokumentieren diese in Form einer Ausstellung und präsentieren die Ergebnisse auf einer Kinderversammlung den verantwortlichen PolitikerInnen, die mit ihren Verwaltungen, freien Trägern und gemeinsam mit den Kindern aufgefordert sind, die Probleme zu bearbeiten. Nach ca. sechs Monaten werden auf einer Folgeversammlung die Umsetzungsergebnisse nachgefragt bzw. präsentiert.
Die Ergebnisse der Kiezerkundungen, werden in bezirkliche Planungs- und Entscheidungsprozesse einbezogen. Die Kinderbeteiligung ist als langfristiges Projekt angelegt. Das Projekt wurde wissenschaftlich begleitet vom Wissenschaftszentrum Berlin und Gesundheit Berlin e.V. mit Unterstützung des Bundesministeriums für Forschung.
Ziel des Projektes
Aspekte, die in dem Projekt besonderes Gewicht haben sind: Gesunde-Städte-Netzwerk, Kinderbeteiligung, Gesundheitsförderung mit sozial benachteiligten Kindern mit Migrationshintergrund, Empowerment, Partizipation, Förderung von individuellen und sozialen Kompetenzen.
Ziel des Projektes ist es, Kinder zu befähigen, ihre Lebensumwelt selbstständig zu erforschen, sie zu verstehen und zu hinterfragen. Sie sollen lernen, dass es auch auf sie ankommt – dass sie aktiv ihre Umwelt mit gestalten und verändern können (Empowerment, Ressourcenstärkung). Die Kinder werden an die Politik herangeführt und für gesundheits- und umweltbezogene Fragestellungen sensibilisiert. Sie erfahren dadurch, dass gesunde Wohnbedingungen und ein gesundes Wohnumfeld wichtige Voraussetzungen für das persönliche Wohlbefinden sind. Die Erkenntnis, selbst Einfluss zu nehmen und Veränderungen herbeiführen zu können, stärkt das Selbstbewusstsein der Kinder und ihre Fähigkeit, eigenverantwortlich zu handeln. Das Projekt „Kiezdetektive“ zielt somit auf das Erleben demokratischen Handelns ab und stellt demzufolge einen umfassenden Ansatz zur Gesundheitsförderung dar. Insbesondere in problembelasteten Stadtgebieten – oft mit hohem Migrantenanteil – können durch dieses Projekt Kinder erreicht sowie für gesundheitliche und soziale Belange aktiviert werden.
Zielgruppe
Die Zielgruppe des Projektes sind 6- bis 14-jährige Kinder, vor allem aus sozial benachteiligten Familien und Stadtteilen. Neben den beteiligten Kindergruppen mit ihren jeweiligen LehrerInnen, ErzieherInnen und SozialpädagogInnen sind häufig auch Schulstationen aktiv in die Projektdurchführung eingebunden. Weitere Kooperationspartner sind Gesundheit Berlin e.V., Nachbarschaftseinrichtungen, „Quartiersmanager“ im Rahmen des Programms Soziale Stadt, Gesundheits-, Kinder- und Jugendprojekte freier Träger sowie ehrenamtliche BegleiterInnen.
Als Kiezdetektive unterwegs
Bisher haben sich ca. 700 Kinder aus 7 Kindertagesstätten, 14 Schulen und 2 Freizeiteinrichtungen beteiligt. Sie waren überwiegend in den Quartiersgebieten des Programms Soziale Stadt unterwegs, weil dort der größte Entwicklungsbedarf gesehen wird und die Kinder zur Verbesserung der Lebensqualität beitragen können. Ca. 80 % der beteiligten Kinder haben einen Migrationshintergrund, bei der Stadtteilbegehung im Mai 2004 mit der Nürtingen-Grundschule lag der Anteil der beteiligten SchülerInnen nichtdeutscher Herkunftssprache bei 100 %.
Herkunftssprachen der Kinder am Beispiel der Nürtingen-Grundschule
Um das Projekt Kiezdetektive erfolgreich durchzuführen müssen, folgende Voraussetzungen gegeben sein:
- Die kontinuierliche Betreuung des Projekts durch eine verantwortliche Projektkoordination. Dazu gehört die Kontaktaufnahme mit den beteiligten Einrichtungen, die Durchführung eines Einführungsworkshops mit den Kindern und den Begleitpersonen, Begleitung der Kiezerkundungen, Vorbereitung der Ausstellung und Kinderversammlung sowie die Ergebniskontrolle, Dokumentation und Evaluation.
- Die Bereitschaft der Politik, Kinder als wichtige PartnerInnen in Partizipationsprozesse einzubinden.
- Eine personelle Kontinuität der PolitikerInnen, um Vertrauen bei den Kindern aufbauen zu können und Verantwortlichkeit zu zeigen.
- Der Wille und die Zuverlässigkeit von Politik und Verwaltung beim Umsetzen von Ergebnissen.
- Eine intensive Öffentlichkeitsarbeit, die die Einbeziehung weiterer Kinder und BewohnerInnen sowie die Diskussion über mögliche Veränderungen befördert.
Kiezerkundungen und Ausstellung
Bei den Kiezerkundungen erforschen die Kinder, ausgerüstet mit Fotoapparaten, Notizheften, Kiezdetektiv-Stirnbändern und -ausweisen ihr unmittelbares Wohnumfeld auf Probleme und Schattenseiten, Dinge, Menschen und Situation, durch die sie sich belästigt,gestört oder gefährdet fühlen, wie z. B. Müll in Form von gebrauchten Spritzen, Autobatterien, Hundehaufen, Zigarettenkippen, aber auch sexistische „Anmache“ und rasende AutofahrerInnen oder Spielplätze in schlechtem Zustand. Die kritischen Beweisstücke werden fotografiert und in Form eines „Denkzettels“ dokumentiert zur Übergabe an die verantwortlichen PolitikerInnen.
Aber auch Schätze werden aufgespürt und dokumentiert, wie z. B. eine Milchbar als Treffpunkt, der freundliche Gemüsehändler, gelungene Wandbilder oder die Apotheke als Informationsquelle. Die Ergebnisse der Kiezbegehungen werden zeitnah im Unterricht, Projektkursen oder Gruppenarbeit ausgewertet und das Material wird zu einer Ausstellung aufbereitet, die der Öffentlichkeit präsentiert wird.
Kinderversammlung und Folgeversammlung
Die Kinderversammlung stellt als Instrument demokratischer, anwaltschaftlicher Praxis einen Kernpunkt des Projektes dar. Die Kinder haben die Möglichkeit, ihre Interessen und Probleme aktiv einzubringen, mit PolitikerInnen zu diskutieren sowie Ergebnisse und Veränderungen einzufordern. Dieser Prozess soll zur Stärkung der persönlichen Kompetenzen der Kinder, des Empowerments, der Übernahme von Verantwortung und demokratischem Handeln beitragen.
An der Kinderversammlung nehmen regelmäßig der Bürgermeister, die DezernentInnen für Gesundheit, Soziales und Beschäftigung, Jugend, Familie und Schule, Stadtentwicklung und Umwelt, Finanzen und Sport, Wirtschaft und Bürgerdienste und die Bezirksverordneten-Vorsteherin als oberste bezirklich politische Repräsentantin teil. Eine ressortübergreifende Kooperation ist somit gewährleistet.
Politik und Verwaltung sind aufgefordert, die dokumentierten Probleme, Vorschläge und Forderungen zu bearbeiten. Nach 6 Monaten kontrollieren die Mädchen und Jungen im Rahmen einer Folgeversammlung, ob die zugesagten Umsetzungen auch tatsächlich realisiert wurden.
Umsetzungsmaßnahmen
Die Erfahrungen der ersten Projektdurchläufe und deren Auswertung machten deutlich, dass eine stärkere Einbindung der Kinder in die Umsetzung von Ergebnissen sinnvoll ist, um die Projektziele,
- den Lebensraum näher kennenzulernen,
- die Lebenswelt aktiv mitzugestalten,
- Verantwortung zu übernehmen,
- demokratisches Handeln zu erleben und zu fördern,
noch nachhaltiger umzusetzen.
So wurden die Kiezdetektive des Durchlaufs aus der Nürtingen-Grundschule in ein anschließendes Planning-for-Real-Verfahren im Rahmen des Programms Soziale Stadt einbezogen. Sie bauten ein Modell ihres Stadtteils, in das die Ergebnisse der Kiezbegehung integriert wurden. Das Modell wird öffentlich ausgestellt und diskutiert. Die BewohnerInnen konnten weitere Vorschläge zu Veränderungen einbringen. Die Kinder wurden an den weiteren Planungen beteiligt.
Ergebnisse
Die Liste ihrer Beanstandungen ist lang: rasende Autofahrer, fehlende Zebrastreifen, rostige Spielgeräte, Hundekot und Taubendreck, Zigarettenkippen im Sandkasten und gebrauchte Spritzen auf der Wiese im Park, ausrangierte Autobatterien und zersplitterte Bierflaschen auf dem Bürgersteig, defekte Straßenlaternen, die allgegenwärtigen Graffitis („beschmierte Wände“), Eltern, die ihre Kinder schlagen.
Auf der Liste der „Schätze“ stehen u. a. ein freundlicher Gemüseladenbesitzer, der Kinderbauernhof im Görlitzer Park, Freunde in der Schule, die Schule insgesamt, die vielen verschiedenen Kulturen, Blumen, Grünanlagen und Eisdielen. Durch den aktiven Einsatz der Kiezdetektive konnten mittlerweile eine Reihe der identifizierten Probleme behoben werden. Hier einige Beispiele:
- Im Durchlauf 1999/2000 wurden von den Kiezdetektiven der Kita „Schlesische Straße“ (Hort) die Verwahrlosung der Grünfläche sowie die Zäune zwischen den Grundstücken Kita Schlesische Straße, dem Mädchenprojekt „Rabia e.V.“ und der Seniorenfreizeitstätte Falckensteinstraße kritisiert. Die Kinder hatten die Vorstellung, dass man die Fläche zu gemeinsamen Aktivitäten nutzen könne. Darüber hinaus bemängelten sie die fehlende Kommunikation mit den Senioren. Es fanden mehrere Begehungen in der Kita und der Seniorenfreizeitstätte statt, bei denen die Älteren den Jüngeren aus ihrem Leben erzählten und gemeinsame Mahlzeiten einnahmen. Der Bürgermeister veranlasste, dass der bezirkliche Koordinator für das Programm Soziale Stadt und das Quartiersmanagement in Zusammenarbeit mit den Jugendlichen des Mädchenprojekts „Rabia e.V.“, den älteren Menschen der Seniorenfreizeitstätte und den Kindern des Hortes ein Konzept zur Gestaltung der Freifläche entwickelt. Die finanziellen Mittel stellte das Quartiersmanagement zur Verfügung. Inzwischen ist das Gelände zur gemeinsamen Nutzung umgestaltet.
- Eine Mädchengruppe der Lenau-Schule ist auf dem Schulweg von Jungen des „Velo-Fit-Fahrradladen-Projektes“ immer wieder belästigt worden. Als Reaktion darauf wurden unter der Moderation einer Mitarbeiterin des „Fachteams Kinderschutz“ des Bezirksamtes Friedrichshain-Kreuzberg Gespräche mit beiden Gruppen geführt. Thematisiert wurde nicht nur der aktuelle Konflikt, sondern auch Grundsätzliches zur Kommunikation und zum Verhältnis Mädchen/Jungen. Abschließend wurde die Mädchengruppe von der Fahrradgruppe zum Essen und zur Vorstellung ihrer Arbeit eingeladen.
- Die Kiezdetektive des Schülerladens „Klein und stark“ bemängelten den Spielplatz der „Kurt-Held-Schule“. Die Abteilung Bildung, Verwaltung und Organisation reagierte, indem sie zunächst mitteilte, dass die Haushaltslage eine Erneuerung nicht zulässt, dafür aber innerhalb einer laufenden Baumaßnahme in der Umgebung der Schule neue Spielfreiflächen entstehen. Inzwischen wurde die Baumaßnahme realisiert.
- Ein Fußball-Verbot im Mendelsson-Batholdy-Park wurde aufgehoben, ein neuer Bolzplatz wurde eingerichtet.
- Eine islamische Grundschule, die seit langem auf zugesagte Spielgeräte wartete, bekam die Zusicherung, dass diese direkt nach Aufhebung der Haushaltssperre geliefert werden sollten.
- Die Kinder der Fichtelgebirge-Grundschule fühlten sich bei ihrer Kiezbegehung 2008 von den Drogendealern und Drogenkonsumenten im Görlitzer Park und auf einem Spielplatz belästigt, zu dem gibt es dort viele Betrunkene, die die Kinder ansprechen. Diese Situation stellt für alle AnwohnerInnen und NutzerInnen eine besondere Belastung dar. Der Bürgermeister hat aus diesem Grund die KlassensprecherInnen aus den Schulen zu einem Extra-Gespräch eingeladen, um sich – aus deren Sicht – über die Situation und mögliche Lösungsvorschläge zu informieren. Zusätzlich wurde eine BürgerInnenversammlung abgehalten. Ein gemeinsames Konzept wird zzt. erarbeitet, um die Drogen-, Kriminalitäts- und Müllprobleme anzugehen. Alle Beteiligten werden unterstützt vom Quartiersmanagement des Programms Soziale Stadt und einem ABM-Projekt „Die Grashüpfer“. Ordnungsamt und Polizei machen verstärkt Kontrollen.
- Die SchülerInnen der Galilei-Grundschule haben ihre Erfahrungen aus dem Projekt Kiezdetektive in ein Zeitungsprojekt mit der „Berliner Zeitung“ eingebracht und vertieft und in einem Sonderdruck veröffentlicht.
- Von den Kindern der Otto-Wels-Grundschule wurden u. a. der Hundekot und der viele Müll in den Grünanlagen bemängelt. Durch hartnäckiges Nachhaken auf der Kinderversammlung wurden vom Ordnungsamt vermehrt Behälter für Tüten installiert. Müll und Schmierereien wurden inzwischen beseitigt. Die SchülerInnenn selbst hatten Plakate angefertigt in verschiedenen Sprachen, auf denen sie die Hundebesitzer aufforderten, sich verantwortlich zu verhalten. Hierfür wurden sie vom Kinderkanal als „Helden“ gewürdigt.
Nachhaltigkeit und Übertragbarkeit
Das Projekt Kiezdetektive wird regelmäßig einmal jährlich mit ca. 60 Kindern im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg durchgeführt.
Durch die Koordination im Rahmen des Gesunde-Städte-Netzwerks sind die Verbindlichkeit und Kontinuität sowie Vernetzung mit anderen bezirklichen AkteurInnen und Angeboten gewährleistet. Durch die Auswahl der Schulen in Stadtteilen mit besonderem Entwicklungsbedarf können sozial benachteiligte Kinder mit Migrationshintergrund aktiviert werden.
Die Übertragbarkeit auch auf andere Städte und Regionen ist erwünscht und wird vom BKK-Bundesverband unterstützt. Wichtig ist, dass eine Person verbindlich die Koordination des Projektes übernimmt, sowie interessierte und engagierte PolitikerInnen, die Kinder als wichtige PartnerInnen sehen. Mit dem Konzept Kiezdetektive ist ein Instrument geschaffen, durch das junge Menschen in schwierigen sozialen Situationen über Partizipationsmöglichkeiten demokratisches Handeln erlernen können, durch das sie in ihren persönlichen Kompetenzen gestärkt werden und mit dem sie, nicht zuletzt, ihr alltägliches Umfeld im Hinblick auf eine gesündere Umwelt verändern können. Und dafür gibt es Bedarf in beinahe jeder deutschen Stadt.
Schwierigkeiten und Hürden
Bei nahezu jeder Begehung wurden als Probleme Verschmutzung, Hundekot und die Drogenszene (Spritzen in Parks und auf Spielplätzen) identifiziert. Gerade für die vermeintlich „geringfügigen“ Probleme (Graffitis und Hundekot) konnten bislang keine dauerhaften Lösungen gefunden werden. Am Kottbusser Tor, einem Brennpunkt der Berliner Drogenszene, gibt es zurzeit heftige Diskussionen zwischen AnwohnerInnen, Betroffenen, ExpertInnen und Politik, um eine langfristige Lösung der Probleme im Interesse aller zu finden.
Dokumentation und Evaluation
Alle Durchläufe der Kiezdetektive werden dokumentiert. Hierbei werden Alter der Kinder, Geschlecht, Herkunftssprache der Eltern sowie alle Ergebnisse der Kiezerkundungen wie Probleme, Schätze und Umsetzungsmaßnahmen erfasst.
Mit dem Wissenschaftszentrum Berlin wurde 2007 eine partizipative Evaluationsmethode für das Projekt entwickelt. Nach der 2. Kinderversammlung werden mit einigen Kindern der beteiligten Klassen moderierte Fokusgruppen durchgeführt mit folgenden Leitfragen:
- Was bedeutet für Dich eine Gesunde Stadt?
- Sind Dir Dinge in Deinem Kiez aufgefallen, die Du vorher nicht gesehen hast?
- Konntest Du zu Veränderungen beitragen?
- Fühlst Du Dich für Deinen Kiez jetzt mehr verantwortlich?
- Hast Du das Gefühl, von den PolitikerInnen ernstgenommen worden zu sein?
- Was hat Dir an den „Kiezdetektiven“ gar nicht gefallen?
- Was hat Dir besonders gut gefallen?
Die – erfreulich positiven – Ergebnisse der Befragungen liegen als Dokumentation vor.
Finanzierung
Das Projekt hat keine Regel- oder Projektfinanzierung. Durch das Engagement aller Beteiligten konnte das Projekt in der Vergangenheit erfolgreich umgesetzt werden. Einzelne Durchläufe wurden unterstützt von verschiedenen Kooperationspartnern wie Landesarbeitsgemeinschaft Gesundheit Berlin e.V., Gemeindedolmetschdienst, AWO-Begegnungszentrum, Stadtteilmanagement Mariannenplatz, MUT.
Eine finanzielle Unterstützung erhielt das Projekt vom BKK – Bundesverband, dem Bundesministerium für Gesundheit im Rahmen des APUG-Programms, dem Beauftragten für Integration und Migration des Berliner Senats, der Berufsgenossenschaft für Gesundheit und Wohlfahrtspflege, der Bertelsmann Stiftung im Rahmen des Deutschen Präventionspreises 2007 sowie der Konrad-Adenauer-Stiftung.
Das Projekt erhielt im Juni 2000 den Gesunde-Städte-Preis der Bundesrepublik Deutschland, 2007 den Anerkennungspreis des Deutschen Präventionspreises und den Preis der Konrad-Adenauer-Stiftung „Qualitätsoffensive für Familien in Städten und Gemeinden 2008/2009“.
Wirksamkeit
Der Projektansatz zeigt Kindern in sozial schwierigen Lebensumständen, dass sie aktiv ihr Lebensumfeld mit gestalten und verändern können. Sie werden dabei sowohl an die Politik herangeführt, als auch für gesundheits- und umweltbezogene Fragestellungen sensibilisiert. Kinder entdecken ihren unmittelbaren Lebensraum und identifizieren Faktoren, die die Gesundheit fördern oder schädigen. So werden sie befähigt, durch Kommunikation mit der lokalen Politikebene Veränderung zu initiieren und ihr Umfeld aktiv zu gestalten. Sie haben offensichtlich Spaß daran, sich zu engagieren und sind stolz, ernst genommen zu werden.
April 2009
Ingrid Papies-Winker ist Politologin und Sozialpädagogin. Sie arbeitet als Koordinatorin Gesundheitsförderung des Bezirksamtes Friedrichshain-Kreuzberg, ist Vorstands- mitglied der LAG und Sprecherin des AK "Migration, Integration und Gesundheit".